Was bei Kennzahlen falsch laufen kann

Kennzahlen

Über Kennzahlen hatte ich vor einiger Zeit schon einen Artikel geschrieben. [1] Dort ging es um Fehler, die bei der Auswahl von Kennzahlen immer wieder gemacht werden. In diesem Artikel ist die richtige Auswahl einer Kennzahl eine Voraussetzung, um die es jetzt gar nicht mehr geht. Die Wahl der richtigen Kennzahl ist also nur eine notwendige Voraussetzung.

Darüberhinaus gibt es aber noch weitere Voraussetzungen, die die Aussagekraft einer Kennzahl und damit ihren Erfolg als Steuerungs- und Regelungswert ausmachen.

Das ist dann der Punkt, an dem oft Statistik ins Spiel kommt. Statistik als eine Teildisziplin der Mathematik, die grundsätzlichen Gesetzmäßigkeiten gehorcht und die beachtet werden müssen, damit die Aussagekraft einer Kennzahl eine wirkliche ist und deshalb auch als Indikator für Maßnahmen taugt (was der grundsätzliche Zweck jeder Kennzahl ist).

Bezug zwischen der Stichprobe und der Grundgesamtheit

Ein zentraler Punkt ist dabei die Unabhängigkeit der Anzahl der Stichproben. Das heißt, eine größere Zahl von Stichproben darf nur deren Genauigkeit verändern (typischerweise verbessern) aber nicht den absoluten Wert der Kennzahl.

Darauf muss immer dann geachtet werden, wenn die Kennzahl ein Prozentsatz aus einer Grundgesamtheit ist. Veränderungen in Form zusätzlicher Stichproben dürfen also diesen Prozentsatz nicht verändern.

Deshalb ist bspw. eine Prozentzahl positiver Ergebnisse im Bezug zu einer losgelösten und damit konstanten Grundgesamtheit statistisch betrachtet völliger Blödsinn und hat keinerlei stabile Aussagekraft, speziell wenn es um zeitliche Veränderungen geht und mögliche Reaktionen auf sich verändernde Trends.

Die Prozentzahl muss immer im Bezug zur Stichprobe stehen. Es müssen also sprichwörtlich alle statistischen Warnlampen angehen, wenn sich Testergebnisse nicht auf die Zahl der erfassten Tests – also der Stichprobe – beziehen, sondern auf eine konstante Zahl, die wiederum in keinem Bezug zur Zahl der Tests steht.

Die Stichprobe wieder muss ausreichend groß und im Bezug zur Grundgesamtheit zufällig verteilt sein. Das bedeutet auch, dass die Stichprobe und die vorgenommenen Tests in keinem Zusammenhang stehen dürfen.

Eine Aufnahme des Blutalkohols von Kneipenbesucher in einer Samstagnacht kann also nicht als durchschnittlicher Trunkenheitsgrad aller Autofahrer verwendet werden. Selbst dann nicht, wenn nur die Kneipenbesucher betrachtet werden, die mit dem Auto zur Kneipe gefahren sind.

„Miss alles, was sich messen lässt, und mach' alles messbar, was sich nicht messen lässt.“

– Archimedes

Berücksichtigung der Datenerfassung

Wie schon oben angedeutet, haben Kennzahlen immer etwas mit Statistik zu tun und Statistik wiederum mit Variation. Ein zentraler Aspekt bei der Variation ist die Verlässlichkeit der erfassten Zahlen aus der Datenerfassung. Oder anders ausgedrückt, Variation in den Kennzahlen darf nicht aus Variation bei der Datenerfassung kommen.

Im Gegensatz zum vorgenannten Punkt kann dieses Problem nicht auf einer konzeptionellen Ebene durch Überlegung gelöst werden, sondern es wird eine s.g. Messsystemanalyse benötigt. Dabei geht es primär um verschiedene Dinge, die dabei überprüft werden müssen, weil sie Einfluss auf die Messergebnisse und damit auf die Kennzahlen haben können.

Die Genauigkeit, Korrektheit und systematische Abweichung treffen vor allem Aussagen über das Messmittel und den Messwert im Bezug zum wahren Wert, der in der Natur der Sache bedingt niemand absolut bekannt sein kann (sonst bräuchte man ja die Messung nicht, weil man es einfach weiß). Betrachtet man das Beispiel der Trunkenheit dürfte ziemlich klar sein, dass es darüber kein objektives Wissen geben kann, sondern das diese immer nur indirekt bestimmt wird.

Bei der Wiederholbarkeit kommt dann zum ersten Mal der Faktor Mensch ins Spiel, der bei der Erfassung von Kennzahlen eine Rolle spielt. Primär geht es darum, dass eine Aufnahme von Kennzahlen durch ein und dieselbe Person wiederholbare Ergebnisse liefern soll. Dazwischen liegt das sogenannte Zurücklegen des Prüflings. Ebenfalls auf die Trunkenheit bezogen, dürfte klar sein, dass es dieses einflusslose Zurücklegen auch im übertragenen Sinn nicht gibt. In diesem Zusammenhang kann auch die Heisenbergsche Unschärferelation auch eine Rolle spielen, bei der die Messung auf das gemessene Objekt und damit dessen Eigenschaften eine Rolle spielen kann. [3]

Die Vergleichbarkeit beschreibt wiederum die Einflüsse die verschiedene Menschen und Örtlichkeiten haben können, obwohl vorausgesetzt wird, dass das gleiche Messverfahren und die gleichen Messeinrichtungen (aber nicht dieselben!) zum Einsatz kommen. Eine zeitliche Konstanz kann dabei niemals angenommen werden. Auch hier ist wichtig, dass die gemessenen Objekte in der Theorie immer wieder die gleichen sind, was in der Praxis oftmals unmöglich ist. Mögliche systemimmanente Inkonsistenzen können auch hier im Vorfeld identifiziert werden und man sollte sich der Auswirkungen auf die Messergebnisse bewusst sein.

Bei der Stabilität wird der zeitliche Einflussfaktor bestimmt, der wie schon bemerkt ein gravierender Teil der Messungenauigkeit sein kann. Unterschiede können dann aus dem Messmittel oder dem Messverfahren herrühren oder aus einer Kombination der beiden Dinge entstehen, wenn das Messverfahren selbst nicht die ultimative Stabilität garantieren kann.

Die Linearität bezieht über die zeitlichen Einflüsse hinaus auch Unterschiede durch verschiedene Messobjekte mit ein. Auch hier müssen Einflüsse zwischen der Konstanz des Messmittels und zeitlichen Veränderung berücksichtig werden.

Die genannten Einflüsse sind bewegen sich zwar bei technischen Messverfahren auf einem anderen Niveau wie bei „einfachen“ Kennzahlen, trotzdem ist es immer angebracht, sich Gedanken darüber zu machen und dies in Überlegungen möglicher Konsequenzen aus den erfassten Zahlen einzubeziehen.

Viel zu leicht und schnell kann es sonst passieren, dass Maßnahmen auf Basis rein statistisch unvermeidlicher Schwankungen ergriffen werden, die selbst wiederum Einfluss auf das System inklusive der genannten fünf Charakteristiken haben und die Schwankungen sogar noch zusätzlich verstärken können. [4] [1] Blog-Artikel über Kennzahlen
[2] Minitab-Erläuterung zu Stichprobe und Grundgesamtheit
[3] Heisenbergsche Unschärferelation
[4] Wikipedia-Artikel über Messsystemanalyse

Frage: Wie erfassen Sie Kennzahlen in Ihrem Verantwortungsbereich? Welche Schlüsse und Maßnahmen leiten Sie aus den Kennzahlen ab? Wie verhindern Sie, dass die Maßnahmen nicht unreflektierte Rückwirkungen auf das System und die erfassten Kennzahlen haben?

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