In ihrem Buch stellt Oettingen einen Prozess in vier Schritten vor, der sich im englischen Original an dem Akronym WOOP orientiert (Wish/Wunsch – Outcome/Ergebnis – Obstacle/Hindernis – Plan/Plan). Ich denke bei jedem Lean-Fan bzw. Freak wird bei der Zahl 4 sofort der PDCA-Zyklus im Geist auftauchen und bzgl. neuerer Erkenntnisse auch die vier Schritte der Verbesserungs-Kata.
WOOP gleicht jedoch jetzt nicht dem PDCA-Zyklus als Ganzem, sondern schlüsselt nur den ersten Schritt „Plan“ etwas weiter auf. Dass das grundsätzlich angebracht ist, wird schon durch verschiedene Aspekte deutlich. Bspw. in der Tatsache, dass in einem A3-Report zur Problemlösung 50 % des Blattes für die Plan-Phase belegt ist. Ein weiteres Indiz ist auch der anteilig höhere Zeitbedarf der im gesamten PDCA-Zyklus für die Plan-Phase aufgewendet wird.
Wenn zwei Konzepte miteinander verglichen werden sollen, ist der erste einfache Schritt die Gegenüberstellung der einzelnen Bestandteile.
Wish/Wunsch
In der erste Phase stecken Bestandteile, die so auch ziemlich 1-zu-1 auf die Vision der Verbesserungs-Kata abgebildet werden können. Letztlich ist der Wunsch ähnlich wie die Vision noch relativ unspezifisch bzw. unter Umständen auch unerreichbar. In beiden Modellen ist dann entscheidend, dass es nicht bei idealisierten Vorstellung bleibt, die im Fall der Toyota-Kata einerseits zur Entmutigung führen könnte oder im Fall der Wunschphantasien die Zielerreichung vorwegnehmen würde und dadurch die Energie und Motivation ebenfalls schwächen. Im Detail sind es also unterschiedliche Wirkmechanismen, die aber zum gleichen, unerwünschten Ergebnis führen.
Outcome/Ergebnis
Die zweite Phase im WOOP-Prozess beinhaltet dann Elemente aus dem dritten Schritt Ziel-Zustand der Verbesserungs-Kata. Beide Konzepte beschreiben in dieser Phase sehr konkrete Ergebnisse, die angestrebt werden und sich jeweils aus der ersten, noch vagen Phase ableiten. Im WOOP-Prozess wird dabei betont, dass die Methode auch dafür sorgt, dass völlig unrealistische Ergebnisse angestrebt werden und stattdessen automatisch, tw. unbewusst auf realistische – im Sinne von grundsätzlich machbaren Alternativen umgeschwenkt wird. Bei der Verbesserungs-Kata wird dagegen die Wichtigkeit des unbekannten Wegs unterstrichen.
– Heinrich von Kleist
Obstacle/Hindernis
Die dritte Phase des WOOP-Prozesses ist auch das zentrale Element der Coaching-Kata. In beiden Fällen geht es darum, sich die Hürden und Hindernisse auf dem Weg zum Ergebnis bzw. Ziel-Zustand bewusst zu machen, um dann auch aktiv daran zu arbeiten. Durch die Bewusstmachung der Herausforderungen steigt die persönliche Energie, diese Herausforderungen dann auch anzunehmen. In wie weit die Vorgehensweise der Coaching-Kata, speziell im dritten Schritt, auf bewusst gemachten Erkenntnissen beruht, ist derzeit noch unklar, weil die Coaching-Kata selbst nur Mike Rothers Modell der Realität bei Toyota ist und dort vermutlich so gar nicht im Bewusstsein ist und noch unwahrscheinlicher auf vergleichbaren Untersuchungen basiert, wie Gabriele Oettingen sie in ihrem Buch sehr umfangreich beschreibt.
Plan
Die letzte Phase im WOOP-Prozess ist gleichzeitig der Einstieg in den vierten Schritt der Verbesserungs-Kata, die PDCA-Zyklen auf dem Weg zur Erreichung des nächsten Ziel-Zustand.
Dabei ist die Bezeichnung Plan beim WOOP-Prozess etwas irreführend, denn es nur um eine vordefinierte Routine, wie die Hindernisse überwunden werden können. Der Grundgedanke ist dabei, dass die Hindernisse in erster Linie mentaler Natur sind. Mit Plan wird dabei eine Routine definiert (vorgeplant), wie (automatische) Reaktionen der Form „Wenn-Dann“ ablaufen sollen, wenn ein Hindernis auftritt, das damit überwunden oder vermieden vermieden werden kann. Diese vordefinierte Abfolge bzw. Routine nimmt quasi die Rolle der Führungskräfte ein, die mittels der Coaching-Kata ebenfalls eine Routine (die Verbesserungs-Kata) installieren will.
Auch wenn sich keine 1-zu-1-Abbildung der jeweils vier Schritte/Phasen von WOOP-Prozess, Verbesserungs-Kata und PDCA-Zyklus ergibt, zeigt die hohe Ähnlichkeit der drei Konzepte die Vergleichbarkeit der drei Ansätze und die damit demonstrierte Wertigkeit der drei Ansätze und die Chancen zur gegenseitigen Befruchtung. Ein beiden Fällen spielt die Routine (Kata) eine große Rolle, auch wenn das beim WOOP-Prozess nicht so deutlich ausgedrückt wird, sondern eher zwischen den Zeilen herausgelesen werden kann. Eine weitere Gemeinsamkeit ist die inhaltsfreie Vorgehensweise, das heißt, die Methoden können in völlig unterschiedlichen Szenarien mit unterschiedlichen Ausprägungen der zu erreichenden Ziel. Bei der Toyota-Kata betont Rother auch besonders, dass es sich um keine Problemlösungsmethode handelt. Beim WOOP-Prozess ist letztlich das gleiche der Fall, auch wenn die Autorin das nicht so deutlich ausdrückt.
Wenn Sie sich die ganze Zeit gefragt haben, wie der Begriff „Kontrast“ in den Titel des Artikels gelangt ist, will ich dieses Rätsel jetzt auflösen.
Die Autorin spricht von Kontrast, wenn sie den Wunsch bzw. die Träume und das angestrebte Ergbnis den Hindernissen gegenüberstellt und die Überwindung der Hindernisse als zentrales Element ihres WOOP-Prozesse heraushebt, wie dies auch in der Coaching-Kata zum Ausdruck kommt und gleichzeitig auch den Kontrast zu bloßem positiven Denken „normaler“ Erfolgsstrategien darstellt. Die Kernaussage in ihrem Buch benennt und belegt positive, aber realistische Erwartungen und bewussten Umgang mit Hindernissen als erfolgversprechender als naiv-positive Zukunftsphantasien. Gleichzeitig dürfen wir aber nicht vergessen, dass die Untersuchungen der Autorin nur auf statistischer Korrelation beruht (sie sagt das auch in ihrem Buch) und keine kausalen Zusammenhänge darstellen. Trotzdem machen die Erkenntnisse und die beschriebenen umfassenden, wissenschaftlichen Versuche der Autorin auf mich einen sehr glaubwürdigen Eindruck.
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