Kaizen 2 go 228 : Trendprozesse


 

Inhalt der Episode:

  • Welche Beziehung besteht zwischen Trend und Innovation? Wie lassen sich die beiden Punkte abgrenzen, wo ergänzen sie sich, wo bauen sie aufeinander auf?
  • Wie entstehen Trends?
  • Formen des Umgangs mit Trends?
  • Wie lassen sich Trends so erkennen, dass man nicht davon überrascht wird? Wie kann man hier Routine entwickeln?
  • Welche Hürden bestehen im Umgang mit Trends?
  • Wie lassen sich Trends aktiv nutzen und gestalten?
  • Welche Personen und wie sollte man im Unternehmen in das Thema einbeziehen?
  • Wie können Unternehmen in das Thema Trends einsteigen? Wann und in welchem Kontext sollte man sich externe Unterstützung holen? Was muss man trotzdem selber machen?

Notizen zur Episode:


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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 228 : Trendprozesse

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Mathias Haas bei mir im Podcast-Gespräch. Er ist der Trendbeobachter. Hallo Herr Haas.

Mathias Haas: Hallo, danke schön, dass ich da sein darf.

Götz Müller: Ja, prima, dass das heute klappt. Jetzt habe ich schon ein ganz kurzes Stichwort zu Ihnen gesagt, aber stellen Sie sich gerne noch mal in zwei, drei, vier Sätzen intensiver vor.

Mathias Haas: Ich bin in unserer Arbeit Zukunftsbegleitung. Das heißt, auf der einen Seite habe ich die Trend-Beobachtung, wo wir ganz konkret schauen, was ist denn drin in diesen Worthülsen, wie KI oder Nachhaltigkeit oder andere Megatrends, und wir haben unsere PlaySerious-Akademie, wo wir Organisationen helfen, mit dem Wandel umzugehen. Das ist schon alles.

Götz Müller: Ja. Wenn man darüber gesprochen haben, glaube ich, wird es klar. Jetzt finde ich persönlich, so ein anderes, nennen wir es mal Buzzword, neben Trend, ist ja das Thema Innovation und ich glaube, da besteht auch eine vielleicht gewisse Gefahr, die Dinge zu vermischen. Die haben sicher Berührungspunkte. Wie sehen Sie die Beziehung, wie grenzen Sie die zwei Dinge ab?

Mathias Haas: Also erstmal gibt's da eine Millionen Definitionen, aber es ist die Frage nach meiner und nach unserer und für uns sind Trends Entwicklungen, wo neue Technologie zusammenkommt mit neuem Verhalten und das ist dann als Gemisch Zeitgeist. Und Innovation selber ist ein neues Element, zum Beispiel eine Produktneuheit oder eine neue Dienstleistung und die geht nur, weil ein neuer Zeitgeist herrscht. Bildtelefonie gab’s schon vor hundert Jahren, also hundert nicht, aber vor langer Zeit und jetzt ist die Zeit reif, dass wir das als Normalität definieren.

Götz Müller: Das ist ein guter Punkt. Das heißt, ich brauche im Grunde eine gewisse Form von Trend, auf der ich aufsetze, um dann etwas Innovatives zu machen. Kann man das auch so ausdrücken?

Mathias Haas: D’accord. Oder Sie haben richtig Budget und schaffen sogar den Trend, aber da müssen wir dann zu den ganz großen Jungs.
Götz Müller: Ja, das ist richtig. Aber das ist auch noch mal ein gutes Stichwort. Was würden Sie sagen, wie entstehen Trends? Kann man da irgendwie ein typisches Muster ausmachen oder ist halt irgendwas? Deshalb glaube ich, ist es wichtig, dass man es beobachtet.

Mathias Haas: Also dieser Wandlungsprozess, wo sich irgendetwas weiterentwickelt, also weiter ist ja relativ, aber anders entwickelt, der entsteht meist wirklich in einer Art Untergrund, na diese first mover, das sind vielleicht die illegalen Partys, die sind oft die, die damit anfangen in irgendeiner Form. Der first mover kann ja im Maschinenbau sitzen unten links und dann wird es irgendwann Schritt für Schritt logischer oder attraktiver, es wird zum Massenphänomen und dann wird's noch mal. Und wenn sie dann nicht dabei sind, dann werden es sanktioniert, weil sie nicht mitspielen, weil sie nicht, weiß nicht, stellen Sie sich vor, mein Steuerberater hat bis heute kein Handy. Also das ist schon grenzwertig mittlerweile.
Götz Müller: Ja. Ich wäre dann wieder eher skeptisch, wenn er vielleicht in WhatsApp unterwegs ist, aber ja. Gut. Jetzt ging mir gerade noch was durch den Kopf, aber jetzt ist wieder weg, aber das kommt bestimmt noch. Gibt es jetzt verschiedene Möglichkeiten mit Trends umzugehen?

Mathias Haas: Auf jeden Fall. Also auch da gibt's kein Grundgesetz und irgendwann heißt auch das Thema Trends wahrscheinlich … ist es Teil der Führung. Was wir sehen ist, dass Menschen in Führungsetagen mehr Gehalt bekommen, weil sie nun mal Zukunftsfähigkeit sichern müssen. Und diese Trends zu spüren, mit System vielleicht auch zu erfahren, da gibt's hunderttausend Tools dafür von irgendwelchen Anbietern, aber unterm Strich braucht's Budget. Sie brauchen Zeit Schrägstrich Geld zum extern einkaufen. Selbst wenn Sie es schlecht tun, die meisten tun’s gar nicht, weil die meisten bauen jeden Tag PowerPoint, sitzen jeden Tag in 18 Meetings und sind eben nicht auf dem Shopfloor und nicht beim Kunden. Das gilt übrigens selbst für den Vertrieb. Auch ein Vertrieb behauptet sehr, sehr oft, dass sie sehr nahe am Kunden sind und wenn Sie genau nachbohren, wäre da noch Luft in manchen Fällen.

Götz Müller: Ja, ich fand den Begriff Shopfloor natürlich … da sprechen Sie mir aus tiefster Seele, weil jetzt im Lean-Kontext ist das ja das A und O, aber in dem Augenblick, wo Sie es gesagt haben, ist bei mir sofort eine Kerze aufgegangen, oder nicht bloß eine kleine, natürlich auch das so im übertragenen Sinne auf einen Trend oder auf das, was ich noch gar nicht kenne, weil wann spreche ich von einem Trend … das ist so wie dieses … ich muss ja irgendeine allererste Wahrnehmung haben.

Mathias Haas: Ja, und oft haben Sie Einzeltäter, die irgendetwas anderes machen und die machen es anderes, weil sie vielleicht am Wochenende etwas gesehen haben im Fernsehen oder am Montag in der Stadt und dann verknüpfen sie Dinge, die eben nur einer irgendwie verknüpft und manchmal klappt’s und manchmal klappt’s nicht. Aber Sie müssen diese Einzelpersonen zum Beispiel auch richtiggehend schützen. Sie kennen bestimmt dieses Phänomen, dass ein Mitarbeiter einen guten Vorschlag hat und am Schluss hat er ein Projekt an der Backe. Das macht der dreimal, dann fragt er sich, wann er abends nach Hause kommt und dann sagt er eben nichts mehr.

Götz Müller: Und in dem Kontext fällt mir aber dann wieder dieser Apple-Slogan mit den crazy ones eben ein, ich muss die halt, wie sie es auch aus gerade ausgedrückt haben, ich muss die ein Stück weit auch schützen.

Mathias Haas: Absolut. Sonst laufen die weg oder sie verdorren oder sie kündigen innerlich, weil völlig bekloppt sind sie ja nicht.

Götz Müller: Gut. Wenn wir jetzt noch mal einen Schritt zurückgehen und sagen: Was kann ich denn jetzt, und das ist ja auch der Titel der Episode, prozessseitig irgendwo tun, also sprich mit einer gewissen, vielleicht auch Routine tun, dass ich von einem Trend dann nicht überrascht werde?

Mathias Haas: Ja, also erstmal hat das viel mit Haltung zu tun. Nehmen Sie die Autobauer, die wollen bis heute nicht wahrhaben, dass Tesla ein Problem ist. Also pauschal gesprochen, aber unterm Strich gibt's die halt durchaus und dann ist die Frage, wollen Sie Optimierung oder wollen Sie wirklich radikale Innovation. Optimierung passiert jeden Tag, da sind wir Weltmeister, dann wird die Kante nicht eckig, sondern rund oder Sie fahren 3% grüner oder schneller, aber aus meiner Sicht reicht das nicht für ein Weltklasse Leben. Wir brauchen hier in unserem tollen Gefilde, brauchen wir richtig geile Produkte. Und die kriegen Sie nicht hin, indem Sie die Ecke jetzt rund machen. Also brauchen sie Prozesse und Strukturen und ich glaube, dass das wirklich runterdringen muss bis zum Azubi oder jetzt nicht falsch stehen, aber bisschen zum Staplerfahrer, der muss kapieren, was die da oben meinen. Und ein Beispiel, was wir wirklich schon ein paar Mal implementieren konnten. Es gibt zum Beispiel die Idee, dass sie einen Pott aufmachen, wo quasi, sagen wir mal, 5000€ drin liegen, Cash, wenn Sie so wollen, wo ein Mitarbeiter irgendetwas kaufen kann, was weiß ich, eine Alexa oder was auch immer, wenn er glaubt, das sollte er prüfen und mal ausprobieren, denn es könnte etwas mit der Firma zu tun haben. Die Idee ist, das Produkt oder die App oder was auch immer er kauft, gehört der Firma und weiß nicht, x Wochen später muss er oder sie davon berichten, wo er jetzt die Learnings hat, was er daraus machen konnte und was die Firma vielleicht daraus lernen kann. Ohne Einkauf, ohne Rücksprache mit dem Chef, mit der Chefin, einfach nur machen. Und das wäre jetzt mal ein Weg, wo sie merken: Ok, so Trends kann echt die ganze Firma merken. So. Wenn sie dazu noch natürlich ein zentrales Drehkreuz haben, wo sich jemand ganztags damit beschäftigt, dann wäre das total verrückt, weil womit wollen Sie denn in fünf Jahren Geld verdienen, mit Quatsch von heute? Ich glaube, das wird schwierig. Es geht eben soweit, dass sie auch mal den Vertrieb stressen können und fragen können: Welche Kunden haben wir denn in fünf Jahren noch? Selbst wenn's zurzeit wenig Insolvenzen gibt, noch, auch die Kundschaft dreht sich und im Grunde dreht sich alles und es ist ganz schnell passiert, dass Sie es verpasst haben und dafür brauchen Sie ein System, einen Prozess, Strukturen. Unterm Strich können Sie das auch einkaufen. Wir haben zum Beispiel ein Trend-Abo, da kommen wir regelmäßig und machen es als externe, aber irgendjemand muss es tun. Selbst Manufactum, die guten Dinge gibt es noch oder so ähnlich ist deren Slogan, selbst die haben eben einen Onlineshop. Selbst ein Schuster wird irgendwo Digitalisierung atmen, ein Bäcker, alle, alle tun es, ob sie es merken oder nicht.

Götz Müller: Ja und die Frage ist halt für mich dann eben auch, nehme ich da jetzt aktiv Einfluss drauf oder lasse ich mich treiben und bin dann getrieben?

Mathias Haas: Absolut und ganz ehrlich, Sie müssen nicht der erste sein. Nehmen Sie Apple, die waren, korrigieren Sie mich, noch nie der erste, die haben immer lang genug gewartet, aber sie haben den richtigen Punkt gefunden, wo sie sagen: Ok, jetzt ist es schön, jetzt ist es bezahlbar, jetzt funktioniert es. Und damit kann man immerhin … mit ungefähr 191 Milliarden Dollar. Also diese Beobachtung heißt nicht, dass Sie direkt einsteigen müssen, dass Sie direkt eine Maschine kaufen müssen, dass Sie direkt hier Leute umschulen müssen, aber schlimm ist, wenn Sie ganzen Zug verpassen. Das könnte existenzbedrohlich sein und dann, siehe oben, ist die Frage, ob Sie echt eine gute Führungskraft sind, weil Sie kriegen eben mehr Gehalt, weil Sie dafür verantwortlich sind, dass das Unternehmen in fünf Jahren auch noch lebendig ist und die Sonne scheint.

Götz Müller: Ja, und man muss ja nicht notwendigerweise, das habe ich zumindest da deutlich rausgehört, nicht alles selber machen, sondern einfach nur anderen zuhören und anderen Gelegenheiten geben.

Mathias Haas: Absolut. Schauen Sie mal, wir haben in der Schweiz ein Engagement gehabt und drei Tage nach dem Engagement kam ein Mitarbeiter mit einer Gratiszeitung, die hat er irgendwo in der U-Bahn gefunden, und hat mir ein Beispiel gezeigt, wie er da jetzt diesen Trend da entdeckt hat oder wie er ein Beispiel gefunden hat für einen Trend. Das ist natürlich echt … das ist mega, ja, weil da merke ich, ok, der hat die Augen offen. Die Menschen erleben sehr viel, privat, beruflich, die Frage ist nur: Tragen sie es zurück und gibt's da jemanden, der es auch schätzt und weiter verarbeitet?

Götz Müller: Ja, und Sie haben da auch noch mal ein gutes Stichwort gesagt, was ich jetzt im Kontext eben Lean und Co, und wenn ich über eine Produktion rede, auch immer sage, ich kann ja als Führungskraft zum Beispiel oder als Unternehmer, ich kann ja gar nicht so gut sein, dass ich selber mit meinen zwei Augen überall, die überall habe, wenn ich meine vielleicht hunderte, tausende Mitarbeiter nicht mit einbeziehe, weil die ja auch zwei Augen haben.

Mathias Haas: Absolut. Und das sollte mittlerweile durchgedrungen sein, selbst im klassischen Unternehmen. Durchgedrungen sollte auch sein, dass Risiko zum Leben gehört und zum Geschäftsmodell. Aber Sie können ja dann sagen: Mensch unser Stil ist, wir sind immer der dritte oder zweite nie der erste, das kann man grundsätzlich entscheiden und dann weiß übrigens auch wieder der ganze Laden, was so der Stil ist, was erwartet wird. Unter dem Strich prägen Sie mit allen Aspekten die Unternehmenskultur. Spannend finde ich übrigens, dass gerade in dem Umfeld, wo Sie unterwegs sind, meistens keine oder sehr, sehr geringe Kommunikationsbudgets existieren. Vielleicht liegt es daran, dass Techniker einfach Technik lieben und darin aufgehen. Aber dass man in der Firma interne Newsletter hat, das wäre wahrscheinlich oftmals der Weg, auch zukunftsfitter zu sein.

Götz Müller: Ja, und es ist vergleichsweise günstig vor allen Dingen, dass darüber reden. Es kostet natürlich Zeit und wir kennen alle den Anspruch, Zeit ist auch ein gewisses Geld. Aber es sind keine riesen Summen, wie wenn ich irgendwo eine Kampagne starte und dann da draußen eine andere Form von Kommunikation betreibe.

Mathias Haas: Ja und wie viele Führungskräfte kennen Sie, die einen eigenen Podcast haben vielleicht das eine eigene Haus ist, wo die Mitarbeiter vielleicht sogar auf der Fahrt zur Arbeit hören würden oder sogar während der Arbeit, wenn es eine passende Tätigkeit gibt. Also das muss man halt auch wollen ich bin immer wieder überrascht, dass das nicht mal eine halbe Stelle gibt, obwohl dort über 500 Mitarbeiter arbeiten.

Götz Müller: Gut. Vielleicht vertiefen wir das mal ein bisschen, im Sinne von, was sind denn Hürden, die da noch mal ganz konkret bestehen und vielleicht dann auch ein bisschen, ein Stück weit, glaube ich, bleibt es aber eine Philosophie-Frage. Woran liegt’s denn, dass diese Hürden bestehen?

Mathias Haas: Also Hürden bestehen, weil das nächste Meeting kommt, Schrägstrich, der nächste Auftrag wichtiger ist als die Welt in drei Jahren. Also scheinbar ist es total sexy, in Meetings zu sitzen, weil sonst hätten die Führungskräfte das schon längst geändert. Ich glaube übrigens, dass es viele Kalorien frisst, diese Innovationen zu treiben und diese Trends zu bewerten, diese Entscheidungen zu treffen und ich bin absolut der Meinung, der Mensch ist ein Schnäppchenjäger, das Pferd springt immer so hoch wie es muss. Oder Sie haben wirklich gute Führungskräfte, die eben anders unterwegs sind, die ein Meeting vielleicht auch mal maximal 50 Minuten machen und nicht drei Stunden, soll es ja auch geben und dann vielleicht auch nicht den ganzen Tag zuballern, weder von sich, noch von den Mitarbeitern. Stellen Sie sich mal vor, was wäre denn, wenn Ihr Kunde XY jedes Jahr in jeder Abteilung 10% Budget kürzen würde, auch in guten Zeiten und Sie mit der Masse an Budget, das wäre dann wirklich mal ordentlich, sich um Innovation kümmern, um die Trends und dann die eigenen Antworten. Wäre diese Firma topfit oder wäre das sein Konkurs-Kandidat?

Also es kommt wirklich am Endes Tages auf Führung an, aber auch die Führungskraft muss um Gottes Willen nicht Innovation selber machen. Manchmal ist es wirklich genial, wenn Sie Unbeteiligte reinziehen, das machen wir zum Beispiel regelmäßig, aber nicht jeder Kunde zahlt dafür, dass Sie mal wirkliche Querschläger haben, die da von außen drauf schauen. Beispiel, wir haben einen Werkzeughersteller und er möchte aus einem B2B-Unternehmen ein B2C-Unternehmen machen, also wirklich den Schreiner oder meinen Vater als Heimwerker gewinnen. Das sind natürlich ordentliche Projekte, die machen sehr viel Sinn, aber das machen Sie nicht in einem Workshop und das machen Sie hoffentlich auch nicht alleine, weil da ist viel zu viel Verteidigung, viel zu viel Macht und Höflichkeit auch im Spiel.

Götz Müller: Ich höre da auch raus und an der Stelle habe ich da auch immer wieder Diskussionen wahrgenommen und mich zum Teil daran beteiligt, eben es ist auch kein Widerspruch, der Begriff Prozess … mir begegnet oft die Aussage so in der Richtung: Prozess, definierte Routine engt mich ein. Und speziell dann im Kontext von Innovation: Um Gottes Willen, Innovation, das sind die Spinner, da muss ich Spinnen dürfen, das darf ich nicht in einen Prozess zwingen. Aber ich höre jetzt bei Ihnen raus, auch den Umgang mit einem Trend oder mit Trends, vor allem mit dem, was ich noch gar nicht kenne, sollte ich so ein Stück weit geregelt, strukturiert handhaben.

Mathias Haas: Absolut. Und vielleicht gibt es ja beides. Es gibt einen Prozess für den klassischen Weg und es gibt vielleicht auch ein fast track process, wo man 80 Regeln überspringen darf oder brechen darf, damit irgendwas echt eine Chance hat. Also nehmen Sie nur gerade die Impfstoff-Entwicklung, da wurden wahrscheinlich viele Regeln gebrochen, die es früher gab und hoffentlich kommen die hinterher nicht wieder zurück, weil in der Regel, vor allem in unserem Kulturkreis, packen wir ständig noch Zwischenschritte rein und noch mal einen, noch mal einen, damit alles sicher ist, aber rausnehmen tut keiner die Schritte, und dann haben sie natürlich schon Monster vor sich, wo sie erstmal drei Jahre dokumentieren und der Wettbewerber aus China oder aus den USA oder Mexiko hat sie mal locker längst überholt.

Götz Müller: Ja, da fand ich auch diesen Gedanken von vorhin, dieses Budget, diese 5000€ als Beispiel, vom Hörensagen her kennt man es ja von Google, wo es halt eher ein Zeitbudget ist, und ich glaube, da ist auch ganz wichtig, dass all die Beteiligten dann da sich darüber im Klaren sind, selbst wenn jetzt da nicht der nächste Burner ums Eck kommt, habe ich ja trotzdem etwas gelernt, nämlich, dass das halt nicht der Weg war.

Mathias Haas: Ja. Absolut. Und Sie brauchen wirklich eine Masse an Ansätzen, aber wenn sie dann ein Monsterprodukt rausholen und sie da wieder fünf oder zehn oder fünfzehn Jahre davon leben, dann haben sie doch alles Geld der Welt. Viel schlimmer ist, wenn Sie, nehmen Sie wieder die Autobauer, jahrelang hoffen, dass Sie Diesel retten und dann vielleicht noch entsprechend nachhelfen und irgendwann haben Sie gar nichts auf dem Tablett, weil a) die Stimmung gekippt ist und oder das Produkt politisch vielleicht reguliert wird. Also Sie brauchen halt echt iPhone-Level, sage ich immer, Sie brauchen wirklich Produkte, die die Leute umhauen. So und das machen Sie jetzt nicht jede Woche beschlossen, deshalb brauchen Sie eine Menge, eine Menge, wo Sie parallel laufen lassen und deswegen brauchen Sie auch richtig Geld und deswegen, glaube ich übrigens auch, fällt es manchmal so schwer, weil Sie sich selber kannibalisieren müssen. Nehmen Sie mal Apple, die machen zum Beispiel Telefone immer größer, wo sie dann tendenziell, wohl Corona ausgenommen, weniger Tablets verkaufen werden. So etwas fällt natürlich schwer, ist aber nötig und wenn es nicht ein bisschen weh tut, dann ist es kein Wandel. Also deswegen muss man immer anfangen, bevor man im Panikmodus ist, solange man Geld hat und nicht mit dem Rücken zur Wand steht.

Götz Müller: Ja, gut. Vertiefen wir das noch, Sie hatten es ein bisschen schon angedeutet, auch die Personen, also einerseits, wie kann ich Trends aktiv nutzen und mitgestalten und dann noch ein bisschen weiter vertieft, im Sinne von: Wie kann ich die Menschen einbeziehen und wie gehe ich dann im Unternehmen mit dem Thema um?

Mathias Haas: Also erstmal glaube ich, dass Sie alle einbeziehen sollten, aber dass sie dann nach und nach merken, wo die schrägen Vögel sind und die könnten Sie ja zum Beispiel organisieren, Zielstruktur, weiß ich nicht, im Club der Verrückten oder so, die sich jeden Freitag treffen können und machen können, was sie wollen oder nahezu oder wie auch immer Sie es definieren. Das müssen Sie aber auch wieder den anderen erklären, dass die jetzt nicht irgendwie nur Däumchen drehen, sondern dass die dabei helfen, in 2030 die Sonne scheinen zu lassen. Dann brauchen Sie natürlich das Geld, das wir gesprochen haben, in irgendeiner Form, aber ich glaube, als Führungskraft brauchen Sie vor allem dieses Vorleben, dass Sie die Sachen im richtigen Ton bringen, denn Sie haben ja auch noch ein anderes Thema, Sie haben irgendwo die schrägen Vögel, die erfinden dann die Geschichten für die nächste Messe oder für den nächsten Podcast, aber sie haben sich auch die Erntehelfer, die andere Seite der Firma, die oft weniger Glamour kriegt oder Anerkennung, aber die gucken, dass das Geld reinkommt. Also unterm Strich ist das wirklich eine spannende Frage, weil ich glaube, dass viel zu wenig Externe da reinkommen, übrigens auch Branchenfremde. Ich sehe oft, dass man sich im Wettbewerb vergleicht und das ist oft genau das Falsche. Also wenn sie, sagen wir mal, wenn Sie ein Autohaus hätten und Sie wollen Ihren Service verbessern, dann hoffe ich nicht, dass Sie andere Autohäuser als Vergleich nehmen, sondern dass Sie vielleicht mal ein Fünf-Sterne-Hotel als Vergleich nehmen, weil sonst kommen wir zwei nicht zusammen.

Götz Müller: Ja. Doch, also das kann ich mir sehr gut vorstellen. Da besteht noch viel Potenzial. Wenn jetzt ein Unternehmen mit dem Thema noch, sagen wir mal, noch völlig unbeleckt ich und vielleicht jetzt durch unsere Podcast-Episode angeregt wird, so ein bisschen auch zum Abschluss, was ist da Ihr Tipp, wie kann man in das Thema einsteigen? Weil wenn man es schon immer gemacht hätte, dann wüsste man ja, wie man damit umgeht.

Mathias Haas: Also der logischste Weg wäre, dass sie ein Konzept machen, wie sie Innovation betreiben und dann rufen sie Sie an oder mich.

Wenn Ihnen das schon zurück ist, dann da würde ich sagen, kaufen Sie mal drei richtige ordentliche Zeitungen, die der Wettbewerber nicht liest, als Beispiel, wir haben hier die Financial Times abonniert, die New York Times und manchmal die Neue Zürcher. Ich habe natürlich nicht das Manager-Magazin abonniert, weil das liest ja jeder, der mein Kunde ist. Das ist übrigens ein Traum von ein paar hundert Euro, auch wenn es vielleicht ein bisschen anstrengend ist und man nicht hinterher kommt, aber allein wenn Sie mal verstehen, die KI in Australien, wie sie im Maschinenbauunternehmen betrieben wird, denn so etwas steht da auch drin, da stehen nicht nur irgendwie Finanz-Geschichten drin, dann kriegen Sie schon mal den breiteren Blick und Sie sind schneller, Sie sind einen Ticken voraus, weil ich sehe dann oft, dass die Themen im Spiegel oder so dann später kommen. Das wäre mal echt so ein Einstiegslevel, aber irgendwann muss man sich überlegen, wie viel vom heutigen Gewinn will ich systematisch abzweigen und welche Struktur, welche Freiräume, weil Freiraum ist ja auch eine Struktur, mit welchen Menschen tue ich das und wie hole ich immer wieder alle ab, damit sie das volle Potenzial aus der Belegschaft ziehen. Aber ganz ehrlich, das ist ja auch auf der einen Seite immer schnell so im negativen Licht „Wenn man da nicht mitmacht, dann hat man ein Problem“, aber es macht halt auch unfassbar Spaß, diese Dinge auszuprobieren, zu sehen, auch schneller zu sehen als der Wettbewerb oder als der Kollege oder als der Banker, es ist einfach cool, die Welle zu surfen und nicht irgendwie ständig Wasser zu schlucken. Damit knacken Sie übrigens vielleicht noch etwas anderes, und zwar Fachkräftemangel, denn mit diesen Paradebeispielen, die dann hoffentlich irgendwann auch Realität werden, gewinnen Sie natürlich die coolsten Mitarbeiter.

Götz Müller: Weil es noch eine weitere Sichtbarkeit gibt, ja.

Mathias Haas: Weil die merken: Mensch, bei der Firma da auf der Seite der Straße, da kann ich so etwas vielleicht auch mal mitmachen oder ich kann selber mal so ein Projekt hinkriegen oder so. Und viele dieser Ansätze, die brauchen Sie nicht mal erfinden, die müssen Sie nur klauen. Wenn Sie bei Amazon eine gute Idee haben, dann machen Sie einen Plan dafür und dann kann es sein, Sie werden Abteilungsleiter. Und das Coole ist eben, wenn es nicht klappt, sind Sie nicht gebrandmarkt, sondern Sie machen wieder auf den alten Job und probieren es vielleicht übernächste Woche wieder. Da merken Sie, wie wichtig die Kultur ist.

Götz Müller: Ja, genau. Das ist dann dieses weite Feld, und da könnten wir auch nicht bloß eine Episode machen, Fehlerkultur und Co. Jetzt vielleicht noch einen Punkt, weil das ist auch so eine Sache, wo ich immer, jetzt in meinem direkten Kontext Lean und Co, so ein bisschen, sagen wir auch mal, hadere, einerseits die externe Beratung jetzt in meiner Form, in Ihrer Form, die, glaube ich, wichtig ist, um auch so erste Anstöße zugeben, gewisse andere Blickwinkel zu geben, ich nehme aber jetzt, in meinem direkten Kontext, trotzdem immer wieder wahr und sage es den Kunden auch, es gibt aber auch Dinge, die müsst ihr selber machen, da kommt ihr aus der Nummer nicht raus.

Mathias Haas: Da ist auch die Frage, was überhaupt die eigene Wertschöpfung ist, also wenn ein Unternehmen irgendwann gar nichts mehr selber liefert, dann werde ich manchmal auch ein bisschen nervös, obwohl auch das klappt.

Götz Müller: Ja, aber da muss ich, glaube ich, dann sehr viel, also wenn man es jetzt direkt auf die Wertschöpfung bezieht, muss ich sehr viel Struktur auch haben, um nicht völlig von außen getrieben zu werden und bestimmte Dinge eben, so jetzt das klassische Verbessern, aber eben, glaube ich, auch halt das Trend beobachten, die eigenen Augen aufzumachen, die kann ich mir nicht ersetzen lassen.

Mathias Haas: Ja. Weil wenn Sie das komplette rausgeben, dann werden Sie intern Blockaden haben. Das ist so … das ist übrigens einer meiner Lieblingssprüche der Welt immer echt. Wenn ich jetzt in einem Workshop oder einer Beratung einen Vorschlag mache, weil ich vielleicht Dinge weiß, die Sie nicht wissen oder der Kunde nicht weiß, dann heißt es oft „Mensch, Herr Haas, super Idee, das können Sie nicht wissen, aber das geht bei uns nicht.“. Und das hat natürlich schon etwas damit zu tun, wie das ganze Unternehmen geführt wird oder wie das lebt, weil dann können Sie natürlich die genialsten Vorschläge machen als Externer, wenn es intern als Grundhaltungen 100% Blockade gibt, weil dann können Sie das Geld auch anzünden.

Götz Müller: Ja, vor allen Dingen, weil die eigenen Mitarbeiter das ja subtil noch viel schneller merken, dass so etwas gar nicht gefragt ist.

Mathias Haas: Die PowerPoint-Schlachten, wo nichts drunter ist.

Götz Müller: So der derbe Spruch: Sie werden fürs Arbeiten bezahlt, nicht fürs Denken.

Mathias Haas: Und deswegen bin ich ja so ein Verfechter, dass man alles operationalisieren muss. Stellen Sie sich vor, die GF sagt, wir müssen schneller werden, wir sind zu langsam, dann hätte ich gerne gewusst, ob der Staplerfahrer im Lager unten einen Preis, einen Pokal bekommt, wenn er im Jahr einen Stapler schrottet, weil wenn er wirklich schneller fahren soll, dann wird das irgendwann passieren. Aber mal angenommen, das wäre okay und das kriegt der schriftlich, wenn er es dann schriftlich braucht, dann wird er schneller fahren und dann versteht er auch, okay das ist ernst gemeint. Aber dieses Operationalisieren scheint oftmals Führungskräften zu anstrengend zu werden, weil da wird’s nachher dann echt kleinteilig. Deswegen ist es auch mal erfolgreich und mal nicht erfolgreich. Aber wenn Sie nicht kleinteilig werden, dann wird's nicht lebendig, aber damit es kleinteilig wird, wird's auch für die oben anstrengend und passt nicht auf 12 Slides.

Götz Müller: Ja, und ich muss mir wirklich harte, harte Gedanken machen, wenn wir bei dem einfachen Beispiel des Gabelstaplerfahrers bleiben, zusagen, ja, schneller fahren, wie messe ich denn schneller fahren, mit der Zahl der geschrotteten Gabelstapler werde ich es wahrscheinlich nicht messen wollen.

Mathias Haas: Ja, aber selbst das müsste irgendwo mal drin sein, dass da eben vielleicht ein paar Schäden produziert werden, die sonst nicht produziert werden. Also, um es auf den Punkt zu bringen, weil ich sehe halt so, so, so oft, dass die GF sich nicht nur einen Haufen Zeit lässt da oben, sondern dass sie hinterher immer abbricht und sagt „Ja, das haben die doch längst verstanden.“, aber sie werden halt wieder sanktioniert, wie sie gerade auch gesagt haben.

Götz Müller: Ja, ich glaube, wir könnten uns da philosophisch noch einige Zeit darüber unterhalten und ich habe da mehr Ähnlichkeiten gesehen als ich am Anfang vermutet habe. Ich fand es sehr spannend und deshalb danke ich Ihnen dann noch mal für Ihre Zeit, die Gedanken aus einer anderen Richtung, die aber sich irgendwo an einem wichtigen Punkt getroffen haben.

Mathias Haas: Gleichfalls, danke die Möglichkeit, für Ihre Fragen, für einen Austausch. Ich glaube, wir sehen uns in der Zukunft, oder?

Götz Müller: Ja, auf jeden Fall.

Das war die heutige Episode im Gespräch mit Mathias Haas zum Thema Trendprozesse. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 228.

Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freue ich mich über Ihre Bewertung bei iTunes. Sie geben damit auch anderen Lean-Interessierten die Chance, den Podcast zu entdecken.

Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.