Kaizen 2 go 195 : Lean in der Bauindustrie


 

Inhalt der Episode:

  • Was macht das Baugewerbe bzgl. Lean Management besonders?
  • Welche Unterschiede gibt es innerhalb der Bauindustrie und welchen Einfluss hat das ggf. auf das Thema Lean?
  • Was sind generell die besonderen Herausforderungen?
  • Welche Einflussfaktoren gibt es, die Lean in den Fokus gerückt haben?
  • Was sind Ansatzpunkte, um Prozesse und Lean in der Bauindustrie einzuführen?
  • Welche Rolle spielt Lean in den Prozessen außerhalb bzw. vor der Baustelle?
  • Stichwort Kundenorientierung – Welche Kundenausprägung ist in der Bauindustrie relevant?

Notizen zur Episode:

Episoden mit Bezügen zum Baugewerbe


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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 195 : Lean in der Bauindustrie

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Peter Adenäuer bei mir im Podcast-Gespräch. Er unterstützt Bauteams bei Lean-Abwicklungssystemen auf Baustellen. Hallo Peter.

Peter Adenäuer: Hallo Götz. Guten Abend. Vielen Dank für die Einladung zu dem Gespräch.

Götz Müller: Ja, schön, dass das heute klappt. So, ich habe schon ein paar Stichworte gesagt zu dir, stell dich aber gern noch mal in zwei, drei Sätzen ein bisschen intensiver vor.

Peter Adenäuer: Sehr gerne. Also, ich bin Vater von drei Kindern. Ich habe Bauingenieurwesen studiert und da auch vertieft schon den Baubetrieb und das Baumanagement, das waren damals zwei Studiengänge, habe dann den Eingang im Berufsleben in einem großen Konzern gehabt, war dort sehr viel auf nationalen und internationalen Großprojekten eingesetzt in verschiedenen Rollen, in der Bauleitung, in der Projektleitung, und da er einen sehr guten Einblick in die Ingenieursarbeit bekommen und, ja, seit 2015 sind wir auch wieder als Familie zurück in Deutschland und das ist auch der Zeitpunkt, wo ich mich auf die Lean-Reise gemacht habe, ebenfalls bei einem großen Baukonzern. Ja, warum mache ich das? Weil es spannend ist, mal über den Tellerrand zu schauen und auch mal verschiedene Blickwinkel einzunehmen.

Götz Müller: Ja, das war jetzt ein wunderbares Stichwort, über den Tellerrand schauen, ich denke, der ein oder andere oder wahrscheinlich sogar die Mehrzahl kommt eben nicht aus dem Bauumfeld, Baugewerbe, Bauindustrie. Das heißt, was macht deiner Ansicht nach das Baugewerbe, bezüglich Lean Management natürlich, besonders?

Peter Adenäuer: Das Baugewerbe ist ja ein Geschäft, was von einer hohen Komplexität lebt, deswegen weil eine Vielzahl von Beteiligten bei der Erstellung von den Objekten, ja, vorhanden sind und die Wichtigkeit zwischen den Gesprächen untereinander und die Zusagen, die man sich gibt, machen eigentlich das Arbeiten im Bauwesen so besonders, ja, weil jetzt mit der Lean-Brille aufgesetzt ja auch darum geht, dass wir den Mehrwert eines jeden Einzelnen, den er leistet, deutlich machen wollen.

Götz Müller: Jetzt könnte ich mir vorstellen, ich habe ja auch so ein bisschen Erfahrung in dem Umfeld, aber damit auch die Zuhörer sich da noch ein bisschen drüber klar werden, es gibt ja doch den ein oder anderen Unterschied innerhalb der Bauindustrie, zum Beispiel was eben alles gebaut wird, und da dann auch wieder vertiefend: Was sind dann Themen daraus, die wieder Einflüsse auf den Aspekt Lean haben?

Peter Adenäuer: Gut, also per se ist natürlich das Bauwesen allgegenwärtig. Wenn wir uns das überlegen, wir leben in den Häusern, haben den Strom heute Abend, da sind Kraftwerke dran, wir fahren nachher nach Hause auf der Straße. Also da erstmal eine riesige gesellschaftliche Verantwortung, die damit einhergeht, und ich finde in der Zeit jetzt auch, wo ich mich damit beschäftigt habe, dass das Bauwesen sich besonders dafür eignet, aus der Lean-Seite zu erkennen und zu erklären, wie Mehrwert oder etwas mehr wert wird. Also wenn wir jetzt mal einen Rohbau beispielsweise nehmen, das leuchtet jedem ein, wenn da Fenster drin sind, dass es dicht wird, wenn eine Heizung drin ist, der Mehrwert da auch gesteigert ist für den, der dann da am Ende auch drin leben wird.

Götz Müller: Wenn man vielleicht noch mal auf einzelne, du hast Straßen genannt, du hast Kraftwerke genannt, du hast Wohnungen genannt, wenn man sich das noch mal anschaut, was haben diese Bauaspekte, was haben die für einen Einfluss auf das Thema Lean? Gehe ich damit grundsätzlich überall ähnlich oder gleich mit um oder gibt's halt einen Unterschied, ich sage mal, Wohnungsbau, Privatwohnungsbau, öffentlicher Wohnungsbau, Großbauten, so Dinge wie Opern, Flughäfen, Bahnhöfe.

Peter Adenäuer: Ich denke, klar, das begegnet einem ja auch in der täglichen Arbeit mit den Bauteams, wenn man mit dem Thema Lean kommt, das erklärt, dass man erstmal gesagt bekommt „Wir bauen Unikate, das ist überhaupt nicht vergleichbar mit der stationären Industrie und wir haben da einfach, ja, immer wieder neue Bedingungen.“, also man braucht gar nicht so weit gehen, also wir können ja in einem Segment bleiben, beim Hochbau würde einem schon so eine Antwort entgegenspringen und was wir da auch versuchen zu erklären ist, dass es ja natürlich Unikate sind, aber die Abläufe die Prozesse, die dahinter laufen, sind genau das, was auch die Wiederholbarkeit darstellt, sei es in Lieferprozessen oder damit gebaut werden kann, in Planleistungen, Planpaketen, Arbeitspaketen, wie man sich organisiert, um eine Wand zu schalen und zu betonieren. Es sind immer wieder die gleichen Abläufe und das macht es eigentlich aus, mit der Lean Brille darauf zu schauen und zu erkennen, was den Wert ausmacht und was ein Stück weit auch überflüssig ist, was man weglassen kann.

Götz Müller: Du hast gerade ein Stichwort genannt, so dieses „Bei uns ist alles ganz anders.“ – ich denke, damit hat jeder, der sich im Lean-Kontext bewegt, schon mal die ein oder andere Erfahrung gemacht, aber vielleicht das noch mal eben doch vertieft, was sind also die Dinge, die eben im Baukontext die besonderen Herausforderung sind? Unikate hast du gerade schon genannt.

Peter Adenäuer: Ja. Also ich glaube, wenn wir noch mal den Vergleich hernehmen mit der stationären Industrie, dann haben wir da ja häufig Teams, die miteinander zusammenarbeiten oder eine Fabrik-Belegschaft, die ja in der Organisation fest verankert ist, ja, okay, also ich meine jetzt im weitesten Sinne und das macht, glaube ich, den Unterschied im Bauwesen aus, dass man permanent wechselnde Beteiligte hat. Es ist ein sehr defragmentierter Markt von Experten, von Ingenieurbüros oder auch von Gewerken, die, wenn man Glück hat, auch auf folgenden Projekten wieder eingesetzt werden, wenn es die gleiche Firma ist, aber vielleicht auch wieder ein anderes Team ist, also doch dieser Wechsel wieder da ist. Ich glaube, das macht irgendwo auch die Schwierigkeit aus auch vielleicht mit einem Thema wie Lean, wo man ja in einem Team an der Organisation arbeitet, um voranzukommen.

Götz Müller: Ja, wenn ich das jetzt mal mit, sagen wir mal, Automobilindustrie vergleiche, wo es ja auch eine Vielzahl von Zulieferern ist, dass man sich manchmal schon gewundert, wie die Autos überhaupt vom Hof kommen zum Schluss und trotzdem ist mein Gefühl, dass eben der Durchgriff des Automobilbauers auf seine Zulieferer, glaube ich, deutlich größer ist, wie wenn ich das jetzt mal mit einem Bauherren oder seinem Stellvertreter, dem Architekten, vergleiche, oder?

Peter Adenäuer: Absolut. Also wo kommen wir her? Ich habe es eingangs gesagt, auch von der Pike auch das Management, das Baumanagement gelernt und auch dann kennengelernt in den ersten Berufsjahren, das ist ein Organisieren und Strukturieren der Bauaufgabe in Verträgen, sei es jetzt nach oben zum Bauherrn, zum Auftraggeber, aber auch dann natürlich nach unten und es ist dann auch nicht mit dem einen Lieferanten oder Nachunternehmervertrag getan, sondern man kann auch dann noch mit ganz anderen Beteiligten zu tun haben und, ja, ich glaube, das macht es irgendwo aus, dass man lange Zeit auch der Meinung war, dass man über dieses Organisieren der Verträge, Risiken und die Bauaufgabe bestmöglich, ja, managen kann und das ist eben nicht so, sondern das ist der, meiner Meinung nach, der Paradigmenwechsel, der jetzt einhergeht im Bauwesen mit dem Lean Construction, dass man das ein Stück weiter, ja, versteht.

Götz Müller: Ja, mir kommt gerade so in den Sinn, mir fällt spontan jetzt keine andere Branche ein, wo es wirklich auch so ganz zentral juristische Aspekte gibt, sodass man von einem Baurecht spricht, so dass man von einem Architektenrecht spricht, fällt mir jetzt spontan keine andere Branche ein, wo ich die Branche an sich in dem Rechtsbegriff noch mit verankere, oder?

Peter Adenäuer: Absolut. Also das … ja. Dass man es von einer rechtlichen Seite sieht, ist sicherlich das eine, aber auch, dass man, ja, wie kann man das ausdrücken, die Konstellation zwischen den Beteiligten auch immer wieder neu ist, ja.

Götz Müller: Weil eben auch, glaube ich, diese 1-zu-1-Beziehung, die jetzt gerade oft bei Zulieferern wieder im Automobil-Kontext vorhanden ist, wo ich halt, wenn ich jetzt Bremsscheiben mache, dann ist ein sehr regelmäßiger Fluss meiner Bremsscheiben zu einem Automobilhersteller, vielleicht habe ich sogar nur diesen einen Automobilhersteller als Kunden für meine Bremsscheiben, das ist, wie du schon angedeutet hast, im Baugewerbe ganz anders. Wenn das eine Gebäude oder das eine Bauwerk fertig ist, dann zieht der Subunternehmer, Nachunternehmer zum nächsten mit vielleicht einem ganz anderen Bauherren oder sehr wahrscheinlich nicht ganz anderen Bauherrn.

Peter Adenäuer: Richtig. Ich sage mal, das Bauwesen oder die Bauindustrie ist da natürlich sehr groß und man hat verschiedene Ausprägung, also ich kann ja heute auch nur aus dem Blickwinkel eines großen Generalunternehmers berichten, mittelständische Betriebe oder inhabergeführte Unternehmen arbeiten da sicherlich ja auch noch mal ein Stück weit anders, dass diese Lieferkette, sage ich mal, auch bei überschaubarer ist, aber jetzt für die Großprojekte und das Geschäft, wie es hier vonstatten geht, hat man mit dieser Herausforderung zu kämpfen.

Götz Müller: Jetzt kann man ja im klassischen, wieder sage ich mal, zum Beispiel eben im Automobil-Kontext kann man ja sehr gut nachvollziehen, weil viel drüber geschrieben wurde, wie Lean letzten Endes in den Fokus gerückt ist. Was sind so aus deiner Bau-Erfahrung heraus, was sind so die Auslöser gewesen, zu sagen „Hey, ich gucke mir mal Lean an, vielleicht hilft mir das.“?

Peter Adenäuer: Ja, also ich glaube … die Frage möchte ich zweimal beantworten, einmal aus dem Blickwinkel von mir selber, also dass man sich einfach darauf einlässt und ich sage jetzt mal, wenn man ein Stück weit nach den ersten Berufsjahren auch die, ich sage jetzt mal von der Pike auf gesehen hat, wie die Dinge sich entwickeln, dann bekommt man mit, dass, oder auch von denen, die älter sind, dass man gespiegelt bekommt „Na ja, so schlimm wie jetzt war es noch nie“ und man hat nicht das Gefühl, dass es besser wurde, sondern dass immer schlechter wurde und das hat man auch selber gespürt. Und dann natürlich noch mal beantwortet, also für diese große Firma, für die man arbeitet, ist natürlich die Herausforderung, warum man ihn in den Fokus rückt. Die Erkenntnis, dass man mit einem Ressourcenmangel zu tun hat, Fachkräfte werden weniger, sowohl bei den Ingenieuren als auch bei den Handwerkern, auf der einen Seite und dann auf der anderen Seite aber eine sehr hohe Nachfrage entstanden ist, auch über die vielen Jahre, wo ja vielleicht sowas wie einen Investitionsstau auch gelaufen ist, was jetzt in sehr kurzer Zeit eingefangen und abgearbeitet sein soll.

Götz Müller: Ja, das finde ich jetzt spannend, speziell dieses Stichwort Ressourcenmangel, weil das ja im Grunde genau das ist, was auch Toyota dazu motiviert hat, dort waren sie jetzt nicht die Human Resources, also die menschlichen Ressourcen, wenn man das so nennen möchte, sondern da waren halt mehr das Material und andere Dinge und dort die Motivation war, mit diesen Mangel umzugehen.

Peter Adenäuer: Ja. Und wenn wir jetzt noch mal schauen, wie die letzten Jahre sich entwickelt haben, auch jetzt von den Konzernen, die wir auch in Deutschland hatten, dann sind da eigentlich kontinuierlich seit dem Studium immer weniger, die sich überhaupt noch auf dem Markt behaupten. Also da setzt natürlich auch eine Erkenntnis ein, das Größte nicht die Berechtigung gibt, dass man am Markt teilnimmt, ja, sondern dass man sich durchaus permanent da hinterfragen soll und ja auch reflektieren soll, wie man auf dem Markt weiter auch konkurrenzfähig bleibt.

Götz Müller: Jetzt möchte ich einen anderen Punkt betonen, der, glaube ich, auch manche interessieren wird, Lean im eingeschwungenen Zustand, wenn es so etwas überhaupt geben kann, ist eine Sache. Sehr spannend empfinde ich persönlich aber eben, wie führe ich so etwas ein, wie führe ich es im Allgemeinen ein und dann vielleicht noch durch die Lean-Brille betrachtet, was sind deiner Ansicht nach also so die besten Ansatzpunkte, wo man denn startet.

Peter Adenäuer: Eingangs hast du mich auch schon so vorgestellt, das ist ja unsere Aufgabe, mit dem Team, was man hat, die Bauteams zu unterstützen, ein Lean-System aufzubauen. Was meinen wir damit? Bisher war es halt sehr in einem silo-organisierten Vorgehen, dass man Abteilung für Abteilung sich vorbereitet hat und dann sollte das abgearbeitet werden und jetzt, wenn man die Lean-Brille dem Team aufsetzen will, geht’s natürlich auch erstmal darum, zu verstehen, untereinander die Fragen zu stellen, wie kommst du an deine Aufgabe, was ist deine Aufgabe, was brauchst du für die Aufgabe. Also mit einfachen Fragetechniken startet das und dann geht das Ganze natürlich weiter, dass es auch auf das Lean Management, das Bauwesen, Lean Construction, dass es Methoden gibt, wie das Last Planner System, wo genau das herausgearbeitet wurde, wie man mit den Teams den gemeinsamen Weg zum Ziel visualisieren und beschreiben kann, und dann auch im zweiten Schritt, die Planung da natürlich nur die halbe Miete ist, das auch gemeinsam abarbeitetet. Im Lean-Management würden wir jetzt wahrscheinlich vom Shopfloor sprechen, von Steuerungstagen, kurzzyklische Intervalle. Genau das ist etwas, was wir den Bauteams bringen. Das sind dann eben die Systeme, Steuerungstafeln, wo man das einübt, wo man die Routinen übt, wo man die Teams dafür schult und es auch erstmal mit ihnen gemeinsam macht. Das ist das ganze Thema der Projektarbeit, aber natürlich wenn draußen Wertschöpfung passieren soll oder im Büro, wenn die Pläne gemacht werden sollen, dann gilt es natürlich auch, das zu organisieren. Man ist ja ein Dienstleister, Baudienstleister, das heißt auch das: Wie kalkuliere ich? Wie biete ich denn das Projekt an? Wie kaufe ich ein? Wie sind meine Beschaffungsprozesse? Und da helfen uns natürlich auch ganz klar die Lean-Management-Methoden, wie Wertstromaufnahmen oder dann auch im Bauen draußen eine Multimomentaufnahme, um auch zu schärfen, was die Wertschöpfung ausmacht und was man auch weglassen kann. Weil ich glaube, damit hat man auch den größten Hebel und der kommt auch am besten an, wenn man erklären kann, dass man nicht noch was mehr machen will, sondern im Grunde entlastet.

Götz Müller: Jetzt an der Stelle noch mal vertiefend, ich denke Lean-Leute, der Begriff taktisch ist jedem bewusst, aber der ein oder andere, der jetzt halt mit dem Thema Bauen nicht so viel zu tun hat, wird sich jetzt vielleicht fragen, ja wo rollen denn da gleich am Tag 100.000 Autos vom Band, wo habe ich denn diesen Takt im Bau-Kontext, im Kontext des Baus eines Unikats, egal ob ich jetzt vom kleinen Einfamilienhaus spreche oder von der zig Kilometer langen Autobahn oder dem anderen Großprojekt, Flughafen einmal, eine Fabrikhalle einmal oder eine Brücke einmal.

Peter Adenäuer: Ja. Also grundsätzlich, auch wenn wir in unserer Organisation, in unserer Firma, den Takt auch als Prinzip hochgehoben haben, ist natürlich das oberste Ziel, auch wenn der Takt nicht so offensichtlich ist, für jeden einzelnen einen Arbeitsfluss zu erzählen und der Arbeitsfluss ist gewährleistet, wenn man eine stetiger Auslastung hat und dabei hilft das Takt-Prinzip oder in die Takt-Methode und, ja, man kann es sich, auch wieder, wenn man den … also so hat es auch hier in der Firma begonnen vor etwa zehn Jahren, dass man gesagt hat: Na komm, dann schauen wir uns das doch mal an. Wir haben ja ein sechsstöckiges, siebenstöckiges Hotel mit drei Flügeln, im Grunde sind hier 600 Hotelzimmer zu bauen, also das ist das kleinste gemeinsame Vielfache und bis das dann das Zimmer so gut ist, dass auch der Hotelgast sich dort wohlfühlt, müssen eben, wenn wir jetzt mal die Phase starten lassen nach dem Rohbau, sehr viele Ausbaugewerke dort durch und die kann man natürlich so organisieren, dass sie möglichst nur einmal, ja, maximal zweimal, wenn dann Schnittstellen sind, in diese Bereiche reinmüssen und dort ihre Leistung einbringen. Und dann kann man sich im Grunde diesen Gewerkezug, davon sprechen wir auch, vorstellen wie ein bewegtes Fließband, was sich in einer verabredeten Baurichtung durch das Gebäude durchzieht und so kommt eine Ordnung zustande, ja, mit Hilfe der Struktur, die man sich verabredet hat und der Leistung, die natürlich auch durch eine Arbeitsvorbereitung verifiziert ist, dass das dann auch schaffbar ist.

Götz Müller: Da kommt mir jetzt natürlich sofort in den Sinn, so ein Aspekt wie just-in-time, wie ich ihn ja auch wieder aus dem Lean-Kontext kenne, dass also halt der Fliesenleger dann dran ich, wenn der Rohbauer erstmal die Wand gestellt hat, weil sonst kann ich ja gar keine Fliese anbringen.

Peter Adenäuer: Genau. Dass die Vorleistung da ist und just-in-time ist natürlich auch ein gutes Stichwort dafür, wenn wir, ich sage jetzt mal die begleitenden Prozessen sehen, also die Baulogistik beispielsweise, wenn wir das runterbrechen, wann passiert die Wertschöpfung beim Fensterbauer, wenn das Fenster eingehoben wird, die Dübel gesetzt werden, die Dichtung reingelegt wird, da passiert die Wertschöpfung und das ist, ich sage jetzt, Fachpersonal, das genau darauf geschult ist und da kann man natürlich auch viel an wertvoller Arbeitskraft optimieren, indem man sagt „Okay, dann lass uns doch die Dinge so organisieren, dass vertragen wird und im Grunde der Experte, der kommt, gleich mit seiner Wertschöpfung auch beginnen kann und nicht erst, ja, ich sage jetzt mal, den Morgen über sein Material verträgt.

Götz Müller: Genau. Nicht die Fenster selber in den fünften Stock hochtragen muss.

Peter Adenäuer: Absolut.

Götz Müller: Gut. Du hast schon ein bisschen angedeutet Einkaufsprozesse. Das heißt, mich würde noch interessieren, was gibt's denn jetzt außerhalb der Prozesse auf der Baustelle oder vor der Baustelle, also vor dem eigentlichen, vor der Wertschöpfung auf der Baustelle, wo spielt den Lean in diesen Prozessen dann eine Rolle, außer außerhalb der Baustelle?

Peter Adenäuer: Außerhalb der Baustelle: auf dem Schreibtisch eines jeden Einzelnen. Also das kann man einfach ausgedrückt mit der Arbeitsplatzorganisation begründen, also so setzen wir auch an. dass wir im Grunde dafür sensibilisieren. Das ist so ein bisschen auch die Schwierigkeit, dass wir auf der Baustelle angefangen haben und viele in der Organisation meinen, ja, das ist etwas für die da draußen auf der Baustelle, man jetzt aber erklären kann oder muss, „Nein, du kannst bei dir auf dem Schreibtisch anfangen, wie sieht der ergonomisch aus? Wie organisierst du den, dass du für deine Lieferanten, die da etwas anfragen, die etwas von dir haben wollen, damit wieder Wertschöpfung passieren kann, wie organisierst du den am besten?“ Ja, und ich sage mal, da kann man ja im ganz Einfachen beginnen und sich hinterfragen, jeder für sich, was wertschöpfend ist, womit man sich vielleicht doch nur beschäftigt, weil es einem liegt oder Spaß macht.

Götz Müller: Ja, und ich glaube, da kommt dann auch wieder die große Gemeinsamkeit von fast allen anderen Industrien, wo ich mit dem Thema Lean schon unterwegs bin, dass man eben auch dort in der Produktion anfängt und dann meine Produktionsmitarbeiter sagen, die Produktionsleute sagen „Warum kommt ihr dann immer nur zu uns? Geht auch mal die indirekten Bereiche.“. Könnte ich mir gut vorstellen, dass bei euch da eine ähnliche Situation eintritt.

Peter Adenäuer: Auf jeden Fall. Also da wird erstmal, ich sage jetzt mal die Augenbrauen hochgezogen und man muss es erklären und das ist natürlich auch ein Stück weit die Aufgabe von uns, wenn wir eingesetzt werden hier in so einer Organisation, diese Aufklärung mitzugestalten.

Götz Müller: Ja, und ich glaube, das Zweite, was ich so ein bisschen raus gehört habe, ich vermute mal, du wirst es gleich bestätigen, so dieser Aspekt, interne Kunden-Lieferanten-Beziehung, der hat durchaus ganz allgemein auch noch Ausbaupotential, dass also jemand aus dem indirekten Bereich versteht, dass Wertschöpfung nur in der Produktion stattfindet und dass die Produktion damit eben Kunde des indirekten Bereichs ist.

Peter Adenäuer: Also der Kundenbegriff, den erklären wir auch extra noch mal. Weil der Kunde kommt ja erst mal in Form vom Endkunden, von dem, der die Musik zahlt, also der den Auftrag gegeben hat, ins Spiel, aber auch die externen Kunden, wir können ja von einer ganzen Kunden-Kaskade sprechen, ja. Wenn wir ein Einkaufscenter bauen, dann ist da nicht nur der Kunde, der am Ende ein gutes Einkaufserlebnis haben will, aber auch die, die das betreiben wollen, die, die das bezahlen, die die Investition gemacht haben und, ja, für uns natürlich der Aspekt des internen Kunden, also dass wir diese, wie wir eben schon mal den Gewerkezug angesprochen haben, da haben wir ja eine permanente Lieferanten-Kunden-Beziehung, die auch permanent wechselt, ja, so der Trockenbauer, der eben noch Lieferant war, ist im nächsten Moment wieder Kunde, ja, weil er darauf wartet, dass das Vorgewerk auch wieder seine Leistung in seine Wand eingebaut hat, bevor wieder geschlossen werden kann und der will nur schließen und nicht noch vorher drei andere Sachen korrigieren, bis er seine Leistung bringen kann. Und das kann man natürlich durchspielen durch alle Phasen und Prozesse, die es gibt. Man muss sie nur erkennen.

Götz Müller: Ja, an der Stelle vielleicht noch mal ein bisschen nachgefragt, weil ich das halt jetzt in meinem nicht-Baukontext auch erlebe, dass das manchmal schon eine Herausforderung ist, dieses interne Kundenverständnis allen Beteiligten wirklich klar zu machen. Welche Erfahrung macht ihr da in der Bauindustrie?

Peter Adenäuer: Es wird es wird natürlich ein Stück weit, auch so wie man konditioniert ist über die letzten Jahre, wir hatten das schon eben angesprochen, mit Organisation der Projekte über Verträge auch ein Stück weit konterkariert, ja, weil … oder das ist die Gefahr, will ich sagen, ja, weil man es natürlich schon auf dem Schirm hat, dass das die Interessen klar sind, also was sind die Interessen und wie organisiere ich sie. Im Grunde ist auch dem Endprodukt, wenn wir jetzt mal hier von einem Produkt sprechen wollen, bei einem Bauprojekt jetzt auch, das ganze dienlich ist, aber die Gefahr ist natürlich, wenn ich Verträge schreibe und man formuliert, dass sie genau diesen übergeordneten Zielen entgegen laufen, also da ist sicherlich auch noch, ja, Bedarf, das zu schärfen.

Götz Müller: Da vielleicht für die, die jetzt dem Baukontext vielleicht nicht so nahe sind, da gibt es ja so Geschichten oder sagen wir mal, in der klassischen Industrie sagt man ja manchmal, im Einkauf wird Geld verdient, weil der Euro, den ich dort spare, direkt auf der bottom line, also unterm Strich zählt, und dann gibt's im Baukontext halt sowas wie Nachforderungen, Nachträge, wiederum begleitet mit dem Stichwort, was ich vorhin genannt habe, Baurecht, Architektenrecht und alles, was damit zusammenhängt und genau das, was du angedeutet hast, wo ja so ein bisschen die Dinge gegeneinander arbeiten.

Peter Adenäuer: Die Gefahr besteht.

Götz Müller: Und da halt dann auch manchmal, so ein bisschen der Endkunde, so mein Gefühl, auch manchmal ein bisschen aus dem Fokus verschwindet.

Peter Adenäuer: Das kann gut sein. Das ist ja sowieso eine Erwartungshaltung auch an das Lean Management, also wenn man da auch … man brennt für eine Sache, man erklärt es, dass es vielleicht auch die vielen Dinge, die entgegenlaufen, nicht heilt. Also man muss da natürlich die Erwartung auch runternehmen und auch sagen „Ok, ja. Wir müssen es erkennen und wir müssen es auch früh genug erkennen.“, weil das auch einfach eine Erfahrung der letzten Praxisjahre ist, dass wenn man rausgefunden hat, warum Dinge, obwohl sie gut gedacht waren und gut organisiert waren, man auf dem richtigen Weg war, vielleicht trotzdem noch nicht diesen Hebeleffekt gegeben haben, weil es oft dann doch noch in einer früheren Phase, ja, da jetzt beim Abschluss von einem Vertrag mit dem mit dem Kunden, mit dem Bauherrn, vielleicht Dinge entgegenlaufen. Da muss man da auch in die Richtung natürlich eine Aufklärungsarbeit betreiben.

Götz Müller: Jetzt möchte ich zum Schluss heute noch einen Punkt aufgreifen, der, glaube ich, immer eine ganz große Rolle spielt und ich glaube auch eben in der Bauindustrie, was ja im Grunde eine sehr alte Branche, denn schon zu Pharaos Zeiten, vor viereinhalbtausend Jahren ja schon so etwas wie Bauindustrie, zumindest Baugewerbe allgemein existiert hat. Sprich, was machen solche Veränderungen, die ich fürs Lean Management brauche, was macht es mit den Menschen, wie gehen die Menschen damit um, die eben, selbst wenn sie selber nicht persönlich die Jahrtausende erlebt haben, aber es ist eben eine sehr alte, manchmal auch wahrscheinlich eine sehr traditionelle Branche deshalb.

Peter Adenäuer: Ja, absolut. Man bewegt sich in Veränderungsprozessen und das merken die Menschen natürlich auch, die Teams, wie sie gestandene Bauleiter, Projektleiter, die über Jahre im Grunde wussten, wie sie ja ihren Anpack haben, ja. Wir brauchen gar nicht jetzt die Jahrtausende zurückzuschauen, wir brauchen eigentlich nur die letzten Jahrzehnte zurück zu schauen, ich habe jetzt mal etwas vielleicht auch für eine fehlerhafte Entwicklung war, ja, dass man im Grunde, ich glaube, du hast es ihm auch schon mal angesprochen, ein gewisser Dreiklang vorgeherrscht hat, aufgrund mangelnder Aufträge, dass man die holt, dass man Chancen erkennt ja und dann gestützt, vielleicht einer VOB, der Verdingungsordnung für Bauleistungen, erkennt, da sind Bedenken, ich melde Behinderung an und dann kann ich meinen Nachtrag generieren, mit dem ich meinen Auftrag aufbessere. Das ist über Jahre, ich will es gar nicht für die Firma sagen, sondern über die Branche, das ist über Jahre so konditioniert worden und das muss man erstmal aus den Köpfchen rauskriegen, dass wir mit der Arbeitsweise, die wir jetzt anstreben und einüben, eine Transparenz herstellen, mit der man auch umgehen muss, ja, weil am Ende zählt sich natürlich jeder dann in dem System an und wenn wir gute Erfahrung haben und es gibt dann meistens doch, weil eine gewisse Disziplin oder Konsequenz nachgelassen hat und dann ist es natürlich so, dass wir, ich weiß nicht, wie das gekommen ist, aber weil du die Baumeister von vor tausenden Jahren angesprochen hast, wo Planung und Ausführung mehr oder weniger in Personalunion war, wir über die letzten Jahre im Grunde da zwei Welten geschaffen haben, die Planer und die Ausführenden, ja, und man ist in Silos, um bildlich zu sprechen, in Silos gegangen und man hat sich gar nicht mehr richtig verstanden und das ist all das, was man jetzt mit der neuen, oder was heißt neuen, mit der Lean-Arbeitsweise auch ein Stück weit wieder runterrüstet und den Zaun auch niedriger macht, dass man auch mal drüber schauen kann.

Götz Müller: Und da sicher dann wieder die etwas besondere Herausforderung, dass ich halt sehr schnell mit unabhängigen Unternehmen arbeite, während jetzt, wenn man mal die Zulieferer weglässt, aber alles, was bei einem Automobilbauer vom ersten Blechbiegen bis zum letzten Einbau einer Türverkleidung wieder innerhalb eines Unternehmens stattfindet, selbst wenn die Türverkleidung von außen geliefert wird.

Peter Adenäuer: Ja. Gut. Also sagen wir mal, diese Aspekte auch der Vorfertigung, das geht ja alles einher, also auch im Bauwesen, ja, also sage mal, wir werden vielleicht das nicht in dem Extrem haben wie im Automobilen, wo von einer Millionen Teile für ein KFZ am Ende vielleicht nur noch 1500 haben, die auf dem Band zusammengesetzt werden müssen, aber in Ansätzen gibt es das natürlich auch schon und ich bin fest davon überzeugt, dass sich das auch noch weiter ausprägen wird die nächsten Jahre.

Götz Müller: Ja. Kann ich mir auch sehr gut vorstellen. Gut. Peter, ich danke dir für deine interessanten Einblicke in eine einerseits sehr alte Branche, andererseits, glaube ich eben, was das Thema Lean angeht noch eine sehr junge Branche und wie sich da so etwas entwickelt.

Peter Adenäuer: Ja, sehr gerne.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Peter Adenäuer zum Thema Lean in der Bauindustrie. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 195.

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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

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