Standards vs. Innovation

Am vergangen Samstag habe ich ein Leancamp besucht. Dort ging es nicht um allgemeine Lean-Themen, wie der Name vielleicht vermuten lassen könnte, sondern um Lean-Startup, d.h. den Einsatz von Lean-Methoden im Existenzgründungsumfeld. Meine Erkenntnis aus den zahlreichen Beiträgen unterstreicht die Kernaussage meines früheren Artikels, dass Prozesse und Innovation bzw. Kreativität keine Gegensätze sind, sondern am gleichen Ende des Seils ziehen.

In diesem Artikel gehe ich auf eine, wenn nicht die Grundlage des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses ein, nämlich Standards. Standards bilden den notwendigen Ausgangspunkt jeder Verbesserung. Ohne Standards ist genaugenommen gar keine Verbesserung möglich, weil die Richtung der notwendigen Veränderung gar nicht klar ist. Eine Richtung ergibt sich – auch unter mathematischen Aspekten – nur durch einen Zielpunkt und einen Ausgangspunkt.

Im Bereich der Existenzgründung geht es praktisch immer um etwas Neues – zumindest unter dem Blickwinkel Lean-Startup und der dort typischen IT-Affinität und “New Economy”. Trotzdem entsteht keine Widerspruch zwischen Innovation – im Rahmen neuer Produkte oder Geschäftsideen – und Standards mit den begleitenden Prozessen.

Standards existieren bspw. bei der Beschreibung der Geschäftsmodelle, die durch ein Business Model Canvas erfolgt (s. www.businessmodelgeneration.com). Auch wenn die Geschäftsmodelle in sich Unikate sind, unterliegt der Prozess der Beschreibung, Überprüfung und Weiterentwicklung einem strukturierten Ablauf. Ähnliches passiert dann in Teilsegmenten des Build-Measure-Learn-Zykluses (Bauen-Messen-Lernen, der dem Plan-Do-Check-Act-Zyklus des gewöhnlichen KVP entspricht).

Ein entscheidender Vorgang ist die Überprüfung der Geschäftsidee durch Kunden-Interviews. Im Gegensatz zu normalen Akquise-Gesprächen handelt es sich hierbei nicht um Kunden und deren Gewinnung, d.h. es geht nicht um den Verkauf einer Leistung an eine Person oder ein Unternehmen. In den Interviews geht es vielmehr darum, zu verstehen, welchen Nutzen der Gesprächspartner aus dem Leistungsangebot ziehen könnte, ob die potentielle Leistung ein Bedürfnis auf Kundenseite deckt (NB: diese Vorgehensweise ist natürlich auch in normalen Verkaufsgesprächen möglich). Im Unterschied zum normalen Verkaufsgespräch wird darauf geachtet, dass der Gesprächspartner in seinen Antworten nicht durch “geschickte” Fragestellungen gelenkt wird. Der Fokus liegt sehr stark darauf, vom Gesprächspartner etwas von seinen Problemen zu lernen. Im Grunde wird sogar vermieden, die Lösung darzustellen, weil diese erst im Markt getestet werden soll und die Einzelaussage eines Gesprächspartner, selbst wenn dieser die Leistung in Anspruch nehmen sollte, nicht der Fokus des Gesprächs ist. Es geht vielmehr darum etwas grundsätzlich über die Probleme und potentielle Lösungen zu lernen, ohne diese zu diesem Zeitpunkt schon am Markt anzubieten.

Fragen, die in diesem Zusammenhang gestellt werden, sind z.B.:

  • Erzählen Sie mir etwas über XYZ.
  • Wie gehen Sie derzeit mit diesem Problem um?
  • Erzählen Sie mir, was bei letzten Mal passierte, als Sie dieses Problem hatten.
  • Wieviel/was kostet Sie dieses Problem?
  • Gibt es dafür eine Lösung?
  • Mit wem sollte ich noch sprechen?
  • Gibt es noch etwas, von dem Sie denken, dass ich es Sie hätte fragen sollen?

In diesem Artikel geht es jetzt aber nicht um das Gespräch und seinen Inhalt, sondern um die standardisierte Form der Fragestellung und die Einbettung in den Gesamtprozess der Entwicklung des Geschäftsmodells und der zugehörigen Kunden. Auch an dieser Stelle wird also deutlich, dass Innovation (das neue Produkt und dessen Weiterentwicklung) und begleitende Prozesse mit den zugehörigen Standards keinen Widerspruch darstellen, sondern sich hervorragend ergänzen und sich gegenseitig in der Wirkung verstärken. Genaugenommen stellen standardisierte Prozesse eine sichere Basis dar (wieder der Ausgangspunkt), auf der die Startups und ihre Leistungsangebote sich erfolgreich entwickeln. Durch die Vermeidung von Verschwendung von Energie durch später auftretende Fehlschläge schließt sich auch wieder der Kreis zum klassischen Lean-Management.

Frage: Wo setzen Sie Standards bei der Weiterentwicklung Ihres Leistungsspektrums ein? Wie testen Sie neue Ideen auf ihre Marktfähigkeit? Welche Erkenntnisse ziehen Sie aus Kundenfeedback?


Literaturhinweise

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