In die Tiefsee, aber richtig – Dunkles Lean Teil 2

Dunkles Lean

Im letzten Artikel haben wir uns mit den verborgenen Tücken und Schattenseiten von Lean Management beschäftigt. Doch warum nicht mal den Spieß umdrehen und genau diese versteckten „Erfolgsfaktoren“ als optimale Strategie propagieren? Warum nicht bewusst alles umsetzen, was Lean ins Gegenteil verkehrt? Ich präsentiere: Die ultimativen Strategien, um Lean Management maximal gegen die Wand zu fahren bzw. zu versenken. Garantierte Erfolge – zumindest in der Theorie.

Zunächst zum Erfolgsfaktor Nummer eins: Übertriebene Standardisierung. Standardisierung ist bekanntlich das Herzstück von Lean, oder? Dann kann es doch nur besser werden, wenn wirklich jeder kleinste Arbeitsschritt bis ins Detail vorgeschrieben wird. Warum bei wichtigen Prozessen haltmachen? Nein, selbst das Ablegen eines Kugelschreibers auf dem Schreibtisch sollte exakt geregelt sein. Mitarbeiter werden begeistert sein, endlich nicht mehr eigenverantwortlich denken zu müssen, sondern haargenau vorgegeben zu bekommen, wie alles abläuft. Endlich ein System, in dem Kreativität überflüssig wird! Und die positiven Effekte sind unverkennbar: Steigende Resignation und Frustration. Ein garantierter Weg, jegliche Eigeninitiative im Keim zu ersticken – großartig für das Betriebsklima!

Dann gibt es da noch die unschlagbare Strategie der Kennzahlen-Verschleierung. Es reicht doch nicht, nur einige wenige Kennzahlen in den Mittelpunkt zu stellen. Die wahre Kunst besteht darin, so viele Metriken und Zielgrößen einzuführen, dass niemand mehr durchblickt. Am besten messen wir wirklich alles: Wie oft Mitarbeiter am Tag lächeln, wie viele Sekunden sie pro Arbeitsvorgang benötigen und wie häufig sie die Kaffeemaschine benutzen. Die Verwaltung dieser Daten schafft außerdem neue Arbeitsplätze – es gibt nichts Effizienteres, als Ressourcen darauf zu verwenden, Kennzahlen zu sammeln, die niemand versteht. Wenn die Zahlen dann tatsächlich geprüft werden, sollte alles so gefiltert und verdreht sein, dass jeder Blick auf die Realität verschleiert wird. Nichts stabilisiert ein System so sehr wie gute Kennzahlen, die jeglichen Bezug zur Wirklichkeit verloren haben.

„Was wir wissen, ist ein Tropfen, was wir nicht wissen, ist ein Ozean.“

– Issac Newton

Ein weiteres bewährtes Mittel zur Lean-Verwirrung: die totale Kommunikationsblockade. Ein offener Austausch und Rückmeldungen der Mitarbeitenden? Nicht in unserem neuen „optimierten“ System! Jede Form von Kritik sollte besser als Angriff auf die Unternehmensstruktur gesehen werden. Wenn Mitarbeitende Verbesserungsvorschläge haben, dann sind sie offensichtlich nicht richtig „lean“ eingestellt. Stattdessen wird die „Ich hab’s besser gewusst“-Haltung gefördert. Damit ist klar, dass Verbesserung nur von ganz oben kommt. Perfekt, um langfristig ein Klima der Angst und Sprachlosigkeit zu schaffen, in dem bloß niemand wagt, auf potenzielle Probleme hinzuweisen. Ein Unternehmen ohne störende Impulse von unten? Ein Traum für jede gut geölte Lean-Maschine, die ohne Rücksicht auf Verluste durchmarschiert.

Kommen wir zum nächsten Highlight, der Versteckten Kontrolle. Die Illusion von Freiheit und Eigenverantwortung ist hier der Schlüssel zum Erfolg. Warum nicht einen Hauch von Autonomie vortäuschen, um die Mitarbeitenden glauben zu lassen, sie hätten Handlungsspielraum? Aber natürlich gibt es detaillierte Checklisten, vernetzte Systeme zur Überwachung jeder einzelnen Bewegung und ein penibel dokumentiertes Meldewesen. So können wir sicherstellen, dass Mitarbeitende im Namen der Eigenverantwortung exakt das tun, was vorgegeben wurde – und nicht einen Millimeter darüber hinaus. Wer dennoch auf die Idee kommt, eigenständig zu denken, wird in einem netten Vier-Augen-Gespräch freundlich darauf hingewiesen, dass solche Abweichungen leider nicht im Lean-Geiste liegen. Eine Strategie, die langfristig für loyalen und fleißigen Gehorsam sorgt!

Zu guter Letzt setzen wir auf das Erfolgsgeheimnis der Schwindel-Effizienz. Effizienz ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen Lean-Prozess? Nun, dann pressen wir einfach alles an Effizienz aus, was nur geht. Hier gibt es kein Limit: Jeder Mitarbeitende sollte am besten ständig zwei oder drei Dinge gleichzeitig erledigen. Pausen? Überbewertet! Nur so kann das Unternehmen wirklich beweisen, wie viel „Lean“ in ihm steckt. Keine Zeit, um über den eigenen Job oder das persönliche Wohlbefinden nachzudenken – das wäre ja pure Verschwendung! Ein Mitarbeiter, der sich selbst noch als Mensch fühlt, hat offensichtlich die wahre Lean-Kunst noch nicht erfasst. Schwindelgefühle? Schlafprobleme? Das nennt man Leidenschaft für den Job!

Zusammengefasst: Die dunkle Seite von Lean Management bietet einen klaren, strukturierten Weg, um alles, was mal gut gemeint war, gezielt zu untergraben. Wer Wert darauf legt, Lean ins Gegenteil zu verkehren und die Mitarbeitenden zu perfekten Zahnrädern in einer gnadenlosen Effizienzmaschine zu machen, findet hier den ultimativen Leitfaden. Schließlich hat die „optimierte“ Organisation nur ein Ziel: Perfekte Kontrolle, falsche Effizienz und das absolute Vermeiden von Verbesserungspotenzial. Ein innovativer Ansatz, um wirklich jede Chance auf Erfolg konsequent auszuschalten.

Frage: Welche Ideen für „erfolgreiches“ Lean-Management kommen Ihnen noch in den Sinn? Welche Hürden könnte es dabei geben? Wie lassen sich diese umgehen?

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