KVP – keine Frage der Entschuldigung

Entschuldigung

Dieser Artikel knüpft an den von letzter Woche an, in dem es um Realität bzw. um den Realitäts­sinn ging. Dort ging es darum, wie mittels der FMEA die Risiken der Realität einge­schätzt und reduziert werden können. Im vorlie­genden Artikel will ich noch etwas disku­tieren, wie der Realitäts­sinn weiter­geschärft und damit besser genutzt werden kann. Diese Steigerung des Realitäts­sinns lässt sich in drei Schritte unter­teilen, die mit einer wichtigen Randbe­dingung verknüpft sind. Die drei Schritte müssen dabei nicht notwen­diger­weise in der ange­gebenen Reihen­folge durch­laufen werden.

Der erste Schritt besteht, sich selbst und anderen nichts vormachen zu wollen. Dabei sollten wir bedenken, dass andere oft Dinge unbewusst wahr­nehmen, selbst wenn wir uns selbst größte Mühe geben, etwas zu ver­bergen. Manch­mal mag es sogar gelingen, sich selbst eher etwas vorzu­machen als anderen. In beiden Fällen gilt das alte Sprichwort von der Selbst­erkenntnis und dem ersten Schritt zur Besserung. Um die Gefahr zu vermeiden, dass man bzgl. einer Situation zur Selbst­erkenntnis gar nicht (mehr) fähig ist, kann es hilfreich sein, eben die anderen einzu­beziehen, indem wir sie zu einer Situation befragen. Im Fall von Geschäfts­prozessen liegt die Befragung der Kunden natür­lich auf der Hand. Kunden können in diesem Fall natür­lich externe Kunden sein, ggf. jedoch auch interne Kunden, wenn es sich um einen Unter­stützungs­prozess handelt oder um Prozess­abschnitte, bei denen die handelnden Personen nicht mit externen Kunden in Berührung kommen.

Beim zweiten Schritt steht dann die Frage nach den Ursachen einer Situation im Vordergrund. Dieser Schritt ist sicherlich erst nach dem ersten ange­bracht bzw. stellt sich erst dann, wenn eine Situation als solche anerkannt wurde. Hier ist zu beachten, dass die erste Antwort auf das Warum oft gar nicht die Kern­ursache darstellt. Deshalb kommt im Konti­nuier­lichen Verbesse­rungs­prozess immer wieder das Werkzeug des 5x Warum zum Einsatz. Die Wieder­holungs­zahl fünf ist dabei nur ein Anhaltspunkt. Manchmal stellt sich die Kern­ursache schon beim dritten Warum heraus, manchmal braucht man sieben oder mehr Wieder­holungen. In der Regel erkennt man den Moment jedoch sehr deutlich. Meistens ergeben sich keine weiteren schlüs­sigen Fragen, oder man beginnt sich mit Antworten im Kreis zu drehen, die sich gegen­seitig bedingen und dadurch zyklisch wieder­holen.

„Wir entdecken oft etwas, das funk­tioniert, indem wir herausfinden, was nicht funk­tionieren wird, und wahr­schein­lich machte der, der nie einen Fehler machte, nie eine Entdeckung.“

– Samuel Smiles, Schottischer Schriftsteller

Mit dem ersten und dann zweiten Schritt eng verknüpft, ist im dritten Schritt eine schonungs­lose Offenheit – zu anderen Betei­ligten und gegebenenfalls zu sich selbst. Auf den ersten Blick mag dieser Schritt dem ersten sehr ähnlich sein, im Unter­schied dazu bewegen wir uns in meinen Augen stärker auf der inhalt­lichen Ebene. Während es beim ersten Schritt mehr um die Tatsache (des Vorma­chens) an sich geht, steht beim dritten Schritt der Inhalt im Vorder­grund.

Mit „schonungslos“ will ich hier aber keinen Freibrief für Angriffe auf einer persön­lichen Ebene ausstellen. Mit der Offenheit ist immer auch der Respekt der Person gegenüber verknüpft. D.h. ich kann zwar das Verhalten in Frage stellen, lasse die Person an sich aber unan­getastet. Schonungs­lose Offenheit kann auch bedeuten, dass ich meine eigene Wahr­nehmung und Wirkung einer Hand­lung ausdrücke und zuerst dazu ein Feed­back einhole, bevor ich zur Bewertung über­gehe und damit Gefahr laufe, dies auf die Person an sich abzubilden.

Mit den drei Schritten eng verknüpft ist eine offene und positive Fehler­kultur. Eine Kultur, in der Fehler immer auch als Chance zur Verbes­serung betrachtet und im Fall von Verbesse­rungs­bestre­bungen an sich auch als der einzige Weg ver­standen werden, auf dem wirkliche Verbesse­rungen geschaffen werden können. Letztlich kann nur durch einen Fehler eine neue Erkenntnis und damit neues Wissen entstehen.

Mit den genannten drei Schritten und der begleitenden Rand­bedingung konnte ich Ihnen hoffent­lich einen Weg aufzeigen, wie Sie Ihren Realitäts­sinn steigern und damit bewusster ausüben können. Wie schon wieder­holt ausgedrückt, liegt mir besonders der Aspekt des Bewusst­sein am Herzen. Verände­rungen und damit in der Folge Verbesse­rungen sind in meinen Augen nur durch ein gestei­gertes Bewusst­sein möglich und bleiben sonst im Bereich des Zufalls hängen.

Frage: Welche Rolle spielt in Ihrem Unter­nehmen die Offen­heit im KVP? Wie können Sie die Offen­heit steigern? Welche Chancen können sich daraus ergeben?

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