Der Kontinuierliche Verbesserungsprozess mit all seinen Prinzipien, Methoden und Werkzeugen kann nicht eins zu eins von einem Unternehmen auf ein anderes verpflanzt werden, ohne Anpassungen vorzunehmen. Hier spielen verschiedene Randbedingungen wie Branche, Leistungsspektrum, Organisationsform, Unternehmenskultur wichtige Rollen, um nur einige Aspekte des Kontextes zu nennen.
Allen Unternehmen gemeinsam sollte ein bestimmtes Basisverständnis sein, ohne das ein KVP nicht funktionieren wird. Dazu gehört beispielsweise das tiefe Verständnis durch alle Unternehmensebenen, dass ein KVP absolut notwendig ist. Das mag sich vielleicht trivial anhören, ist aber leider bei weitem nicht immer der Fall. Das Verständnis der Notwendigkeit des KVP darf dabei nicht nur der ISO9001 entspringen und ein lästiges Übel darstellen.
Dieses Basisverständnis wird vor allem durch die Unternehmensleitung repräsentiert. Ich kann es nicht genug betonen, dass sich die Unternehmensleitung mit Haut und Haaren dem KVP verschreiben muss. Diese Einstellung muss sich sowohl durch das Wort als auch konsistente Taten repräsentieren. Der kleinste Zweifel hat hier die gravierendsten Auswirkungen. Über den wirtschaftlichen Aspekt hatte ich im letzten Artikel etwas geschrieben.
Ein weiteres Grundverständnis sollte gelebte Kundenorientierung sein, die sich in einem kontinuierlichen Bestreben ausdrücken sollte, die Flusseffizienz zu steigern, ohne dabei die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens außer Acht zu lassen. Dieses Grundverständnis kommt in der Vision zum Ausdruck, die das Unternehmen als Ganzes und im speziellen für die Kundenorientierung hat. Wie bei der Unterstützung durch die Unternehmensleitung gilt auch hier, dass es keine halben Sachen gibt. Ein bisschen schwanger oder vegetarisch geht dabei nicht.
Beide Aspekte haben dann in der Folge direkte Auswirkungen auf die Unternehmenskultur. Wichtig ist dabei das Verständnis, dass es sich um notwendige, allerdings nicht um allein ausreichende Voraussetzungen handelt. D.h. für eine KVP-förderliche Unternehmenskultur sind noch weitere Voraussetzungen notwendig, die ebenfalls zum Kontext gehören, in dem der Kontinuierliche Verbesserungsprozess gedeihen kann.
– Savielly Tartakower (Schachmeister)
Ein Teil der förderlichen Kultur ist die Fehlerkultur, in der Fehler – speziell bei Verbesserungsbemühungen – als willkommene Lernchancen betrachtet werden, die der Weiterentwicklung dienen. Auch dabei kommt dem Verhalten von Unternehmensleitung und Führungskräften eine Vorbildfunktion zu.
Weitere kontextuelle Gemeinsamkeiten treten zu Tage, wenn die Wirkmechanismen hinter Methoden und Werkzeugen reflektiert werden. Dann sind die 5S/5A nicht einfach nur Aufräumaktionen und die sieben Verschwendungsarten lassen sich auch aus der Produktion auf indirekte Bereiche und das tägliche (Arbeits-)leben übertragen (bspw. 5S/5A in der Produktentwicklung).
Um Lernerfahrungen aus anderen Unternehmen und Branchen in das eigene Unternehmen und den eigenen Kontext zu übertragen, ist es wertvoll, einen Austausch über Unternehmensgrenzen hinweg zu pflegen und dadurch neues Wissen in die eigene Organisation zu bringen (man kann zwar aus Fehlern lernen, aber man muss nicht jeden Fehler selbst machen ;-)
In größeren Unternehmen ist dieser Transfer auch innerhalb der Organisation möglich und nötig, weil die Vielfalt hier in verschiedenen Bereichen aber auch die interne Abgrenzung besteht.
Der in meinen Augen wichtigste Aspekt bei der KVP-Einführung bzw. dem Erfahrungstransfer ist die Kommunikation mit den Beteiligten und Betroffenen (zu beurteilen auch aus deren Perspektive). Das gilt sowohl für die Kommunikation des WAS und WIE (auf der Ebene der Themen, Methoden und Werkzeuge) als auch und mindestens genauso wichtig des WARUM (auf der Ebene der Philosophie, der Kultur, der Vision und der Ziele).
Ein wichtiges Transferbeispiel ist das Lean Startup Konzept. Hier werden Lean-Prinzipien auf den Kontext der Unternehmensgründung angewendet. Dabei fällt mir allerdings auf, dass nicht wenige Anwender überhaupt keine Kenntnis mehr der originalen Lean Gedanken mehr haben und deshalb m.E. sehr viel Potenzial verschenken. Hier kann der Kontextwechsel deshalb negative Auswirkungen haben, weil dabei Know-how verloren geht bzw. nicht mittransferiert wird.
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