Soziales Faulenzen im KVP

Der Begriff des sozialen Faulenzens geht auf den Ringelmann-Effekt und auf die Versuche von 1882-1887 des französichen Agraringenieur Maximilian Ringelmann zurück (die Versuche zählen als die ersten sozialpsychologischen Experimente). Erst nach fast einem Jahrhundert (1974) konnten durch weitere Versuche Koordinationsverluste als Ursache ausgeschlossen und als Ursache Motivationsverluste identifiziert werden (die genauen Auslöser sind jedoch auch heute immer noch unklar).

Deshalb wird der Effekt bzgl. den Motivationsaspekten heute auch mit sozialem Faulenzen umschrieben. Soziales Faulenzen tritt dann auf, wenn die Anstrengungen der Einzelnen in einer Gruppe zurückgehen. Besonders bemerkenswert ist, dass die Leistungsfähigkeit bzw. -bereitschaft bei einfachen Aufgaben sinkt, bei schwierigen Aufgaben dagegen steigt. Ebenso ist der Effekt bei Männern (sorry, Guys) und in westlichen Kulturen stärker verbreitet, bei Frauen und in östlichen Kulturen dagegen schwächer. Der Effekt kann schon in der Vorbereitung einer Aktivität auftreten und er hängt primär davon ab, ob die individuelle Leistung sichtbar wird oder nicht. D.h. er tritt vermehrt beim Rudern oder Tauziehen auf, weniger dagegen beim Staffel laufen oder schwimmen. Interessanterweise ist der Effekt (und sein Pendant “soziale Erleichterung”) nicht nur beim Menschen sondern auch bei Tieren beobachtbar. So steigt bei reiner Anwesenheit von Artgenossen bei einfachen Aufgaben die Leistungsfähigkeit, während sie bei schwierigen Aufgaben sinkt.

Obwohl Aktivitäten und Maßnahmen im Umfeld des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses eher zu den schwierigen Aufgaben zählen, sollte der Effekt auch dort berücksichtigt. Um den Effekt zu vermeiden, gibt es einige bewährte Maßnahmen.

  • Teamarbeit ist zwar eine wichtige Form des modernen Arbeitslebens, trotzdem ist es mindestens genauso wichtig, die Bedeutung des Einzelnen im Team hervorzuheben. Dies kann durchaus im Zusammenhang mit der Nennung des Ringelmann-Effekts oder Sozialem Faulenzen geschehen.
  • Wenn schon die Bedeutung des Einzelnen im Team hervorgehoben wird, sollte sich das auch dadurch darstellen, dass die individuellen Beiträge in der Gruppe sichtbar werden. Das heißt jedoch nicht, dass dadurch eine künstliche und unnötige Konkurrenz im Team geschaffen wird. Insbesondere muss vermieden werden, dass Erfolge und Beiträge Einzelner zu Lasten anderer und des Teams gehen.
  • Im Zusammenhang mit der Bedeutung der Einzelbeiträge sollten dann neben den Teamzielen auch individuelle Ziele gesetzt werden, diese wiederum unter der Maßgabe, dass keine Konkurrenz und gegenseitige Behinderung entsteht.
  • Die Bedeutung des Einzelnen steigt beispielsweise auch in interdisziplinären Teams, wenn die Einzeldisziplinen jeweils nur von einer Person besetzt werden.

In Workshop-Szenarien kann es deshalb sinnvoll sein, das klassische Brain-Storming (Ideen auf Zuruf) mit Brain-Writing zu kombinieren oder dieses vorzuschalten, um ebenfalls die Ergebnisse des Einzelnen stärker herauszuarbeiten (und auch die eher stillen Personen zu Wort kommen zu lassen).

Verwandt mit dem Ringelmann-Effekt ist die mittlerweise vielfach bewiesene Tatsache, dass Geld bei mehr als einfachen bzw. rein körperlichen Aktivitäten keinen ergebnissteigernden Effekt hat (allgemein auch Motivation genannt). Sehr schön kommt das in dieser – leider englischsprachigen – Präsentation zum Ausdruck.

Diese Aspekte sollten berücksichtigt werden, wenn das betriebliche Vorschlagswesen (BVW) mit Belohnungssystemen dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) gegenübergestellt werden (BVW vs. KVP).

Was der Ringelmann-Effekt für Menschen, Tiere und Teams bedeutet, ist im übertragenen Sinn das Parkinson'sche Gesetz für Organisationen und Verwaltungen und wird in einem späteren Artikel behandelt

Frage: Wo wollten Sie schon Mitarbeiter zu Verbesserungsvorschlägen im BVW und der aktiveren Mitarbeit in Kontinuierlichen Verbesserungsprozessen motivieren und hatten nicht den gewünschten Erfolg? Welche Schlüsse ziehen Sie aus dem Ringelmann-Effekt? Welche Motivationserfolge konnten Sie erzielen?

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