Kaizen 2 go 113 : Individuelle Automatisierung


 

Inhalt der Episode

  • Was ist der Grundgedanke der individuellen Automatisierung?
  • Was war der Auslöser für die Gründung der robodev?
  • Was unterscheidet individuelle Automatisierung von klassischer Automatisierungstechnik?
  • Welche Vorteile ergeben sich daraus?
  • Wie nehmen die Betroffenen individuelle Automatisierung auf?
  • Wie gehen Sie damit um?
  • Welches Potenzial liegt in der individuellen Automatisierung für Branchen außerhalb klassischer Serienproduktion?
  • Was ist ein möglicher Einstieg, wenn man sich mit dem Thema Automatisierung beschäftigen möchte?

Notizen zur Episode


Mitmachen?

Wenn Sie selbst ein interessantes Thema für eine Episode im Umfeld von Geschäftsprozessen haben, können Sie mir das auf dieser Seite mit Vorbereitungsfragen vorschlagen.

Ich freue mich darauf!

Ihnen hat der Inhalt gefallen? Dann bewerten Sie die Episode bitte bei iTunes.
Jetzt eintragen und Artikel/Denkanstöße zukünftig per eMail erhalten.

Artikel teilen auf ...


(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 113 – Individuelle Automatisierung

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Andreas Bihlmaier, er ist Geschäftsführer der robodev GmbH, dort speziell zuständig für Softwareentwicklung. Hallo Herr Bihlmaier.

Andreas Bihlmaier: Schönen guten Abend.

Götz Müller: Schön, dass Sie dabei sind. Ich habe schon einen kurzen Satz gesagt. Sagen Sie noch ein bisschen mehr zu sich, vielleicht auch noch ein-zwei Sätze zur robodev und wir kommen dann ja weiter im Gespräch noch auf weitere Details.

Andreas Bihlmaier: Ja. Ich hatte in Karlsruhe zunächst Informatik studiert und nebenher auch noch ein Philosophiestudium abgeschlossen, bin dann auch zur Promotion am KIT geblieben, wo sich dann auch die Gelegenheit zur Ausgründung von robodev ergeben hat, zusammen mit zwei anderen Kollegen, die am selben Lehrstuhl ihre Promotion abgeschlossen haben und nach einem kurzen Intermezzo bei Google Research in Mountain View haben wir dann 2016 im April die Firma robodev gegründet.

Götz Müller: Jetzt haben wir ja einen ganz spannenden Artikel der Episode: Individuelle Automatisierung. Auf den ersten Blick hört sich das ja ein bisschen nach einem Paradoxon an und damit will ich im Grunde auch starten. Was ist der Grundgedanke? Was steckt hinter diesem Begriff?

Andreas Bihlmaier: Also wir haben uns eben viele Gedanken darüber gemacht, warum ist das Niveau der Automatisierung doch eigentlich immer noch relativ niedrig, also gegeben was für spektakuläre Systeme man manchmal sieht, also insbesondere Robotertechnik, was uns natürlich interessiert hat, warum die Breitenwirkung trotzdem immer noch relativ gering ist. Und worauf man natürlich schnell kommt ist die Problemstellung, ab wann lohnt sich denn Automatisierung? Meistens natürlich nur, wenn ich über relativ große Stückzahlen, das heißt auch einen relativ langen Produktionszeitraum, die Initialinvestitionen in Automatisierungslösungen wieder einnehmen kann. Und diese Hürde ist deutlich höher als ich ursprünglich immer erwartet hatte, also ab wie viel Investition kann ich denn überhaupt einsteigen in Automatisierung? Und das war sozusagen die Ausgangsfrage, mit der wir gestartet sind und haben uns dann eben mal angeschaut, was denn eigentlich der Grund für diese Situation ist. Weil Automatisierungslösungen sind auch heute meist sehr individuell. Also Automatisierungstechnik von der Stange, das sind höchstens solche Standardmaschinen, Metallbearbeitung, CNC-Fräsen, Drehmaschinen, Spritzgussmaschinen, aber alles sonstige an Automatisierungstechnik, insbesondere im Bereich Handhabung, Montage, Verkettung ist eigentlich immer individuell und das heißt, wir behaupten gar nicht, dass wir zum ersten Mal individuelle Automatisierungstechnik auf den Markt bringen, weil die ja von vorne herein immer sehr eng zugeschnitten ist auf das Produkt, auf die Produktionsumgebung, sondern wo wir rangehen ist eben, solche individuellen Lösungen bei einer viel geringeren Eintrittsschwelle, also zu viel geringeren Fixkosten realisieren zu können.

Götz Müller: Das möchte ich noch ein bisschen vertiefen, auch im Sinne von Auslösern, wenn Sie einfach noch ein bis zwei Beispiele machen. Massenprodukte kann sich, glaube ich, jeder vorstellen, Sie haben da ja etwas gesagt. Was waren denn so die typischen Dinge, die jetzt nicht in die Kategorie fallen, die ja dann nach meinem Verständnis der Auslöser waren?

Andreas Bihlmaier: Genau, also letztlich natürlich alle Ausgründungen, die direkt von der Hochschule kommen, haben dann auch häufig irgendein Problem aus der Forschung aufgegriffen gehabt, bevor man darüber nachgedacht hat, wo ist denn die Relevanz im Industrieumfeld beziehungsweise im wirtschaftlichen Geschehen. Und bei uns war das Problem, wir sind ja in seinem sehr angewandten Bereich. Also das Institut trägt den Titel Intelligente Prozessautomation und Robotik und dort hat man eben immer damit zu tun, egal was für ein Forschungsprojekt es ist, man braucht erstmal die grundlegende Technik, das grundlegende System, mit dem man dann die Forschungsfragen beantworten kann. Und dieses grundlegende System, was jetzt gar keine Neuheiten enthält, sondern einfach nur Stand der Technik enthält, das jedes Mal wieder zusammenzustellen, hat uns so geärgert, dass wir da Tage und Wochen verlieren, nur um eine Kamera über einen PC zu verbinden mit einem Motor und das ganze dann, ich sage mal, auf einer angenehmen Abstraktionsebene programmieren zu können oder damit Experimente fahren zu können. Und dieses Problem, das wir in der Forschung eben Sonderlösungen möglichst schnell in Betrieb nehmen wollen, zusammenstellen wollen, das war letztlich der Auslöser, dass wir gesagt haben: Dieses Problem muss es doch auch außerhalb der akademischen Forschung geben und haben dann eben relativ früh mit Produktionsverantwortlichen gesprochen, mit Planern, Werksleitern oder auch Meistern, die eben ihren Produktionsbereich zu verantworten haben und haben einfach dort mal herumgefragt: „Ja, wie ist das denn eigentlich bei euch? Ihr habt ja auch immer wieder komplett andere Anforderungen, ob jetzt Gehäuse geschraubt werden, ob jetzt irgendwelche Klebeprozesse zu automatisieren sind, Handhabung von Teilen, Bestückung von Maschinen, das ist ja extrem vielfältig. Wie handhabt ihr denn das?“ Und die Rückmeldung war dann eben vielfach, also wenn mal die Stückzahlen eine gewissen Höhe erreicht haben, dann rechnet man mal so grob durch, könnte sich eine Automatisierung lohnen, die eben häufig eben erst bei 80 000€, eher 150 000€ Gesamtkosten anfängt, und alles, wo man schon mit einer einfachen Überschlagsrechnung sieht, da komme ich gar nicht hin, dass sich das je amortisiert über die Stückzahlen, wird einfach gar nicht gemacht. Da überlegt man sich dann eben klassische Lean-Themen, wie kann ich den Materialfluss optimieren? Wie kann ich den Arbeitsplatz ergonomisch gestalten? Und so weiter. Aber da denkt man noch gar nicht an Automatisierung. Und das war für uns dann der Anstoß, zu sagen, diese Vorarbeiten, die wir für unsere eigene Forschung gemacht haben – Wie kann ich schneller Systeme zusammenstellen? – die haben tatsächlich eine wirtschaftliche Relevanz, insbesondere bei den kleineren Betrieben, aber interessanterweise auch bei den größten deutschen Produktionsunternehmen gibt es ganz viele Bereiche, die sind kaum automatisiert, weil einfach die Einstiegshürde zu hoch ist.

Götz Müller: Im Grunde höre ich da auch etwas raus, dieser, ja also, ich finde ihn zumindest gut, diesen Spruch von Tom Peters, wie entsteht Innovation? Er hat ja gesagt, Innovation entsteht nur dadurch, dass es halt jemanden ankotzt. Das ist eine Situation, die er halt so vorfindet und da ist das ja wieder ein typisches Beispiel.

Andreas Bihlmaier: Das trifft es auf jeden Fall gut.

Götz Müller: So. Jetzt nennen Sie sich robodev, Sie haben ja im Vorgespräch gesagt, dass der ein oder andere, der Ihnen begegnet ist, dann gesagt hat „Ja, und wo sind die Roboter?“, sprich, was ist dann bei Ihnen jetzt der Unterschied zu dem, was man, glaube ich, schon eben klassisch dran denkt, Automatisierung, vielleicht so eine menschenleere Fabrik, da sind dann irgendwelche Roboter am Werkeln, was unterscheidet Ihr Verständnis von Robotik, robodev, von der klassischen Automatisierungstechnik?

Andreas Bihlmaier: Genau, also das, was man üblicherweise unter einem Roboter erwarten würde, also ein Knickarmsystem, also irgendetwas, was grob so dem menschlichen Arm nachempfunden ist, irgendwo festgeschraubt, hat dann mehrere Gelenke, kann sich flexibel bewegen, das findet man meistens in unseren Kundenanwendungen nicht wieder, sondern es sieht eher aus wie, sage ich mal, klassische Sondermaschinen. Also man hat verschiedene Motoren, an verschiedenen Stellen, Linearachsen, Servo-Motoren und das ergibt insgesamt nicht ein Bild wie so ein üblicher Standardroboter oder wie so ein üblicher Industrieroboter. Warum wir uns aber dennoch robodev nennen, was für robotic devices steht, also robotische Gerätschaften. Wir behaupten also nicht, wir machen Roboter, sondern nur roboterartige Konstruktionen. Das liegt eben daran, dass wir die ganzen Themen aufgegriffen haben, die aktuell in der Robotik-Community diskutiert werden, wie kann ich einfacher programmierbare Systeme machen? Wie kann ich schneller Anwendungen realisieren? Wie kann auch auch wegkommen von der, was ich immer die blinde Automatisierung nenne hin zu Nutzung von mehr Sensoren, von Automatisierungssystemen, die sich im Zweifelsfall anpassen, wenn ein Teil mal einen Millimeter daneben liegt, dann trotzdem noch funktionieren, weil sie sich eben einfach erfassen, wo das Teil denn liegt und dann entsprechend dort greifen anstatt ins Leere. Das sind ganz viele Robotikthemen und wenn man so die Normen nimmt würden wir tatsächlich meistens drunterfallen. Also es geht immer darum, hat man freie, bewegbare Achsen, freie Bewegungsgrade, die man softwaregesteuert in Betrieb nehmen kann und das triff ja bei uns auch zu, also wenn ich mehrere unserer Bewegungsmodule nutze und die zusammenbaue, auch wenn es am Ende nicht aussieht wie ein Roboter, es hat eben auch Roboterfunktionalität, also es kann eben genauso ein Teil aufnehmen, wo anders ablegen oder drehen oder positionieren und so weiter, aber es sieht ganz anders aus. Es ist natürlich schwer, das auditiv zu vermitteln, wie es denn genau anders aussieht.

Götz Müller: Ja, das möchte ich aber, da ging mir jetzt gerade noch ein Gedanke durch den Kopf, ich denke, dieses, dass das eben so im Grunde wie ein Arm aussieht, so der klassische Roboter, was man eben so in der Vorstellung hat, hat ja vermutlich, in meiner, vielleicht auch laienhaften Vorstellung, den Grundgedanken, dass man irgendwann man halt mit einer Handarbeit etwas angefangen hat und dann liegt ja der Gedanke nahe, ich bilde halt diese menschliche Hand in irgendeiner Weise nach, die sich am Arm, am Ellbogengelenk, vielleicht noch in der Schulter, aber vor allem eben die Hand, sich bewegen kann. Jetzt haben Sie sich ja für eine andere Lösung entschieden, das würden Sie ja nicht machen, nur im Sinne von „Ah, ich mache mal etwas anderes.“ Was sind also die Vorteile, dieser nicht menschenähnlichen Robotik, um es mal so zu nennen?

Andreas Bihlmaier: Also der Grundgedanke, den Sie ja nennen, ist natürlich richtig. Gerade auch, wenn man auch solche Zweiarmsysteme sich anschaut, gibt es ja inzwischen von ein-zwei Herstellern für die Kleinteile-Montage, das sieht ja wirklich so ein bisschen menschenähnlich aus. Das ist ein Roboter, der hat dann seine zwei Arme mit Greifern dran. Da würde man auf den ersten Blick ja davon ausgehen, wenn ein Mitarbeiter sich jetzt hinsetzt, Teile nimmt und die zusammenfügt oder montiert, müsste es der Roboter ja prinzipiell auch können. Das Problem ist nur, dass man technologisch bei weitem noch nicht so weit gekommen ist. Also der Mensch mit seiner Feinfühligkeit und seinem einfach Weltverständnis, dass ich eben genau weiß, wenn ich jetzt einen Zylinderstift in irgendeine Aussparung stecken möchte und ich bekomme es nicht gerade rein, dann noddel ich sozusagen ein bisschen daran herum, bis ich den da reinbekomme oder ich schaue mal, ob ich quasi von der richtigen Seite rangehe und so weiter, und all diese, was dann in einem Augenblick passiert, während ich mit meinen beiden Händen die Teile zusammenführe, das einem Roboter zu vermitteln, ist immer noch eine sehr große Herausforderung. Also kraftgeregelte, sensitive Roboter haben große Fortschritte gemacht, aber es ist leider immer noch so weit davon weg, dass ich einfach einen zweiarmigen Roboter nehmen kann, an einen bisher manuellen Arbeitsplatz setzen und hoffen, dass irgendwas Nützliches dabei herauskommt.

Also sowohl was die Bewegungsgenauigkeiten oder die Bewegungsfeinfühligkeit angeht als auch vor allem die Wahrnehmungsseite, also wenn man sich so einen üblichen Montage-Arbeitsplatz ansieht, man hat quasi seine Fläche, auf der gearbeitet wird und die Materialbevorratung dahinter, mit ganz vielen Kunststoffboxen, Kanbanboxen und da nimmt sich der Mitarbeiter eben hier mal eine Schraube raus, dort ein Metallteil, hier einen Dichtungsring, jeder dieser Schritte wäre eine eigene komplexe Herausforderung, das mit einem Roboter hinzubekommen und wenn ich üblicherweise dann zehn-zwanzig Teile verbaue, kann man sich denken, wie aufwändig das wäre, wenn man es denn überhaupt hinbekommen würde. Und aufgrund letztlich dieser Einschränkungen, die man nach wie vor hat und das ist nicht eine Sache, die in den nächsten drei bis fünf Jahren, wahrscheinlich nicht in den nächsten zehn Jahren, gelöst wird, haben wir uns gesagt, wir gehen eher ran wie ein Maschinenbauer denn ein Roboterprogrammierer, das heißt, wir schauen uns mal an, was ist denn das Ziel des Produktionsprozesses. Wenn ich zum Beispiel zwei Gehäuseschalen habe, da muss eine Platine rein, die muss festgeclipt werden, am Ende müssen die Gehäuseschalen miteinander verschraubt werden, dann überlegen wir uns, wie kann ich den Prozess jetzt so gestalten, also eine Hardwarelösung so an den Prozess anpassen, dass mir, ich sage mal, die Gegebenheiten der Teile helfen, also dass ich zum Beispiel mit einem Teil jetzt nicht versuche, es hochpräzise auf das andere zu legen, sondern ich lege mir einfach einen Anschlagwinkel und schiebe die Teile dorthin, dann weiß ich, die sind aufeinander ausgerichtet und dann kann ich schrauben. Also das heißt, wir lösen manche Sachen wirklich in der Konstruktion, in dem Aufbau des Systems, die man in Roboteranwendungen rein über die Software zu lösen und mir als Informatiker des Unternehmens, die Mitgründer kommen aus dem Maschinenbau oder der Mechatronik, mir tut das ja immer eigentlich weh, wenn ich sage, ja, bevor ich jetzt einen komplexen Algorithmus, einen komplexes Verfahren, eine komplexe Regelungstechnik versuche anzuwenden, wie wäre es denn, wenn man hier einfach eine Halterung hat mit einer Phase, da rutscht das Teil rein und die Sache ist erledigt. Das ist also eine sehr pragmatische Vorgehensweise im Endeffekt.

Götz Müller: Da höre ich da doch aber auch ein Stück weit raus, dass ich diese Trennung zwischen Konstruktionsprozess und dann Produktionsprozess, dass da dieser Übergang verschmilzt beziehungsweise, dass ich da dann schon im Konstruktionsprozess schon darüber nachdenke, wie ich es dann hinterher auch automatisieren kann, wie ich es montieren kann.

Andreas Bihlmaier: Ja, definitiv. Also heutzutage dürften auch alle Produktionsfirmen eigentlich sich über Design for Manufacturability Gedanken machen, egal ob das automatisiert wird oder nicht, weil ich auch, wenn ich manuell Teile zusammenfüge es einfach extrem hilft, wenn ich mir bei der Konstruktion Gedanken gemacht habe, lassen die sich gut ineinanderstecken, sind dort quasi Führungen, die mir das quasi erlauben, das gut zusammenzusetzen. Also das setzen wir mal voraus, dass das Produkt ansich schon gut konstruiert wurde, aber wo ich eine größere Verschmelzung sehe, ist eher in der Frage, wie viel entwerfe ich denn vorab, in einem CRD-System oder auf Papier oder als Spezifikation von meiner Automatisierungslösung und wie viel mache ich dann wirklich vor Ort? Also, wie viel, sage ich mal, Feinjustage ist dann am Ende dennoch nötig und klassische Automatisierungslösungen sind wirklich üblicherweise, werden üblicherweise komplett durchspezifiziert, komplett durchgeplant und entweder, es funktioniert dann oder man hat eben extrem große Probleme bei der Inbetriebnahme. Bei robodev setzen wir eher darauf, ich gehe dort experimenteller vor beziehungsweise agiler, könnte man es heute auch nennen, das bedeutet, ich denke natürlich genau darüber nach, das weiterhin, aber ich gehe dann relativ schnell zu einem ersten Lösungsansatz und teste den tatsächlich in realer Umgebung mit den realen Produkten, lerne daraus, zum Beispiel, ok, das Zusammenfügen hat schon ganz gut funktioniert, aber die Materialentnahme ist schwieriger als zunächst gedacht und jetzt ist natürlich die Frage, was ich ändern kann. Kann ich das durch die Programmierung des Systems ändern? Muss ich andere Greifer verwenden oder kann ich vielleicht andere Materialbevorratung vereinfachen für das Automatisierungssystem? Und so kommt man relativ schnell in einen Prozess, wo ich direkt an der Station, also direkt an meinem Prozess, lerne, wie kann ich ihn automatisieren und das dann auch wieder sofort umsetzen kann. Und dieses schnelle Wiederumsetzen, also aus der Erfahrung „Die Materialzuführung funktioniert nicht gut“, hin zu „Ich habe sie geändert und verbessert.“, das ich dort eben innerhalb von wenigen Stunden hinkomme und nicht innerhalb von Zyklen von dann mehreren Wochen im schlimmsten Fall, weil ich dann wieder meinen externen Integrator beauftragen muss, es funktioniert nicht wie angedacht, ich muss einen engnineering change request einreichen für das Projekt und so weiter. Also diese ganzen Reibungseffekte, die im jetzigen Prozess auftreten, versuchen wird dadurch zu verringern, dass man die Hardware sehr einfach handhaben und sehr einfach anpassen kann an neue Erkenntnisse aus dem Prozess.

Götz Müller: Ja, das finde ich sehr spannend. Weil ein Grundgedanke, wenn es immer heißt agil, dann kommt ja ganz mal so die Abwehraussage „Ja, das funktioniert in der Software, aber bei uns, wenn wir irgendwas physisches Bauen, da ist das nicht so einfach möglich.“. Das heißt, die Frage, die ich da jetzt anschließend möchte, was für Reaktionen erleben Sie dann, ich nenne es mal allgemein, Betroffenen, die ja zum Teil eben jetzt hier herausgefordert werden in ihrer Arbeitsweise, was sie vielleicht seit vielen Jahren so immer gemacht haben oder eben noch nie gemacht haben?

Andreas Bihlmaier: Also wir gehören jetzt nicht zu der Kategorie von Startups die, bei jeder Rede Vorstellung erstmal „Disruption!“ rufen und behaupten, alles was bisher getan wurde, muss jetzt komplett anders gemacht werden, aber wir merken dennoch ganz klar, dass wir einige Konventionen des üblichen Ablaufs eines Automatisierungsprojektes nicht einhalten, sondern durch durch die neue Technologie sich auch einiges im Prozess ändert, und die Erfahrung ist, mit anderer Technik hat eigentlich kaum jemand Schwierigkeiten, man muss sich dann natürlich wieder neu einarbeiten und so weiter, aber das sobald sich aber am Prozess etwas ändert, am üblichen Vorgehen, wie komme ich denn von der Entscheidungsfindung über die Beauftragung, die Realisierung, Inbetriebnahme, Nutzung. Wenn jetzt plötzlich jemand kommt und sagt, ich gebe euch einen Baukasten an die Hand, mit dem könnt ihr, seid ihr selbst dafür verantwortlich, wie fein abgestimmt die Automatisierungslösung am Ende auf eurem Prozess ist, dann heißt das ja, es geht ein Stück weiter, dann gebe ich die Verantwortung nicht mehr an meinen externen Dienstleister, sondern die liegt dann bei mir intern. Und damit kommt natürlich, sage ich mal, eine gewisse Gefahr für manche, andere sehen aber natürlich auch ganz klar die Chance, dass sie jetzt ja durch mehr Expertise im Automatisierungsbereich sich auch wieder vom Wettbewerb abheben können, also dass ich mir wirklich wieder einen signifikanten Vorteil dadurch erarbeiten kann, dass mein Betriebsmittelbau- beziehungsweise generell meine interne Mannschaft in der Lage ist, für Produktionsvorgänge eine gute ein Automatisierung oder für manche Schritte vielleicht sogar eine Vollautomatisierung zu realisieren für viel niedrigere Kosten als meine Wettbewerber. Und daher, sage ich mal, ist es nicht so, dass die, also man muss immer erst mal die Berührungsangst überwinden, im Sinne von „Oh, ich soll das jetzt selbst machen oder können das meine Mitarbeiter überhaupt?“, aber sobald man das mal überwunden hat, diese Hürden, kommen plötzlich ganz viele Ideen: „Ach, jetzt habe ich ja eine Technik, die eweitert meinen Gestaltungsspielraum, meinen eigenen Gestaltungsspielraum und da sind dann doch viele sehr glücklich darüber, mit so einer Technik wieder mehr bewegen zu können in ihrer eigenen Produktion.

Götz Müller: Also man kann schon so sagen, dass die größeren Hürden jetzt nicht die Technik sind, sondern mehr unter Umständen schon jahrzehntelang organisatorische Settings, um mal einen englischen Begriff zu verwenden, also wie man sich halt aufstellet, dass man viel mit Zulieferern arbeitet, viel mit Dienstleistern und da natürlich sich eben auch organisatorisch neu aufstellen muss. Kann man in irgendeiner Form sagen, wo sind die Hürden am größten, vielleicht Personengruppen, wo ist der Widerstand am größten? Gibt es so etwas?

Andreas Bihlmaier: Also interessanterweise haben wir die Erfahrung gemacht, dass jetzt die Facharbeiter beziehungsweise Meister mit ihrer Mannschaft, also gerade aus dem Bereich Betriebsmittelbau oder bei etwas größeren Werken beziehungsweise größeren Firmen dann auch so eine Art KVP-Werkstatt, dass die sich sehr darüber freuen, weil wir stellen Roboter ja auch oft vor als die Weiterentwicklung des Montageprofils, also unsere Einzelmodule sehen ja auch äußerlich aus wie klassische Aluminium Extrusionsprofile, die ja in den letzten 20-30 Jahren sich durchgesetzt haben an vielen Stellen statt Stahlkonstruktion, die geschweißt und gebohrt werden und daran hat sich der Betriebsmittelbau gewöhnt, an diese Flexibilität, weiß sie auch zu schätzen, dass er nachträglich an Arbeitsplätzen noch Halterungen anbringen kann, Materialzuführungen optimieren, aber alles im Bereich Mechanik + Schwerkraft, also höchstens mal vielleicht noch ein Förderband, aber alle komplexeren Bewegungsabläufe oder komplexeren Zusammenhänge, die auch Sensorverarbeitung erfordern, die Motoransteuerung, positionsbasierte Bewegungen erfordern, das kann der Betriebsmittelbau heute fast nie machen, dazu muss er dann immer entweder bei den eigenen Ingenieuren sich Programmierer, Robotiker hinzuziehen oder das eben extern beauftragen und wir geben jetzt dieser Gruppe von Personen etwas an die Hand, das legen sie sich sozusagen neben die Aluprofile ins Lager und wenn dann eine Verbesserungsidee kommt, „Ja, wäre es nicht toll, wenn dieses Teil automatisch aus der Maschine genommen wird, palettiert, dann könnte ich eine Stunde am Stück den Werker an einer anderen Stelle produktiver einsetzen.“, wenn so eine Idee aufkommt, dann geht man ans Lager, holt sich die Module, fängt direkt an was zu bauen und hat dann oft nach einer Schicht schon einen proof of concept, der muss noch feinjustiert werden, das Thema natürlich Abnahme, Absicherung der Systeme, aber man kommt innerhalb von, sage ich mal, einer Woche von der Idee tatsächlich zu eine Lösung. Also diese Gruppe ist immer sehr glücklich mit dieser Lösung. Wo eher etwas Widerstand erleben ist von den Spezialisten, das heißt von den Automatisierungsingenieuren, wo manche sagen: „Ja, ich bin doch derjenige, der das Wissen hat, ich kann SPS-Programmierung, ich verstehe Verdrahtung von Schaltschränken, jetzt können das ja auch Leute, die gar keine Ahnung haben von Automatisierungstechnik, weil ihr dir das so einfach macht.“ Das ist manchmal so ein bisschen ein Thema und die andere Ebene ist so, sage ich mal, die direkt darüber die Planer, die oftmals, sage ich mal, im im Tagesgeschäft natürlich immer getrieben werden, ja, Standardplattformen zu nutzen, also man kauft eben seine Steuerung hier, seine Motion-Lösung dort und seine Pneumatik bei einem dritten, die sich dann natürlich erstmal schwer tun, wenn jetzt ein System kommt, wie eben unseres, das erstmal nicht rein passt in das bekannte Komponentenportfolio. Und da hilft es uns dann meistens, wenn wir dann eine, zwei Ebenen höher gehen, also dann zum Bereichs- oder direkt zum Werksleiter und da die Unterstützung haben „Ja, diese neue Technologie lohnt es sich jetzt erstmal zu erproben und vielleicht kann die ja für uns neues Automatisierungspotential eröffnen.“ Also, das ist so ein bisschen interessant, dass wir, wirklich mit denjenigen, die es dann am Ende umsetzen, die sind auch fast immer direkt auf unserer Seite, wenn Sie dass System kennengelernt haben, genauso wie die die Ebene von ja Bereichs-, Werksleitern und höher, die das als einfach strategischen Möglichkeit sehen, wie sie sich differenzieren können. Dazwischen tut man sich manchmal ein bisschen schwer, da muss man einfach einiges an Überzeugungsarbeit leisten.

Götz Müller: Ja, es ist ja kein neues Problem. Nicht umsonst spricht manchmal etwas provokativvon der Lehmschicht, die da dazwischensitzt manchmal. Wenn wir uns jetzt so bisschen gegen das Ende hin, wir sind schon ziemlich dicht an einer halben Stunde dran, wenn wir uns jetzt mal anschauen, und mal den Blick ein bisschen breiter setzen, ein bisschen weiten, was, wo sehen Sie noch Potenzial, vielleicht ganz andere Branchen, außerhalb von in irgendeiner klassischern Serienproduktion, diese Form der Automatisierung?

Andreas Bihlmaier: Also, es gibt, glaube ich, im aktuellen Industriemagazin einen Artikel zu, was Pop-Up-Fctories genannt wurde, also spontanen Zusammenfindung einer Produktion, das finde ich ein ganz interessantes Konzept, weil wenn man sich die Marktvolatilität anschaut, also, das heißt, wie häufig ändern sich Produktnachfragemengen, sei das jetzt Consumertechnik, sogar auch im Industriebedarf, das steigt ja, also, die Modewellen, sage ich mal, werden häufiger, zuletzt hat man es gesehen bei den berühmten Fidgetspinners, wer da drei Wochen zu spät war hat irgendwie 60% vom Volumen verpasst. Das sind ja extreme Herausforderungen an eine klassische Produktion, wo man eher in Monaten bis Jahren und vieles geht ja dort in Richtung auch Auftragsfertiger, also das ein großer Teil der Eigenproduktion gar nicht mehr die eigene Serie ist, sondern eigentlich immer eine Kleinserie und kurzfristige Serie für wiederum den Kunden, und da sehen wir einfach noch ganz viel Potenzial darin, wie man sehr schnell von 0 auf eine doch relativ produktive Arbeitsweise, also einer Produktion mit einem gewissen Automatisierungsgrad kommt und wie man dort auch wieder diese weiterentwickeln kann, also wie man diese schnell umrüsten kann, auf weitere Produkte oder komplett neugestalten sogar. Und da sehen wir einfach noch ein sehr großes langfristiges Potenzial insbesondere auch für den deutschen beziehungsweise die westlichen Hochlohnländer, weil das Thema, wie kann ich in passabler Qualität große Stückzahlen fertigen, das ist inzwischen auch in anderen Regionen der Welt wohl bekannt und ich glaube, eine Differenzierung für den europäischen Markt wird ganz stark sein, schnell auf Kundenanforderungen zu reagieren und reagieren heißt dann eben auch tatsächlich schnell lieferfähig zu sein, zu Stückpreisen, die eigentlich einer Serienproduktion entsprechen, aber in echt ist das Los nur 1000 Stück groß und diese einerseits starken Schwankungen in der Nachfrage effizient abdecken zu können und andererseits auch schnell auf neue Nachfragen am Markt reagieren zu können oder geänderte Nachfragesituationen, das wird glaube ich noch die Industrie ein gutes Stück weit transformieren, weil dann funktioniert das Konzept der Linie nicht mehr. Dann habe ich vielleicht verbundene Inseln, aber die Linie ist dann definitiv eine viel zu starke Konstruktion.

Götz Müller: Was würden Sie zum Abschluss als Tipp den Zuhörern mitgeben, wenn einer sagt „Ja, hört sich spannend an, möchte ich mich beschäftigen, was wäre ein möglicher Einstieg in das Thema?“

Andreas Bihlmaier: Also wie wir gerne vorgehen mit interessierten Unternehmen ist, dass gerne jemand von robodev auch vor Ort vorbeikommt, man schaut sich gemeinsam die Produktion an, überlegt sich dann schon mal, okay, gut, wo tut es denn gerade immer wieder besonders weh und umgekehrt wo sieht man Potenzial für so eine flexiblere Lösung und man kommt dann relativ schnell zu einem ersten Anwendungsfall und setzt den dann auch einfach mal um. Also da sind wir auch einfach ein großer Fan davon, manche Kunden verstehen das auch, andere brauchen dann doch länger, zu sagen, wir reden jetzt über einen Investmentvolumen zwischen 15 und 25 000 Euro für so eine Automatisierungslösung für ein System, bevor ich jetzt das über ein Jahr lang mir durchkalkuliere, könnte das, könnte das nicht, setze ich das lieber um, selbst wenn es sich dann herausstellt, dieser Vorgang, aus irgendwelchen Gründen, die man nicht bedacht hatte, lässt sich doch nicht wie angedacht automatisieren, kann ich das System ja einfach verwenden für meine nächste Idee, weil was ich ganz schlimm finde, gerade in einer Produktionsumgebung die lean berücksichtigt, die über kontinuierliche Verbesserung nachdenkt, wenn man dann zwar zu Ideen kommt, aber die Lösungen auf dem Papier bleiben, das frustriert alle Beteiligten und führt natürlich auch zu keiner Fortentwicklung der Produktionsumgebung. Deshalb, schnell kleine Themen angehen, umsetzen, man lernt daraus und das ist eben dieser agile Teil. Ja, es ist aufwändiger in der realen Welt etwas zu verändern als in der Virtualität, aber es heißt auch, es kostet mich nicht immer 10 oder 100.000 und dauert Wochen bis Monate, sondern wenn ich die richtige Technologie habe und auch die richtige Geisteshaltung dazu, kann ich doch kleine Experimente fahren, die nicht meine Produktion gefährden, die alle Beteiligten auch wieder mehr motivieren, drüber nachzudenken, ja, was könnte man denn verbessern, weil sie tatsächlich sehen, wen man meine gute Idee hat, dann wird sie auch umgesetzt und man hat halt eine Verbesserung erreicht. Und dieses an vielen Punkten kleine Verbesserungen realisieren, anstatt immer auf die große Lösung zu warten, das wäre etwas, was ich,
allen Interessierten auf jeden Fall mitgeben würde, nicht darauf warten, dass man jetzt den Roboter findet, der alle Probleme löst, die ich in meiner Produktion habe, der wird nicht kommen, also zumindest nicht in absehbarer Zeit, dann lieber schauen, wie kann ich mit einfachen Lösungen Probleme beheben und mich nach vorne entwickeln.

Götz Müller: Das war wieder Wasser auf meine Mühlen im Grunde und hier mal eben auch in einem ganz anderen Umfeld, wo man vielleicht sonst erwiesen haben von statischen Aspekten ausgeht und besonders spannend fand ich in unserem Gespräch eben mal wirklich diesen agilen Ansatz aus der Softwareentwicklung in die physische Tätigkeit, bis hin zur Produktion, wo ja ganz oft eben die schon angedeutet Aussage kommt: „Ja, funktioniert bei uns nicht.“ Herr Bihlmaier, ich danke Ihnen für Ihre Zeit, waren, da wiederhole ich mich immer, aber es ist immer wieder treffend, waren wieder absolut spannende Themen dabei, Aspekte dabei. Vielen Dank noch mal.

Andreas Bihlmaier: Ich danke Ihnen, Herr Müller für die Gelegenheit, das Gespräch zu führen, weil wir haben natürlich auch einen nicht nur ein gewisses Sendungsbewusstsein als als Startup-Unternehmer, sondern auch einfach das Bedürfnis mit Leuten in Kontakt zu kommen, ob sie jetzt die Ideen unterstützen oder die vor allem kritisieren wollen oder beweisen, dass es doch nicht so ist, dass es doch nicht funktioniert, alles alles davon hilft voranzukommen und von daher freue ich mich natürlich über Kontaktaufnahme und kritisches Feedback, sei es konstruktiv oder nicht.

Götz Müller: Genau. Ich werde Ihre Kontaktinformationen dann auch in die Notizen reinnehmen.

Das war die heutige Episode im Gespräch mit Andreas Bihlmaier zum Thema Individuelle Automatisierung. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 113.

Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freue ich mich über Ihre Bewertung bei iTunes. Sie geben damit auch anderen Lean-Interessierten die Chance, den Podcast zu entdecken.

Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.