Manchem Leser wird der Titel des Beitrags möglicherweise wie ein extremer Widerspruch erscheinen. Verschwendungen bzw. die Suche danach spielt im Kontinuierlichen Verbesserungsprozess sicherlich eine zentrale Rolle. Die folgende Reduzierung der Verschwendungen sind dabei aber nur Mittel zum Zweck, also eine Aktivität, vielleicht noch ein Teil des Ergebnisses aber nicht das Ziel der Bestrebungen. Wenn sich die Aktivitäten nur auf die Reduzierung der Verschwendungen als Ergebnis reduzieren, wird es früher oder später zur Verlangsamung und zum Stillstand der Verbesserungen kommen, weil der Fokus sich nur auf den Mangel konzentriert hat und dieser irgendwann vermeintlich behoben wurde. Spätestens, wenn die Ernte der reifen Verschwendungsfrüchte eingefahren ist und man vor dem abgeernteten Feld steht, wird sich Frage stellen, was danach kommt.
Der Gedanke zur Überschrift des Artikel kam mir beim Betrachten eines Vortrags von Mike Rother (47 min, s.u.). Er unterstreicht dort unter anderem deutlich, dass die Suche nach Verschwendungen weder ein zielgerichteter Vorgang ist, noch eine wissenschaftliche Basis hat. Während der zweite Punkt der fehlenden wissenschaftlichen Basis in vielen Fällen für die meisten Adressaten (bspw. Produktionsleiter in kleinen oder mittelständischen Betrieben) nicht wirklich relevant sein wird, hat der erste Punkt der fehlenden zielgerichteten Vorgehensweise deutlich mehr Relevanz. Im übertragenen Sinn gleicht die Suche nach Verschwendungen dem Aufstellen von Mausefallen, während die Anschaffung einer Katze die Mäuseplage eher an der Wurzel packt.
Anderes ausgedrückt, orientiert sich die Frage nach den Verschwendungen an der Frage, was getan werden kann. Diese Frage basiert also auf aktuell vorhandenen Fähigkeiten in der aktuellen Situation. Mit dieser Frage entsteht typischerweise kein neues Wissen und die aktuelle Situation wird sich nicht grundlegend verändern, in der Regel auch nicht nachhaltig. Mike Rother legt dann in seinem Vortrag dar, dass die bessere Frage (wie sie bei Toyota gestellt wird) sich daran ausrichtet, was getan werden muss. Diese Frage setzt zwingend ein Ziel voraus, an dessen Erreichung sich die Aktivitäten orientieren. Dabei ist es dann wichtig, dass das Ziel weit genug vom Ist-Zustand entfernt ist und jenseits des Wissenshorizont liegt, was dann auch bedeutet, dass der Weg zum Ziel-Zustand unbekannt ist.
Dabei handelt es sich dann automatisch um eine wissenschaftliche Vorgehensweise, was ich persönlich aber nicht argumentativ erwähnen würde.
– Werner Heisenberg
In seinem Vortrag geht Mike Rother dann auch noch darauf ein, welche Streiche der menschliche Verstand und vorhandene Routinen und Erfahrungen den Beteiligten an Verbesserungen noch spielen und sie von echter Suche danach abhalten können, weil vorschnell unter Umständen falsche Schlussfolgerungen gezogen werden und deshalb die Suche nach möglicherweise tieferliegenden Ursachen unterbleibt. Das ist dann auch der Grund, warum, warum manchmal langsam/später besser ist als schnell/früher.
Das Nachteil dieser vorschnellen und falschen Schlussfolgerungen besteht nun nicht nur darin, dass sie falsch sind, sie kosten auch unnötige Energie, wenn sie auch noch verteidigt werden, da ja niemand Fehler zugibt – oft genug, weil eine Fehlerkultur vorherrscht, in der Fehler nicht willkommen sind.
Rothers Schlussfolgerung aus diesem speziellen Routinemechanismus ist dann auch, dass eine Routine notwendig ist, die genau diese vorschnellen Schlussfolgerungen verhindert. Was dann wiederum beweist, dass Routine, die bewusst geschaffen wird, sehr positive Aspekte hat.
Die Routine, die diese Routine schafft, ist die Verbesserungs-Kata und die sie unterstützende Coaching-Kata. Diese wird optimalerweise von den Führungskräften an die Mitarbeiter weitergegeben, weil hier die Einflussdichte viel höher ist, als von externen Beratern, denen nur kürzere Einflusszeiträume zur Verfügung stehen. In diesen Zeiten sollten der Fokus also darauf liegen, die Führungskräfte selbst zu Coaches auszubilden, um auf diesem Weg den notwendigen und wirksameren Multiplikationseffekt zu erzielen.
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