Kaizen 2 go 143 : Beharrlichkeit


 

Inhalt der Episode

  • Fragestellungen, die wir besprochen haben: Was ist Deine Definition von Beharrlichkeit?
  • Wie grenzt Du Beharrlichkeit von (Selbst)disziplin ab?
  • Welche Rolle spielt Routine bei der Beharrlichkeit? Was kommt zuerst?
  • Welche Formen von Beharrlichkeit spielen im Lean Management eine Rolle?
  • Warum ist Beharrlichkeit im Lean Management wichtig?
  • Wie kann man mit Menschen umgehen, denen Beharrlichkeit nicht in die Wiege gelegt wurde? Welche Grenzen gibt es dabei?
  • Was lässt sich aus dem Berufsleben ins persönliche Umfeld übertragen?
  • Wie lässt sich Beharrlichkeit trainieren?
  • Kann man Beharrlichkeit übertrainieren? Kann ein Beharrlichkeitsmuskelkater entstehen, wie würde sich das äußern?
  • Welche Wirkung kann auf andere entstehen, wenn man zu beharrlich ist?
  • Was ist Dein Tipp für jemand, der für sich noch zu wenig Beharrlichkeit erkennt und sich da weiterentwickeln will?

Notizen zur Episode


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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 143 – Beharrlichkeit

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Timo Gruß bei mir im Podcast-Gespräch. Er ist Lean-Manager bei einem Anlagenbauunternehmen und dazu noch Blogger und YouTuber. Hallo Timo.

Timo Gruß: Hallo! Schön, dass ich hier sein darf.

Götz Müller: Ja, ich freue mich auch darüber. Wir haben heute ein spezielles Thema, aber sag noch mal zwei, drei Sätze zu dir selber, auch vielleicht, worüber du dann bloggst und youtubest, damit die Zuhörer dich einordnen können.

Timo Gruß: Ja, also ich habe den Blog GEMBAnized und da schreibe ich über alles Mögliche zum Thema Lean Production, Lean Management und in dem YouTube-Kanal geht es halt genau auch um diese Sachen.

Götz Müller: So bin ich auch auf dieses Thema gestoßen, weil du über das Thema Beharrlichkeit ein kurzes Video gemacht hast und das fand ich sehr spannend, weil ich glaube, dass es eben auch einen starken Bezug, sonst hättest du es wahrscheinlich gar nicht gemacht, einen starken Bezug zum Thema Lean hat. Zum Einstieg vielleicht erstmal deine Definition … was verstehst du unter Beharrlichkeit?

Timo Gruß: Ja. Beharrlichkeit, das kommt ja so ein bisschen von beharren und ich stelle mir das immer so vor … in so einem perfekten Vakuum hast du einen Körper, der seine Bahnen zieht und solange er keinen Impuls von außen bekommt, zieht er diese Bahnen immer geradeaus, also ganz beharrlich und so ein bisschen stelle ich mir das auch so vor. Wenn man das jetzt auf das persönliche Verhalten wiederum bezieht, dann ist das auch etwas, dass ich sage „Ich zieh mein Ding durch.“, also jetzt nicht so ganz mit Ellbogen, aber ich habe eine gewisse Vision, ich habe vielleicht auch eine gewisse Verabredung mit meinem Team, meinen Mitarbeitern, um die jetzt auch noch mit ins Boot zu holen und da zieht man so ein Ding einfach durch und das ist für mich Beharrlichkeit.

Götz Müller: Wo ich dein Video gehört habe, kam mir da sofort ein anderer Begriff in den Sinn, wo ich gewisse Ähnlichkeiten sehe, aber vielleicht an der Stelle mal die Frage an dich, Selbstdisziplin oder Disziplin an sich … wo würdest du das zur Beharrlichkeit abgrenzen?

Timo Gruß: Also, ich bin mir gar nicht so sicher, ob man das abgrenzen sollte. Ich glaube, das gehört zusammen, sehr stark sogar. Wenn du jetzt noch mal das Bild von diesem Körper nimmst, der dann wirklich so seine Bahnen zieht, dann ist für mich die Selbstdisziplin die Kunst mehr oder weniger, die Impulse von außen so ein bisschen abzuwehren. Also ein Beispiel: Du hast jetzt ein Team, das trifft sich seit neustem jeden Morgen zur Teambesprechung. Dann ist für mich die Beharrlichkeit, dass man das wirklich jeden Tag machst, aber die Selbstdisziplin dabei wiederum ist, dass du diese ganzen Impulse, die dann von außen kommen – „Ach, da ist ein wichtiges Meeting.“, „Da ist ein wichtiges Telefonat.“ – und all diese ganzen Dinge, die dann immer wieder dazu führen, dass du sagst „Ach, ich kann heute nicht.“, das ist dann für mich wiederum die Selbstdisziplin, zu sagen „Nein, das habe ich mir fest vorgenommen. Da haben wir eine Verabredung und das ziehe ich jetzt durch.“, damit du dann dieses beharrliches Verhalten an den Tag legen kannst, deshalb glaube ich, dass das schon sehr stark zusammengehört. Das kann man also nicht abgrenzen, sondern das gehört einfach zusammen.

Götz Müller: Ich höre so ein bisschen raus vielleicht, dass die Selbstdisziplin eine gewisse Basis ist, die sich dann Richtung Beharrlichkeit entwickelt. Kann man das so ausdrücken?

Timo Gruß: Ich glaube, die Selbstdisziplin ist sozusagen die Grundvoraussetzung, um beharrlich zu sein. Und ich glaube, wenn du dann immer beharrlich bleibst und deine Selbstdisziplin benutzt, um diese Beharrlichkeit zu behalten einfach, dann entwickelst du irgendwann eine Routine. Und da willst du ja vielleicht irgendwann mal hin mit deiner Selbstdisziplin und Beharrlichkeit.

Götz Müller: Okay. Stichwort Routine. Welche Rolle spielt bei dir die Routine da beziehungsweise was kommt zuerst? Kommt zuerst die Selbstdisziplin, die dann zur Beharrlichkeit führt und zum Schluss zur Routine? Wie würdest du das ausdrücken?

Timo Gruß: Ja, ich glaube, da bin ich so ein bisschen bei dir, ja. Das könnte ich mir gut vorstellen. Also ich meine, was ist schon eine Routine? Stell dir mal vor, du wachst morgens auf, der Wecker geht, also, das erste, was ich morgens mache ist, ohne nachzudenken, ich gehe ins Badezimmer und putze mir die Zähne. Ich überlege gerade, ob ich etwas anderes mache, nein ich gehe ins Badezimmer und putze mir die Zähne und das ist so Routine, die, ja, die läuft, also da muss ich mich nicht drum kümmern, muss ich nicht darüber nachdenken und selbst wenn jetzt mal … mir bricht morgen früh die Zahnbürste ab und ich kann mir nicht die Zähne putzen, ich muss erst in den Supermarkt und muss mir eine neue Zahnbürste kaufen, dann wird mich am nächsten Tag nichts daran hindern, sofort wieder die Zahnbürste in die Hand zu nehmen. Also das ist ja völlig selbstverständlich, ich brauche keine Energie investieren, am nächsten Tag sofort und meine Routine wieder aufzunehmen. Und so stelle ich mir das dann auch vor, dieses Zusammenspiel zwischen Selbstdisziplin und Beharrlichkeit, dass du … du möchtest beharrlich sein, dafür brauchst du diese Selbstdisziplin, um diese äußeren Dinge abzuwehren und eine Routine zu entwickeln und wenn du dann wirklich so eine krasse Routine wie Zähne putzen, wenn du die dann mal entwickelt hast … kommen wir mal zurück auf dieses Morgenmeeting. Wenn das so selbstverständlich ist, dann kannst du die Energie, die du mit deiner Selbstdisziplin brauchst, so bisschen runterschrauben weil dann ist es halt eine Routine und völlig normal. Dann wird es halt zu Normalität. Ich glaube, in dieser Reihenfolge spielt das zusammen ja ich finde es spannend dass du gerade die die muss meine Morgenroutine weil ich hatte gerade heute eine Unterhaltung mit jemand unter Keksen genau das gleiche was ich gesagt habe wenn wir nicht Routine hätten wir würden ja morgens gar nicht in aus dem Bett kommen.

Götz Müller: Ja, ich finde das spannend, dass du gerade die Morgenroutine ansprichst, weil ich hatte gerade heute eine Unterhaltung mit jemandem und da ging es um das Gleiche, wo ich gesagt habe, wenn wir keine Routine hätten, würden wir morgens gar nicht aus dem Bett kommen. Also, ich habe da sogar noch ein Stückchen früher angefangen mit, nehme ich erst das linke oder das rechte Bein und was mache ich, wenn das so ein Ding neben mir summt?, deshalb finde ich das witzig, dass du das gleiche Beispiel verwendest. Okay, du hast es gerade so ein bisschen angedeutet, Morgentreffen, das möchte ich noch ein bisschen vertiefen. Welche Formen von Beharrlichkeit, würdest du sagen, spielen jetzt in dem großen, weiten Feld von Lean Management eine Rolle? Einen kleinen Aspekt hast du gerade rausgepickt.

Timo Gruß: Was genau meinst du mit Formen?

Götz Müller: Ja, okay. Vielleicht ist Formen … wo habe ich überhaupt Beharrlichkeit? Wo brauche ich sie, damit Lean, weil ich glaube persönlich schon, aber ich will dir da nicht zu viel vorwegnehmen jetzt, ich persönlich glaube, ich brauche viel routinierter mit Lean und Co gut funktioniert.

Timo Gruß: Ja, da bin ich bei dir. Also ich glaube … das Morgenmeeting ist das gerade auch bei uns in der Firma sehr aktuell. Also gerade so ein Morgenmeeting, überhaupt so regelmäßige Dinge, die du einführst, also die du ganz neu einführst, da musst du wirklich irgendwann mal eine Routine entwickeln und deshalb ist Beharrlichkeit so wichtig, damit du diese Energie nicht mehr jedes Mal aufwenden musst und da ist das Morgenmeeting nur ein Teil, nur ein Aspekt. Aber jetzt geh mal her und sag mal, du machst 5S zum Beispiel. Viele Firmen machen dann 5S-Audits und da muss ich mich an die eigene Nase packen, sollte das mal jemand aus unserer Firma hören, dann sagen die sicherlich „Ja, der hat gut reden, der kommt sowieso nicht immer vorbei.“ Ja, das ist auch echt schwer, da musst du auch eine Routine entwickeln, mindestens einmal im Monat oder alle zwei Wochen, jede Woche, je nachdem … jede Firma macht das anders, bei uns machen wir einmal im Monat einen 5S-Audit in jedem Bereich und das muss man wirklich durchziehen. Da musst du dabeibleiben. Da brauchst du auch eine Routine. Wenn du Verschwendung sehen möchtest, auch da musst du eine gewisse Routine entwickeln, dass du irgendwie durch den Bereich gehen kannst und die Dinger anguckst und genau weißt „Ich muss mir das, das, das, das anschauen und dann kannst du schon so oft Verschwendungen schon mal, wie soll ich sagen, dann bist du einfach besser darin, diese Verschwendung zu sehen. Dafür brauchst du auch Routine, dafür brauchst du natürlich auch Erfahrung, aber Routine ist echt wirklich überall sehr, sehr wichtig, wenn du ein neues Verhalten dir aneignen möchtest. Und ich glaube, darum geht's bei Lean Production oder Lean Management vor allen Dingen, dass du den Mitarbeitern … dass der Lean Manager … der ist ja dafür da, den Leuten zu erklären, wie sie sich verhalten sollen, um lean zu sein, also denen so Ratschläge mit auf den Weg zu geben und das lebt einfach davon, dass die Leute neue Routinen sich aneignen, um auch ein anderes, schlankeres sozusagen, Verhalten zu trainieren.

Götz Müller: Wobei mir da jetzt wieder einige Situationen in den Kopf kommen, dass natürlich Menschen auch manchmal mit der Routine an sich insofern ein Problem haben, dass sie sagen „Das will ich gar nicht.“. Was für Erfahrungen machst du da?

Timo Gruß: Ja, so bisschen die Verweigerer, ne? Die hast du ja sowieso immer.

Götz Müller: Ich finde … also zumindest eine Erklärung, die mir da so in den Sinn kommt, ist, nicht einmal so sehr, dass es langweilig wird, wenn ich die Routine habe, sondern dass es eher so … ja, so ein bisschen so in Richtung „Charlie Chaplin, moderne Zeiten“-mäßig abgleiten kann.

Timo Gruß: Ja, ja. Die Routine ist so ein bisschen der Feind der Kreativität wahrscheinlich. Ja. Aber ich glaube auch, also … ja, gebe ich dir recht. Das ist sicherlich etwas, wo du immer Leute hast, die sagen „Ach, geh mir doch weg.“, das sind vielleicht eher auch die kreativen Köpfe, die so ein bisschen den Hang zum Chaos haben mehr oder weniger. Aber ich bin auch der Meinung, das ist so meine Argumentation, die ich immer bringe, wenn mir jemand so etwas sagt, dann sage ich „Ja, aber diese Routinen helfen dir ja die Freiräume zu schaffen, um dann noch kreativ zu sein, um dann doch mal verrückte Dinge zu machen.“, also du musst gewisse Routinen haben, um den Mitarbeitern die Zeit zu verschaffen oder die verschaffen sich die Zeit ja mehr oder weniger selber, um die Probleme, die sie haben selber auch anzugehen. Und je mehr Routinen du in deinen täglichen Prozessen drin hast, desto mehr Freiräume kannst du dir damit erarbeiten. Dann kannst du sagen „Okay, hier das nervt mich gerade, das gehe ich jetzt an, das verbessere ich jetzt, diesen Prozess oder diesen Prozessschritt oder was auch immer. Und ohne Routinen, wenn du nur in dieser chaotischen Kreativität lebst, was nicht schlecht ist, aber ohne Routine bleibt dir dafür weniger Zeit, finde ich.

Götz Müller: Ja, kann ich absolut nur unterschreiben. Jetzt möchte ich aber gerade noch den Punkt ein bisschen vertiefen. Du hast es gerade angedeutet, ich glaube, wir kennen beide solche Menschen. Ohne das jetzt in irgendeiner Form werten zu wollen, aber wie gehe ich halt mit denen um, sagen wir mal, denen Beharrlichkeit jetzt nicht notwendigerweise in die Wiege gelegt wurde. Was ist da so deine Erfahrung? Vielleicht auch ein Tipp … ich könnte mir vorstellen, der ein oder andere Zuhörer ist solchen Menschen auch schon begegnet.

Timo Gruß: Ja, also das glaube ich ganz fest. Ich glaube, die schwirren immer um uns herum. Ja, also mein Tipp ist eigentlich vor allen Dingen, das wirklich vorzuleben. Also so mache ich das einfach. Das ich einfach sage, okay, Routinen … also jetzt nicht zu … die Leute damit zuzuschütten, also zu überfordern. Das ist sozusagen die Grundlage von allem. Also ich kann jetzt nicht hergehen und sagen „Du musst jetzt dreißig neue Routinen einführen.“, das funktioniert nicht, aber „Fang doch mal mit einer an.“. Ich habe immer ganz gerne so den Fuß in der Tür oder ich sage den Leuten „Lass mir doch die Tür wenigstens einen Spalt auf, da fangen wir mal mit einer Routine an.“ und dann sucht man sich am besten irgendetwas aus, was wirklich auch nervt, wo die Leute selber sagen „Ja, Routinen so, damit kann ich mich nicht anfreunden, aber es gibt so eine Sache, die nervt mich einfach.” und wenn man das zusammen in den Griff bekommt, dann hat man dann schon mal ein bisschen mehr diese Tür aufgestoßen und dann sind die Leute offener. Man wird nicht jeden zu so zu so unfassbar vielen routinierten Prozessen, ich sage jetzt mal erziehen, ohne dass jetzt böse klingen zu lassen. Das wird nicht für jeden funktioniert, da sind die Menschen auch unterschiedlich, aber dass man zumindest so die grundlegenden Dinge, die einen nerven schon mal umsetzt, dann kann man solche Leute vielleicht auch dafür begeistern. Dann klappt es schon mal ein bisschen besser.

Götz Müller: Ja, mir kam auch ein Punkt in den Sinn, also zumindest geht es mir auch immer wieder so … Routine habe ich ja, alleine beim Aufstehen, das zähle ich jetzt schon zum persönlich-privaten Umfeld, was würdest du sagen, wo kann ich Themen, Beharrlichkeit und Co, eben aus dem Berufsleben ins persönliche Umfeld übertragen?

Timo Gruß: Also, ich würde mich jetzt schwer tun zu sagen, du musst jetzt den und den Prozess aus dem Beruf mit ins Private nehmen, aber ich kann jetzt mal etwas von mir, also ein Beispiel von mir nehmen, was bei mir, ich bin halt auch so ein chaotischer Typ, also ich bin auch unglaublich vergesslich zum Beispiel und was bei mir zu einer Routine geworden ist und ich muss mich auch immer wieder selber in den Hintern treten und sagen „Macht das wieder, mach das wieder.“, also da ist die Selbstdisziplin sehr, sehr wichtig, das ist Listen schreiben. Ich muss mir Dinge, die ich erledigen möchte, muss ich mir auf Listen schreiben, ansonsten habe ich das in zehn Minuten wieder vergessen. Da gibt's irgendetwas anderes Neues, Interessantes und dann habe ich das, was ich mir vorher merken wollte, wieder vergessen. Und das sind Dinge, die habe ich im Beruf irgendwann mal gestartet, weil mein damaliger Chef zu mir kam und sagte „Das geht so nicht, also du bist total unzuverlässig und man kann dir ja was sagen, das hast du morgen schon wieder vergessen und weißt gar nicht, dass ich das von dir wollte.“ und über diese Geschichte habe ich dann irgendwann angefangen, Listen zu schreiben und das hat mich unglaublich weitergebracht. Also das war für mich etwas, das ich aus dem beruflichen Umfeld mit nach Hause genommen habe.

Götz Müller: Ja. Vielleicht noch ein anderer Punkt jetzt, der mir wieder in den Sinn kommt. Das Thema Disziplin, Selbstdisziplin hat ja, glaube ich, auch so einen gewissen Trainingscharakter. Da dann die Frage, die, könnte ich mir vorstellen, auch dem ein oder anderen durch den Kopf geht, bleiben wir mal gerade bei der Liste, wie schaffe ich es, das so zu trainieren, dass ich die Liste immer wieder schreibe? Weil im Grunde müsste ich ja fast auf eine Metaebene gehen und sagen „Ich schreibe mir eine Liste zum Listenschreiben.“.

Timo Gruß: Ja. Stimmt. Eigentlich müsste man das. Ja, ich meine … also entweder gibt es so ein paar Tricks oder Hilfsmittel … Ich habe letztens mal ein schönes Video gesehen, da ging es auch um so eine Geschichte. So ähnlich habe ich das auch gemacht, aber dieses Beispiel fand ich noch viel plakativer. Da ging es darum, um Selbstwert und da hat jemand gesagt „Du musst immer einen gewissen Satz immer wieder in deinen Kopf bringen, immer wieder sagen und dafür solltest du einen grünen Marker irgendwohin kleben, also egal wo du gerade bist, klebst du einen grünen Marker hin und sobald du diesen grünen Marker siehst, denkst du an diesen Satz.“ und so ähnlich habe ich es auch gemacht, allerdings nicht mit grünen Markern, aber ich habe mir meine Liste, wenn ich nach Hause kam, immer sehr präsent irgendwohin gelegt, also ich glaube, du musst einfach, wie soll ich das sagen, so Dinge suchen, wo du immer wieder draufschaust. Also gerade bei so einer Liste geht das ja ganz gut, dass du immer wieder draufschaust und sagst „Ah, da ist ja die Liste.“ und dass du immer einen Stift daneben liegen hast. Du musst dir das so einfach wie möglich machen, diese Routine entstehen zu lassen. Oder wenn ich … Ich mache morgens auch Sport, ich versuche immer alle zwei Tage morgens um fünf aufzustehen und dann aufs Laufband zu gehen. Dann lege ich mir die Sportsachen am Abend davor schon dahin, dann habe ich auch keine Ausrede „Ah, ich habe die Sachen jetzt nicht da, meine Frau liegt neben mir, die schläft noch, die will ich jetzt nicht stören, dann bleib ich einfach noch eine Stunde liegen.“, nee, die Sachen liegen draußen, ich brauche nur aus dem Zimmer raus in den Keller gehen und habe die Sportsachen direkt dabei. Man muss sich die Sachen so einfach wie möglich machen und am besten noch irgendwo hinlegen, wo du immer wieder dran vorbeiläufst. Dann funktioniert es deutlich besser.

Götz Müller: Das war jetzt im Grunde auch ein gutes Stichwort. Das nächste Stichwort, das ich mir aufgeschrieben habe „Trainieren“, ich glaube, es hat einiges mit trainieren zu tun. Jetzt kennt man das aus dem klassischen Sport natürlich, du hast es gerade erwähnt, kennen wir mit Sicherheit auch den Aspekt übertrainieren, was dann, sagen wir mal, zu einem Muskelkater führt. Könntest du dir vorstellen oder ist es dir sowas schon mal begegnet, vielleicht schaffe ich jetzt gerade ein neues Wort, so etwas wie Beharrlichkeitsmuskelkater?

Timo Gruß: Das Wort finde ich super, das merke ich mir. Beharrlichkeitsmuskelkater, ich glaube, das hast du überall irgendwann mal. Irgendwann hängt es dir einfach zum Hals raus, dann sagst du „Ich kann das nicht mehr, ich habe da keine Lust mehr darauf.“ Ich glaube, da ist es wichtig, einfach auch mal eine Auszeit nehmen zu dürfen. Ich finde das auch gar nicht schlimm. Um eine Routine zu entwickeln, musst du das ja nicht mit so einer Verbissenheit machen, sondern da darf auch eine gewisse Leichtigkeit dabei sein. Und, wenn du die Parallele zum Sport ziehen möchtest, könntest du sagen „Ja, ich mache das ja auch nicht jeden Tag, ich mache das jeden zweiten Tag.“. Ich muss gestehen, ich habe mal gehört, so jeden Tag das zu machen soll auch gar nicht so gut sein, also immer mal eine Pause dazwischen und so habe ich dann immer auch diesen einen Tag dazwischen, wo ich dann sage „Heute muss ich das gar nicht machen.“, dann tut es mir auch am zweiten Tag gar nicht so weh. Dann stehe ich morgens auf und sage „Morgen hast du dafür frei.“ Also ich glaube, das darf man dann schon mal, das ist nicht schlimm und ich kann mir das gut vorstellen, dass man da, dass man so einen Muskelkater, so einen Beharrlichkeitsmuskelkater entwickelt. Also das mit den Listen mache auch nicht immer, manchmal werde ich auch von meiner Frau wieder darauf hingewiesen „Sag mal, du wolltest doch deine Liste schreiben, stand das da etwa nicht drauf?“, wo ich dann denke „Ach, verdammt, ja, habe ich vergessen.“ und das passiert schon mal. Das heißt ja nicht, dass ich das nicht trotzdem machen möchte, also ich möchte ja beharrlich sein, aber da braucht man eine Selbstdisziplin, also dieser Schutz, der die äußeren Einwirkungen sozusagen abwehrt, war nicht stark genug und dann muss ich da noch mal ein bisschen … das noch mal ein bisschen justieren. Aber den Muskelkater darf man sich manchmal erlauben und der passiert schon auch mal und das ist auch nicht schlimm.

Götz Müller: Mhm. Jetzt haben wir vorhin darüber gesprochen, wenn ich jemanden habe, der nicht beharrlich genug ist und ich möchte, nennen wir es mal so, ihm das etwas antrainieren. Wie kriege ich das hin? Jetzt könnte ich mich ja auch mal in die Situation der anderen Person versetzen, die eher so ein bisschen die kreative Natur ist und sie hat vielleicht zum Beispiel einen Kollegen, der extrem beharrlich ist, vielleicht der Person gegenüber, vielleicht aber auch nur mit sich selbst. Was ist da deine Erfahrung, welche Wirkung kann so etwas erzeugen oder muss man sich dann vielleicht an der Stelle auch wieder ein bisschen zurücknehmen?

Timo Gruß: Ja, ich glaube, wenn du so eine Konstellation hast, wo du den Kreativen und den Routinierten, den Beharrlichen … da könnte ich mir vorstellen, dass die beide so gegenseitig eine Meinung voneinander haben, der Kreative wird da sicherlich sagen „Der ist einfach wie so ein Wadenbeißer, mehr oder weniger.“, das macht dann sicherlich keinen Spaß und der Beharrliche wird wahrscheinlich sagen „Was ist denn das für ein Chaot?“. Ich glaube, da muss man da so ein bisschen die Kirche im Dorf lassen und da hat ja jeder so seine Vorzüge, also jede Rolle hat ja auch ihre Vorzüge, das darf man ja auch nicht vergessen. Und, sagen wir mal so, solange beide zusammenarbeiten und sie zusammen eine Vereinbarung getroffen haben … zum Beispiel sind beide Personen in einem Team, dann ist es schon wichtig, diese Vereinbarungen einzuhalten und da finde ich, dass Beharrlichkeit schon sehr wichtig ist, auch für so einen chaotisch-kreativen. Da muss man den so ein bisschen einfangen. Auf der anderen Seite ist der jetzt wiederum, wenn man jetzt an so ein Team denkt, sehr, sehr wichtig für so ein paar, sagen wir mal, so ein paar verrückte Ideen, auch ein paar Lösungsansätze, die der vielleicht mehr strukturierte, beharrliche nicht so hätte, möglicherweise. Das ist jetzt natürlich alles so ein bisschen stereotyp, aber das könnte ich mir gut vorstellen. Aber ja, da muss man natürlich so ein bisschen aufpassen, dass gerade, wenn man jetzt diese Routine entwickeln möchte, dass man dem anderen damit nicht, ich sage das jetzt mal salopp, auf den Keks geht. Also wenn man das für sich selber macht, dann ist das super, dann kann man sich selber mehr strukturieren. Wenn man es in einem Team macht und dann auch diese chaotisch-kreativen Personen mit dabeihat, die das nicht so schnell verinnerlichen, dann muss man die ein bisschen mehr mitnehmen und vielleicht mal noch die Fünfe gerade sein lassen, das ist vielleicht auch mal nicht so schlimm. Aber auf lange Sicht, denke ich, entwickelt sich auch bei so einer Person relativ … na ja, also relativ schnell nicht, aber irgendwann wird sich auch da eine Routine entstehen. Ja, am Anfang wird man sich sicherlich ein bisschen … da wird es sicherlich Reibereien geben.

Götz Müller: Ja, mir geht jetzt gerade durch den Kopf, dass man in einer ruhigen Minute, wenn jetzt nicht gerade ein akuter Fall vorliegt, dass man sich darüber austauscht … Wie geht es mir damit? Wir geht es mir mit dem Verhalten des anderen? Wo kann ich mich vielleicht in dessen Situation versetzen und mal ein bisschen reflektieren, was für eine Wirkung das auf mich hat?

Timo Gruß: Das finde ich eine gute Idee. Ja, klar. Sicherlich, das kann man auf jeden Fall machen. Man muss es ja nicht erstmal vor die Wand fahren lassen, sodass die Leute sich gegenseitig nicht mehr riechen können. Wenn man das im Vorfeld macht, vielleicht auch moderiert, das fände ich vielleicht noch ganz gut. Dann ist das eine super Sache. Wenn man sich gegenseitig versteht, ist das sowieso ganz gut.

Götz Müller: Ja. Vielleicht sogar eben wirklich im größeren Team, wo dann gar nicht mal so sehr dieser 1-zu-1-Konflikt besteht, sondern dann hat man insgesamt eine breite Mischung, wenn man nicht gerade irgendwelche extremen Fraktionen vor sich sieht. Okay, was wäre so, zum Abschluss noch mal, dein Tipp für jemanden, der jetzt so ein bisschen rausgehört und erkannt hat, Beharrlichkeit scheint doch gewisse Vorteile zu haben, ich habe es noch nicht, ich möchte da noch etwas tun, sei es im beruflichen oder persönlichen Kontext, was wäre dein Tipp so zum Abschluss für so jemanden?

Timo Gruß: Also erstmal klein anfangen. Das ist meine Erfahrung. Also, man hört das immer wieder „Ja, gib dir große Ziele.“, aber in so einem Fall würde ich eher sagen „Ja, das große Ziel kann man als Vision da stehen lassen, aber fang erstmal klein an.“, also nicht … ich für mich habe damals etwas rausgesucht, was mich nervt, das habe ich ja erzählt, da haben mich auch andere Leute darauf hingewiesen, dann habe ich diesen Punkt gesucht oder genutzt und habe das angewandt, also diese Routine versucht mir anzueignen und dabei beharrlich zu sein. ich glaube, wenn ich zu viele Dinge gemacht hätte, wäre ich tatsächlich nicht erfolgreich damit gewesen. Und das wäre so mein größter Tipp. Mit einer Sache anfangen und da eine gewisse Beharrlichkeit entwickeln und wenn es einen Rückschlag gibt, ist das nicht schlimm, das heißt nicht, dass man nicht trotzdem beharrlich sein kann. Dann muss man einfach wieder … dann sagt man beim Sport, einfach weitermachen und genauso würde ich das auch machen. Das wäre mein Tipp Nummer 1, also der steht über allem und dann kann man gucken, dann kann man Feinheiten machen, dann kann man die nächste Routine mithinzufügen. Dann kann man gucken, woran lag es, dass man nicht so gut die Routine entwickelt hat. Das sind aber alles Dinge, die kommen erst danach. Erst mal mit einer Sache anfangen, sich darauf fokussieren und wenn das einigermaßen läuft, hat man das erste Erfolgserlebnis gehabt und dann geht es auch viel einfacher, mit solchen Sachen weiterzumachen.

Götz Müller: Ja. Und ein Stückweit höre ich raus, eben auch sowas wie Routine für Routine zu entwickeln.

Timo Gruß: Ja. Ja, genau.

Götz Müller: Okay. Timo, das war, fand ich, eine sehr spannende Unterhaltung, auch wenn es auf den ersten Blick ein Thema ist, das mit Lean ganz am Anfang gar nichts zu tun hat und dann aber, wie du es ja angedeutet hast, ich finde es auch so, brutal wichtig ist, um dort die gewünschten Ergebnisse zu erzielen, deshalb bin ich mir ziemlich sicher, dass die Zuhörer da etwas mitgenommen haben und ich danke dir für deine Zeit.

Timo Gruß: Sehr gerne. Hat sehr viel Spaß gemacht.

Götz Müller: Ja. Ich werde dann in den Notizen auf jeden Fall noch deinen Blog und deinen YouTube-Kanal verlinken, dass die Zuschauer da auch mal reinschauen können.

Timo Gruß: Ja, super. Das würde mich freuen.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Timo Gruß zum Thema Beharrlichkeit. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 143.

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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

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