Kaizen 2 go 217 : Was ist bei 5S besonders zu beachten?


 

Inhalt der Episode:

  • Zum Einstieg: Was ist 5S, was bringt's und was hat man (Mensch & Organisation) davon?
  • Was sind typischerweise die größten Herausforderungen bei den 5S?
  • Woran liegt das?
  • Welche indirekten Auswirkungen haben Ordnung & Sauberkeit?
  • Was sind typische Herausforderungen auf der praktischen Ebene bei der 5S-Einführung?
  • Was sind die Ursachen dieser Probleme?
  • Welche Rolle spielt der Mensch beim Thema 5S?

Notizen zur Episode:


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Wenn Sie selbst ein interessantes Thema für eine Episode im Umfeld von Geschäftsprozessen haben, können Sie mir das auf dieser Seite mit Vorbereitungsfragen vorschlagen.

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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 217 : Was ist bei 5S besonders zu beachten?

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Mario Koch bei mir im Podcast-Gespräch. Er ist Geschäftsführer der Marke K.LEAN. Hallo Herr Koch.

Mario Koch: Hallo Her Müller. Schön, dass ich bei Ihrem Podcast dabei sein darf.

Götz Müller: Ja. Schön, dass das heute klappt. Ich habe schon ein kurzes Stichwort zu Ihnen gesagt, aber vertiefen Sie das gern noch mit zwei, drei Sätzen.

Mario Koch: Ja, klar gerne. Mein Name ist Mario Koch. Ich bin gelernter Ingenieur für Fahrzeug- und Flugzeugtechnik und während im Studium schon im Umfeld der Automotive groß geworden und ich bin dabei sehr früh schon mit den Begriffen Lean und 5S in Berührung gekommen und beschäftige mich seitdem mit diesen Methoden.

Götz Müller: Jetzt vermute ich mal, der weitaus größte Teil unserer Zuhörer hat mit 5S schon ein gewisses Bild im Kopf, aber vielleicht so zum Einstieg doch eine ganz kurze Zusammenfassung: Was ist es denn überhaupt? Was bringt’s, was hat man davon?

Mario Koch: Ja. Die 5S-Methode schreibt man klassisch eigentlich dem japanischen Autobauer Toyota zu. Man sagt, dass er sie erfunden hat, gibt auch gewisse Bücher darüber und im Grunde genommen ist die 5S-Methode eine Vereinfachung des Lebens, des Alltags, und soll Fehler und Verschwendung minimieren beziehungsweise möglichst komplett eliminieren. Die Lehre von 5S befasst sich eigentlich mit Systemen zur Strukturierung, Standardisierung und Optimierung von Arbeitsplätzen, Prozessen und Methoden. Und egal, ob das jetzt beruflich oder privat ist, ist es eigentlich überall möglich. Man jetzt dabei eigentlich fünf Schritte um, das gibt der Name 5s ja eigentlich schon her. Aus dem Japanischen übersetzt heißt das soviel wie: Erstens sortieren, zweitens systematisieren, drittens säubern, viertens standardisieren und fünftens die Selbstdisziplin, also das ständige Verbessern. Man schafft sich also ein System zur Ordnung, auf gut-schwäbisch: man räumt auf. Man versucht dann zu standardisieren und arbeitet daran, das System zu erhalten. Also man arbeitet an seiner Selbstdisziplin oder an der Selbstdisziplin des Systems. Der Nutzen für den Menschen ist eigentlich ein sicherer Arbeitsplatz mit wenig Gefährdung und mit wenig Stress, weil was ich kenne, das bringt mich nicht aus der Ruhe und für die Organisation hilft es einfach weniger Verschwendung, weniger Ausschuss, Reklamationen zu haben und einfach mehr Zeit fürs Wesentliche im Sinn zu haben.

Götz Müller: Ja. Ich könnte mir jetzt auch vorstellen, dass jeder, der mit dem Thema 5S schon mal irgendwas zu tun hatte, der sich jetzt vielleicht einerseits fragt „Warum machen die jetzt eine Podcast-Episode?“, andererseits wenn ich jetzt sage, dass es trotzdem nicht so ganz einfach ist, dann würden hoffentlich die meisten nicken. Das heißt, was sind so in Ihrer Erfahrung typischerweise die größten Herausforderung, wenn ich 5S umsetzen möchte, weshalb es dann halt doch nicht immer so funktioniert, obwohl der Nutzen ja völlig offensichtlich ist.

Mario Koch: Also ganz klassisch ist eigentlich der Mensch, beziehungsweise der Mann im Shopfloor nachher oder die Frau im Shopfloor, wirklich der wichtigste Faktor in der ganzen Sache. Ganz oft erleben wir, dass die Methode von oben herab quasi aufgezwungen wird, also die Chefetage sagt: So ab jetzt machen wir Lean. Und dann wird oftmals noch jemand ins Haus geholt, der das dann umsetzen soll und dabei werden die Menschen unten vergessen. Mit unten meine ich im Shopfloor, das soll es nicht abwertend wirken, der Mensch ist also der Faktor, den ich abholen muss und bei der Einführung der 5S-Methode ist aber einfach Fingerspitzengefühl gefragt. Idealerweise hat man einen erfahrenen Mentor oder einen Berater an der Hand, der dann diesem Team hilft, sich selbst zu qualifizieren und auszubilden. Wichtig deswegen, weil das Projekt eigentlich möglichst schnell gehen soll. Wir wollen schnelle Ergebnisse nach einem Workshop und wir wollen damit dann die Mitarbeiter überzeugen und abholen, dass jetzt hier nicht nur an hohles Projekt geschlagen wurde von der Geschäftsführung, sondern dass das 5S tatsächlich funktioniert. Und je schneller wir dann mit der Umsetzung des Projekts fertig sind, desto schneller können wir dann an den wichtigsten Punkt der ganzen Sache gehen, nämlich das fünfte S, also das Arbeiten an der Erhaltung des Zustands. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt.

Götz Müller: Ja und jetzt, wenn man mal voraussetzt, es gibt natürlich nur gute Beratung da draußen und die wissen alle, was die Herausforderungen sind und dass man auf die Menschen auch achtet und trotzdem funktioniert es ja manchmal nicht. Was ist da so Ihre Erfahrung, woran klemmt’s dann noch?

Mario Koch: Meistens ist es das Verständnis oder beziehungsweise die Ruhe des Beraters, das wirklich so runterzubrechen, dass der Mitarbeiter das versteht. Ich bin der Meinung, nur was ein Mensch versteht, kann er aus voller Überzeugung umsetzen, und wenn das nicht geschaffen wird in dem Projekt, dann wird der Mensch auch wenig Interesse daran haben so ein 5S-Projekt umzusetzen und es auch langfristig zu leben und ohne es zu leben, funktioniert das nicht. Denn es ist eine Methode, die eigentlich ein Leben lang bei mir integriert werden soll, in meinem eigenen Tun und Sein.

Götz Müller: Wo Sie jetzt gerade lebenslang gesagt haben, ist mir eine Geschichte eines Kunden-Mitarbeiters in den Sinn gekommen, der das halt durch mich auch irgendwann mal kennengelernt hat, und dann hatte der den Gedanken: Hey, das bringe ich meinen kleinen Sohn, Kindergarten-Alter, glaube ich, war’s, 5 Jahre oder sowas, das bringe ich dem bei. Und das fand ich eine … was er dann darüber erzählt hat, wie einfach das dort war und wie leicht dann da der Nutzen zu vermitteln war, fand ich sehr spannend und ich könnte mir aber vorstellen, dieser Aspekt Routine, wenn man das halt nicht schon von Kindesbeinen mitkriegt, dass das halt doch eine Herausforderung ist.

Mario Koch: Ja, definitiv. Was ich von klein auf lerne, das geht bei mir in Fleisch und Blut über. Ob das eine Sprache ist oder ob das eine Herangehensweise an ein Problem oder an einen Sachverhalt ist, je früher ich das lerne, desto besser ist es in der ganzen Sache. Und wie wir es vorhin schon gesagt haben, ich kann das Thema 5S oder Lean auch auf private Anwendungen übertragen. Es gab vor vielen, vielen Jahren mal ein ganz groß gehyptes und sehr teuer verkauftes Beratungsvideo, das hat ein großer Couch aus Amerika gemacht, ich will jetzt gar nicht soweit ausschweifen, aber im Großen und Ganzen ging es darum, dass er seine Frau gefragt hat, ob er ihr einen Toast machen soll und er hat dann gezeigt, wie er in der Küche jetzt den Toast macht und er hat so ca. 5 Minuten dafür gebraucht, weil er musste in der ganzen Küche seine Gerätschaften zusammensuchen vom Teller über Messer über Toastbrot et cetera, und am Ende sagt er „Schatz, dein Brot ist jetzt fertig.“, dann hat sie gesagt „Super, hast du auch ein dunkles Brot genommen?“, dann sagt er „Nee, ich habe ein helles genommen, alles klar, ich fang noch mal von vorne an.“ und dann hat er gezeigt, wie er das dann im Nachhinein macht, er hat sich alles zurechtgelegt, hat seine Werkzeuge zurechtgelegt, hat sein Brot und seine Butter beigelegt und hat dann erstmal seine Frau gefragt „Du, was willst du denn überhaupt für ein Brot, hättest du gern ein weißes oder ein dunkles.“ und als die Frau gesagt hat „Ich hätte gern ein dunkles.“, dann hat er loslegt und war innerhalb von einer Minute fertig und zwar völlig ohne Stress. Das zeigt, wie banal das Thema ist und auf wie viele Dinge ich das eigentlich im Leben anwenden kann.

Götz Müller: Genau, ich kenne das in der Variante mit Pfannkuchen backen, ein Ausbildungsvideo von Bosch. Aber sehr spannend. Gut aber, wenn wir noch mal zur Methode zurückkommen, im Grunde ist es ja offensichtlich, Ordnung und Sauberkeit, kaum jemand will wirklich bewusst in Unordnung leben. Jetzt fragt sich dann der ein oder andere vielleicht: Okay, aber was habe ich davon, was für indirekte Auswirkungen auch eben Ordnung und Sauberkeit haben? Und ich glaube das ist auch ein Punkt, den man halt aktiv vermitteln muss.

Mario Koch: Das ist richtig. Ich muss den Menschen, wie vorhin schon erwähnt, überzeugen, dass das einen Nutzen für ihn selbst hat und ihm nicht das nur auf auferlegen oder aufbrummen, wie man so schön sagt. Und für den Menschen hat es eigentlich in zwei Dingen den positiven Faktor, nämlich zum einen steigt sein Sicherheitsgefühl, denn wo Verschwendung einfach weniger da ist oder reduziert ist, herrscht einfach auch weniger Gefahr. Beispielsweise, wir kennen es alle von zu Hause, wenn die Kinder mal wieder alles auf dem Boden liegenlassen habe und ich trete dann auf das erste Spielzeug, dann tut mir halt der Fuß weh. Das Gleiche kann mir auch im Arbeitsumfeld passieren, wenn da was im Weg rumliegt, eine Palette rumsteht, die da nicht hingehört und ich stolpere darüber, dann sind auch ganz schnell mal Schmerzen produziert. Auf der anderen Seite habe ich aber auch das Thema, dass ich in meinem Arbeitsprozess einfach weniger Stress habe da ich, wie schon gesagt, wenn ich meinen Prozess kenne, wenn ich weiß, wie die Abläufe sind, wenn ich weiß, um noch mal auf das Beispiel zurückzukommen, wo liegt mein Messer, wo liegt meine Gabel, wo liegt mein Toastbrot, dann bin ich einfach viel entspannter in meinem Prozess und ich mache viel, viel weniger Fehler.

Götz Müller: Wenn wir uns jetzt noch mal den Einführungsaspekt anschauen, was sind Aspekte, die Ihnen begegnen, die es schwierig machen, das Thema 5S, wenn jetzt halt nicht alle das im Kindergartenalter gelernt haben, Ordnung und Sauberkeit, und wie ich es schaffe, wie ich die Routine aufbaue, was ist da ihre Wahrnehmung, was sind typische Herausforderung auf der eher praktischen Ebene?

Mario Koch: Die größte Herausforderung in meinen Augen ist eigentlich, das Projekt schnell und effizient umzusetzen und dabei die Mitarbeiter abzuholen. Es bringt mir nichts, wenn ich einen Workshop mit zwei bis drei Tagen mache, wo ich die Mitarbeiter heiß mache und denen erklär, wie Lean und 5S funktioniert und dann dauert es Wochen, bis irgendwelche Erfolge sichtbar werden.
Ich muss also gucken, dass ich das Projekt schnellstmöglich vorantreibe, weil wie gesagt, die ersten vier Punkte sind eigentlich die einfachen, der schwierigste Punkt ist eigentlich der fünfte Punkt, nämlich tatsächlich die Sauberkeit halten, die Standards leben und weiter voranzutreiben, zu optimieren bis zu einem möglichen 100%. Und der Faktor Mensch ist halt einfach hier omnipräsent, weil Ordnung und Sauberkeit nichts ist, was ein Mensch als überlebensnotwendig ansieht. Ein Mensch kann eigentlich daher auch in zwei Punkten für ein Scheitern verantwortlich sein. Erstens, wenn er nicht versteht, warum er das tun soll, warum 5S einfach für ihn selbst eine Optimierung seiner Lebensnotwendigkeit oder seines Arbeitsplatzes ist. Oder wenn dann durch die Nachlässigkeit das ganze Thema schon wieder in Vergessenheit gerät und dann auch wieder schleifen gelassen wird und schlechter wird.

Götz Müller: Gut, aber dann sind wir ja immer noch beim Faktor Mensch, was sicher keine Überraschung ist, das würde jetzt zu weit führen, wenn ich sage, in meinem persönlichen Weltbild gibt's kein technisches Versagen und trotzdem glaube ich, weil wir uns ja bewusst sind, dass der Faktor Mensch die Rolle spielt und, jetzt wieder auf der Beraterseite, das Thema ja auch dann bewusst angehen und trotzdem klappt’s halt nicht immer, wo vielleicht sogar der Mensch manchmal gar keine Rolle spielt.

Mario Koch: Was zu dem ganzen Thema noch dazukommt, ist die Führungskraft. Die Führungskraft, wie schon anfangs erwähnt, ist natürlich in erster Linie der Treiber des ganzen Projekts. Manchmal kriegt er das auch von seiner eigenen Führungskraft noch aufgebrummt und ist vielleicht selbst nicht ganz davon überzeugt, aber er gibt natürlich auch den Leuchtturmeffekt an seine Mitarbeiter weiter. Wenn er das Gefühl vermittelt, dass das Projekt das ganze Team voranbringt,
und das schafft dann, vielleicht auch mit Unterstützung eines Beraters, das Team mit abzuholen und zu schauen, dass das Projekt erfolgreich ist, dann hat er trotzdem aber auch dafür zu sorgen, dass nachher nicht das ganze Projekt scheitert, weil er vielleicht geizig in der Beschaffung von vernünftige Material ist. Wir können mit schlechtem Material oder mit einer schlechten Strategie zur Wiederbeschaffung von verschlissenem Material hier sehr, sehr viel Negatives bewirken. Ich erlebe das relativ häufig auf unseren Messen, da kommt dann der Chef zu uns, der Geschäftsführer und sagt „Super tolle Produkte, aber habt ihr denn auch den automatische Besen, weil meine Mitarbeiter kehren sowieso nicht.“ und wenn ich dann frage „Ja, wie kommt jetzt diese Aussage zustande? Geben Sie mir mal ein bisschen Informationen, ein bisschen Input, wie viele Reinigungsgeräte haben Sie in Ihrer Produktion, wie groß ist die?“ et cetera, dann kommen da meistens so Sprüche wie „Ja, ich habe irgendwo 2000 Quadratmeter Halle, ich habe da mehrere Millionen Euro an Maschinen und Anlagen drin stehen und die Mitarbeiter halten sie einfach nicht sauberer, da ist immer dreckig.“. So und dann frage ich: „Ok, wie viele Reinigungsstationen, wie viele Besen zum Beispiel haben Sie denn Ihren Mitarbeitern so zur Verfügung gestellt, damit sie auch ihren Arbeitsplatz sauber halten können und auch die Halle sauber halten können?“ und dann krieg ich nicht selten zu hören: „Ja, da steht doch eine Station im Eck, die können sie doch nutzen.“ Ja, aber das deprimiert natürlich den Mitarbeiter irgendwo, wenn er permanent nur nach diesen Geräten suchen muss, obwohl er das ja vielleicht gar nicht für sich selbst als 100% notwendig sieht in dem ersten Schritt, weil er macht das ja eigentlich für das Wohl des Teams, für das Wohl auch der Firma, dass er alles sauber hält und auch in vernünftigem Zustand hält und dann soll er täglich den Besen suchen. Und zwar, machen wir einfach mal ein Beispiel, wenn der Mitarbeiter täglich fünf Minuten den Besen sucht, sind es am Ende nach einer 5-Arbeitstage-Woche 25 Minuten in der Woche, sind es 100 Minuten am Ende des Monats, bei einem 4-Wochen-Monat. Wenn wir jetzt einfach mal einen Stundensatz von 60€ dahinter setzen, dann sind es 100€ Verschwendung jeden Monat. In der Lean-Lehre sprechen wir da von Muda, wenn wir von Verschwendung sprechen. Wenn ich dann halt gegenrechne, dass so eine Reinigungsstation für unter 100 € zu bekommen ist und ich das dem Chef dann erkläre, dann guckt er mich meistens relativ verdutzt an und hat verstanden, wo sein Problem eigentlich ist. Wenn ich also von oben von der Führungskraft ja nicht schon die Möglichkeiten geben und auch da ein gutes System gebe, entsprechenden Materialien nachzubestellen, selbst wenn die Erstausstattung toll ist, muss ja auch nachher das gepflegt werden, es muss ja auch mal wieder ein neuer Besen her, es muss ja auch mal wieder ein neues Reinigungsgerät oder sonst was, dann brauche ich da auch eine vernünftige Strategie dahinter, dass das am Leben bleibt.

Götz Müller: Mir kommt da jetzt sofort ein Unternehmen in den Sinn, ich nenne natürlich keinen Namen, das gab's aber, wenn man es mal zusammen zählt, mehr Besen als Mitarbeiter und trotzdem haben sie ständig Besen gesucht, weil ich glaube, es kann fast beiläufig an, mit dem Begriff Station, ich glaube, das ist ein nicht zu unterschätzender Aspekt, dass es halt auch einen Ort gibt für den Besen, denn wenn ich beliebig viele Besen habe, die aber immer über überall dort sind, wo die Menschen halt nicht suchen, bringt mir die Zahl der Besen ja auch nichts.

Mario Koch: Ja, das ist absolut richtig und ein Teil der 5S-Methodik ist ja auch das Visualisieren, also wenn ich aufgeräumt habe und standardisiert habe, dann ist es ja ganz wichtig, dass ich auch eine visuelle Möglichkeit für dem Mitarbeiter schaffe, zu wissen, wo mein Werkzeug eigentlich hingehört und bei Werkzeug können wir jetzt über den Schraubenschlüssel sprechen oder über ein Reinigungsgerät wie ein Besen oder ein Kehrfeger. Wenn der Mitarbeiter nicht weiß, wo es hingehört, dann landet es meistens irgendwo im Eck. Da haben sich mittlerweile zum Beispiel diese Reinigungsstationen etabliert, über die wir gerade schon gesprochen haben, die einfach zeigen: Achtung hier gehören diese Geräte hin und bitte denk dran, wir achten darauf, wir möchten, dass hier Ordnung und Sauberkeit herrscht.

Götz Müller: Auch irgendwo auf einer Metaebene, nämlich eben, dass auch der Besen sein Platz hat, auch wenn er zur Produktion an sich ja gar nichts beiträgt.

Mario Koch: Ja, das ist richtig und das wird oftmals unterschätzt. Viele unserer Kunden fangen dann an, solche Stationen hinter der Maschine aufzubauen, die soll ja nicht vorne gesehen werden. Ja, warum soll die nicht gesehen werden? Das beste Beispiel kommt aus dem Marketing. Da versuchen große Marken ihr Logo permanent und überall anzubringen. Warum? Weil wir Menschen das dann unterbewusst aufnehmen und dazu neigen und dazu tendieren, uns mehr mit diesem Thema zu beschäftigen. Wenn ich keinen Besen sehe den ganzen Tag, dann denke ich auch nicht wirklich daran, diesen zu benutzen. Wenn mir allerdings permanent ein Reinigungsgerät ins Auge springt, dann werde ich permanent daran erinnert, dass uns das wichtig ist in unserem Betrieb.

Götz Müller: Ja, und mit dem Satz kam mir jetzt gerade ein anderer Spruch in den Sinn, den ich mal irgendwo aufgeschnappt habe, da ging es weniger um Besen, aber um Sauberkeit: Wer kauft den meisten Kaminreiniger? Die Menschen, den sauberen Kamin haben.

Mario Koch: Da ist wohl etwas dran.

Götz Müller: Also gerade nicht die, die es eigentlich am nötigsten haben, sondern die, die es verstanden haben und im Grunde adressiere ich ja dann auch in meinem Marketing die viel eher, wie die, denen es egal ist, wie der Kamin aussieht.

Mario Koch: Ich glaube, da ist definitiv etwas dran und ich denke, das ist auch wirklich ein Schlüssel zum Erfolg, wenn ich hier omnipräsent einfach zeige, dass uns das Thema wichtig ist. Das kann man ja auch viele Bereiche auslegen. Viele Firmen haben ja eine Strategie oder ein Motto für ihr Team und das wird ja auch überall gezeigt. Das ist den Leuten wichtig, der Führungsetage ist es wichtig, dass das von unten bis oben komplett in der Firma gelebt wird und gleich muss ich mich halt auch mit dem Thema Reinigung und Ordnung und Sauberkeit beschäftigen. Wenn ich nicht zeige, dass mir das wichtig ist, dann wird es auch nicht so aufgenommen von den Mitarbeitern.

Götz Müller: Ja, ich glaube, dieser, ja, viel bemühte Begriff der Wertschätzung an der Stelle, für die Sache, aber durchaus im außer die Menschen ist nicht zu unterschätzen und das sind manchmal auch Kleinigkeiten, die diesen Wert auch ausdrücken und Sie haben es vorhin gesagt, das auch als Führungskraft zu leben.

Mario Koch: Das ist, würde ich sagen, mit einer der wichtigsten Punkte. Ich durfte das erleben, während meinem Studium, ich durfte bei einem großen Sportwagenhersteller in Stuttgart lernen während meines Studiums, und habe da sehr, sehr viel über das Thema 5S, aber in Bezug auf Menschen, gelernt. Dort wird das ganz arg toll gelebt, und da sieht man auch, was das bewirken kann, wenn man wirklich von vorne rein und konsequent, aber auch wertschätzend mit dem Thema und den Mitarbeitern umgeht.

Götz Müller: Ja, das möchte ich noch ein bisschen vertiefen. Was war da Ihre Erfahrung, wie ich dieses Thema Wertschätzen auch ganz konkret leben kann? Sie haben vorhin mal ein paar Aspekte angedeutet, ich möchte das noch ein bisschen vertiefen.

Mario Koch: Also in erster Linie ist es wichtig, dass man dem Mitarbeiter nicht das Signal gibt, dass er nur eine Putzkraft ist, sondern man muss ihm wertschätzend gegenüber vermitteln, dass das Teil unserer Strategie ist, dass das ein ganz wichtiger Punkt ist, um unseren Arbeitsplatz zu sichern, dass einfach das Gesamtbild der Firma stimmt. In der modernen Produktion, in der modernen Fertigung haben wir Experten, wir haben Fachkräfte, die verdienen ein gutes Gehalt in Deutschland und die wollen natürlich auch in einem Umfeld arbeiten, auf dass sie stolz sind. Und dazu müssen wir alle beitragen. Das war auch großer Punkt, den ich dort bei dem Automobilbauer lernen durfte, dass da sehr viel mit den Leuten interagiert wird. Es wird sehr viel auch von den Mitarbeitern am Band zum Beispiel Informationen eingeholt. Es werden Methoden hinterfragt. Man möchte Wissen aufsaugen und nicht nur aufdrücken. Das war ein ganz, ganz wichtiger Punkt dort. Man hat sich also die Mitarbeiter stark ins Boot geholt, hat da viele kleine Teams gebildet und diese Teams haben eigenständig Punkte und Projekte umgesetzt, wo sie dieses Thema 5S immer weiter optimiert haben, immer weiter optimiert haben, und dann ist der eigene Anspruch so dermaßen gestiegen, dass das irgendwann quasi ins Blut überging.

Götz Müller: Wie lässt sich sowas dann auch fördern über diesen Aspekte hinaus, die Sie erwähnt hatten, also mit alle einbeziehen?

Mario Koch: Ich denke, die größte Förderung ist da eigentlich wirklich die Anerkennung der Mitarbeiter. Das kann man jetzt auf einer Ebene spinnen, wo man sagt, man führt da gewisse Boni ein, ich bin da aber gar nicht unbedingt großer Fan davon. Wenn das ein selbstlebendes Thema ist, dann bin ich der Meinung, haben alle am meisten davon. Und wenn man sich gegenseitig anspornt, da einfach etwas zu erreichen und nachher stolz ist auf das, was man macht, bin ich der Meinung, lebt das Thema eigentlich am besten. In meinem eigenen Betrieb, den ich gegründet habe, nachdem ich mit dem Studium fertig war, habe ich von Anfang an das Thema hochgehalten, habe von Anfang an meinen Mitarbeitern erzählt, was mir so wichtig ist an dem Thema und warum es mir so wichtig ist, habe die Leute mit eingebunden, und damit habe ich einfach die Erfahrung gesammelt, wenn dann Kunden zu uns ins Haus kommen und sagen „Oh Mensch, bei euch sieht es ja toll aus, ihr habt das alles so schön strukturiert.“, dann geht da auf einmal Stolz bei den Mitarbeitern auf und das erzählt er sogar zu Hause und sagt „Du Mensch, heute war ein Kunde da und wir waren so stolz, er hat das so toll gesehen bei uns.“. Ich glaube, damit erreicht man viel mehr, wie mit irgendwelchen finanziellen Boni-Strukturen.

Götz Müller: Jetzt an der Stelle vielleicht den Bogen zum Einstieg. Ich habe Sie vorgestellt als Geschäftsführer der Marke K.Lean, ich glaube, bei Lean hat jetzt wahrscheinlich jeder von den Zuhörern ein Bild vor seinem geistigen Auge, was steckt hinter K.Lean?

Mario Koch: Hinter dem K steckt eigentlich unser Familienname Koch, wo wir dann kombiniert haben aufgrund dessen, weil unserer bekanntestes Produkt die sogenannte Clean Station ist, also ein Wortspiel aus unserer Marke K.Lean und dem englischen Wort Reinigung, clean, und das Ganze ist eigentlich da entstanden, dass ich nach dem Studium ein Unternehmen gegründet habe, wo wir Stahlbau machen, wo wir also eine Produktion haben mit schweißen, mit fräsen, lackieren et cetera, und dort hatte ich recht früh schon Kundenkontakt, die uns auditiert haben, die zu uns in die Fertigung gekommen sind und bewertet haben, wie gut unsere Qualität ist und da war relativ früh ein Kunde dabei, der hat sich über
unsere Besenhaltung echauffiert und wir haben eine ganz tolle Punktzahl gehabt, wir waren sehr hoch angesehen für einen ganz neuen Lieferanten, für ein ganz junges Unternehmen, er hat uns da echt seinen Respekt ausgedrückt, aber dann kam irgendwann der große Hammer so von wegen „Ja, aber ihr müsst ja da das Thema 5s und Lean noch höher halten.“ und da hat mich der Kollege natürlich so ein bisschen im Ehrgeiz gepackt. Und dann sind wir ein bisschen übers Feld gegangen und haben mal geguckt und wollten schauen, dass wir eine Station kriegen oder da eine Möglichkeit schaffen, wie die Besen und die Reinigungsgeräte bei uns einfach strukturiert und standardisiert werden, und wollten damit wirklich Eindruck schinden bei dem Kollegen und haben gesagt, wenn der das nächste Mal wieder zu Hause kommt, dann ist er richtig schön richtig neidisch. Und das war ein richtig großer Betrieb im Vergleich zu uns. Und wir haben dann aber relativ schnell festgestellt, dass es auf dem Markt nichts gibt, was so unseren Vorstellungen entspricht und, wenn es nur ansatzweise so war, dann war es uns einfach zu teuer. Das empfanden wir als nicht gerechtfertigt für das, was es darstellen sollte. Und wir haben dann angefangen, so unsere ersten eigenen Produkte zu bauen und daraus ist dann die Marke K.Lean entstanden. Den Wortwitz mit der Cleansation fanden wir sehr charmant und Cleanstation ist eigentlich heute so unser bekanntestes Produkt am Markt, wo wir einfach den Unternehmen helfen, hier mit einem Baukastensystem schnell Lean-Produkte umzusetzen, weil einfach nicht jeder ein eigenes Produkt entwickeln muss. Wenn so ein Lean-Workshop läuft und ich brauche erstmal noch acht Wochen, bis ich da mal den ersten Entwurf für so einen Gerätehalter oder eine Reinigungsstation habe, bis er dann auch noch freigegeben ist von der Geschäftsleitung und gefertigt ist, da hat schon wieder jeder sein Lean-Projekt vergessen. Und wir haben einen gewissen Standard und können aber auch individualisieren nach Kundenwünschen und können so innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen eigentlich umsetzen und können dem Kunden das bereitstellen, was er braucht und man kann dann im Prinzip beim Kunden zeigen „Hey, das Lean-Projekt ist super schnell vorangegangen und jetzt können wir uns um die wichtigen Dinge kümmern.“

Götz Müller: Wo ja eben, so wichtig wie Sauberkeit und Ordnung ist, aber es ist ja doch nichts, was für den Kunden eine Wertschöpfung darstellt und wenn ich mich dann damit auch noch abmühen muss, trägt es erst recht nichts zur Wertschöpfung bei.

Mario Koch: Im ersten Step bin ich da Ihrer Meinung, im zweiten Step tiefergehend nicht ganz, denn unterbewusst gelebt trägt 5S sehr wohl zur Wertschöpfung bei.

Götz Müller: Ja.

Mario Koch: Besonders im Punkt Verschwendungsvermeidung, also Vermeidung von Muda ist ganz ein wichtiger Punkt. Wenn die Reklamationszahlen sinken, wenn weniger Ausschuss produziert wird, wenn jeder weiß, was er zu tun hat, dann ist die Produktivität auf höchstem Level, und da gehört 5S fest einfach mit in die Strategie. Ich sag nicht, dass es das einzige Konzept ist, aber das ist ein ganz wichtiger Teil dieser Strategie und damit gehört es auch zur Werkschöpfung.

Götz Müller: Ja. Ich meinte mehr, ich muss mich aber eben nicht, kommen wir wieder auf den Besen zurück, ich muss mich nicht damit beschäftigen, den passenden Besenstiel auszusuchen.

Mario Koch: Richtig, weil den haben wir für Sie schon ausgewählt.

Götz Müller: Genau.

Mario Koch: Wir sind sogar soweit, dass wir den Besenstiel optimiert haben, weil unsere Kunden sich alle beschwert haben, dass die Besen innerhalb weniger Wochen auseinanderfallen und wir haben keine Lösung für das Problem gefunden, obwohl wir mit sämtlichen Besenstielherstellern kommuniziert haben, bis wir dann ein eigenes Produkt entwickelt haben, wir ein eigenes Werkzeug machen lassen haben, dass es jetzt eigene Besenstiele für uns gibt und seitdem haben wir unsere Ruhe und unsere Kunden sind happy.

Götz Müller: Ja, da habe ich durchaus auch eigene Erfahrung mit und da gebe ich Ihnen völlig recht. Es gibt Besen und Besen.

Mario Koch: Das ist ein ganz großer Unterschied und man mag es wirklich nicht glauben, aber das schlimmste, was passieren kann, ist, wenn man dann tatsächlich als Chef mal Geld in die Hand nimmt und den Mitarbeitern ganz stolz erzählt „Wir haben uns hier ganz tolle Geräte bestellt.“ und dann kommen die und nach zwei Tagen fällt der Besen auseinander, dann ist das Gespött ganz groß. Das darf nicht sein und es ist auch einfach eine Verschwendung, die überhaupt nicht auf den Tisch gehört und deswegen ist es eigentlich so ein Punkt, an dem wir konsequent optimiert haben und ich glaube, ich darf behaupten, dass sich noch niemand so viel Gedanken um Besen und Reinigungsstationen gemacht hat wie wir, das bei K.Lean gemacht haben.

Götz Müller: Da werde ich auf jeden Fall in den Notizen zu Episode den ein oder anderen Link wieder einpacken, für den Fall, dass jetzt jemand auf den Geschmack kam. Herr Koch, ich danke Ihnen für Ihre Zeit aus der Praxisseite fand ich das sehr spannend, auch den Bericht von besagtem, glaube ich doch einigermaßen bekannten Sportwagenhersteller und das, was man von außen da nicht sieht, das aber aus erster Hand mal zu hören.

Mario Koch: Sehr gerne. Vielen Dank.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Mario Koch zum Thema Was ist bei 5S besonders zu beachten. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 217.

Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freue ich mich über Ihre Bewertung bei iTunes. Sie geben damit auch anderen Lean-Interessierten die Chance, den Podcast zu entdecken.

Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

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