Zur Standortbestimmung gehört auch die Betrachtung des Umfelds einer Situation. Bei aller Selbstbetrachtung ist auch zu berücksichtigen, dass die Betrachtung eines Systems aus der Perspektive eines Teil des Systems nie das vollständige Bild ergeben kann. Dieser Aspekt wird schnell verständlich, wenn wir an den fallenden Apfel in einem fahrenden Zug denken. Welche unterschiedlichen Möglichkeiten sich da ergeben können, wird klar, wenn wir uns in die verschiedenen Komponenten hinein versetzen. Aus der Sicht des Apfels ergibt sich ein ganz anderes Bild wie für den Beobachter des Apfels im Abteil oder für einen Beobachter entlang der Eisenbahnstrecke.
Ähnlich verhält es sich auch beim Kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Für Beteiligte in einem Prozessschritt ergibt sich ein anderes Bild wie für den Beobachter des Gesamtsprozesses oder einen Beteiligten an den Prozessschnittstellen. Wie beim Apfelmodell kann man aber nicht sagen, das ein Beobachter alleine für sich die ultimative Wahrheit oder Objektivität in Anspruch nehmen kann. Gleiches gilt auch für den KVP. Erst die Kombination der unterschiedlichen Sichten ergeben die Chance auf ein möglichst vollständiges Bild. Ich spreche hier bewusst nur von der Chance auf ein möglichst vollständiges Bild. In meinem Weltbild kann es die ultimative Wahrheit nicht geben. Zum einen stellt sich immer die Frage nach der Vollständigkeit und zum anderen unterliegt unsere Wahrnehmung als Basis für Erkenntnis immer auch unserer subjektiven Bewertung.
Die Tatsache der latenten Unvollständigkeit ist auch der Grund, warum im KVP oft mit interdisziplinären Teams gearbeitet wird und selbst bei Verbesserungsthemen, die vermeintlich nur eine Person betreffen, in der Toyota Kata und deren Bestandteilen Verbesserungs- und Coaching-Kata immer eine zweite Person in einer Coaching-Rolle zur Seite steht. Unter Coaching sollten hierbei jedoch nicht stundenlange Sitzungen verstanden werden, sondern oft nur wenige Minuten am Tag, die sich an der aktuellen Situation, dem angestrebten Ziel und dem nächsten Schritt dorthin orientieren. Ebenso wenig sollten diese kurzen regelmäßige Gespräche das andere Extrem von Mikromanagement einnehmen. Letztlich sind sie einfach nur die Chance den eigenen Erkenntnishorizont auszudehnen.
Ein Teil des Erkenntnisprozesses besteht auch darin, die unterschiedlichen Dimensionen zusammenzuführen. Sie erstrecken sich von den Unternehmenszielen (u.U. sogar darüber hinaus, wenn das Unternehmen seine gesellschaftliche Verantwortung ernstnimmt) bis zu den abgeleiteten Zielen der Arbeitsgruppe und des einzelnen Mitarbeiters.
Auch das Ausmaß der Veränderung durch die Erkenntnis kann sich in verschiedenen Größenordnungen bewegen. Die Erkenntnis und die Veränderung muss nicht notwendigerweise den Umfang eines Damaskuserlebnis haben. Beim KVP und dessen Einführung selbst gilt diese Regel jedoch nicht. Ein bisschen KVP geht ebenso wenig wie ein bisschen schwanger. Und im Unterschied zur Schwangerschaft hat er nicht mal ein Ende!
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Grundvoraussetzung für den KVP die Erkenntnis ist, noch nicht dort zu sein, wo man (mit dem Unternehmen) sein will.
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