Den Begriff „Wanderung“ habe ich bei dieser Fragestellung von dem Konzept „Management by Wandering Around“ (MbWA) abgeleitet, das Tom Peters 1982 in seinem Buch „In Search of Excellence“ definiert hat. Dort wird darunter eine Management-Praxis verstanden, bei der Mitglieder der Geschäftsleitung regelmäßig auch in den Werkshallen und Büros erscheinen, um sich ein eigenes Bild von den Abläufen, Problemen und Herausforderungen vor Ort zu machen, statt sich auf Berichte zu verlassen, die unter Umständen durch die Hände mehreren Führungsebenen gegangen sind und dadurch verdichtet wurden.
Diese Praxis ist grundsätzlich wertvoll, erzielt aber die größten Effekte dann, wenn sie von allen Führungskräften verfolgt wird, speziell aus der mittleren Führungsebene. Im Lean Management gibt es für diesen Führungsstil ebenfalls spezielle Ansätze, die MbWA noch stärker institutionalisieren und auch darüber hinausgehen. Durch die japanische Herkunft sind die Begriffe „Gemba“ (vor Ort) und „Genchi Genbutsu“ (geh' hin und sieh') geprägt worden. Die jeweilige Führungskraft nimmt dabei die stärker aktiv unterstützende Rolle eines Coaches ein, indem durch gezielte und routinierte Fragen Verbesserungen angeregt aber auch eingefordert werden.
Diese Coach-Coachee-Paarung durchdringt dabei alle Führungsebenen, von der Geschäftsleitung bis zum den Teamleitern vor Ort. Die Fragen orientieren sich bei Verbesserungsthemen an der Coaching-Kata, wie von sie Mike Rother in seinem Buch Toyota Kata vorgestellt wird.
Bei Projektmanagement-Themen können sich die Fragen auf den folgende Bereiche beziehen
- auf den Projektfortschritt, nicht in dem Druck aufgebaut sondern Unterstützung angeboten wird.
- auf Hürden, die außerhalb des Projektes entstanden sind. Beispielsweise durch Stakeholder, die außerhalb des Einflussbereichs des Projektleiters liegt.
- allgemeine Formen der Unterstützung, bspw. „Wie kann ich Sie mit meinen Möglichkeiten am besten unterstützen? Welche Form der Unterstützung bringt Sie und das Projekt am stärksten voran?“
Ehrlich gemeinte Fragen und Unterstützungsangebote, die dann natürlich auch einlöst werden müssen, bringen die Mitarbeiter und Führungskräfte am besten voran und öffnen sie im kleinen beginnend auch für zukünftige und größere Probleme, die dann proaktiv gemeldet (nicht aufwärts delegiert) werden.
– Johann Wolfgang von Goethe
Ein häufiger Einwand gegen diese Praxis ist der notwendige Zeitbedarf. Dem möchte ich entgegnen, dass (in meinem Weltbild) der Kontinuierliche Verbesserungsprozess und die dafür notwendigen Aktivitäten ein wichtiger Bestandteil der Führungsverantwortung und eine Führungsaufgabe ist. Dazu gehört dann auch, immer auf Ballhöhe zu sein und die Mitarbeiter und Führungskräfte vor Ort mit den geeigneten Fragen zu unterstützen. Durch den direkten und unmittelbaren Informationsfluss entstehen andererseits auch Einsparungseffekte, die den erstmal scheinbaren Mehraufwand kompensieren.
Dort die Begleitung der Mitarbeiter in deren Arbeitsumgebung entsteht auch ein ganz anderes Maß von Vertrauen und Verständnis über die verschiedenen Führungsebenen hinweg wie das durch Führung aus dem Elfenbeinturm (sprich' der Führungsetage) heraus möglich wäre. Angemessenes Interesse und Unterstützung darf dabei nicht als Mikromanagement verstanden werden. Eine offene und ehrliche Kommunikation über die beiderseitigen Bedürfnisse, Erwartungen und Möglichkeiten ist der erste Schritt, um kulturelle Veränderungen anzustoßen. Dadurch entsteht aus einem Gegeneinander oder Nebeneinanderher ein Miteinander.
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