KVP – eine Frage der Ausrichtung

Ausrichtung

Der Impuls zu diesem Artikel – also zur Frage wonach bzw. woran der KVP seine Ausrichtung nehmen sollte, ist durch mein Interview mit Johann Anders im Rahmen meiner 6. Podcast-Episode entstanden. Der Anlass war die Frage, in welchen Bereichen und Branchen Lean noch wenig verbreitet ist und dementsprechend noch viel Potenzial hat. Von meinem Interviewpartner kam dazu der Hinweis auf die Gesundheitsbranche, speziell die Abläufe in Krankenhäuser. Dort besteht die Herausforderung darin, dass der Patient zwar Objekt der Wertschöpfung ist (also der Veränderung durch die Nutzenstiftung mittels des Gesundungsprozesses) aber nicht die Quelle der Kompensation nämlich des Geldflusses. Die primäre Quellen des Geldes sind die Krankenkassen, evtl. Belegärzte und etwas die Privatpatienten (die dann typischerweise auch eine andere Behandlung erfahren).

Jetzt könnte man natürlich sagen, dass die Mitglieder der Krankenkassen doch schließlich für die Beiträge aufkommen. Da will ich aber erwidern, dass da noch die Arbeitgeberanteile hinzukommen, die Mitglieder einen nur sehr geringen Einfluss auf die Beitragszahlung haben (weder in der Sache noch in der Höhe) und letztlich für den Einzelnen ein viel zu großes Maß an Anonymität gegenüber der Leistung herrscht. Verstärkt werden diese Effekte noch die Spezialisierung in der Diagnose (Labore und andere Auswertungsinstitutionen medizischer Tests und Untersuchungen). Dazu gibt es Untersuchungen, die belegen, dass die Qualität dieser Ergebnisse steigt, wenn es gelingt, einen Bezug zwischen Patient und Diagnoseperson herzustellen.

Die Frage, die letztlich hinter diesen Überlegungen steht, ist besagte Frage nach der Ausrichtung des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. Wenn dieses Dilemma gepaart ist mit der unklaren Rückkopplung bei der Kompensation der Wertschöpfung, ist es für mich auch kein Wunder mehr, dass KVP-Bestrebungen entweder gar nicht stattfinden, sich fehlentwickeln oder wieder im Sande verlaufen.

Letztlich ist der Fehler dann ganz tief im System vergraben. Grundsätzlich ist gegen den Solidaritätsgedanken von Krankenkassen und anderen Verscherungsformen ja nichts einzuwenden. Ich bin jedoch sehr skeptisch, wenn dabei Eigenverantwortung abgegeben wird und letztlich dadurch eine umsichgreifende Form der Unfreiheit entsteht. Irgendwie habe ich dabei sogar Assoziationen zur Geschichte der Gans.

„Wenn man in die falsche Richtung läuft, hat es keinen Zweck, das Tempo zu erhöhen.“

– Birgit Breuel

Jetzt will ich aber nicht nur schimpfen, sondern im Sinn eines Denkanstoßes auch wieder den Bezug zur einleitenden Frage herstellen. Für den Erfolg des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesse ist es demnach entscheidend, dass die Wertschöpfung und die Kompensation derselben eng verkoppelt ist, damit sich der Nutzen der Wertschöpfung und ihrer Verbesserung an der Person ausrichtet, die diese Bestrebungen dann auch wirtschaftlich honoriert.

Immer dann, wenn diese Kopplung zu diffus für alle Beteiligten wird, ist es nicht verwunderlich, wenn sinnstiftendes Handeln zurückgeht, aufgegeben wird und die ursprüngliche Intension aus Wertschöpfung und angemessener Kompensation zum gegenseitigen Selbstbedienungsladen ohne Kasse wird. Wobei wir dann schlussendlich alle die Quittung erhalten und die Rechnung zahlen.

Eine Kopplung kann beispielsweise entstehen, wenn es gelingt, wirklich leistungsgerechte Kompensation einzuführen. Im Gesundheitswesen wäre das die Orientierung an der Wiederherstellung der Gesundheit wie in der traditionellen chinesischen Medizin, statt an anonymen Fallzahlen. Dass das im Umfeld eines nicht vollständig deterministischen Leistungsspektrums wie der Medizin und manchmal nicht kontrollierbaren Einflüssen durch Krankheiten durchaus eine Herausforderung sein kann, ist mir schon klar. Trotzdem oder gerade dann sind Ansätze der Verbesserungs-Kata und der Coaching-Kata der richtige Weg, weil die Ausrichtung auch hier an einer weitentfernten und möglicherweise nicht erreichbaren Vision erfolgt und selbst die nächsten Zielzustände jenseits der bekannten Komfortzone liegen und auf dem Weg dorthin Fehler gemacht werden dürfen, ja gemacht werden müssen.

Eine ähnlich diffuse, möglicherweise noch komplexere Beziehung zwischen Leistungsempfänger, Wertschöpfung und Kompensationsgeber besteht in der Bankenbranche. Möglicherweise spielt dieser Punkt auch bei der wirtschaftlichen Entwicklung der Branche und den gesellschaftlichen Auswirkungen eine Rolle. Hier habe ich mir noch keine abschließende Meinung gebildet. Evtl. werde ich das in einem weiteren Artikel aufgreifen.

Frage: Wonach richten Sie in Ihrem Unternehmen den KVP aus? Wie schaffen Sie die Orientierung am Leistungsempfänger, wenn die Kompensation aus einer anderen Richtung kommt?

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