Entscheidungen und Projekte – einmalig und doch immer wieder gleich

Fragen

Die Inspiration zu diesem Artikel habe ich durch das neue Buch von Chip & Dan Heath “Decisive” (s.u.) erhalten. Einer der Grundgedanken darin ist, dass auch Entscheidungen einem geordneten Prozess folgen sollten. Zwar sind Entscheidungen ähnlich wie Projekte aus der inhaltlichen Perspektive immer wieder anders und einmalig, trotzdem kann in beiden Fällen der zugrundeliegende Prozess standardisiert werden. Entscheidend dabei ist nicht, welcher Prozess verwendet wird (im Projektmanagement gibt es hier Unterschiede entsprechend der betreffenden Projektmanagement-Schule: PMI – Project Management Institute, IPMA – International Project Management Association, PRINCE2 – Projects in Controlled Environments) sondern, dass überhaupt ein (vor Beginn) definierter Prozess verwendet wird.

Bezogen auf den Entscheidungsprozess stellen die Autoren vier Schritte vor, die sie WRAP-Rahmen nennen. WRAP ist dabei ein Akronym, das sich aus den vier Schritten bildet. Im Deutschen entsprechen die vier Schritte den folgenden:

W
  • erweitern Sie Ihre Optionen (Widen your options)
R
  • unterwerfen Sie Ihre Annahmen einem Realitätstest (Reality-test your assumptions)
A
  • erlangen Sie etwas Distanz vor der Entscheidung (Attain some distance before deciding)
P
  • bereiten Sie sich auf einen Irrtum vor (Prepare to be wrong)

Mit etwas Fantasie und Kreativität lassen sich diese Schritte auf die Projektphasen der IPMA (Initiierung, Defintion, Planung, Durchführung, Abschluss) abbilden. Auf diesem Weg kann durch beide Prozesse vom jeweils anderen noch etwas gelernt und der Horizont erweitert werden.

Erweitern Sie Ihre Optionen – ist ein wichtiger Bestandteil der Projektinitiierung und der Projektdefinition. Dort wird Klarheit über die Projektergebnisse und die davon abgeleiteten Projektziele erlangt. Im Projektmanagement wie auch bei Entscheidungen können vergangene Prozessdurchläufe wichtige Einsichten bieten, um mehr Sicherheit im Ergebnis zu erreichen. Oft entsteht auch durch die Kombination von Optionen eine breitere Entscheidungsgrundlage.

Unterwerfen Sie Ihre Annahmen einem Realitätstest – Dieser Schritt lässt sich in der Projektdefinition und -planung auf die Umfeld-, Stakeholder- und Risiko-Analyse abbilden. In beiden Prozessen ist es wichtig, die Annahmen kritisch zu hinterfragen. Das kann bspw. auch durch Personen geschehen, die abweichende Meinungen haben. Ein Punkt bei dem Diversität im Team und eine Außensicht definitiv Vorteile hat und die eigene Betriebsblindheit vermeidet.

Erlangen Sie etwas Distanz vor der Entscheidung – Wenn die Entscheidung an sich im Projekt mit der Durchführung gleichgesetzt wird, entspricht die Distanz der Planungsphase. Die Planungsphase ist wichtig, um sich nicht gleich in einem “Durchwursteln” zu verlieren. Im einfachsten Fall kann es ein “mal drüber schlafen” sein, ebenso können Perspektivwechsel wertvolle Distanz bieten. In beiden Fällen kann auch der Blick in die (weite) Zukunft neue Einsichten liefern.

Bereiten Sie sich auf einen Irrtum vor – Letztlich ist die gesamt Durchführungsphase eines Projekts davon geprägt, dass laufend geprüft wird, ob die aktuelle Realität aufgrund von äußeren und inneren Einflüssen noch der Planung entspricht. Unter Projektmanagern gibt es hier den geflügelten Spruch “Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum”. Verschiedene Generäle (v. Moltke, Rommel, Patton) drückten es ähnlich aus: “Kein Plan überlebt den ersten Feindkontakt”. Entsprechend der Einflüsse wird die Planung für die weitere Durchführungsphase angepasst. Auf Entscheidungen übertragen, kann das bedeuten, dass Entscheidungen korrigiert oder zurückgenommen werden. Vordefinierte Reißleinen sind dabei gute Anlässe dafür und vermeiden, dass Entscheidungen verschleppt werden.

Bei aller Vorsicht und Behutsamkeit in der Vorgehensweise zur Entscheidungsfindung (und möglicherweise resultierenden Verzögerungen) beachten Sie aber, dass auch keine Entscheidung eine Entscheidung ist – nämlich der Erhalt des bestehenden Zustands. Sie können also nicht nicht entscheiden!

Frage: Wo haben Sie in der Vergangenheit Entscheidungen eher aus dem Bauch heraus getroffen? Welche Auswirkungen wären durch einen bewussteren Entscheidungsprozess vermeidbar gewesen? Wo hatten Nicht-Entscheidungen dann auch (unerwünschte) Folgen?


Literaturhinweis

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