Kaizen 2 go 132 : Die Kunst des Gastgebens


 

Inhalt der Episode

  • Begriffsklärung, was steckt dahinter?
  • Wie kann man als Führungskraft diese Vorgehensweise bei der Einbeziehung der Mitarbeiter nutzen?
  • Welche Vorteile hat diese Vorgehensweise?
  • Was sind typische Reaktionen der Mitarbeiter?
  • Phasen des Wandels
  • Umgang mit der Übergangsphase
  • Firmen-DNA: die beiden Elemente (Stränge)
  • Sinnkopplung im Unternehmen
  • Welche Rolle spielt der Weg zum Ergebnis (im Vergleich zum Ergebnis selbst)?
  • Wie sieht der konkrete Prozess dazu aus?

Notizen zur Episode


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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 132 – Kunst des Gastgebens

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Franziska Köppe bei mir im Gespräch. Das ist jetzt schon die zweite Episode, heute geht es eben um die Kunst des Gastgebens. Franziska Köppe beschäftigt sich mit Leben- und Arbeitswelten mit Zukunft. Hallo Franziska.

Franziska Köppe: Hallo Götz. Schön, wieder da zu sein.

Götz Müller: Ja, das freut mich. Auch wenn jetzt schon eine gewisse Zeit verstrichen ist, von der letzten Episode, sag noch mal zwei, drei Worte, hat wahrscheinlich nicht jeder die erste Episode gehört. Sag noch mal zwei, drei Worte zu dir.

Franziska Köppe: Ich bin freiberuflich tätig und unterstütze Menschen, vor allem aus kleinen und mittelständigen Firmen, bei der Transformation hin zu Lebens- und Arbeitswelten mit Zukunft. Und in dieser Rolle bin ich einmal freiberuflich tätig, aber dann auch Gastgeberin in einem großen Netzwerk von Menschen, wo ich die Leute einlade, Lebens- und Arbeitswelten aktiv zu gestalten. Da geht es einmal darum, uns gegenseitig zu informieren, zu inspirieren, über das, wo wir in unserer Reise der Erkenntnis stehen. Es geht aber auch darum, Veranstaltungen zu organisieren, sie einzuladen, zum Erfahrungsaustausch, Know-how-Transfer, wie wir in der Praxis arbeiten und ich habe mich da fokussiert auf die Menschen, die da eben schon eher die Fortgeschrittenen sind, dass die auf ihrem Niveau Gleichgesinnte finden, ihre Sachen weiterentwickeln können. Und das dritte Element unseres Netzwerks EnjoyWork ist, dass wir gemeinsam Dinge umsetzen und da bin ich oft als Moderatorin, als strategische Partnerin mit im Boot, gehe aber teilweise auch mit in die Umsetzung. Das umfasst eigentlich so ein rundes Bild von dem, wer ich bin und was ich bin.

Götz Müller: Ja, ich denke, das gibt es dann auf jeden Fall wieder, mal ein bisschen flapsig ausgedrückt, um zu vermeiden, dass der ein oder andere jetzt abspringt und sagt „Ich gebe zwar Partys, aber ansonsten, was hat das mit meinem Geschäft zu tun?“, die Kunst des Gastgebens, deshalb glaube ich, wird es sehr wertvoll sein, zum Start noch mal deutlich zu machen, was dahinter steckt und was ein Zuhörer im betrieblich-unternehmerischen Kontext jetzt davon hat, jetzt eben doch weiter zu hören.

Franziska Köppe: Genau, das ist ganz gut. Mir gefällt der Begriff der Kunst des Gastgebens, das ist eine Übersetzung, die ich gefunden habe aus dem Original, das sich nennt The Art of Hosting und ich kann das jetzt nicht in allen Details wiedergeben, aber für mich ist der Kern, so wie ich es zu meinem Eigenen gemacht habe, einmal die Menschen anzunehmen als gestaltungsfreudige, gestaltungswillige Wesen, die danach streben, ihr eigenes Potential zu entfalten und zwar nicht nur für sich persönlich, sondern auch für eine Gruppe und gleichzeitig eben auch danach streben, dass sie sich entwickeln, dass sie sich weiterbilden, dass sie ihre, ich nenne es schöpferische Kraft, entfalten und die meisten tun das auch in einer Firma gern eben in ihrem Metier, also da, wo sie gut sind. Und für mich ist die Kunst des Gastgebens, jedem diese Chance zu geben und den Rahmen als Firma als System so zu setzen, dass möglichst viel dieser schöpferischen Kraft des Menschen, ich sage mal, zur Geltung kommt und sich die Menschen einbringen können. Und das ist für mich die Kunst des Gastgebens im unternehmerischen Kontext.

Götz Müller: Ok. Wenn wir das jetzt noch ein bisschen weiter verdichten auf die Führungskraft. Wie kann die Führungskraft das nutzen, um es, und das klang ziemlich deutlich an eben, um Mitarbeiter einzubeziehen und damit wieder für alle Beteiligten einfach mehr davon zu haben, um es mal so auszudrücken?

Franziska Köppe: Wir hatten ja in der letzten Episode uns sehr intensiv mit der Frage beschäftigt, wie ist eigentlich das Weltbild und das Menschenbild, was hinter Lebens- und Arbeitswelten mit Zukunft für mich steht und nur noch mal kurz so als Schlagwort, das sind für mich zentral der Humanismus und die Aufklärung. Humanismus heißt eben, Menschen wollen und ich muss ihnen helfen, dass sie es können. Und Aufklärung heißt, ich habe auch den Anspruch an Mitarbeiter, dass wenn sie wollen, dass sie sich auch selbst einbringen, das zu tun. Und The Art of Hosting ist für mich sozusagen die Methode, die diesen Rahmen schafft und da geht es eben darum, dass man sich über die Grundhaltung, über das Menschenbild in der Firma verständigt, dass eine Firma ein lebendiges System ist und dass wir eben als … die Kunst des Gastgebens ist für mich, wie arbeiten wir zusammen, wie gestalten wir Prozesse, wie gestalten wir Beziehungen, wie gestalten wir Kommunikation untereinander … dass das gut ineinander greift und dass das stimmig immer an diesem Menschenbild, an der Aufklärung, in der Firma gemessen wird. Dann ist für mich die größte … das größte Potential über die Kunst des Gastgebens in einer Firma nachzudenken.

Götz Müller: Ja. Wird klar. Ich könnte mir jetzt vorstellen, der ein oder andere fragt sich aber noch, was habe ich davon? Also sprich, was sind die Vorteile, jetzt ganz greifbar auch, vielleicht sogar mit einem Beispiel unterlegt, wenn ich als Führungskraft so vorgehe?

Franziska Köppe: Also, ich glaube, die Führungskräfte, die für sich in Anspruch nehmen, dass sie kluge Mitarbeiter haben wollen, die ihre Intelligenz für die Firma einsetzen und nicht nur sich selbst optimieren im System und das System sozusagen ausnutzen, also die werden davon profitieren. Die zweite Gruppe an Führungskräfte, die jetzt die Ohren spitzen sollte, sind die Menschen, die sagen „Ich will nicht ständig der Held meiner Firma sein und jede Kartoffel aus dem Feuer nehmen, sondern ich will einfach, dass meine Mitarbeiter eigenständig, selbstgesteuert arbeiten und dass ich mich in der Firma nicht um alles kümmern muss, dass ich auch für mich ein Stückweit Ruhe bekomme als Führungskraft und aktiv gestalten kann. Und die dritte Gruppe sind Unternehmer, die da durchaus mal ernsthaft darüber nachdenken sollten, sind Menschen, die vielleicht am Generationswechsel sind, also Nachfolger, die sich überlegen „Wie will ich eigentlich die Firma führen? Was macht mein Vater, meine Mutter? Und wie will ich … was ist eigentlich meine eigene Vorstellung davon, wie ich mit meinen Mitarbeiten gemeinsam die Firma voranbringen will.

Götz Müller: Das finde ich jetzt einen spannenden Punkt, weil da fällt mir sofort wieder eine Situation ein, wo genau nach so einem Generationswechsel da das jetzt für die Mitarbeiter aber eine echte Herausforderung war, weil sie vorher, ich verwende da immer gerne diesen Begriff erlernte Unselbstständigkeit und zwar nicht selbst erlernt, weil sie das lernen wollten, sondern weil ihnen das von außen jemand mehr oder weniger aktiv beigebracht hat. Da war das für die eine echte Herausforderung, deshalb mal an der Stelle, was sind in deinem Erleben so typische Reaktionen, speziell wenn es so eine Veränderung gibt? Ich glaube, wenn es schon gut war, wenn wir es mal als gut bezeichnen, wenn ich immer diese Interaktion mit den Menschen hatte, dann habe ich diese Herausforderung wahrscheinlich nicht.

Franziska Köppe: Das Wichtigste und das, was mir auch am schwersten gefallen ist, ich bin Diplom-Kauffrau, also ich habe BWL wirklich ganz intensiv dann auch mit dem Schwerpunkt Organisationsentwicklung und Marketing studiert, neben den ganzen allgemeine-BWL-, VWL- Themen und so weiter, aber das waren meine Schwerpunkte und da habe ich mich ja ganz intensiv mit der Frage auseinander gesetzt, wie begeistere ich Menschen so für eine Sache, dass sie bereit sind, ihre Energie dafür einzusetzen. Das war für mich so die zentrale Fragestellung, weswegen ich jetzt dann die zwei Fachkombinationen mir gewählt habe. Und ich glaube, das ist interessant, als Führungskraft sich darüber Gedanken zu machen: Worauf setze ich denn die Energie? Wo lenke ich die Intelligenz meiner Menschen hin? Lenke ich sie auf ein Bonussystem oder nehmen wir das Thema Planen, ich glaube, im Lean ist das ja auch ein sehr wichtiges Thema oder bei kontinuierlichen Verbesserungsprozessen. Wie gehen wir klug mit der Zukunft um? Wie treffen wir kluge Entscheidungen? Und für mich ist das ganz stark von meiner Einstellung geprägt, wohin lenke ich denn die Aufmerksamkeit meiner Mitarbeiter? Lenke ich sie darauf, dass sie Impulse aus der Umwelt in die Firma tragen und sagen „Hey, mir fällt da etwas auf, das ist ein Muster, das kehrt immer wieder, hier braucht man eine kluge Antwort von unserer Firma als System.“, wo ich sage „Oh, jetzt sollten mehrere Leute zusammenkommen und da mal gemeinsam daran rumdenken.“ oder möchte ich in einer Firma leben, wo jeder erstmal auch wirklich vollkommen autonom in seinem Tagesgeschäft die volle Entscheidungsfähigkeit hat. Und wenn ich das will, dann muss ich ihm diesen Raum gestalten, dass er das auch kann und das dreht halt Kommunikationsprozesse in Firmen um. Nämlich konventionell ist es ja so, dass Mitarbeiter den Chef und dann in Kaskaden bis zur Geschäftsleitung die Ergebnisse präsentieren. In dem Fall dreht sich das um, die Geschäftsleitung präsentiert den Status der Firma, wo stehen wir heute, was ist potentiell heute denn überhaupt als produktives Maximum möglich und das ist das, woran die Mitarbeiter ihre Erfolge selbst messen können. Und dann kommen sie in diese Selbststeuerung und dann geht es eben noch darum, zu erkennen, das ist jetzt wirklich mein Tagesgeschäft, dafür bin ich voll verantwortlich und wann fängt das an, andere Bereiche mit zu betreffen, wo ich dann, vielleicht über einen konsultativen Einzelentscheid sage, ich beratschlage mich mit meinen Kollegen oder aber ist es sogar so wichtig und so groß und es ist so grundlegend, dass da was gemacht werden muss, dass wir vielleicht auch zusammenkommen müssen und eine gemeinsame Entscheidung treffen müssen. Und für mich bedeutet die Kunst des Gastgebens eben auch, das zu unterschieden zu lernen und dann ist wirklich auch jeder einzelne in der Firma Teil dieser Kunst des Gastgebens. Da gibt es vielleicht noch die Rolle des Transformationskatalysators, der dann oft auch eine Rolle des Moderators in so einer Veranstaltung ist, der vielleicht Entscheidungsprozesse vorbereitet, aber letztendlich ist jeder auch ein Stück weit verantwortlich. Und das ist dann gar nicht so einfach, weil es auf der Tagesebene bedeutet, mit hoher Präzision, mit hoher Effizienz zu arbeiten und auch mit Checklisten, also sehr geplant vielleicht auch, vorzugehen und aber gleichzeitig eben offen zu sein, für das, was an Einflüssen reinkommt und da experimentierfreudig zu sein, neugierig zu sein und auch die anderen so ein bisschen mit im Blick zu haben.

Götz Müller: Kann man da an irgendeiner Stelle sagen, da haben wir jetzt eine Grenze, da kommen wir an eine Grenze, wo dieser Weg vielleicht dann doch nicht mehr funktioniert? Und was gegebenenfalls würde sich ergeben, wenn ich die Grenze ignoriere?

Franziska Köppe: Also für mich ist diese Modell, was ich im Kopf habe, was ich unter dem Oberbegriff sinnvoll wirtschaften subsumiere, ist das für mich tatsächlich ultimativ anwendbar, sofern ich das in diesem Kontext des selbstbestimmten, frei denkenden Menschen setze. Wenn ich aber in einem konventionellen System unterwegs bin, wird das scheitern, weil ich den Rahmen gar nicht habe, dass das passieren kann. Und für mich ist, wenn sich jemand als Führungskraft mit dem Thema Die Kunst des Gastgebens oder im Original The Art of Hosting beschäftigt, dann heißt das in der ersten Konsequenz sich darüber Gedanken zu machen, was will ich denn, wie will ich leben und wie will ich arbeiten. Will ich, dass das Leben im Arbeiten integriert ist oder sind das für mich zwei voneinander getrennte Bereiche? Will ich, dass meine Mitarbeiter mitdenken oder will ich, dass die Dienst nach Vorschrift machen? Ich finde … es gibt beide Tendenzen und ich nehme beide Tendenzen aktuell sehr stark war, ich sehe aber auch, dass diese Alternative zum konventionellen, mechanistischen Weg inzwischen stärker wird, die wird eine echte Alternative.

Götz Müller: Ja, jetzt kommt mir gerade der Gedanke in den Sinn, kombiniert mit dem Aspekt, den du ja auch genannt hast, zum Beispiel Generationswechsel, wo zum Beispiel eine Generation X einen mechanistisches Unternehmensbild hatte und eine Generation X+1, also die Folgegeneration, ich nenne es mal ganz neutral, ein anderes Bild hatte. Jetzt sind natürlich die Menschen unter Umständen, sehr wahrscheinlich in meiner Vermutung, von diesem ersten Unternehmensbild geprägt, weil sie vielleicht Jahre bis Jahrzehnte auch in diesem Kontext gelebt haben, gearbeitet haben, was passiert jetzt da mit denen und laufen wir da nicht in ein Henne-Ei-Problem rein, im Sinne von „Kann ich jetzt da einfach so einen Schalter umlegen und habe ich dann da das Neue?“

Franziska Köppe: Ich hatte gerade als ich dir zuhörte und die Frage so … ihren Fokus fand … hatte ich auch so das Bild des Schalters. Ich glaube, das geht nicht. Ich kann nicht von Menschen von heute auf morgen erwarten, dass es anders. Damit löse ich mehr Ängste aus, als dass es konstruktiv wird. Für mich hat das zwei Facetten. Die erste Facette ist, ganz wichtig, das kann zwar eine Graswurzelbewegung in der Firma sein, das Entscheidende ist aber, dass die Geschäftsführung sagt „Ja, ich will diese andere Menschenbild.“, weil das ist das, woran es sonst letztendlich immer scheitern wird und die, denen die Firma gehört, die müssen sich bewusst dafür entscheiden, dass sie diesen anderen Weg wollen. Für mich schließen die sich so ein Stück weit aus. Es gibt Graubereiche, aber wenn man es wirklich konsequent machen will, schließen sie sich gegenseitig aus. Das ist so das Erste und das Zweite, wenn ich so an Schalter umlegen denke, dann habe ich zwei Assoziationen im Kopf, die die Hörer wahrscheinlich auch nachvollziehen können. Das ist einmal, wir reden hier von Menschen und Menschen ändern sich nicht, weil ich jetzt einen Hebel umlege und sage „Wir laufen jetzt nicht mehr linksrum, sondern rechtsrum.“ Das ist ein Prozess. Das heißt auch, wir sind irgendwann in so einer neutralen Phase, wir haben erkannt, so wie wir bisher waren, waren wir sehr erfolgreich und das erkennen wir auch als das an und wir wissen aber, dass ist nicht das Erfolgskonzept für die Zukunft und wir wissen jetzt vielleicht noch nicht alles im kleinsten Detail, wie wir Dinge anders machen werden, aber wir wissen, dass es anders sein wird. Da gibt es so eine Phase, ich nenne das die neutrale Phase in Anlehnung an, ??? heißt der, der eben … oder das ist die Phase, wo wir eben sagen, das Alte gilt nicht mehr, das neue aber noch nicht. Wir wissen es noch nicht, wie es aussehen wird und wir halten diese Phase aus und wir geben den Menschen diesen Raum und die Zeit, diese Phase auch zu durchleben und wichtig ist oder wie man durch diese Phasen durchkommt, dass man an den konkreten Themen in der Firma, die gerade anstehen, dass man da die Dinge anders macht. Also nicht andere Dinge macht, sondern eben sagt „Was können wir verändern, dass es leichter wird, dass es mehr in die Richtung geht, die wir wollen? Was braucht es dafür? Wo sind die Widerstände? Woran hängt es, dass es nicht geht? Wie können wir diese Hemmnisse abbauen? Was braucht es dafür? Zum Beispiel auch, welche Unternehmen braucht ihr Mitarbeiter? Wenn ich will, dass du kluge Entscheidungen triffst, dann brauchst du ja auch Informationen. Was brauchst du da von mir? Was hilft dir dabei, kluge Entscheidungen zu treffen?“ Und da gehört einmal die Persönlichkeitsbildung dazu, vor allem kommunikative Bildung. Beziehungen bilden ist ja in vielen Firmen auch meistens sehr stark zurückgedrängt, die Menschen wieder als Menschen wahrzunehmen und eben aber auch Reflexion in der Firma bis hin „Wer sind wir eigentlich als Firma? Wie funktionieren wir eigentlich als Firma? Was ist unsere Firmen-DNA? Was macht uns aus?“

Götz Müller: Da könnte ich mir jetzt vorstellen, dass der ein oder andere vielleicht sogar in so einem Wandlungsprozess drinsteckt und sich jetzt fragt, wie lange geht es noch? Wann bin ich in diesem anderen Zustand drin? Also so ein Aspekt Geduld mit sich selber haben, mit anderen haben. In meinem Weltbild gehören jetzt Unternehmer, weil ich vielleicht selber einer bin, nicht zu den geduldigsten Menschen. Was wäre dein Tipp für die, die jetzt vielleicht so mit kratzenden Fingern am Tisch sitzen und sagen „Wie weit sind wir denn? Geht es hier jetzt endlich weiter?“

Franziska Köppe: Genau. Also ich glaube, das Wichtigste ist erstmal, wie gesagt, dass der Unternehmer für sich selbst so ein Stück weit sattelfest wird in dem neuen. Dass er unterschieden kann, was ist das Alte, was ist das Neue, was verändert sich da. Und wenn er in diesem Prozess ist, wird er auch selbst eine gewisse Gelassenheit empfinden, wenn er das einmal gemacht hat. Ich empfehle da zum Beispiel die Perspektivreise Mittelstand von Gebhard Borck und Joan Hinterhauer, die Unternehmern innerhalb von fünf Tagen, also wirklich sehr knackig und kompakt einen Weg aufzeigen, wie sie ihre Firmen-DNA entwickeln können, was wiederum die Basis ist für diese Transformation der Firma. Und das besteht eben daraus, die Firmen-DNA hat zwei Stränge, das ist wirklich diese, in Anlehnung an die biologische DNA eines Menschen, auf der einen Seite haben wir die Firma mit dem Geschäftsmodell, mit der Art, wie wir Entscheidungen treffen, wie wir miteinander kommunizieren, welche Rollen wir haben, wie die Rollenstruktur aussieht, und so weiter. Das sind so die Elemente der Firmen-DNA, das ist für mich als Unternehmer gestaltbar. Und auf der anderen Seite steht der Mensch, der einzelne Mensch, der eben seinen Lebensentwurf mitbringt, der seine Rollenstruktur aus seinem privaten Umfeld mitbringt, wo vielleicht zwei Geschwister in einem Unternehmen arbeiten, die dann eben auch die Rolle Geschwister, Vater, Mutter oder auch Kind miteinbringen und die aber auch ihre Art zu kommunizieren haben, ihre Art, Entscheidungen zu treffen und als Unternehmer ist die Kunst des Gastgebens, dafür zu sorgen, dass die Menschen so gut wie möglich sinnkoppeln können, dass das stimmig ist und dass das sich gegenseitig unterstützt diese beiden Ebenen. Um jetzt aber mal ein bisschen praktischer zu machen: Ich hatte beispielsweise denn Fall, da stand die Preisliste an. Das war eben so ein Jahresturnus in der Firma, dass man sich die Preisliste anguckt und wir sind zu dem Schluss gekommen, auf der Geschäftsführungsebene oder im Marketing, dass wir gesagt haben „Irgendwie, so richtig stimmig ist die nicht mehr.“ und das erste, was wir gemacht haben, wir haben uns in diesem kleineren Kreis zusammengesetzt und haben gesagt „Ok, wie müsste denn aus unserer Sicht eine Preisliste aussehen, wenn wir es uns jetzt noch mal komplett auf der grünen Wiese angucken.“ Und wir sind dann hergegangen und haben gesagt, ja eigentlich ist es doch interessant, wie ein Kunde das Produkt aussucht und sind da eben mal durchgegangen und haben auch die Kollegen gefragt, einen konsultativen Einzelentscheid, und haben gesagt „Wie machst denn du das? Wie führst denn du eigentlich deine Kunden durchs Projekt?“ und so sind wir zu verschiedenen Leuten gegangen und haben gewisse Muster erkannt und dann haben wir uns hingesetzt und haben eben die Preisliste neu gestaltet, bis wir ein Ergebnis hatten, bei dem wir gesagt haben, dass wir zufrieden sind. Und jetzt kommt der Clou. Bei der Kunst des Gastgebens schmeißt du dein Ergebnis in den Papierkorb und das ist mit das schwerste überhaupt als Unternehmer, und guckst dir nur noch an: „Wie war der Weg, dass wir zu diesem Ergebnis gekommen sind? Welche Fragen haben wir uns gestellt? Welche Rahmenbedingungen haben wir an die Preisliste gesetzt?“ Das sind so Sachen wie Format, Kosten, Ressourcen, es muss effizient sein, also wir hatten so bestimmte Kriterien relativ schnell wieder gefunden, wo wir gesagt haben „Okay, das ist der Gestaltungsrahmen, den wir den Mitarbeitern geben können.“ und dann haben wir uns gezielt die Leute eingeladen, die mit der Preisliste arbeiten, das war in dem Fall jetzt Innendienst, Außendienst, das war Produktion, Konstruktion, also wir hatten aus den verschiedenen Unternehmensorganen verschiedene Vertreter, die wir zusammengerufen haben zu einem Workshop und denen haben wir das als Aufgabe vorgegeben, den Rahmen vorgegeben, haben gesagt „Das ist der Rahmen, in dem soll die Preisliste künftig gestaltet sein.“. Wir haben ihnen auch gesagt „Denkt das noch mal komplett neu.“ und wir haben ihnen die Fragen mitgegeben, mit denen wir uns auseinandergesetzt haben und dann haben wir uns Gedanken gemacht, wie schaffen wir es, dass die möglichst effizient ein Ergebnis erarbeiten können, eine Entscheidungsgrundlage. Und uns war klar, an einem Tag können wir die Preisliste nicht neu machen, deshalb haben wir gesagt, wir geben mal zwei Entwürfe vor und legen als dritten die alte, herkömmliche Preisliste daneben und dann konnten sie halt an dem, was sie da gesehen haben, konnte sie ihr eigenes Bild entwickeln und dann haben sie tatsächlich noch mal eine komplett neue Version, also die noch mal anders war, die unsere Sachen weiterentwickelt hat, noch mal entstanden und das ist sozusagen für mich die Kunst des Gastgebens, also mir Gedanken zu machen, als Unternehmer, als Führungskraft, als Chef, aber den Mut zu haben, dieses Bild wegzuwerfen und mir zu überlegen: Wie war der Rahmen? Welche Fragen habe ich mir gestellt? Und das als Aufgabe an die Mitarbeiter zu geben und dann eben bereit zu sein, dass die auch etwas komplett Neues noch mal entwickeln, auch Dinge, wo ich im Leben noch nicht draufgekommen wäre.

Götz Müller: Okay, Preisliste war jetzt ein sehr konkretes Beispiel, jetzt wird sich vielleicht der ein oder andere die Frage stellen „Ja, okay, was mache ich denn? Preislisten in diesem Szenario habe ich bei uns gar nicht, weil wir grundsätzlich individuell erst mal schaffen müssen.“ Mach uns doch noch ein Beispiel auf einer etwas abstrakteren Ebene, wie ich da vorgehe.

Franziska Köppe: Also das, womit ich mich ja sehr stark beschäftigt, ist, wie treffen Menschen kluge Entscheidungen? Wie kommen sie von der Entscheidung ins Handeln? Und wie mache ich es ihnen leichter, dass sie sich für Lebens- und Arbeitswelten mit Zukunft entscheiden? Das sind so die grundlegenden Fragen, die ich an alles habe, was ich tue und daraus habe ich ein gewisses Muster erkannt, dass Menschen immer einen Impuls haben, das ist etwas, dass ihnen Kraft gibt oder auch Kraft entzieht, also sprich dass sie etwas haben wollen, einen gewissen Zustand anstreben oder auch sagen „So geht es echt nicht mehr weiter.“ und aus dem, wiederum ihre Energie ziehen. Und dann gibt es drei Elemente, die bei diesem, wenn es um entscheiden und handeln geht, eine Rolle spielen, die für mich gleichwertig sind und so ein bisschen umeinander kreisen und sich überlappen, aber um sie uns mal ein bisschen einzeln vor Augen zu führen. Das ist einmal das Thema informieren und inspirieren, wo es darum geht, dass ich Ideen entwickle, wie eine Lösung zu meinem Problem denn aussehen könnte, wo ich vielleicht auch Inspiration brauche „Was habe ich eigentlich für ein Problem? Worüber reden wir hier eigentlich?“, was auch oft so auf dem Informationslevel ist. Dann habe ich das Thema, dass Menschen miteinander reden müssen, das kann sein, dass wir mal einen Experten hinzuziehen, das kann sein, dass wir auch Erfahrungen austauschen müssen, um zu einer Lösung zu kommen, ins Handeln zu kommen. Es kann sein, dass ich auch ein Stück weit mal philosophieren will, um in meiner Sache weiterzukommen. Also ich habe jetzt informieren – inspirieren, miteinander reden und der dritte Punkt ist, ins Handeln komme ich nur gemeinsam mit anderen. Als Mensch bin ich immer in einem System und vielleicht auf der Monteurebene ist es, dass ich wieder zum Kunden gehe und da einen Counterpart habe. Wenn es jetzt unternehmensinterne Dinge betrifft, dann sind es vielleicht die Kollegen, der Chef, also so Schnittstellenproblematiken. So. Also da habe ich jetzt diese drei Kugeln, informieren – inspirieren, miteinander reden und dann miteinander umsetzen, und die Kunst des Gastgebens ist für mich an der Stelle als Transformationskatalysator eben zu gucken, wo stehen die Menschen, was brauchen die gerade. Gibt es da etwas, das einen Schwerpunkt hat, wo ich sie mitnehme in diesen Gestaltungsprozess oder braucht es diese Überschneidung und aus diesem habe ich jetzt Kenntnis entwickelt, wie ich Entscheidungen und handeln vorbereiten kann. Und das ist einmal, dass ich mich immer fragen sollte, wenn ich zum Beispiel auch eine Besprechung einberufe, warum und wozu dient die. Dann: was ist der Inhalt, der Kontext, in dem wir uns hier zusammentreffen? Da gehört dann auch dazu, wen sollte ich einladen. Dann den Gestaltungsrahmen, den wir haben oder eben auch nicht haben. Welches Setting, welche Rollen, die die Menschen dann auch in diesem Setting erfüllen sollen? Und mit welchen Methoden arbeite ich, welche Werkzeuge, welche Hilfsmittel brauche ich, um effizient im Rahmen dieser, wie auch immer gearteten Veranstaltung, gut und schnell und effizient zu Lösungen komme. Wenn ich das dann wieder herunterbreche, sage ich worum und wozu, geht es zum Beispiel darum, Informationen zu vermitteln? Will ich einen Raum für eigene Gedanken anbieten? Will ich einen Handlungsrahmen abstimmen? Will ich nächste Schritte ableiten? Will ich vielleicht Prioritäten setzen oder geht es darum, Entscheidungsvorlagen zu erarbeiten? Oder im besten Fall geht es um entscheiden und vom Entscheiden ins Handeln zu kommen. Also wenn es mir klar ist, warum treffe ich mich dann, ist dann der nächste Schritt zu sagen, auf welcher Ebene? Ist das die Arbeitsebene, sind wir hier auf der Prozess- oder Strukturebene? Ist das ein strategisches Thema? Und daraus abgeleitet, in welchem Kommunikationsmodus sind wir denn? Geht es um informieren, analysieren, Erfahrungen austauschen, reflektieren, kollegial sich zu beratschlagen, priorisieren, entscheiden, also das alles ist das, worum ich mir Gedanken machen sollte. worum und wozu. Und aus dem leitet sich dann natürlich ab: um welche Inhalte geht es? Welchen Kontext haben wir? Geht es um ein Individuum, dass ich mich mit einer Einzelperson am besten zusammensetze. Geht es um eine Gruppe? Geht es vielleicht um die ganze Firma? Geht es vielleicht sogar um Kunden, Partner, die ich mit in diese Veranstaltung mit reinnehme? Und wie ist der Kontext im Sinne von: Ist es einfach, ist es kompliziert? Kennen wir schon die Frage und vielleicht sogar die Lösung und es geht nur noch darum, diesen Weg dahin zu beschreiben oder ist es unglaublich dynamisch und komplex, worüber wir hier reden?

Götz Müller: Muss ich erst die Frage noch entwickeln?

Franziska Köppe: Ja, genau. Genau. Und aus dem leitet sich dann natürlich ab, welchen Gestaltungsrahmen brauche ich, welches Setting habe ich und welche Methoden und Werkzeuge nutze ich, um diesen Prozess der gemeinsamen Entscheidungsfindung und ins Handeln zu kommen, den Menschen so leicht wie möglich zu machen?

Götz Müller: Das heißt, um es zum Abschluss noch mit meinen Worten auszudrücken, dieses Canvas, diese – im weitesten Sinne – Art Formular dient dazu, diesen Prozess auf eine Metaebene zu heben und zu erkennen, wo ich mich eigentlich bewege.

Franziska Köppe: Richtig. Und wir machen das sogar, also je größer die Veranstaltung ist, wenn ich jetzt zum Beispiel eine Betriebsversammlung vorbereite, dann unterscheiden wir das sogar in die einzelnen Blöcke. Also dann hat die Betriebsversammlung selbst dieses Canvas und dann kann es aber auch sein, Donnerstagvormittag, worum geht es denn da? Da geht es vielleicht mehr um das Vermitteln von aktuellen Informationen, um Botschaften der Geschäftsführung an die Belegschaft und dann gibt es vielleicht einen zweiten Teil, wo wir sagen, hier wollen wir uns gemeinsam Dinge erarbeiten. Und je klarer ich darüber bin, welche … warum und wozu diese Veranstaltung oder dieses Element der Veranstaltung dienen soll, desto leichter tue ich mich dann natürlich, geeignete Maßnahmen, geeignete Rahmenbedingungen zu setzen, das geht bis hin zu Räumlichkeiten und Material, was ich den Menschen zur Verfügung stelle, damit sie eben arbeiten können.

Götz Müller: Okay. Dann lass uns jetzt zum Abschluss noch mal den Bogen zum Beginn schlagen und zum Titel. Was ist so deine ultimative Antwort auf die Frage: Worum dreht sich also die Kunst des Gastgebens?

Franziska Köppe: Für mich ist die Kunst des Gastgebens den Menschen den Raum zu schaffen, in der Firma gestalten zu können und ihre Intelligenz in die Firma einzubringen und das eben nicht an Veränderungsprojekten, die einen Anfang und ein Ende zu haben, sondern das als kontinuierlichen Prozess zu begreifen und im Kleinen anzufangen und dann die ganze Firma nach und nach zu drehen.

Götz Müller: Das finde ich jetzt eine wunderbare Antwort, weil mich das jetzt wieder an mein Lean-Thema erinnert und an die achte Verschwendungsart, nämlich das nicht genutzte Mitarbeiterpotential. Franziska, ich danke dir für deine Zeit. Für die vielen Gedanken, die du mir, uns, den Zuhörern mitgegeben hast, mal unter einem ganz anderen Blickwinkel darüber nachzudenken, was für ein Unternehmen wollen wir haben, was für ein Unternehmen wollen wir führen.

Franziska Köppe: Vielen Dank. Ich kann mich auch nur für die wirklich tollen Fragen bedanken und ich würde mich auch freuen über jeden Hörer deines Podcasts, der mit mir darüber ins Gespräch kommt und den Austausch wagt, weil ich es wirklich interessant finde, dass auf die verschiedenen Ebenen der Firma, aber auch auf die Branchen, auf die Disziplinen anzuwenden und da eben auch, also das ist eine Frage, die mich unglaublich fasziniert. Deswegen: Alles sind eingeladen, sich darüber mit mir weiter auszutauschen und darüber zu sprechen.

Götz Müller: Ja, ich werde auf jeden Fall deine Kontaktdaten in den Notizen zur Episode anführen.

Das war die heutige Episode im Gespräch mit Franziska Köppe zum Thema die Kunst des Gastgebens. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 132.

Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freue ich mich über Ihre Bewertung bei iTunes. Sie geben damit auch anderen Lean-Interessierten die Chance, den Podcast zu entdecken.

Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.