Was in meinen Augen aber oft viel zu kurz kommt bei der Betrachtung ist eine empfängerorientierte Ausprägung der Kommunikation, die alle Arten der Prozesse begleitet bzw. zusammen mit Handlungen und Aktivitäten ein integraler Bestandteil meiner Prozessdefinition darstellt.
Die oft unnötigen CC-Empfänger bei eMails sind dabei in meinen Augen nur die Spitze des Eisbergs, über die jede:r flucht, aber man sich trotzdem irgendwie daran gewöhnt hat. Nicht selten führt das dann wieder zu individuellen Arbeitsstandards mit allen Folgen, wenn bspw. Menschen einfach so konsequent sind, dass sie eMails, die sie in CC erhalten, automatisiert löschen und vielleicht noch den ursprünglichen Absender ebenso automatisiert über diesen Vorgang informieren.
Eine andere Ausprägung sind die beliebten Sprachnachrichten, die vielleicht bequem für den Sender sind, weil man sich den senderseitig langsameren Umweg über die Tastatur spart, dabei aber verkennt, dass Empfänger eben deutlich schneller lesen als hören können und gleichzeitig genau dieser vermeintliche Medien- und Systembruch eine nicht zu unterschätzende Ausprägung des ersten S darstellt, bei dem unnötige Kommunikationsinhalte aussortiert werden.
– George Bernhard Shaw
Was oft gar nicht in Betracht gezogen wird, ist die gezielte Gestaltung von Kommunikationsformen und Filterung (=Sortierung) von Kommunikationsinhalten im Bezug zur Relevanz in Arbeitsprozessen. Das beginnt bei der Platzierung von Bediensystemen (Terminals, Scanner, …), der Gestaltung von Benutzeroberflächen und endet bei den dargestellten Informationen in Abhängigkeit von den Empfängern oder Nutzern.
Manchmal wird sogar mit positiver Intension eine Form der Ausrede verwendet, man möchte eine maximale Transparenz schaffen, indem man niemand irgendwelche Informationen vorenthält. Aber man verstößt damit auf der informationell-kommunikativen Ebene speziell bei betriebsinternen Sender-Empfänger-Beziehungen (aka interne Kunden-Lieferanten-Beziehungen) gegen eines der zentralen Lean-Prinzipien, das bei physischen Dingen schon schwierig genug umzusetzen sind, nämlich das Pull-Prinzip, das besagt, dass im Wertstrom nur Dinge hergestellt werden, wenn es auf der (internen) Kundenseite einen Bedarf dafür gibt.
Jetzt ist der Artikel schon weit in der zweiten Hälfte des ursprünglich geplanten Umfangs und ich hänge immer noch bei ersten S. Deshalb sortiere ich mal gedanklich aus, was für die Informations- und Kommunikationsebene eher irrelevant ist. Das vierte und fünfte S wirkt ja grundsätzlich eher auf einer übergeordneten Ebene, die dann mit ihren Wirkmechanismen auch aus der physischen Welt übertragen werden können. Auch die Sauberkeit der Information und Kommunikation spielt eine eher untergeordnete Rolle bzw. lässt sich auf die Relevanzebene des ersten S bringen.
Bleibt also für diesen Artikel noch das zweite S des Systematisierens. Auch hier habe ich den starken Verdacht, dass auf der Herstellerseite von ERP, MES und anderen Software-Systemen auch viel zu selten die Nutzerbrille aufgesetzt wird. Das beginnt schon auf der Organisationsebene (man bietet halt ein Produkt von der Stange, das im positiven Fall auf die Prozesse der Organisation angepasst werden kann) und setzt sich fort auf der Benutzerebene, wo selten die Chance besteht, eine (selbst gestaltete) Anpassung an den individuellen Bedarf des einzelnen Benutzers durchzuführen. Systematisierung findet also praktisch nur für den Hersteller statt.
Was wäre jetzt der Ausweg aus diesem Dilemma? Ein Ansatz könnten Low-Code- oder sogar No-Code-Systeme sein, die in einem wirklich gelebten Lean-Kontext auf fruchtbaren Boden fallen können, wenn der einzelne Mitarbeiter auf der Shopfloor-Ebene auch auf der Informations- und Kommunikationsebene ein Mittel erhält, sein Arbeitsumfeld so zu gestalten, dass er seine Wertschöpfungsarbeit optimal gestalten kann.
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