Im letzten Artikel ging es darum, dass der KVP keine Frage des Wissens ist, sondern u.a. eine Frage des Lernens. Da liegt die nächste Frage nach dem Lernen natürlich schon auf Zunge bzw. juckt in den Fingern. Sie können sich aber vermutlich gut vorstellen, dass es auch dabei einige Dinge zu bedenken gilt. Bei dem Lernen, das mir im Zusammenhang mit dem Kontinuierlichen Verbesserungsprozess besonders relevant erscheint, geht es nicht um das Lernen, wie wir es alle aus der Schule kennen.
Es geht also nicht (nur) darum, sich bestehendes Wissen anzueignen. Natürlich ist es hilfreich, die klassischen Lean- und Verbesserungswerkzeuge zu kennen und zu können (zu beherrschen). Das ist aber mehr eine Frage des Handwerks. Durch bloßes Anwenden der Werkzeuge entstehen nicht die Verbesserungen, die eine Situation wirklich zum Besseren verändern. Im KVP geht es immer darum, wirkliche Veränderungen anzuregen, die sich von der aktuellen Situation unterscheiden. Dieser Unterschied impliziert auch, dass die neue Situation zu Beginn noch unbekannt ist. Wären sie bekannt, könnte man sie „eigentlich“ nicht in die Kategorie Veränderung einordnen.
Anders ausgedrückt, heißt das auch, dass durch einen Rückblick (was klassisches Schullernen nämlich ist) keine Vorhersage in die Zukunft gemacht werden kann. Dazu möchte ich eine kleine Geschichte weitergeben, die mir irgendwann mal begegnet ist.
Stellen Sie sich vor, Sie wachen eines Tages in einem Garten auf. Sie laufen etwas herum und nehmen hier und da etwas zum Essen mit. Dann kommt ein großes Wesen auf Sie zu. Sie erschrecken erstmal fast zu Tode und rennen davon. Das Wesen läuft Ihnen aber gar nicht nach, sondern verteilt nur noch ein paar Leckereien im Garten und geht wieder. Davon, dass es richtig gute Leckereien sind, vergewissern Sie sich dann. Am nächsten Tag und den folgenden Tagen passiert das gleiche Spiel. So geht das die ersten zehn, hundert, zweihundert Tage. Sie haben sich an das Wesen gewöhnt, ja Sie freuen sich schon, wenn es kommt und rennen schon lange nicht mehr davon. Irgendwann kommt das Wesen wieder einmal und Sie rennen schon aufgeregt zwischen seinen Beinen umher. Da packt Sie das Wesen plötzlich am Hals und drückt zu. Ihr letzter Gedanke, bevor Ihnen die Sinne schwinden, ist die Frage, was denn jetzt los ist und was Sie falsch gemacht haben.
Es ist der Tag vor Sankt Martin und Sie sind, nein, Sie waren eine Gans.
– Platon
Was will ich mit dieser Geschichte ausdrücken? Durch den Rückblick und was Sie dabei gelernt haben (dass zweibeinige Wesen Futter bringen), lässt sich leider die Zukunft nicht vorhersagen. Das gilt für die Wirtschaft, Veränderung von Märkten, Technologien, Umgebungsbedingungen generell und für die Notwendigkeit sich durch kontinuierliche Verbesserungsbestrebungen diesen Veränderungen anzupassen und sie sogar zu antizipieren erst recht.
Lernen hat also auch etwas damit zu tun, den Status Quo laufend zu hinterfragen, negative Beweise zu finden und Theorien zu widerlegen. Nur durch die Bereitschaft Fehler zu machen, können sich neue Erkenntnisse ergeben. Hätten Sie vorher schon gewusst, wie ein Experiment endet, wäre dieses Resultat ja nichts mehr Neues.
In diesem Zusammenhang sind dann auch Mitarbeiter wertvoll, die durch scheinbar provozierende Fragen und Anmerkungen, Ideen und Neuerung in Frage und auf die Probe stellen. An den Ja-Sagern werden Sie keine Verbesserungen testen können. Wenn die neue Idee die kritischen Fragen und Tests bestanden hat, können Sie deutlich sicherer sein, dass sie etwas gutes gefunden haben, als nach hundert Anläufen, in denen nur nach der Bestätigung der Theorie gesucht wurde. Nur weil es hundert mal gut ging, haben Sie immer noch keine Gewähr für das nächste Mal. Deshalb wird bei Risikomanagement-Methoden wie der FMEA nach Fehlermöglichkeiten gesucht, um diese dann aktiv zu entdecken und zu vermeiden. Deshalb ist eine Methode wie Poka Yoke so erfolgreich, weil immer nach dem Schlimmsten gesucht wird. Machen Sie sich aber trotzdem klar, dass zwar jeder gefundene Fehler eine willkommene Lernchance ist, aber keine Gewähr dafür, dass es nicht noch weitere Fehlermöglichkeiten gibt.
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