Was Effectuation mit Lean gemeinsam hat

Effectuation

Im Alltag von Lean-Verantwortlichen geht es häufig um Strukturen, Prozesse und Ergebnisse. Dennoch entsteht Wirksamkeit bei der Verbesserung nicht selten gerade dort, wo der Weg nicht vollständig planbar ist. Genau hier lohnt ein Blick auf ein Denkmodell, das ursprünglich aus dem unternehmerischen Kontext stammt, aber auch im Lean-Kontext Parallelen hat, auch wenn sie dort nicht so explizit benannt werden: Effectuation. Schon der Begriff verweist auf den zentralen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung, der auch im Lean Management im Zentrum steht.

Das sogenannte „Bird-in-Hand“-Prinzip klingt zunächst fast zu simpel: Man beginnt nicht mit dem, was man gerne hätte, sondern mit dem, was man hat. Also den eigenen Mitteln und Fähigkeiten oder auch Problemen und Herausforderungen, die es zu beheben gilt oder denen man begegnen will. Im Lean-Kontext begegnet einem diese Haltung ständig, oft unbewusst. Verbesserungen starten meist nicht mit einem Masterplan, sondern mit den gegebenen Ressourcen. Die Idee des Kaizen lebt genau davon: aus dem Jetzt das Mögliche entwickeln, nicht auf die perfekte Gelegenheit warten.

Eng verwandt ist das Prinzip der „Affordable Loss“. Auch hier wird auf das gesetzt, was man zu verlieren bereit ist. Im Gegensatz zur klassischen Planung, die sich auf erwartete Erträge konzentriert, steht hier das kalkulierte Risiko im Mittelpunkt. Lean-Experimente sind selten groß oder teuer, im Gegenteil: Sie entstehen bewusst in kleinem Rahmen, um Erkenntnisse zu gewinnen, ohne große Risiken einzugehen. PDCA-Zyklen wirken so gesehen wie eine institutionalisierte Risikobereitschaft in Miniaturformat.

Das dritte Prinzip, Crazy Quilt, beschreibt die bewusste Kooperation mit anderen Akteuren, auch wenn das Ergebnis noch offen ist. Diese Idee erinnert an die Art und Weise, wie im Lean-Umfeld mit den Menschen im System gearbeitet wird. Ein Beispiel sind dabei Quality Circle oder die Verbesserung entlang des Wertstroms mit allen Beteiligten unter Berücksichtigung interner Kunden-Lieferanten-Beziehungen. Auf einer anderen Ebene gilt das auch für Hoshin Kanri. Allen Ansätzen gemeinsam ist der Gedanke, dass daraus nicht nur bessere Lösungen entstehen, sondern die Verbindlichkeit gegenüber der Veränderung gestärkt wird. Wer gemeinsam gestaltet, übernimmt auch eher Verantwortung für das Ergebnis.

„Ich habe nicht versagt. Ich habe nur 10000 Wege gefunden, die nicht funktionieren.“

– Thomas Alva Edison

Spannend ist das sogenannte Lemonade-Prinzip. Es lädt dazu ein, Überraschungen oder auch Rückschläge nicht als Bedrohung, sondern als Einladung zum Umdenken zu betrachten. In Lean-Projekten kommt das häufiger vor, als man es auf den ersten Blick zugeben möchte. Messwerte entwickeln sich anders als erwartet, Widerstände tauchen auf, neue Erkenntnisse stellen vermeintlich klare Ursachen infrage. Dort nicht zurückzufallen in starre Reaktion, sondern Möglichkeiten im Problem zu erkennen, ist eine oft unterschätzte Stärke.

Bleibt das letzte Prinzip: Pilot-in-the-Plane. Es ist die Vorstellung, dass die Zukunft gestaltbar ist, wenn man selbst aktiv Einfluss nimmt, statt auf äußere Bedingungen zu warten. Auch Lean lebt davon – nicht zuletzt in der Haltung der Führungskräfte. Sie sind gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Veränderungen entstehen dürfen. Der kontinuierliche Verbesserungsprozess ist nicht nur die Reaktion auf Defizite, sondern Ausdruck des aktiven Gestaltens. Dabei ist der Plan oft nicht das Ziel, sondern der Ausgangspunkt für die Entwicklung.

Effectuation im Lean-Kontext ist kein fremder Gedanke, sondern ein anderer Blick auf das, was in der Praxis längst gelebt wird, auch wenn oft intuitiv oder eben unbewusst ist. Die Überschneidungen sind nicht nur theoretisch interessant, sondern eröffnen die Möglichkeit, das eigene Denken weiter zu schärfen und zu reflektieren. Vielleicht liegt gerade in der Kombination beider Perspektiven eine besondere Wirksamkeit: Lean bringt die Struktur, Effectuation den Umgang mit Unsicherheit. Beides gemeinsam kann in Zeiten ständiger Veränderung mehr Orientierung geben als der beste Plan allein.

Wenn Sie wissen möchten, wie Sie strukturierte Veränderungsprozesse gestalten und gleichzeitig situativ und flexibel auf Entwicklungen reagieren können, nehmen Sie gerne Kontakt mit mir über dieses Formular auf oder greifen Sie einfach zum Telefon und rufen Sie mich unter 0171-7342717 an.

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Frage: Was passiert in meinem Verantwortungsbereich, wenn ich aufhöre, auf das perfekte Werkzeug zu warten? Welche Experimente wären möglich, wenn der Maßstab nicht der Erfolg, sondern das Lernpotenzial wäre? Wie würde sich das Ergebnis verändern, wenn ich nicht allein, sondern gemeinsam mit anderen gestalte?

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