Kaizen 2 go 224 : TWI und Innovation


 

Inhalt der Episode:

  • Begriffsdefinition und -abgrenzung zum Einstieg: Innovation, Formen der Innovation
  • Welche Voraussetzungen sind notwendig, damit Innovation gedeihen kann?
  • Äußere Innovation & innere Innovation – zwei Seiten einer Medaille?
  • Paradoxon? Training Within Industry ist über 75 Jahre alt, wo ist da die Innovation?
  • Beispiele der Innovation und Innovationsunterstützung bzw. -förderung durch TWI
  • TWI als bewusster Teil des Innovationsmanagements und Innovationsprozesse
  • TWI und die Job-Module als Werkzeug für die Menschen zum Umgang mit Veränderung durch Innovation, speziell Umgang mit und Bewältigung von Ängsten

Notizen zur Episode:


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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 224 : TWI und Innovation

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Habe ich Christian Thurnes bei mir im Podcastgespräch. Er ist Professor an der Hochschule Kaiserslautern und beschäftigt sich dort mit Produktion, Logistik, Innovation und Lean. Hallo Christian.

Christian Thurnes: Hallo Götz. Schönen guten Abend.

Götz Müller: Ja, schön, dass es heute klappt. Ich habe schon so einen halben Satz zu dir gesagt, stell dich aber gerne mal ein bisschen intensiver vor, vielleicht durchaus auch die Zeit vor der Hochschule, vor der Professur.

Christian Thurnes: Ja, ich bin zurzeit, wie du schon gesagt hast, Professor an der Hochschule in Kaiserslautern, Pirmasens, Zweibrücken, dort Professor für Logistik, Produktions- zum Innovationsmanagement und meine Hauptthemen sind methodischer Natur, ich bin Methodiker, ich liebe alles, was mit Methodik zu tun hat und da habe ich zwei Schwerpunkte. Das eine ist alles, was wir als Lean kennen und drumherum und das andere ist Innovationsmethodik. Das sind meine Steckenpferde und vor der Professur habe ich genau diese beiden Dinge auch verfolgt. Ich habe dreimal studiert, sogar mit Abschluss jeweils, Maschinenbau Wirtschaftsingenieurwesen und Erwachsenenbildung. Das heißt, da ist so ein bisschen der Dreiklang drin Mensch, Technik und Organisation, und war dann Berater eine Weile und habe in den Feldern beraten. Nach der Beratung, also ich war in einem kleinen Beratungsunternehmen, wir haben so die 08/15-Aufgaben der Fabrikplanung und so bei Mittelständlern gemacht und durchaus bei sehr großen Unternehmen dann die Dinge, die etwas seltener sind, wie in der Innovationsmethodik, Betriebsanwendung, das waren dann schon mal große, bin dann danach zu einem großen amerikanischen Konzern gewechselt zum Terex-Konzern, und war dort hier in der Nähe, war mein Heimatwerk, wo ich Lean Consultant war, aber auch die ein oder andere Aufgabe dann übergreifend übernommen habe, in Richtung Handschuhkonzept und Ähnliches.

Götz Müller: So, jetzt haben wir heute ja zwei spannende Themen, auch in der Kombination, aber vielleicht zum Einstieg mal deine Definition von Innovation und vielleicht Abgrenzungen zu anderen Aspekten, Formen von Innovation.

Christian Thurnes: Ja, da könnte ich jetzt natürlich, das ist so eine Berufskrankheit, also ich könnte jetzt zwei Stunden darüber reden oder drei. Ja, Innovation, sagen wir mal so, eine Definition, die mir recht gut gefällt ist zu sagen: Innovation ist die zielgerichtete Durchsetzung von Problemlösungen. Erstmal ganz allgemein. Und zwar welche? Ja, das kann natürlich technisch-technologisch sein, das kann aber auch eine wirtschaftliche Problemlösung sein oder eine organisatorische oder eine soziale Problemlösung. Das ist alles mal erstmal nebensächlich. Es geht darum, wie gesagt, für eine Organisation, in der Regel für ein Unternehmen, durch eine neuartige Problemlösung die Unternehmensziele zu erreichen.

Götz Müller: In meiner Wahrnehmung ist Innovation ja nicht eine Sache, wo man irgendwo einen definierten Schalter umlegt und dann klappt das alles problemlos. Das heißt, auch in der Überleitung zu unserem zweiten Teil, was sind denn deiner Ansicht nach für Voraussetzungen notwendig, damit Innovation gedeihen kann?

Christian Thurnes: Das ist ganz, ganz, ganz vielfältig. Wir haben Innovation, die so durch Zufall entsteht. Das ist tatsächlich so, da kommt dann vielleicht eine Erfindung raus, wo man sagt „Mensch, da hätte kein Mensch jemals dran gedacht.“, das ist aber auch relativ selten, dass so etwas passiert und da gibt’s dann durchaus Überlegungen, wie man das begünstigen kann, dass so etwas passiert. Das hat heutzutage auch sehr viel mit den Schlagwörtern New Work, agile und so weiter zu tun, die Umgebung zu gestalten, aber ein großer Teil von Innovationserfolgen basiert tatsächlich auf harter Arbeit, also harte Arbeit, sagen wir mal, die darf auch Spaß machen, aber es ist tatsächlich zielgerichtete Arbeit und dann ist die Frage: Habe ich die richtigen Methoden? Habe ich die richtigen Prozesse? Habe ich die richtige Kultur, das richtige Unternehmensumfeld, um Menschen tatsächlich auch innovationsfreudig zu machen und dafür motivieren zu können?

Götz Müller: Ich glaube, man kann es so ein bisschen auch mit Gartenarbeit, weil du den Begriff Arbeit verwendet hast, mit Gartenarbeit, und in der Wüste ohne Wasser, glaube ich, zum Beispiel funktioniert halt jetzt einen Rasen zu züchten nicht unbedingt … so glaube ich muss man halt ein paar, ja, auch kulturelle Themen schaffen, damit so etwas gedeiht im sprichwörtlichen Sinne, oder?

Christian Thurnes: Ja, genau. Die Voraussetzung, die man schaffen kann, da gibt's jede Menge Ansätze, wir denken da vorrangig an schöne, bunte Themenräume, Thinking Pools, an tolle Ausstattungen, ein kleiner Bestandteil, die Art und Weise wie man miteinander umgeht im Unternehmen, wie die Umgangsformen Führung zu Untergebenen, wenn ich das so sagen kann sind beziehungsweise, ob es überhaupt noch solche Verhältnisse gibt. Das sind alles Dinge, die man diskutieren kann, aber es gibt keine eindeutigen Lösungen. Es ist immer eine unternehmensspezifische Sache, die ganz stark davon abhängt, worum geht's im Einzelnen, wie ist mein Unternehmen, wie ist meine bisherige Unternehmenskultur, wie sind auch die Dinge gewachsen in meinem Unternehmen. Das sind Einzelaspekte und es gibt viele Wege, wie man das Feld oder die Wüste bestellen kann, um bei deinem Bild zu bleiben, bestellen kann und die muss man ausprobieren und man muss die richtigen für sich dabei rausfinden. Das schöne ist, wenn ich das noch sagen kann, das schöne ist, du kriegst fast jede Wüste dazu, dass da was drin wächst. Es ist mit Sicherheit nicht so, dass in jeder Wüste nachher das Gleiche wachsen kann, aber du kannst sehr, sehr viel machen und das ist das, wo sich viele Unternehmen im Bereich Innovationsmanagement oder auch Organisationsentwicklung oder auch natürlich mit einzelnen methodischen Ästen, wie wir die ja aus unserer schönen Lean-Welt auch kennen dann, ja, Hilfen und die einsetzen, um da hinzukommenden.

Götz Müller: Jetzt hatte ich von dir einen Artikel gelesen und da hast du zwei Aspekte noch erwähnt, nämlich eine innere und äußere Innovation. Das hatte ich vorher so gar nicht auf dem Schirm und mein erster Gedanke war, dann sind das jetzt zwei Seiten einer Medaille, um vielleicht noch diesen Punkt zu kratzen, bevor wir dann auf die zweite Hälfte des Titels übergehen.

Christian Thurnes: Ja, das sieht es folgendermaßen aus: wenn wir über Innovationen sprechen, dann denken die Leute ja oft an Dinge, so nach dem Motto, das ist jetzt erstmalig auf der Welt, das hat es noch nie gegeben. So kann man Innovation sehen, aber das ist dann eigentlich mehr das Denken in Invention, also in Erfindung als das Denken in Innovation. Innovation ist immer auch eine Frage vom Standpunkt aus. Das heißt, wenn wir jetzt eine neue Technologie plötzlich haben, die es vorher nicht gab, dann ist natürlich vielleicht das Unternehmen innovativ, dass die erfunden hat und produziert oder produziert oder vertreibt, aber jemand anderes, der benutzt diese Technologie und für den ist ja dann die Welt plötzlich auch ganz anders. Und jetzt ist die Frage mit, ja, von innen oder von außen, ich kann mir vorstellen, ich kann in meinem Unternehmen viel verändern und kann dann Neues schaffen und von innen heraus innovieren, aber Innovation kommt ja auch von außen ins Unternehmen rein und ich selbst verändere mich ja dadurch. Ich werde, wenn ich jetzt nicht mehr mit dem Stift schreibe, sondern nur noch Alexa etwas sage, mal angenommen, das wäre etwas Innovatives, dann werde ich ja selbst innovativ, aber ich bin ja nicht gleich der, der Alexa erfunden hat. Das ist für Unternehmen ganz wichtig, das zu sehen, weil ganz oft unterschätzt man das, was es bedeutet, wenn Innovation von außen reinkommt.

Götz Müller: Ja, oder man steht sich unter Umständen selber im Weg, wenn man sich nur nach innen konzentriert und nicht guckt, was draußen passiert oder vielleicht nicht im Weg, aber man verschenkt unter Umständen Chancen.

Christian Thurnes: Ganz genau. Das wird auch unter dem Schlagwort Open Innovation oft beschrieben, das Denken „Wir sind die einzig schlauen, die es gibt auf der Welt gibt, in unserem Unternehmen, alle anderen haben ja viel weniger Ahnung als wir. Also nur das, was wir selbst machen ist das Gute.“.

Götz Müller: Gut und jetzt haben wir ja TWI, also Training Within Industry, und Innovation im Titel und wo ich da deinen Artikeln dazu gelesen habe, den ich auch gerne verlinken werde, dachte ich erstmal so auf den ersten Schritt „Ja, das doch eigentlich total paradox.“, weil TWI, für die, die es wissen und wir kommen ja noch gleich noch darauf, ist ja über 75 Jahre alt und dann kann man sich, wenn man mal ganz unbedarft rangeht, auf den ersten Blick fragen „Ja, wo ist da denn Innovation?“, bei so einer vermeintlich alten Sache.

Christian Thurnes: Genau. Das kann man sich gut so vorstellen ,„Alter Hut, was ist daran innovativ?“ Na ja, und so, wie ich das eben geschildert habe, ist die Frage der Innovation … kommt halt daher, wenn ich diesen alten Hut heute zum ersten Mal anziehe und wenn er mir unglaublich gut steht und mich weiterbringt, dann ist für mich dadurch eine Innovation oder ein innovatives Fortkommen natürlich da und so ist das auch mit TWI. Die Methode selbst würde ich jetzt nicht sagen ist eine Innovation, dafür ist sie zu alt, aber dass wir sie wiederentdecken, weil sie ja doch mal so ein klein bisschen untergegangen ist, ein paar Jahrzehnte lang, bis wir sie wiederentdecken und feststellen, unter den heutigen Bedingungen hat sie teilweise denselben Nutzen wie früher und teilweise noch ja einen Zusatznutzen und kann uns jetzt weiterhelfen. Das ist der innovative Aspekt daran und insbesondere, wenn wir mit Innovationen hantieren müssen, genau dann, zeigt dieser alte Hut, dass er ziemlich gut den Regen abhält.

Götz Müller: Da kommen wir gleich noch mal drauf, mir ging dann vorher bei der Erzählung, noch ein anderes Beispiel durch den Kopf. Das Elektroauto ist ja im Grunde ähnlich alt wie der Verbrennungsmotor, wie das mit Verbrenner angetriebene Auto, also ich glaube, irgendein Porsche-Modell war das, aber das ist fast zweitrangig, nur hatte der halt damals noch leichte Probleme mit der Batterie, und deshalb war die Reichweite, ich glaube keine 50 km, wo manchmal, das ist dann so mein Schluss daraus gewesen, wo ich das gelesen habe, manchmal ist die Zeit einfach nicht reif für bestimmte Elemente.

Christian Thurnes: Ja. Timing ist ein ganz wichtiges Thema im Innovationsgeschäft. Ist die Sache, die wir haben, zu einem Zeitpunkt die richtige? Du hast es gerade richtig gesagt, ja das Thema zum Beispiel mit dem Akku, das war vor 100 Jahren ein Thema und das ist selbst heute ja immer noch ein Thema und das ist dann wiederum in der technologischen Innovation unglaublich interessant, mal zu gucken, was sind denn die Gründe, warum wir glauben, dass etwas Innovatives, etwas vielleicht Innovatives, dann doch nicht hinhaut und diese Gründe zu knacken, das sind die neuen Innovationsherausforderungen. Heute ist das Elektroauto ein alter Hut. Das ist nicht innovativ. Innovativ ist ein Elektroauto, was 3000 km fahren kann ohne zu laden oder in 10 Sekunden lädt oder so etwas. Also verlagert sich so ein bisschen und die alten Hüte, die können aber durchaus topaktuell sein.

Götz Müller: Gut und wenn wir uns jetzt mal, wirklich ganz konkret auf das Thema TWI konzentrieren und vielleicht kannst du da, ich habe es natürlich in deinem Artikel gelesen, ein paar Beispiele geben, wo TWI Innovation ermöglicht, unterstützt, fördert.

Christian Thurnes: Bei TWI steht der Mensch, Originalbezeichnung, Supervisor, sagen wir mal Teamleiterin, Teamleiter, Anleiterin, Anleiter, Gruppenleiterin, Gruppenleiter, der Mensch, der direkt in Führungsaufgabe, in Führungsposition, in Leitungsposition oder auch Coaching-Position zu anderen Menschen steht, der steht im Mittelpunkt und wann immer wir es heute mit Innovation zu tun haben, dann ist das keine Sache, die mit Technologie zu tun hat, sondern die Technologie kommt immer irgendwie an den Mensch ran und genau da ist der Punkt, wo wir die Verbindungsstelle haben, an der TWI helfen kann. Wir haben mit neuen Dingen zu tun und mit denen müssen wir irgendwie klarkommen. Da ist plötzlich etwas Neues im Arbeitsumfeld und da müssen wir irgendwie damit klarkommen und da sind mit Sicherheit Bestandteile dabei, die sich prima zum Beispiel mit dem Job-Instruction-Ansatz standardisiert unterweisen lassen. Und die anderen TWI-Programme, die finden da genauso ihre Berechtigung drin, weil wir haben hier eben das Thema: Da kommt etwas Neues und das trifft auf Menschen und sorgt für a, Probleme und b, Potentiale.

Götz Müller: Ja, weil in der Regel, das war auch mein erster Gedanke, wo ich das gelesen habe und auch ein Aha-Effekt oder eine weitere Erkenntnis noch an der Stelle, eben dieser Aspekt Veränderung, was macht es mit den Menschen, weil in der Regel ja nicht jeder „Hurra!“ schreit, sondern gedanklich oder physisch wirklich einen halben Schritt zurückgeht und da eben, und das finde ich dann aber auch wieder, und das sage ich auch, wenn ich mit dem Thema, mit anderen umgehe, wo ich dann immer sage, im Grunde ist da, mit dem damals noch sehr präsenten Taylorismus, ja massiv gebrochen worden, wo manchmal heute Unternehmen noch gar nicht sind. Und das finde ich, ist damals ein innovativer Aspekt gewesen und ich glaube eben auch auf heute, dieser unterstützende Aspekt.

Christian Thurnes: Ja, also da kann ich nur voll und ganz zustimmen und vor allen Dingen, ich glaube, wir haben bei … oder der wichtige Punkt bei der Anwendung von den TWI-Methoden ist meiner Ansicht nach vor allen Dingen genau zu wissen: Wann benutze ich welche Methode warum? Wenn wir sie falsch benutzen … Job Instruction ist bei uns ja in den Bereich „Ausbildung der Ausbilder“ als Unterweisungsmethode eingegangen, wurde stark verändert, aber meiner Meinung gehört es da einfach nicht hin. Es ist kein Mittel, kann um zu sagen: Jetzt bilde ich einen Menschen aus, viele freie Handlungsoptionen aufzubauen. Das ist etwas wichtiges, aber dafür ist es die falsche Methode. Es ist die Methode dafür, wenn wir sagen, wir wollen, dass Menschen gewisse Dinge in gleicher Art und Weise tun, um damit Qualität hochzuhalten, Sicherheit zu gewährleisten, ja, den gemeinsam herausgefunden, derzeit besten Weg eben umzusetzen.

Götz Müller: Ja. Und den Aspekt Arbeitsstandards halt eben zu fördern.

Christian Thurnes: Genau.

Götz Müller: Okay, wenn wir jetzt gerade auf die Job-Module mal noch ein bisschen stärker eingehen und da auch wieder noch die Klammer zur Innovation, du hattest jetzt einen Punkt gerade angedeutet, habe ich jetzt ein bisschen so rausgehört, aber korrigieren mich gern. Job Instruction an sich jetzt vielleicht nicht der Punkt, der bei Innovation die große Rolle spielt?

Christian Thurnes: Ja, doch. Also nicht so, wie man es vielleicht vermuten würde, aber setzen wir uns noch mal in die Situation, wir stehen vor der Herausforderung, von mir aus sind wir ein Produktionsunternehmen und es gibt eine komplett neue Technologie, wir stellen irgendetwas aus Kunststoff her und das wurde bisher gepresst und jetzt ist etwas komplett Neues da mit einer hochkomplexen Laseranlage, mit der unsere Produkte bearbeitet werden. Das ist eine Innovation, unser Produkt ist eine Innovation, dass wir das herstellen können, ist für uns eine Innovation, aber es bedeutet, dass wir auch in der Lage sein müssen, dieses neue Gebilde in kurzer Zeit mit den üblichen Qualitätsanforderungen tatsächlich bedienen zu können. Dabei kann tatsächlich Job Instruction ein ganz wichtiges Element sein. Also es ist natürlich kein Kreativ-Instrument in dem Augenblick, aber es ist eben ein Hilfsmittel, um die Adaption von der Innovation, sagen wir dann gern, tatsächlich zu bewerkstelligen. Also dafür ist Job Instruction tatsächlich im Innovationsgeschäft wirklich zu gebrauchten.

Götz Müller: Ja, und da kommt mir jetzt gerade ein Beispiel in den Sinn, wo es, glaube ich, auch wunderbar ganz konkret ist, ich habe vor einiger Zeit bei einem Werkzeughersteller ein Projekt gemacht und da geht's klassisch natürlich um zerspanende Bearbeitung, also um einen Bohrer herzustellen, um einen Fräser herzustellen, muss halt gedreht, gefräst werden, ich kann aber bestimmte Dinge, und das machen die auch schon, kann ich mit 3D-Druck machen. So, jetzt habe ich natürlich einen anderen Maschinenpark, die hatten sehr stark ausgebildete Mitarbeiter, praktisch nur Facharbeiter, aber jetzt ist natürlich ein Zerspanungsmechaniker, oder wie es konkret heißt, eine andere Art von Arbeit, wie diese additive Produktion.

Christian Thurnes: Genau. Und ich nehme an, dann seid ihr so vorgegangen, dass ihr genau hingeguckt habt, wo liegen die größten Unterschiede, was sind Dinge, die die Personen, ja, neu lernen müssen an Kenntnissen, was müssen sich an Wissen neu aneignen und darüber hinaus, was ist an Skills zu üben, zu lernen, zu trainieren, sodass ihr dann JI eingesetzt habt, oder?

Götz Müller: Ja, jetzt in dem konkreten Fall nicht, aber das wäre unter Umständen eine Möglichkeit gewesen, weil, ja, ich glaube, in meiner Wahrnehmung waren sie noch relativ am Anfang, was so die Vielfalt angeht, einfach wen man die Jahre betrachtet, die waren seit vielen Jahrzehnten in dem Umfeld zerspanende Produktion unterwegs, die Werkzeuge an sich weiter zerspanend, aber in der Herstellung halt nicht mehr zerspanend, sind sondern additiv. Okay. Das heißt, jetzt hatten wir das Thema Job Instruction, Job Relations hattest du schon angedeutet, aber das auch gerne ein bisschen vertieft und vielleicht auch noch einen Bogen zu den Job Methods, also zum Thema Verbesserung an sich und der Wechselwirkung zur Innovation rüber.

Christian Thurnes: Okay, ja. Job Relations ist, glaube ich, wahnsinnig wichtig fürs Innovationsgeschäft. Wenn wir es uns angucken, mit Job Relations geht es ja letztlich darum, dass wir auftretende Konflikte vernünftig in den Griff kriegen, Probleme, die auf der menschlichen Ebene liegen in den Griff kriegen, aber noch viel wichtiger, dass wir durch die Grundlagen guter Zusammenarbeit oder guter Führung eben dahin kommen, dass es gar nicht erst zu größeren Konflikten kommt. Wenn wir jetzt an Innovation denken, und zwar ganz egal, ob wir die jetzt selbst generieren, von uns heraus oder ob wir Innovation adaptieren, von außen aufnehmen, dann haben wir natürlich ein wahnsinniges Konfliktpotenzial. Wir haben … guck mal, die komplette Computergeschichte, uns in unserem Alter können wir uns noch daran erinnern, dass irgendwann so die Befürchtungen waren „Es gibt kein Papier mehr, die ganzen Schreibjobs in den Büros, die fallen weg und das wird eine große Katastrophe.“ und wenn wir jetzt so zurückblicken, dann kann man das eigentlich nicht so bestätigen, dass die Welt deswegen untergegangen ist. Natürlich hat sich die Arbeitswelt verändert durch die Innovationen, die Einzug gehalten haben, aber diese Befürchtungen, dass deswegen Massenarbeitslosigkeit oder so etwas herrscht, die haben sich natürlich gar nicht bestätigt. Jetzt sind wir hinterher natürlich super schlau, aber in dem Moment, in dem etwas Neues ins Unternehmen reinkommt, da gibt's eben genau diese Themenstellungen: Was bedeutet das für mich als Mitarbeiter oder Mitarbeiterin jetzt? Muss ich mich total verändern? Habe ich vielleicht Ängste, dass ich das gar nicht schaffe? Oder will ich das vielleicht gar nicht? Ist das vielleicht gar nicht das was, wo ich sage: Das füllt mich aus, das befriedigt mich. All das birgt natürlich Konfliktpotential und da ist es umso wichtiger, dass die, ja, die Leute, die sich um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern, eben in der Lage sind, damit umzugehen und da hast du ja ein super Hilfsmittel.

Götz Müller: Ja, und ich glaube, und jetzt halten wir ja durchaus mal gemeinsam die TWI-Fahne hoch, wenn ich zum Beispiel dann so ein Element wie die Job Instruction schon habe im Unternehmen, dann kann ich, glaube ich, natürlich a, es einsetzen, definitiv, aber ich kann halt auch meinen Mitarbeitern sehr, sehr plastisch darstellen „Hey, wir lassen euch nicht alleine mit dem Thema Veränderung.“, also einmal auf der mental-psychologischen Ebene, aber dann eben auch ganz konkret sagen: „Ihr müsst jetzt nicht neu zur Schule gehen, sondern wir machen das berufsbegleitend und ihr werdet, wie man so schön sagt, mitgenommen.“

Christian Thurnes: Ja. Das ist ein super Ansatz. Die TWI-Programme haben schon immer recht gut zusammen gepasst, aber du hast natürlich komplett recht in der Frage, wie gehe ich mit Innovation um, da gilt das mindestens genauso stark wie früher, sag ich mal, aus dieser nur effizienzgetrieben Sicht heraus.

Götz Müller: Jetzt würde ich ganz gerne noch einen Bogen schlagen, das steckt ja im Lean drin, das Thema Prozess, und manchmal begegnet mir, ich persönlich halte es für ein Vorurteil, so eine Aussage „Innovationen und Prozess, das passt ja gar nicht zusammen.“, wo ich persönlich, ich würde fast so weit gehen und sagen, wo ich komplett anderer Meinung bin: Das muss zusammengehören. Und jetzt an der Stelle mal, wie siehst du das Thema, auch über die methodische Brille, vielleicht auch durch die Brille des Hochschuldozenten in der Lehre, der da unterwegs ist.

Christian Thurnes: Ja. Ich sage mal, die große Kunst, wir waren am Anfang bei Wüsten, die man bewässern und die große Kunst, Innovation zu motivieren, zu fördern, liegt tatsächlich darin, das richtige Maß an, ja, Prozess, an Leitplanke, an Anleitung oder -leiter zu schaffen, indem man, ja, kreativ dann innerhalb derer Leitplanken, innerhalb derer man kreativ tätig sein kann. Also Innovationsprozess ist für uns Innovationsleute, Heinis, die sich mit so etwas theoretisch auseinandersetzen, ein ganz wichtiger Bestandteil von erfolgreichen Innovationsvisionen, aber die Prozesse haben dann halt Schritte drin, die sehr strikt und sehr rigide sind, aber die haben natürlich auch Schritte drin, die so ein bisschen freier sind.Wir haben das aber auch in der Lean-Welt ja durchaus auch. Wenn du überlegst, wenn wir einen Kaikaku-Workshop oder so etwas haben, haben wir auch unsere festen Vorgaben, aber zwischendurch haben wir unsere Phasen, wo wir Kreativtools einsetzen, Seven Ways oder Brainstorming oder was auch immer, wo wir dann auch mal frei sind aber dann wieder irgendwann in den Prozess auch wieder ein bisschen stärker gelenkt sind. Und TWI bietet natürlich die Möglichkeit mit den einzelnen Modulen hier auch eingebunden zu werden. Wenn wir uns JM noch angucken, was wir eben nicht mehr besprochen haben, JM ist natürlich ein Mittel, mit ich zum Beispiel immer und jederzeit Innovation … Inkrementelle Innovation halt, also die kleinen Schritte. Aber auch das ist ja durchaus sehr wichtig und so schaffe ich meine kleine, inkrementelle Innovation und andererseits auch wieder dasselbe Spiel, die Sachen, die von außen reinkommen, die passen ja nicht gleich 100% und da haben wir ein bisschen Schlupf rechts und links, wenn wir neue Dinge implementieren und auch da hilft JM. Da trägt JM wunderbar bei. Und insofern passt JM auf jeden Fall, ja, ich denke den allermeisten Unternehmen sofort in den Innovationsprozess und was ich schön finde, ist JM ist auch Lean pur, aber ohne dass es nach Lean riecht, sage ich mal. Wer von Lean noch die Finger weggelassen hat, der kann trotzdem schon sehr erfolgreiche JM machen und nähert sich dabei unglaublich der Sache, die so mysteriös erscheint.

Götz Müller: Ja, weil im Grunde, historisch bedingt, meiner Ansicht nach, und ich habe da jetzt noch nirgendwo eine anderslautende Aussage gehört, gelesen, im Grunde ist TWI ja die Wurzeln dessen, was man Lean Management nennt. Wenn man sich das anguckt, was in den frühen Fünfzigern in den USA Richtung Japan gewandert ist, durchaus auch nach Deutschland, du hast es ja vorhin kurz erwähnt mit den Ausbildungsthemen, mit Meister-Ausbildungen, es ist halt bei uns vielleicht nicht auf diesen auf diesen fruchtbaren Boden gefallen, wo es dann so erkennbar Jahrzehnte später man sagen kann „Ja, das ist der Kristallisationspunkt gewesen.“

Christian Thurnes: Es ist natürlich … wir waren beide nicht dabei, aber du hast recht. es ist ja unglaublich, wenn man die Historie kennt, die man natürlich nicht kennen muss, um es zu benutzen, aber jetzt so aus unserer Sicht, wenn man sich ja tiefer damit beschäftigt, diese Erkenntnis einfach, das Prinzip „Gehe an den Gemba. Mach einen Vorher-Nachher-Vergleich. Schaffe einen Standard oder verbessere deinen Standard.“, also wahnsinnig viel, was wir als wirklich gute Lean-Grundlagen kennen, dass das eben im TWI drin war und zeitlich gesehen einfach auch vorher gab.

Götz Müller: Ja.

Christian Thurnes: … an der Stelle trotzdem ist das kein Beweis, weil es gibt Duplizität der Gedanken, wer weiß, vielleicht ist man auch anders drauf gekommen.

Götz Müller: Ja, wobei … ich meine, das sage ich immer, da zeige ich auch eine Folie, in einem Buche steht drin, wo die JI-Karte, die Unterweisungskarte aus den 1944er Jahren aus irgendwann bei Toyota ein Exemplar aus den frühen 2000ern und dann von 201x, irgendwas eins vom TWI-Institut und die Dinger sehen auf den ersten Blick so ähnlich aus. Wenn man dann die einzelnen Dinger sich anschaut, die einzelnen Elemente, die da draufstehen, ist das nahezu eins zu eins das Gleiche. Und dann gibt's ja noch die, ich glaube, John Schuck war das, der an irgendeiner Stelle erzählt, wo er am Anfang etwas skeptisch seinem japanischen Sensei gegenübertritt und sagt „Japanischer Kram funktioniert bei uns nicht“ und der dann wutentbrannt das alte TWI Job-Instruction-Manual rausgeholt hat und ihm sprichwörtlich um die Ohren geschlagen hat und gesagt hat: Hier, das haben wir doch von euch.

Christian Thurnes: Ja. Genau. Also wie gesagt die Beweislast ist immens, aber das Schöne daran ist ja, es ist ja letztlich für uns heute vollkommen wurscht. Die Dinge, die gut sind, die halten sich. An der ein oder anderen Stelle haben sie sich im Laufe der Jahre verändert, da hat man dann vielleicht nicht mehr geschafft, den Nutzen herauszukristallisieren, weil man die Sache so verändert hat, dass er nicht mehr passt auf das, wofür sie mal da war. Aber in Japan halt hat es halt extrem stark gehalten, zum Teil auch ein bisschen verändert noch, aber es ist eigentlich eindeutig, wo es herkommt und deswegen umso interessanter und spannender, sich sowohl mit den Originalen als auch mit den modernen Ablegern, die es dann noch gibt auseinanderzusetzen.

Götz Müller: Und mittlerweile gibt's ja doch auch einiges an Beispielen, mir kommt halt spontan Lego in den Sinn, wo es ja auch in der Literatur mittlerweile viel drüber geschrieben wurde, wie die es eingesetzt haben. Ob sie es dann hinterher Lean genannt haben, was daraus entstanden ist, wie du es gerade auch gesagt hast, das ist im Grunde egal, aber man kann es verwenden und es funktioniert und das ist das, was unterm Strich ja zählt.

Christian Thurnes: Ja. Da sehe ich auch ein ganz großes Potenzial zum Beispiel in Richtung Gesundheitswesen. Wenn man jetzt an Lean Healthcare, an Lean Hospital, bei uns denkt, da gibt's hier und da Protagonisten, aber im Großen und Ganzen sind die Institution doch sehr zurückhaltend, aber wenn man die Buzzwords einfach beiseite lässt und zum Beispiel JM macht, dann macht man Lean, aber man muss es nicht Lean nennen. Man verbessert einfach. Und JM und JR und letztlich auch JI … dort, wo es nicht angebracht ist, muss man nicht das große Lean-Wort bemühen, aber man macht es trotzdem.

Götz Müller: Das war ein wunderbares Schlusswort, finde ich. Im Grunde ist es egal, wie ich es nenne, Hauptsache es funktioniert und es kommt das dabei raus, was ich mir vorgestellt habe. Deshalb Christian, ich danke dir für deine Zeit, für den interessanten Austausch. Mir persönlich ist TWI eine Herzensangelegenheit, ich höre und lese das bei dir auch raus. Deshalb, ja, danke noch mal für deine Zeit.

Christian Thurnes: Danke, Götz.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Christian Thurnes zum Thema TWI und Innovation. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 224.

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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

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