Kaizen 2 go 150 : Vertriebsprozesse im Lösungsvertrieb


 

Inhalt der Episode

  • Was ist Lösungsvertrieb?
  • Wie unterscheidet er sich vom Vertrieb anderer Leistungen?
  • Welche Konsequenzen ergeben sich für die Vertriebsprozess?
  • Welche Elemente sind im Lösungsvertrieb besonders wichtig bzw. treten nur dort auf?
  • Welche Fehler werden im Lösungsvertrieb immer wieder gemacht?
  • Welche Erwartungen haben Kunden, wenn sie Lösungen einkaufen bzw. sich damit beschäftigen?
  • Womit tun sich Vertriebsmitarbeiter im Lösungsvertrieb immer wieder schwer? Was sind die Ursachen dafür? Welche Folgen ergeben sich daraus? Wie lassen sich diese Probleme lösen?
  • Welche Kennzahlen eignen sich für den Lösungsvertrieb? Wie kann der Lösungsvertrieb gesteuert werden?
  • Wie kann der Vertriebsprozess für Lösungen strukturiert werden, wo sollte man anfangen?
  • Wie sollte eine zeitgemäße Ausbildung bzw. Fortbildung für den Lösungsvertrieb aussehen?

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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode Kaizen 2 go 150 – Vertriebsprozesse im Lösungsvertrieb

Götz Müller: Heute habe ich Manfred Schröder bei mir im Podcast-Gespräch. Das ist schon die zweite Episode, die letzte liegt schon etwas zurück. Manfred Schröder ist Berater, Trainer, Coach für Vertrieb, Vertriebsprozesse. Hallo Manfred.

Manfred Schröder: Hallo Götz.

Götz Müller: Sag noch mal zwei, drei Sätze zu dir selber. Ich würde jetzt nicht voraussetzen, dass jeder der Zuhörer sich die letzte Episode, ich glaube, es ist schon weit über 100 Episoden her, sich angehört hat.

Manfred Schröder: Ja. Also ich bin überwiegend als Trainer im Lösungsvertrieb, im Solution Selling, tätig, also wenn's drum geht komplexe, erklärungsbedürftige Lösungen zu verkaufen, egal ob das Maschinen oder Anlagen sind, ob es sich um Software handelt oder um Softwareentwicklung oder andere komplexe, erklärungsbedürftige Dienstleistungen, immer da, wo man nicht so genau weiß, was am Ende verkauft wird. Da spreche ich auf jeden Fall von Lösungsvertrieb. Das ist so meine Welt.

Götz Müller: Du hast es jetzt schon angedeutet, was Lösungsvertrieb ist, vielleicht vertiefen wir das und dann aber kommt es mir speziell eben drauf an, wir hatten ja schon mal eine Episode gemacht, in der wir uns ganz allgemein über Vertriebsprozesse unterhalten haben, und jetzt anlässlich deines neuen Buches, das rauskam, was unterscheidet den Vertrieb von Lösungen von normalen Vertriebsprozessen?

Manfred Schröder: Also ich erkläre das am liebsten mit dem Unterschied zwischen einem Porsche 911 und SAP. Wenn jemand einen 911er kauft und den geliefert bekommt, dann geht der Spaß los. Wenn sich jemand für SAP entscheidet und das auf seine Rechner bekommt, geht die Arbeit los.

Götz Müller: Okay.

Manfred Schröder: Und so ist es ganz häufig, in dem Lösungsvertrieb oder im Solution Selling. Es ist relativ unklar, was am Ende da ist. Aber davor steht ganz viel Arbeit, da wird ganz viel customized, das ist so ganz typisch dafür. Und das bedeutet natürlich, dass dann sehr hohes Risiko da ist, also ich glaube, wir haben alle die Berichte über die SAP-Einführung und so verfolgt, auch gerade in letzter Zeit, Haribo, so und so viel Prozent Umsatzminus wegen der SAP-Einführung. Jedenfalls sind so die Artikel überschrieben. Das ist so eines der Themen und das macht deutlich, dass das Risiko, das in so einer Beschaffung besteht häufig höher ist als der Wert der Beschaffung, also beim 911er, kostet irgendwie so 150 Tausend, vielleicht auch nur in der Basisausstattung, das Risiko beträgt also diese 150.000. Wenn ich SAP einführe, dann ist es wieder Risiko weit über den Softwarepreis und selbst weit über dem Beratungsbudget. Wenn man jetzt Haribo anguckt, Umsatzminus, das sind so die Folgen und wir haben ja Ähnliches in anderen Unternehmen auch und das sind die Dinge, vor denen Kunden in diesem Bereich Angst haben. Und es wird sehr deutlich in einer neueren Studie aus den USA, die hat ergeben, dass 58% der Vertriebsprojekte, als lost to no desicion enden, also sie haben nicht entschieden, da ist die Angst der Wettbewerber, der gesiegt hat.

Götz Müller: Oder im Zweifelsfall, aber das wäre dann ein anderes Thema, Weiterwurschteln auf der Excel-Basis.

Manfred Schröder: Ja, genau. Das bedeutet es, weiter wurschteln mit was immer heute da ist, 58% lost to no desicion, man hatte nicht den Mut, den neuen Weg zu gehen oder hat das Risiko höher eingeschätzt.

Götz Müller: Okay, aber das sind ja Dinge, die Risiken und wenn sie dann Realität werden, das sind ja Dinge, die nach dem Abschluss auftreten. Jetzt hast du gesagt „Okay, es kann auch zu keiner Entscheidung kommen, sprich als Verkäufer habe ich halt dann keinen Umsatz gemacht.“, jetzt geht's mir aber darum, was sind dann die konkreten Auswirkungen auf den Vertriebsprozess bis zum Abschluss?

Manfred Schröder: Ja genau. Einerseits müssen wir die Aufgabe klar verstehen, also verstehen, dass da ein enormes Risiko empfunden wird beim Kunden, das ist erstaunlich, wie häufig das nicht funktioniert, dass man das wirklich verstehe. Eine der Folgen ist, wir haben typischerweise sehr lange Prozesse, also im Lösungsvertrieb irgendwo zwischen 6 und 36 Monaten, wir brauchen, so ergeben den Statistiken, in der Regel so etwa neun Kontakt wertvolle Kontakte, nicht mal eine kurze Terminabstimmung, das heißt, wir müssen auch hier durchaus kreativ sein. Wir haben, weil das so viel bedeutet, viele Beteiligte, dann werden sie Stakeholder genannt, wie auch immer, also Leute in dem Buying Center, die irgendwie mitentscheiden.

Nehmen wir mal eben mal SAP oder so ERP-Systeme, was immer eine sehr große Entscheidung ist, da sind ganz viele Menschen beteiligt und müssen mitüberlegen. Ein anderer Punkt ist, diese Art Entscheidungen werden auch nur fünf, zehn, fünfzehn Jahre getroffen. Kaum jemand macht zwei ERP-Einführungen in seinem Berufsleben. Das heißt, da ist auch wenig Know-How in diesem Auswahlprozess und auch wenig Strukturen in dem Beschaffungsprozessen. Das ist ja die Seite. Und wir haben auf der Anbieterseite sehr teure Vertriebsprozesse, sehr aufwändig mit Proof-of-Concept-Tests, wie auch immer… Also sind schon dann die Konsequenzen aus dieser Unsicherheit auch.

Götz Müller: Jetzt ging mir gerade ein Gedanke durch den Kopf, als Du das Stichwort Buying Center genannt, an dem ja, in der Natur der Sache begründet, unterschiedliche Person beteiligt sind und zwar, nach meiner Vermutung, in jedem Einzelfall wieder neu und dann ging mir eben durch den Kopf, okay, dann sieht ja aber auch zumindest an der Stelle der Vertriebsprozess immer leicht unterschiedlich aus, weil jetzt ja jede einzelne Personen, wenn ich so dieses Swimlane-Bild vor mir habe, wo jeder Beteiligte, jeder Stakeholder, auf einer Bahn schwimmt, dann schwimmen da ja unterschiedlich viele Menschen. Was hat das also für einen Einfluss dann, manches kann man sicher immer wieder gleichbehandeln, was hat das dann für einen Einfluss auf den Vertriebsprozess.

Manfred Schröder: Ja. Götz, das Spannende ist, dass dann viele sagen, es ist jedes Mal anders, also brauche ich gar nicht über einen Vertriebsprozess nachzudenken oder mir zu überlegen, wer jetzt Mitglied in diesem Buying Center ist und die Leute gehen diesen Themen, dieser Komplexität aus dem Weg, klammern sich häufig dann an einen, den sie dann ihren internen Coach nennen und erleiden häufig genug damit Schiffbruch. Der bessere Weg ist, sich dieser Komplexität zu stellen, ist sich bewusst zu machen, dass jeder in seine Buying Center auch andere Interessen hat und auch andere Elemente im Vertriebsprozess braucht, also mal ist er dabei oder mal ist er nicht dabei. Diese Buying Center sind manchmal formelle Buying Center, also so ein Projektteam zur Auswahl von. Oft genug gibt es das aber nicht als formelles Buying Center, sondern geht's einen Projektleiter und der holt sich, je nachdem, was er jetzt besprechen will, Kollegen dazu. Also wir haben alles noch und wir nehmen als Anbieter häufig zu wenig Einfluss drauf. Also ich sehe da auch immer eine Chance für Verkäufer, wenn Sie hier die Kunden unterstützen mit einem Vorschlag für ein Vorgehen, für ein Entscheidungsprozess, für diese Aufgabe Auswahl, da quasi als Coach zu fungieren.

Götz Müller: Mir geht da jetzt auch durch den Kopf und ich könnte mir vorstellen, dass du es bestätigen wirst, ein ähnliches Szenario, wo ich im Grunde auch immer wieder was Neues habe, du hast das zum Teil schon genannt, klassisches Projekt eben und klassisches Projektmanagement. Ein Projekt kennzeichnet ja eben, dass es einmalig ist und trotzdem spricht man da ja mittlerweile seit einigen Jahren von einem Projektmanagementprozess und ich könnte mir vorstellen, dass man auch für das Thema Vertriebsprozess und dann speziell im Lösungsvertrieb da so bisschen was abgucken kann und sagen kann: Okay, einerseits immer wieder neu und trotzdem eben Themen, die sich dann immer wiederholen, der Umgang zum Beispiel mit den Stakeholdern.

Manfred Schröder: Genau. Also das ist eines der wichtigen Elemente des Lösungsvertrieb: dieses Opportunity Management, dieses Chancenmanagement. Das ist also durchaus eben vergleichbar mit dem Projektmanagement. Im Projektmanagement haben wir den Vorteil, dass doch einige der Projekte einen stetigeren Verlauf haben, aber das wissen wir beide, so genau stimmt das jetzt auch wieder nicht. Also im Vertrieb ist vielleicht noch mehr Abweichung, deshalb Opportunity Management, das wir monatlich oder so uns diesen Prozess angucken, uns fragen, wo stehen wir denn. Sind wir noch klar mit unserer Strategie? Ist es noch die richtige? Was sind die nächsten Schritte? Haben wir das, was wir vorgehabt haben erreicht und warum es vielleicht gescheitert? Also eines von, aus meiner Sicht, drei der wichtigen Elemente, also es gibt mehr Elemente, aber ich behaupte mal die drei sind erfolgsentscheidend für den Vertrieb im Solution Selling.

Götz Müller: Ok. Lass es mich noch mal kurz kapitulieren, einmal das Thema Buying Center, dann das Thema Opportunity Management, jetzt bin ich mir nicht ganz sicher, ob du das dritte schon genannt hast, oder?

Manfred Schröder: Da würde ich jetzt, wenn wir Buying Center dazu nehmen, das steckt so in dem Opportunity Management mit drin. Das erste ist, weil wir Vertrauen aufbauen müssen, das ist ja das Hauptziel in diesem Vertriebsprozess, weil die Angst so groß, die beste Maßnahme gegen Angst ist Vertrauen und das schaffen wir sehr gut mit der Bedarfsanalyse. Weil für den Kunden ist als erstes wichtig, dass es sicher ist, dass wir als Anbieter seine Aufgabenstellung verstanden haben, dass wir wirklich verstanden haben, was er braucht. Also ich sage da immer, wenn wir zum Arzt gehen und der würde als Erstes sagen „Hocken Sie sich dahin, sie brauchen nichts zu sagen, ich will ihnen mal ein Rezept aus, das nehmen sie jetzt zweimal am Tag 14 Tage lang.“, dann würden wir uns nicht sehr wohlfühlen. Wir möchten, dass der sich Mühe geht bei der Anamnese. Das ist das Gleiche in dem Bereich komplexer Lösungen, dass der Kunde will, dass wir ihn wirklich verstanden haben, er möchte spüren, dass wir das wollen und am Ende natürlich auch das. Und das Erstaunliche ist, wenn der merkt, wir haben ihn verstanden, dann traut er uns auch zu, dass wir eine Lösung finden. Ich habe das schon oft gehört, gerade auch als Verkäufer, wenn ich ihn nachher mal gefragt, warum habe ich gewonnen, war die Aussage „Sie haben uns am besten verstanden.“ Nicht „Sie hatten die beste Lösung.“, sondern „Sie haben uns am besten verstanden.“ und ich glaube, das ist eben ganz häufig so und viel zu viele Verkäufer gehen darüber hinweg und dass wir verstanden haben, das wäre so ein kleines Nebenteil die Value Proposition, also nicht die Marketing Value Proposition, die zurzeit ein bisschen gehypt wird als Begriff, sondern die kundenindividuelle Value Proposition, wo ich noch mal reinschreibe, was will der Kunde, warum will er das und warum ist unsere Lösung. Und das zweite Element, das so ganz zentral ist, ist der Proof of Concept, das kann ein Test sein, das kann ein Workshop sein, mit dem wir ihm zeigen, dass wir das können, dass wir das verstanden haben, der ihm dann Sicherheit gibt. Also erst verstehen wollen, hinterher mit einem Proof of Concept auch ein Stück weit zeigen, dass wir verstanden haben und können und das Dritte ist dann eben das Opportunity Management, bei dem wir uns einmal im Monat fragen, sind wir noch einen Schritt weiter? Was wäre der nächste Punkt? Sind wir noch on track? Passt die Strategie noch? Also ist Projektmanagement dazu.

Götz Müller: Da klang für mich schon viel an, was man im Prinzip falsch machen kann, aber vielleicht auch noch mal durch deine Brille beleuchtet, was sind so in deiner Erfahrung Fehler, die immer wieder gemacht werden?

Manfred Schröder: Also als erstes wird viel zu viel erwartet vom Kunden. „Der muss doch wissen, wenn er so etwas kaufen will!“ oder so eine Aussage wie „Die Kunden wissen nicht, was sie wollen.“ Das stimmt. Manchmal wissen sie nicht, was sie wollen, aber oft wissen sie, was sie nicht mehr wollen, also sie können das Problem benennen und da müssen Verkäufer mit der Bedarfsanalyse sehr viel besser werden, in der Anamnese viel besser werden, ich sage mal auch im Sinne von, den Kunden coachen, also kommunizieren wir ein Coach oder wie eben ein Arzt. Dass wir das besser herausarbeiten. Ganz oft können sich Verkäufer kaum mehr vorstellen, wie das ist wenn man so eine Lösung nur alle zehn bis fünfzehn Jahre kauft, die beschäftigen sich an jeden ihrer Arbeitstage mit dem Vertrieb von ERP-Systemen, Anlagen, Maschinen, was weiß ich, beim Bau von einer Raffinerie in höchster Komplexität, das ist für die Alltag. Das ist nicht für jeden unserer Kunden Alltag.

Götz Müller: Das ist der Fluch des Fachmanns, oder?

Manfred Schröder: Ja. Genau. Das kommt dann noch dazu, dass wir da auch noch mit viel Fachleuten zu tun haben in einer anderen Weise. Also man könnte hier auch eher zum Beschaffungscoach werden. Das wird häufig auch nicht gemacht. Also man hätte da Platz, so ein Vorgehensmodell für die Beschaffung vorzuschlagen: „Wir könnten mit diesen Schritten vorgehen. Wäre Ihnen das recht?“ Also immer schon auch in Abstimmung, in einem Dialog und klar, der Verkäufer, der es schafft, seinen Prozess auf diese nette, sympathische Art zu etablieren, der schon mal einen Schritt weiter vorne. Also, da können wir Beziehung aufbauen, dann können wir etwas liefern.

Götz Müller: Wenn ich jetzt mal so noch so ein bisschen die Kundenbrille aufsetze, würde ich auch vermuten, der hat jetzt nicht bei sich auf der Stirn stehen, also von Ihnen gesehen „Ich will Vertrauen zum Verkäufer haben.“, auf was ich also hinauswill, welche Erwartungen, welche bewussten Erwartungen haben Kunden, wenn sie Lösungen einkaufen wollen, müssen beziehungsweise sich ganz allgemein damit beschäftigen?

Manfred Schröder: Also bewusst ist schon, dass sie irgendeine Lösung für ein Problem suchen und bewusst ist auch, dass sie wollen, dass er das versteht. Unbewusst ist auch, das was du angesprochen hast, die wollen alle auch einen Partner, dem man vertrauen kann und zwar fachlich und menschlich. Also das Fachliche ist meistens relativ einfach, bis auf das, was dann von vielen Verkäufern geritten wird, weil das ist ihre Domäne, aber das Menschliche, auch das Vertriebliche aufzubauen, das wird nicht genug bedient. Und aus meiner Sicht ist das eben dann starkes Element, weil ich dann nicht zu meinem Kunden gehen und sagen „Herr Götz, mir können Sie vertrauen.“, dann wissen wir, wie das wirkt. Ich habe mit einem Kunden gesprochen, der war dabei ein CRM-System zu kaufen und einer der Anbieter hat gesagt „Wissen Sie, wir arbeiten ganz partnerschaftlich mit unseren Kunden.“. Nach der fünften oder sechsten Wiederholung, hat er mir gesagt, war klar, der kommt nicht in Frage. Also das Thema Vertrauen können wir nicht explizit behandeln. Das müssen wir über das, wie wir mit den Kunden arbeiten transportieren. Und da ist Bedarfsanalyse ein sehr guter Punkt. Früher war da immer so die Meinung, das machen wir über Smalltalk, da reden wir über Urlaub, übers Wetter, aber in diesem Bereich Solution Selling haben wir sehr häufig technische Lösung oder sehr fachliche Lösungen, das heißt wir haben auch sehr sachlich gestrickte Menschen, die wollen nicht unbedingt über Urlaub, die Kinder und so Zeug reden, sondern am liebsten über ihr Thema, das sie gerade sehr bewegt, und deshalb ist diese Bedarfsanalyse für mich von überragender Bedeutung und dort herauszuhören, einmal so diese technische Seite, das ist relativ gut etabliert, aber noch wichtiger ist herauszuhören, was verspricht sich denn dieser Kunde. Von was träumt er? Was soll einfacher werden in seinem Leben? Was beunruhigt ihn mit dieser Veränderung, mit dieser Beschaffung? Weil dann kommen wir dann auch menschlich näher.

Götz Müller: Jetzt habe ich da einige Dinge raus gehört, auch womit sich eben Vertriebsmitarbeiter im Lösungsvertrieb immer wieder schwertun. Gerne kannst du das auch noch ein bisschen ergänzen jetzt. Auf was es mir aber dann im nächsten Schritt jetzt ankommt sind die Ursachen dafür. Warum tun sich die Vertriebsmitarbeiter mit den Dingen schwer? Auch das hast du ja schon ein bisschen angedeutet, aber ich möchte es noch ein bisschen vertiefen und dann sollte man mit Sicherheit auch darüber sprechen, welche Folgen sich daraus ergeben und wie man das Dilemma löst.

Manfred Schröder: Ja. Das Kernproblem ist immer wieder, dass die Verkäuferin in diesem Solution Selling Bereich extrem technisch-fachlich denken, sie sehen vor allem dieses technisch-fachliche Problem des Kunden, dass der damit Ängste verbindet einerseits, weil etwas sich verändert, aber dann auch Erwartungen und Hoffnungen hat, also wenn der eine neue Maschine kauft oder eine große Anlage, dann geht's ja nicht nur darum, dass da eine große Anlage steht, sondern es geht darum, dass die dann schneller produziert, dass die dann exakter produziert oder möglicherweise flexibler oder alles drei. Und was vorher noch nicht ganz klar ist, wird es am Ende rauskommen, wenn es eine Anlage ist. Klar, wenn es eine Standardmaschine ist, ist das kein Problem, das kann man irgendwie testen und ausrechnen, aber häufig sind es deutlich komplexere Dinge um die es geht oder eben dann die Hoffnung, dass mit diese neuen Produkte oder diese optimierten Produkte da auch mit der neuen Anlage dann auch in neue Märkte verkaufen kann. Also da geht es noch um ganz andere Dimensionen von Erwartungen. Ich habe einen Kunden in der Versicherungswirtschaft, je nach Versicherung, die man hat als Unternehmen, also gerade bei der Produkthaftungsversicherung kann ich eben in die USA verkaufen oder eben nicht oder auch nach Frankreich. Das heißt da gehen Märkte auf, wenn ich das richtig mache, und am Ende fehlt es dann häufig daran, dass Verkäufer da richtig hingucken, auch für die Berechnung von Return-on-Investment, weil es ist klar, die Kosten zur Lösung von einem Problem sollten geringer sein als das Problem kostet, dann haben wir mal eine faire Chance. Das heißt ich muss nicht nur das Problem verstehen oder die Aufgabenstellung, sondern auch welche Kosten sie verursacht und dann welche Möglichkeiten eben die neue Welt schafft.

Götz Müller: Da möchte ich noch so ein bisschen nachbohren. Was ist so dein Eindruck, deine Erfahrung, warum tun sich da die Vertriebsmitarbeiter schwer, diese Punkte auch zu hinterfragen?

Manfred Schröder: Ja, weil sie sich ganz häufig wirklich auf das technische Problem stürzen und gar nicht die Erwartung und Hoffnung dahinter ermitteln, als ich komme ganz oft dahin und frage „Ja, warum machen die das?“ und dann kommt „Ja, das ist irgendwie nicht optimal.“ und wegen „irgendwie nicht optimal“ gibt kein Mensch Hunderttausend oder Fünfzigtausend oder Zweihunderttausend für eine Lösung aus. Das muss man quantifizieren, das muss man verstehen, da muss man auch vermitteln können, dass das danach wirklich besser ist, denn wenn man sagt, man macht es neu, heißt ja noch nicht, dass es wirklich besser ist. Man muss wissen, auf das man achten sollte. der Kunde hat Angst vor dem ganzen Prozess, vor der Entscheidung, da sind widerstreitende Interessen, bis hin natürlich, dass unternehmenspolitische Interessen da sind. Das Geld, das die eine Abteilung ausgibt, kann die andere nicht auch noch investieren. Da wird auch mal um Investitionsmittel gekämpft. Und das muss man Stück weit im Blick haben. Alles können wir nicht regeln, aber wir sollten uns da beteiligen, wo wir können. So und gleichzeitig ist eines der Kernprobleme, dass Verkäufer in diesen Bereich noch viel zu wenig strukturiert, im Sinne eines Vertriebsprozess, denken, also das findet gar nicht statt. Manchmal werden auch Prozesselemente zum falschen Zeitpunkt gefahren. Also nehmen wir diesen Proof of Concept, der am Ende noch mal kurz vor dem Abschluss Sicherheit geben soll, der wir dann durchaus mal vorgezogen, um Kunden oder Interessenten zu gewinnen als Appetizer und wundert sich dann, dass der Kunde für diesen POC nichts bezahlen will, obwohl der sehr teuer ist, aber da ist er einfach noch nicht an der Stelle, wo er bereit ist für Sicherheit Geld auszugeben, weil er hat überhaupt noch gar kein Unsicherheitsempfinden, das wächst über den Vertriebsprozess an und steigt am Ende exponentiell fast an. Also du plötzlich ist alles egal, da hat man nur noch Angst, dass das Ding schief geht, also er wird selbst vorher hohe Anforderungen an Konzept verworfen und man kauft dann oftmals, dass, haben wir wahrscheinlich alle schon mal beobachtet, irgendwie eine billige Lösung einfach, weil das Gefühl da ist, bei weniger Kosten ist auch das Risiko geringer. Und das ist natürlich ein Irrtum, weil wenn die Anlage, die Software nicht tut, was sie soll, dann war das Risiko vielleicht etwas billiger, aber die Chance, dass der Schaden eintritt, ist höher und auch dass, sagen wir mal, der ganze Projektaufwand verbrannt wird, ist viel höher. Also da wirklich sehr systematisch daran arbeiten, dass wir auch wissen, wir müssen kurz vorm Abschluss noch etwas in der Hinterhand haben und das ist der POC, dann wird er sogar bezahlt und dann kann man eben nachlegen und noch mal Sicherheit geben und da Verkäufer in der Regel überhaupt nicht diesen Verkauf als Prozess sehen, wo wir uns nach vorne arbeiten und immer eine Stufe höher gehen und näher an den Abschluss kommen, verwursten die auch mal des vorgehen.

Götz Müller: Ja. Das ist nachvollziehbar. Wenn wir jetzt, du hast gerade das Stichwort schon genannt, wenn wir wieder ein bisschen mehr auf den Prozess gucken, ich denke, viele die sich jetzt klassisch mit Prozessen beschäftigen, werden da sofort auf den Aspekt Kennzahlen kommen. Ich könnte mir vorstellen, jemand, der jetzt nicht im Prozess denkt, möchte jetzt auch nichts über Kennzahlen hören. Was sind, deiner Ansicht nach, geeignete Kennzahlen von Lösungsvertrieb und wie steuere ich damit den Lösungsvertrieb?

Manfred Schröder: Ja. Also da wird noch immer sehr viel mit Umsatzzahlen oder Auftragseingangszahlen operiert. Und ich behaupte, das ist immer so ein bisschen, wie wenn man beim Autofahren die Frontscheibe zu klebt, weil Umsatz- und Auftragseingangszahlen sind Vergangenheitszahlen, die Dinger sind drin, die sagen mir nichts über die Zukunft. Wir brauchen also Kennzahlen, die in die Zukunft gehen, weil die Vertriebsprozesse so lang, also zwischen sechs und sechsunddreißig Monaten, also halbes Jahr bis drei Jahre, da hilft es mir nichts zu hören, was sind letzten Monaten Aufträgen reingekommen, sondern ich muss auf Kennzahlen schauen, die mir etwas über die Zukunft sagen, also wie viel Akquisefälle habe ich, also wie viele Fälle habe ich gerade angebaggert, wie viel schaffe ich, wie viele Telefonate mache ich im Monat, was kommt da raus, wie ist der Verlauf der Opportunities über die verschiedenen Prozessschritte, Erstgespräch, Zweitgespräch, Individualpresentation oder auch in Seminaren, die ich vielleicht gebe oder Frühstücksveranstaltung für Interessenten, wie sind da die Kennzahlen? Wie viele überleben einen Schritt und gehen zum nächsten? Also wie viele der Leute, die in einer offenen Informationsveranstaltung waren, wenden sich nachher an mich und gehen das Projekt weiter, machen eine individuelle Präsentation etc., was immer da übrig bleibt, um dann zu sehen, wenn man dann näher kommt, wie viel können wir im nächsten Monat abschließen oder in den nächsten drei Monaten. Weil die Umsatz- oder Auftragseingangszahlen sind nur noch Vergangenheitsbewältigung und ich hoffe, dass es den meisten Leuten Grund für Freude gibt, weil sie viel Umsatz gemacht haben, viel Auftragseingang hatten, aber wenn wir dahin gucken, sagt uns das gar nichts drüber Steuern, weil Steuern heißt ja, gehen wir zurück zum Auto, dass wir nach vorne gucken, eine Kurve sehen und entsprechend das Lenkrad einschlagen. Wenn wir uns das jetzt noch mal klar machen, wir steuern hier etwas, das eben ein sehr langer Prozess ist, das ist wirklich wie zu kleben der Frontscheibe und wir steuern über die Außenspiegel, über das, was in der Vergangenheit liegt, dann wissen wir, das geht, also so könnte man ein Auto schon steuern, aber wir würden halt nur noch 30 fahren. Und das wollen wir nicht, wir wollen ja weiterhin 60 bis 80 auf der Landstraße fahren, da wo es kurvig ist, und nach vorne einen klaren Blick haben. Deshalb brauchen wir Kennzahlen, die nach vorne gehen. Das ist eigentlich nicht so schwer.

Götz Müller: Okay. Wenn jetzt der ein oder andere Zuhörer sagt „Ja, ich habe verstanden, Vertriebsprozess darf sein, muss sein, für meine Lösungen, die ich verkaufe, was ist so deine Empfehlung, wo sollte jemand starten?

Manfred Schröder: Da werde ich werde kess und sage „Na ja, am Anfang. Also ja klar, bei der Telefonakquise. Das ist einfach für diesen Bereich extrem wichtig oder einfach Akquise, heute ist nicht mehr so sehr die Telefonakquise, heute kommen viele Projekte auch über die Webseiten des heißt, dort ein aktives Leben, sei es ein Blog oder andere Möglichkeiten, hier nah bei dir Podcasts, da in einen Dialog mit potentiellen Kunden zu kommen, möglicherweise auch zu einem Zeitpunkt, wo die überhaupt nicht an ein Projekt denken, sondern es einfach spannend finden und das Gefühl haben, das könnte ein guter Anbieter, ein guter Partner sein, wo man sich ganz natürlich hin wendet, wenn man dann zu dem Thema was braucht. Dann sich zu überlegen auch in einem Markt nicht so sehr nach der Frage, wie muss mein Vertriebsprozesse primär aussehen, sondern wie sieht denn da der Beschaffungsprozess von dem Kunden aus. Was will der denn? Auf was hofft er? Wo steht er denn da? Und da ist dann auch mal ein Stück die Frage das Synchronität, wenn es um Beschaffungs- und Vertriebsprozess geht. Also es gibt da Verkäufer, die davor raus rennen, nicht merken, dass da der Kunde noch hinterher hängt, aber es gibt dann auch umgekehrt Verkäufer, die nicht merken, dass Kunden schon einen ganz Schritt weiter sind. Also wir wissen aus Studien, dass sich heute Kunden erst an Unternehmen oder Verkäufer wenden, wenn sie schon etwa 51-52% von einem Beschaffungsprozess abgeschlossen haben, also sie sich schon im Internet informiert, die haben oftmals schon interne Besprechung gehabt, so Workshop, wo sie herausgefunden haben, was sie wollen und und und. Das heißt, wir müssen auch mal gucken, wo stehen die denn, wenn wir da einlaufen.

Götz Müller: Okay. So ich gucke ein bisschen auf die Uhr, wir sind schon über die halbe Stunde drüber, so zum Abschluss noch eine Frage. Unter der Annahme, dass jetzt ein Mensch nicht morgens aufwacht und nachts davon geträumt hat, wie ein idealer Lösungsvertriebsprozess aussieht, das heißt, was ist dein Ansatzpunkt, wie sollte eine zeitgemäße Aus- oder Fortbildung für den Lösungsvertrieb aussehen?

Manfred Schröder: Ja. Also ich sag mal, natürlich am besten ist es mein Training zu dem Thema … aber, ja, dass man sich wirklich noch mal hinterfragt, gehen wir genug auf den Kunden ein? Machen wir genug im Sinne von Bedarfsanalyse? Ich habe im letzten Jahr einen Kunden neu dazu gewonnen, der ganz viele Projekte hatte, die nachher nicht abgeschlossen wurden und wir haben in dem ersten halben Tag rausgefunden, dass die überhaupt keine Projekte waren. Also hätte man den Kunden gefragt, der hätte wahrscheinlich gesagt „Nein, wir hatten da kein Beschaffungsprojekt, es hat uns nur mal interessiert.“ und da sind wir auch oftmals vorschnell. Das heißt wirklich, dass in seinem Markt sich auseinandersetzen, ich merke immer wieder, dass ist in jedem Markt ein Stück weit anders. Ich muss da als Berater, Trainer immer erstmal viele Fragen stellen und verstehen, wie der tickt. Aber es ist genug Gemeinsamkeit, dass man sagen kann „Ja, im Lösungsvertrieb kommt es ganz oft drauf an, dieses Vertrauen aufzubauen, den Kunden in seiner Situation zu verstehen und manchmal lief diese lässige Frage einfach „Warum reden sie mit mir? Was erhoffen sie sich?“ Also start with why, da bin ich völlig dabei. Warum will er das? Auf was kommt es ihm an? Und sich da reinzudenken und nicht zu glauben, nur weil einer sagt Vertriebstraining, dann wird er genau mein Standardtraining. Die meisten wollen das so nicht oder das ist nicht, nach was sie fragen, sondern die haben eine Problemstellung, die haben irgendwelche Defizite wahrgenommen und wollen jetzt was tun. Es kann durchaus sein, dass am Ende mein Standardtraining passt, aber die wollen ja nicht hauptsächlich dann meinen Standardtraining erklärt haben, sondern die möchten, dass ich verstehe, auf was es ihnen ankommt und das gilt, glaube ich, für alle Verkäufer im Lösungsvertrieb. Also mehr zum Coach werden, mehr verstehen wollen und das noch in der strukturierten Umgebung, dass man sie im Prozess macht oder sowas wie Buying Center nutzt.

Götz Müller: Ja. Das war jetzt auch, fand ich, ein schöner Bogen wieder zurück auf den Anfang, wo wir auch über das Thema Vertrauen gesprochen haben, was ich ganz deutlich raus gehört habe, dass das auch ein mitentscheidender Punkt ist, warum sich dann jemand für ein bestimmtes Unternehmen, für einen bestimmten Menschen unter Umständen eben auch, entscheidet.

Manfred Schröder: Ganz genau.

Götz Müller: Manfred, ich danke dir für deine Zeit. Da waren spannende Themen dabei. Ich finde es auch wieder spannend sich über Prozesse zu unterhalten, bei denen das Thema Prozess gar nicht so groß im Vordergrund steht, für die meisten Beteiligten, aber trotzdem eine wichtige Rolle spielt.

Manfred Schröder: Das ist so. Sehr wichtig und darüber kann man viel gewinnen.

Götz Müller: Ich danke dir.

Manfred Schröder: Ja, ich danke dir und wünsche den Zuhörern gute Erleuchtungen.

Das war die heutige Episode im Gespräch mit Manfred Schröder zum Thema Vertriebsprozesse im Lösungsvertrieb. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 150.

Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freue ich mich über Ihre Bewertung bei iTunes. Sie geben damit auch anderen Lean-Interessierten die Chance, den Podcast zu entdecken.

Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

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