Betriebliches Vorschlagswesen vs. Kontinuierlicher Verbesserungsprozess

Schafft ein betriebliches Vorschlagswesen schon einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess?

Meine Antwort dazu ist nein. Ein betriebliches Vorschlagswesen schafft noch keinen kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Ein betriebliches Vorschlagswesen (BVW) ist Teil eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP), aber es schafft ihn alleine noch nicht!

Gemeinsamkeiten

Sowohl BVW als auch KVP bauen auf die Kompetenzen der Mitarbeiter in ihren täglichen Aktivitäten. Beide benötigen zur konsequenten Umsetzung aktiv gelebte Management-Unterstützung. Beide Konzepte fördern einerseits die Fokussierung auf die Verbesserung der täglichen Abläufe im direkten Umfeld. Andererseits wird auch der Blick über den Tellerrand stimuliert, im BVW durch entsprechend höhere Honorierung von Verbesserungen außerhalb des eigenen Umfelds, im KVP durch den Einsatz interdisziplinärer Teams zur Problemlösung (abteilungs-) übergreifender Themen.

Unterschiede

Das BVW baut primär auf die Initiative der Mitarbeiter, Missstände zu erkennen und Lösungen anzubieten. Zur (monetären) Honorierung von Verbesserungsvorschlägen ist es in der Regel notwendig, nicht nur Probleme aufzuzeigen, sondern auch umsetzbare Lösungen darzustellen. Beim KVP steht nicht die Honorierung im Vordergrund (auch wenn dies in Betriebsvereinbarungen ermöglicht werden kann), sondern der strukturierte Weg, die Abläufe im Unternehmen laufend zu verbessern. Dabei steht nicht ein Problem oder Missstand im Vordergrund, sondern das konstante In-Frage-Stellen des Status Quo.

Abhängigkeiten

Das betriebliche Vorschlagwesen sollte in den KVP eingebettet werden. Das betrifft speziell die Regelung der Honorierung von Vorschlägen, die im Rahmen von Verbesserungs-Workshops – ggf. auch von einer Gruppe von Mitarbeitern – gemacht werden. Dies bedeutet nicht, dass Vorschläge, die im direkten Umfeld eines vorschlagenden Mitarbeiters gemacht werden, nicht prämienfähig sind. In vielen Fällen haben gerade diese Fälle hohes Umsetzungs- und Einsparungspotenzial. Verbesserungsvorschläge, die außerhalb des Arbeitsumfelds entstehen, können ggf. durch höhere Prämienanteile honoriert werden. Neben diesen Aspekten sind auch gesetzliche Regelungen zu Mitarbeitererfindungen zu beachten. Für entsprechende Regelungen sollte ein Fachanwalt hinzugezogen werden, da ich keine Rechtsberatung geben kann.

Für den Ablauf der Verbesserungsvorschläge im Rahmen des BVW sollte ein Prozess mit Verantwortlichkeiten definiert werden. Das RACI-Prinzip kann dazu ein passender Ansatz sein (Responsible, Accountable, Consulting, Information).

Kontext

Im betrieblichen Vorschlagswesen steht typischerweise das Unternehmen selbst mit seinen internen Abläufen im Fokus, eher selten werden hier die Kunden miteinbezogen. In manchen Fällen sind Verbesserungen an Produkten oder Dienstleistungen mit Kundenrelevanz sogar ausgeschlossen bzw. werden über andere Mechanismen abgedeckt. Weit entwickelte Unternehmen verfügen für diese Aspekte im Rahmen von Produktstrategien über einen eingeführten Innovationsprozess. Ebenso werden Verbesserungsvorschläge von Kunden nicht über das betriebliche Vorschlagswesen abgewickelt. Der kontinuierliche Verbesserungsprozess beginnt zwar ebenfalls innerhalb Unternehmens, bezieht im Idealfall den Kunden bzw. die Auswirkungen auf die Kunden – zum Beispiel mittels umfassender Wertstrombetrachtungen – mit ein.

Auslöser, Impuls

Im BVW gehen typischerweise die Verbesserungsvorschläge von einzelnen Mitarbeitern aus. Dies kann direkt der täglichen Arbeit entspringen oder durch Beobachtungen von „fach“-fremden Abläufen, von denen der Mitarbeiter betroffen ist. Wie schon erwähnt, gehören zu Verbesserungsvorschlägen nicht nur die Nennung der Probleme sondern auch direkte Lösungen (oder zumindest substanzielle Ansätze), um sie prämienwürdig zu machen. Um diese Initiativen zu fördern, ist es wichtig, das BVW im Unternehmen immer wieder bekannt zu machen, z.B. durch entsprechende Anschlagtafeln oder betriebsweite Erwähnungen auf Betriebsversammlungen oder Mitarbeiterzeitungen. Im KVP gehen die Verbesserung in der Regel von KVP-Zirkeln oder -Workshops zu bestimmten Problemstellungen aus, oft mit einer Mehrzahl von Mitarbeitern, die sich durch gemeinsame Problemlösung gegenseitig stimulieren, bspw. durch Brainstorming oder andere Moderationstechniken.

Nachholbedarf

Während ein BVW in Industriebetrieben, speziell in produzierenden Branchen oft schon seit Jahrzehnten eingeführt ist, haben Nicht-Industriebetriebe oder reine Dienstleistungsunternehmen hier noch Nachholbedarf. Dies gilt auch für kleine und mittelständische Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und das Gesundheitswesen.

Wenn Sie wissen wollen, wie es um das betriebliche Vorschlagswesen in Ihrem Unternehmen bestellt ist, können Sie dazu meine Kurzanalyse Ihres BVW nutzen und alleine schon beim Reflektieren des Fragebogens erste Erkenntnisse gewinnen.

Frage: Wie gehen Sie in Ihrem Unternehmen mit Mitarbeitervorschlägen um? Wie haben Sie das betriebliche Vorschlagswesen in den kontinuierlichen Verbesserungsprozess integriert? Wie grenzen Sie die beiden Konzepte gegeneinander ab?

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