Inhalt der Episode
- Was ist Design Thinking eigentlich?
- Wie funktioniert es? – Die fünf Schritte des Design Thinking
- Wie ist der Gedanke entstanden, Design Thinking im Schulumfeld einzusetzen?
- Was sind die Einsatzbereiche im Schulumfeld?
- Welche Vorteile hat der Einsatz von Design Thinking hier ggü. anderen Methoden?
- Was kann man vom Einsatz des Design Thinking im Schulumfeld lernen?
Notizen zur Episode
Mitmachen?
Wenn Sie selbst ein interessantes Thema für eine Episode im Umfeld von Geschäftsprozessen haben, können Sie mir das auf dieser Seite mit Vorbereitungsfragen vorschlagen.
Ich freue mich darauf!
Artikel teilen auf ...
(Teil)automatisiertes Transkript
Episode 106 – Innovationsprozesse im Bildungswesen
Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.
Götz Müller: Heute habe ich Anna-Lena Wagner bei mir im Podcast-Gespräch. Ich habe sie kennengelernt im letzten Jahr im Rahmen ihrer Masterarbeit, wo wir ein Gespräch geführt haben und damals dachte ich schon, das könnte auch ein spannendes Thema für meinem Podcast sein. Und so habe ich sie dann angesprochen und jetzt hat es gepasst. Hallo Frau Wagner.
Anna-Lena Wagner: Hallo Herr Müller.
Götz Müller: Vielleicht sagen Sie noch ein-zwei Worte selber zu Ihrer Person, vielleicht noch einen Satz zu Ihrer Masterarbeit, damit die Zuhörer das besser einordnen können.
Anna-Lena Wagner: Genau. Also ich habe jetzt im letzten Monat meinen Master in strategischem Design an der Hochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd abgeschlossen.
Und jetzt aktuell jobbe ich ein bisschen und beginne eben damit mein Portfolio fertigzustellen und Bewerbungen vorzubereiten. Und in meiner Masterarbeit habe ich mich grundsätzlich mit dem Thema Prozesse auseinandergesetzt und eben ein Konzept entwickelt, wie Design Thinking im Kontext Schule und Bildung eingesetzt werden könnte.
Götz Müller: Genau. Und als Überschrift habe ich ja Innovationsprozesse, weil ich das außerdem innovativ fand, gewählt. Jetzt haben Sie schon das Stichwort gesagt: Design Thinking. Jetzt ist vermutlich … der ein oder andere Zuhörer hat davon heute Nacht nicht geträumt, das heißt, sagen Sie noch mal ein oder zwei Sätze, was ist denn überhaupt Design Thinking?
Anna-Lena Wagner: Ja, also unter Design Thinking versteht man grundsätzlich eine Prozessstruktur, hängt aber auch stark mit mit einer gewissen Denkweise und dem Einsatz von verschiedenen Methoden zusammen. Also Design Thinking kommt, wie der Name das eben schon sagt, aus dem Design. Vielleicht grundsätzlich kurz zur Design-Disziplin an sich. Also in Deutschland wird unter Design eben ganz gern dieses Aufhübschen verstanden, also man hat irgendwas entwickelt, eine Website oder ein Produkt und der Designer macht es dann im Nachhinein noch hübsch. Und eigentlich geht's bei Design Thinking aber eher um die Entwicklung von Konzepten und Strategien, also etwas designen heißt auch etwas entwickeln. Und, wie gesagt, im Design Thinking gibt's dafür eben verschiedene Werkzeuge und Hilfsmittel, also die Methoden.
Und auch eine spezielle Struktur und Denkweisen, also eben den Prozess und das Design Thinking Mindset.
Götz Müller: Können Sie gerade diesen Prozessaspekt noch ein bisschen vertiefen?
Anna-Lena Wagner: Ja. also der Prozess ist eben nicht sehr klar vorgeschrieben. Es gibt verschiedene Arten, wie der auch dargestellt wird. Ursprünglich oder eine der ursprünglichsten Darstellungsarten ist von der Standford d.school. Da wird er in fünf Schritte unterteilt: empathize, define, ideate, prototype und test. Also es beginnt immer damit Empathie zu entwickeln für den Nutzer, der später eben dieses Produkt, diesen Service, in Anspruch nehmen und da beginnt man quasi immer mit einer sehr breiten Recherche, um sich erstmal ins Thema reinzuarbeiten, was dann im Anschluss wieder runter gebrochen wird. Also hier ist es jetzt unter dem Begriff define, es wird aber auch oft ein Point of View zum Beispiel festgehalten. Es ist eben immer der Standpunkt, von dem man dann beginnt Konzepte und Ideen zu entwickeln. Der wird breit aufgemacht, viele Ideen werden gesammelt und am Ende vom Design-Thinking-Prozess steht eben der Prototyp und der Test. Und der Prototyp ist meistens sehr schnell und günstig, sage ich jetzt mal, also da wird gern mit Papier gearbeitet oder auch mit digitalen Hilfsmitteln, um sehr schnell einen Prototypen zu entwickeln, den man mit echten Menschen testen kann. Das sind so die ganz grobe Struktur, den gibt's mit fünf Schritten, mit sechs bis zu neun, und besondere an diesem Prozess ist eben, dass er nicht linear verläuft, sondern man ganz viele Schleifen, also wir nennen das dann Iterationen, drehen kann und zum Beispiel ich dann, nach dem Prototyp und nach dem Test, je nachdem welche Erkenntnis sich dann gewonnen habe, wieder zurückgehen kann in die Recherche oder in die ideation, um eben diese Erkenntnis wieder in mein Konzept einzuarbeiten und es ständig zu verbessern.
Götz Müller: Da habe ich jetzt gerade zwei Dinge herausgehört. Das erste war im Grunde … beginnt ja ähnlich wie ein klassisches Brainstorming. Ich sammle erstmal, ohne zu bewerten, und anschließend verdichte ich. Und jetzt ganz zum Schluss bei ihrer Aussage mit dem Iterativen, mit den Schleifen, da hatte ich dann sofort auch wieder das Bild des PDCAs, wo ich eben mit Erkenntnissen neubeginne, in Anführungszeichen, eben weiter verbessere. Kann man das so sagen?
Anna-Lena Wagner: Ja, also ich habe auch in meiner Recherche, als ich dann verschiedene Prozesse eben mir angeschaut habe, schon viele Parallelen gefunden. Ich glaube, ein großer Unterschied eben zwischen diesen Prozessen, gerade wie Lean, die in der Industrie sehr verbreitet sind, und Design Thinking, das eben er noch in der Kreativbranche zu Hause ist, aber auch immer weiter in die Industrie vordringt mittlerweile, ist eben noch dieser wirtschaftliche Faktor. Also in der Industrie wird auch in dem Brainstorming oft schon gewertet und geschaut, dass es überhaupt machbar ist und Design Thinking zeichnet sich eben dadurch aus, dass es auch sehr offen und sehr experimentell essen und auch eine sehr interessante Fehlerkultur hat. Also, einer von den Grundsätzen ist eben fail fast, fail often. Also es ist gut, wenn man Fehler macht. Das ist gut zu scheitern, weil eben diese dieses Scheitern kein Beinbruch ist sozusagen, weil man hat eben nicht sehr viel investiert in seinen Prototyp, es ist ja alles sehr schnell und günstig passiert. Und man kann eben durch dieses Scheitern sehr, sehr viele wichtige Erkenntnisse sammeln, die man womöglich in dem anderen Fall erst sammeln würde, wenn das Produkt schon auf dem Markt ist und eben sehr, sehr viel Geld und Zeit investiert wurde.
Götz Müller: Ja, das ist definitiv eine These, die ja in Lean und Co genauso vertreten wird, weil im Grunde … es geht ja in beiden Fällen … es geht ja darum, was Neues zu schaffen, was vorher nicht da war, weil wenn das was wir vorher gehabt hätte, alles gut wäre, müsste man sich ja keine Gedanken machen und wenn ich was Neues schaffen will … das heißt ich weiß vorher was nicht, dann muss ich den Fehler akzeptieren, weil wenn … ich mache da immer dieses Beispiel des Wissenschaftlers, der an seinem Labortisch steht und wenn er das Ergebnis des Versuchs kennt … ja, dann hat er ja im Grunde seinen Job verfehlt, weil dann entsteht ja kein neues Wissen.
Anna-Lena Wagner: Genau, ja.
Götz Müller: Gut. Jetzt haben Sie angedeutet, die Einsatzgebiete ganz grob eben im Design-Umfeld. Könnten Sie das noch ein bisschen weiter ausführen, dann durchaus auch den Bogen schlagen, wo Sie es dann angewendet haben.
Anna-Lena Wagner: Ja. Also, was gerade im Design Thinking passiert, ist eben, dass es sehr oft in verschiedene Disziplin übertragen wird. Ich habe es jetzt im Kontext Bildung angewandt, weil ich eben in meiner Master-Thesis gesagt habe, ich möchte mich gerne mit einem Thema auseinandersetzen, dass mich selber interessiert und dass mich auch bereichert und das eben auch in meiner Branche jetzt Relevanz hat und bin eben dann bei den Prozessen und Strukturen gelandet und der Bereich Bildung kam dann eigentlich dadurch auf, dass ich den den nachhaltigen Aspekte sehr interessant fand, weil einfach Lehrer, Schüler, Kinder wird's immer geben und werden immer unsere Gesellschaft sehr stark prägen. Und grundsätzlich ist es aber wirklich so, dass die Design-Thinking-Denkweise und Arbeitsweise in immer mehr verschiedenen Branchen Anwendung findet und theoretisch auch überall funktionieren kann. Es ist nur immer eine große Frage, inwiefern es eben Sinn macht sich an diesem großen, relativ zeitaufwendigen Prozess zu orientieren, einzelne Methoden rauszunehmen, einzelne Prozessschritte rauszunehmen und ich glaube, da besteht eigentlich eher die Kunst, das auf die verschiedenen Bereiche zu adaptieren als jetzt prinzipiell im Prozess an sich, weil der sehr sehr flexibel und gibt sehr viel her. Man muss ihn nur, in Anführungszeichen, richtig anwenden und das Projekt richtig einschätzen.
Götz Müller: Da hatte ich jetzt sofort den Gedanken, das ist im Grunde ja ähnlich wie klassisches Projektmanagement, wo man auch lang und breit Methoden entwickelt hat, wo man Wahnsinns, manchmal aufgeblähte Konzepte, hat und aber eine ganz zentrale Regel ist, immer das Thema auf sein konkretes Projekt zuzuschneiden, um hier nicht mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Hört sich jetzt für mich im im Design-Thinking-Umfeld sehr ähnlich an.
Anna-Lena Wagner: Genau. Also aufgebläht finde ich auch einen super Begriff, weil der mir auch in letzter Zeit immer mehr in den Kopf kommt. Im Studium machen wir das eben alles sehr intensiv, damit wir auch eine gute Methodenkompetenz haben und das alles gut verstehen und dann habe ich auch das Gefühl, dass Designer eben stark dazu neigen, alles was sie da gelernt und erfahren haben, immer anzuwenden und ich habe aber jetzt gerade auch in den Workshops, die ich selber durchgeführt habe, eben bemerkt, dass es manchmal einfach nicht sehr sinnvoll ist. Deswegen finde ich es sehr gut, wenn man eben schon sich mit dem Thema auseinandersetzt und vielleicht auch mal so einen Workshop oder so macht, um eben zu verstehen „Was habe ich für Möglichkeiten?“, aber dann immer abzuwägen „Was möchte ich jetzt auch wirklich einsetzten?“. Manchmal muss ich gar keine 30 Interviews führen für eine gewisse Erkenntnis. Die habe ich vielleicht schon, die ist dann nicht validiert, aber die reicht mir vielleicht dann trotzdem schon als Ausgangspunkt um ins Projekt zu starten. Und es sind eben immer diese Sachen, die man abwägen muss und die dann auch schwierig sind und vor allem eben im Hochschulkontext kann man sich das dann meistens nicht erlauben, weil man alles dann irgendwie begründen muss. Ich habe aber jetzt auch schon die Erfahrung gemacht in Agenturen wird es dann eben wirtschaftlicher betrachtet und dann macht man eben keine zwei Monate Research für Erkenntnisse, die relativ banal oder offensichtlich sind.
Götz Müller: Jetzt würde ich das, damit die Zuhörer auch noch bisschen mehr Vorstellung bekommen einfach anhand von Ihrem Beispiel ganz gerne noch vertiefen, wo sie das Thema Design Thinking im Bildungs-, im Schulkontext eingesetzt haben, weil ich glaube, dass man da schon einige Punkte trotz lernen kann, um es dann selber vielleicht in die eigene Situation transferieren zu können.
Anna-Lena Wagner: Genau, also ich habe ja, wie gesagt, selber einen Workshop durchgeführt mit Lehramtsstudenten, also die präventiv, präventiv Richtung quasi, die Lehrer, die noch gar keine Lehrer sind und ein Beispiel jetzt aus dem Workshop war, die haben ein sehr komplexes System entwickelt zur Schülerrückmeldung, also wann und in welchen Rhythmen bekommen die Schüler Feedback von Lehrern und aber auch von Mitschülerin zu verschiedenen Themen, als zum Sozialverhalten, zur Lernleistung, zu Fähigkeiten und da hatten wir am Ende eine Riesenmatrix an der Wand drei-vier Meter lang, wo die eben mit Post-its in verschiedenen Zeilen und Spalten eben ganz genau festgehalten haben, was muss wann und wo passieren, wie fühlen sich die Schüler dabei, wie fühlt sich der Lehrer dabei, um das eben sehr detailliert so entwickeln, ohne dass mir jetzt da erstmal zwei-drei Jahre das experimentell mal macht, um dann die ganzen Fehler rauszufinden, haben das dann auch präsentiert und noch mal Feedback bekommen und bei sowas macht es einfach sehr, sehr viel Sinn sich eben dann auch ein-zwei Tage mal Zeit zu nehmen und sowas gut zu durchdenken.
Götz Müller: Finde ich sehr spannend, auch unter dem Gedanken, was ich immer mal wieder so wahrgenommen habe, auch wenn meine Kinder jetzt schon aus der Schule raus sind, aber manchmal hatte ich das Gefühl, dass die Kinder als Versuchskaninchen verwendet werden. Und habe mich dann immer gefragt, ja, für die ist es ja und zeitlich endlicher Aspekt ist eine irgendwann draußen aus der Schule und dann hat man an ihnen irgendwas ausprobiert, was nicht funktioniert hat und hinterlässt dann da vielleicht sogar eine Baustelle im Extremfall, wo ich jetzt das Gefühl habe, bei dem was ich jetzt von Ihnen gerade gehört habe, dass man ja genau diesen Punkt ja vermeidet.
Anna-Lena Wagner: Ja genau. Und das ist eben auch die Idee hinter diesen Prototypen. Also einen Prototypen zu testen heißt nicht unbedingt, den unter Realbedingungen zu testen, sondern einfach ein User-Interview zu machen, um Rückmeldungen von, in dem Fall zum Beispiel Schülern und Lehrern, zu erhalten, ohne dass eben jetzt ein ganzes Schuljahr investiert wurde. Meistens haben die Leute, wenn man sie ganz offen fragt „Was würdest du dir wünschen?“ ist es meistens schwierig, aber wenn man Konzept vorstellt, haben die meisten Nutzer sehr klare Vorstellung davon, was ihn daran jetzt eben gefällt und womit es Ihnen nicht so gut gehen würde. Und wenn man selber eben dieses Konzept entwickelt, bekommt man oft so einen Tunnelblick und es fehlt einem auch einfach dass das Wissen und deswegen ist das immer sehr, sehr sehr wertvoll einfach mit Menschen zu sprechen. Und das ist eben auch eins von den Kernprinzipien von Design Thinking: mit den Menschen zu sprechen und zu interagieren uns nicht anzuhören, was sie gern verbessern würden, wo Fragen sind. Genau.
Götz Müller: Und dann aber eben, was ich so ein bisschen rausgehört habe und wo ich immer gleich die Assoziation habe, wenn ich sie frage „Was hättet ihr denn gern?“, dann bekommt man ja selten die Antwort, die man vielleicht hören will oder die einen weiterbringt. Ich zitiere da immer gern den Henry Ford mit seinem Spruch der schnelleren Pferde, weil ja ganz oft der Horizont der Befragten eher eingeschränkt ist, sich nämlich in dem bekannten Umfeld bewegt aus dem ich aber raus will, weil sonst ja nichts Neues entsteht.
Anna-Lena Wagner: Ja, und oft weiß man eben auch ganz genau, was man nicht möchte. Das ist immer viel, viel einfacher als zu sagen, was man sich denn wünschen würde. Und eben dann auch noch … die Zielgruppe muss ja immer berücksichtigt werden. Ich kann jetzt natürlich von dem Kind aus der zweiten Klasse kein so reflektiertes Feedback erwarten wie von einem Schüler aus der achten Klasse zum Beispiel. Und so spielen eben ganz viele Faktoren mit rein und auch da geben eben in die Methoden von Design Thinking sehr viele Anhaltspunkte und Hilfsmittel, wie man ein User-Interview durchführt, worauf man achten sollte, wie man die Fragen stellt und aufbaut, um eben nicht das zu hören, was man gerne hören möchte, sondern um rauszufinden, was der Nutzer wirklich will.
Götz Müller: Jetzt haben Sie sich ja vermutlich auch mit Alternativen beschäftigt. Was würden Sie sagen, was sind so die Vorteile des Design Thinkings gegenüber anderen Methoden und gegebenenfalls jetzt auch schnell noch ein paar zu nennen.
Anna-Lena Wagner: Also die Vorteile sind natürlich zum einen das, was ich jetzt auch schon gesagt habe, bin ich eben sehr begeistert, weil ich da auch so ein Typ Mensch dafür bin, dass man kreativ und experimentierfreudig wird. Das kommt immer in den Workshops sehr klar raus. Es gibt so ein Punkt, an dem sind am Anfang noch alle kritisch und sagen „Ja, wir sollen jetzt irgendwelche Sachen machen, die ja eh nicht so realisiert werden können und so, und irgendwann passiert es aber, dass diese kreative Stimmung aufkommt und alle so am Rumspinnen sind und auch wirklich mit sehr viel Spaß arbeiten und das finde ich da etwas ganz, ganz Tolles, weil es eben auch Soße offen ist und die Methoden das auch oft hergeben, dass mir eben lachen sollte und dass da ganz viel passiert. Und zusätzlich ist eben noch sehr wichtig, das ist jetzt mittlerweile, glaube ich, keine Eigenheit von Design Thinking mehr. Es wird sehr, sehr viel praktiziert. Dass interdisziplinäre Teams eben gebildet werden, also dass ich nicht mit zehn Designern am Tisch sitze, das bringt mir dann auch nicht viel und auch nicht, dass fünf Ingenieure am Tisch sitzen, sondern habe ich eben noch jemand von der Fertigung, dann habe ich vielleicht noch einen Kunden, einen Zulieferer, jemanden aus dem Management, alle möglichen Stakeholder oder auch mal wirklich den Blick von ganz außen und jemand komplett Unbeteiligtes. Und da passieren dann eben auch ganz, ganz spannende Sachen, wenn man mal mit Leuten spricht, die nicht in der eigenen Filterblase zu Hause sind.
Götz Müller: Das kann ich absolut bestätigen. Auch diesen diesen Punkt, den sie gerade genannt haben, so dieses am Anfang kritisch, das ist auch eine Sache, die ich im Lean-Umfeld immer wieder erlebe, so nach dem Motto „Brauchen wir das wirklich? Müssen wir uns hier wirklich verbessern?“ Und wenn dann eben die Impulse entstehen und die einzeln Gedanken … habe ich es auch ganz oft erlebt, da plötzlich auch von Menschen, von denen man es vielleicht im nächsten Schritt gar nicht erwarten würde, in Anführungszeichen, die Schöpferebene, die ja eher beim Machen zu Hause sind und trotzdem da plötzlich dann Ideen entstehen. Und dann ein Engagement entsteht in der Folge, das mich persönlich auch begeistert, ja, kann ich kann ich sehr stark nachvollziehen.
Anna-Lena Wagner: Ja, und eben in dem Kontext vom Team auch noch dieses Mindset. Also, eines von den Grundprinzipien ist eben auch, dass es keine Einzelkämpfer und keine eigenen Ideen gibt, sondern man entwickelt die Konzepte und Ideen immer so, dass man gegenseitig aufeinander aufbaut. Und am Ende, wenn man daneben sein fertiges Produkt, Prototyp, Strategie, System, was auch immer, hat, dann kann man nicht mehr sagen „Ach, wir haben jetzt die Idee von dem und dem umgesetzt, sondern das ist nachher so ein gemeinsamer Brei irgendwie, wo jeder mal was mit rein gegeben hat und was sich eben so natürlich entwickelt und das ist auch ganz, ganz toll, was da eben in der Gruppendynamik passieren kann und wie die Leute auf einmal sehr, sehr viel offener gegenüber den anderen Teammitgliedern sind, von denen sie am Anfang vielleicht noch gar keine so hohe Meinung hatten und auf einmal hat man da gemeinsam etwas ganz, ganz Tolles entwickelt.
Götz Müller: Eben auch dieser Teamaspekt und ich glaube, das sollten wir dann eben auch, durch wie auch immer gelagerte, Belohnungs-, in Anführungszeichen, Systeme eben entsprechend reflektieren, dass hier nicht die Einzelleistung zählt, sondern dass die Teamleistung zählt.
Anna-Lena Wagner: Genau und ich finde auch durch diese fehlende Konkurrenz quasi, dass es ein sehr, sehr viel angenehmeres Arbeiten ist. Da sind zwei-drei Stunden rum und man merkt es gar nicht, weil man weben so viel lacht und redet und aber trotzdem noch fokussiert und produktiv ist. Und das finde ich einfach das Schöne, weil oft sitzt man ja angespannt am Schreibtisch und schaut nach rechts und links und fühlt sich so ein bisschen abgehetzt und in diesen kreativen Parts, wo man als Gruppe eben funktioniert, da ist das ganz, ganz anders als wenn ich jetzt vor dem PC sitze und mich die ganze Zeit mit meinem Sitznachbarn quasi vergleiche.
Götz Müller: Jetzt eine Frage, die mir noch durch den Kopf ging. Was sind Lerneffekte, Transfereffekte, die Sie bei Ihrem konkreten Anwendungsfall vielleicht begegnet sind, im Schulumfeld? Wo kann ich das, Sie hatten es vorhin ein paar Stichworten genannt, vielleicht auf klassische Einsatzgebiete zurücktransferieren, um dann eben dort den Prozess an sich auch zu verbessern?
Anna-Lena Wagner: Ja, also grundsätzlich ist das jetzt natürlich noch ein bisschen schwierig, weil ich habe ja eigentlich ein Pilotprojekt gemacht, also es gibt es keine langfristigen Erkenntnisse darüber wie Lehrer jetzt im Design Thinking arbeiten. Ich habe ja in dem Bereich auch viel recherchiert und die meisten Sachen, die es gibt sind eben gerade solche Pilotprojekte. Also, da gibt noch wenig Langzeiterfahrung. Meine persönlichen Erfahrungen waren so, dass ich, oder auch Erkenntnisse, dass ich eben gesehen habe, dass man sehr. sehr viel mehr Mut zur banalen Lösung haben sollte. Also gerade auch bei uns im Studium ist es immer sehr wichtig, dass man etwas Innovatives, etwas Großes, Umfassendes, Neues, Tolles macht und den Anspruch hat eigentlich jeder, der dann erstmal mit diesem Prozess startet, weil er eben auch ganz groß Innovation draufstehen hat. Und manchmal sind wir da dann aber so in einem Tunnelblick und sagen „Oh, aber die Schulen haben jetzt alle Tablets und wir müssen jetzt die neuen Medien mit einbeziehen und am Ende macht man dann Brainstorming und es kommt raus, dass es jetzt für den Bereich aber die beste Chance wäre, das den Schülern zu vermitteln, wenn man einfach 10 Minuten im Wald spazieren geht, als banales Beispiel. Und das ist eben etwas, das mir sehr stark aufgefallen ist, da als Workshop-Moderator auch die Leute zu ermutigen die, in Anführungszeichen, banalen Lösungen zu sehen und was damit eben einhergeht, eben dass man dieses Projekt mit unnötig aufbauscht, dass man nicht drauf beharrt, den Prozess komplett durch zu machen oder 20 Methoden anzuwenden, wenn sie gar nicht nötig sind. Was ich mir persönlich noch vorstellen könnte, wo man noch sehr interessante Erfahrung machen könnte, was dann eben auch wieder in den klassischen Bereich zurück transferiert werden könnte. Wenn man das jetzt noch ein bisschen weiter spinnt im Schulkontext und mehr in Teams arbeitet, in denen Schüler, Eltern und Lehrer sind. Ich glaube sehr stark daran, dass wir als Erwachsene und auch als Arbeitende von dem profitieren können, was eben so ein Kinderblick hergibt und so einfache Fragen hergeben. Oft ertappt man sich ja dabei … dann fragt ein kleines Kind irgendwas und man kommt richtig ins Rudern, weil man es gar nicht mehr erklären kann, weil man in seinem, Erwachsenenvokabular schon so hochgestochen ist und das finde ich auch ein ganz, ganz spannendes Thema, das mir jetzt leider in der Zeit natürlich nicht mehr gereicht hat in Angriff zu nehmen, aber ich glaube, da wäre auch noch wahnsinnig Potenzial, um wieder im klassischen Designbereich davon zu lernen.
Götz Müller: Ja, mir kam gerade auch so der Gedanke, im Grunde sind Lehrer ja doch stark auch Einzelkämpfer, zumindest in meinem persönlichen Weltbild. Sie haben halt ihre Klassen, aber ich glaube jetzt nicht, dass unter solchen Überschriften zwischen Lehrern unheimlich starker Austausch herrscht oder habe ich jetzt da vielleicht ein falsches Weltbild?
Anna-Lena Wagner: Also genau das hat meine Recherche eigentlich auch ergeben und gerade dieser Begriff Einzelkämpfer ist in meinen Interviews von Lehrern sogar öfters mal gefallen. Weil es ist wirklich so in ihrem Alltag, sie bereiten ihren Unterricht vor, alleine, stehen vor der Klasse, alleine, und haben auch Schülergespräche im Normalfall alleine, maximal zu zweit oder eben mit Eltern zusammen. Hier passiert aber auch schon Vieles, also es gibt schon Plattformen, wo sich Lehrer austauschen können, gemeinsam Projekte starten können, aber es ist eben einfach noch nicht in der Denke verankert. Also auch in der Ausbildung merkt man das. Es wird relativ wenig eben in Teams gearbeitet im Lehramtsstudium und wenn, dann eben auch hauptsächlich im fachlichen Kontext. Also, das ist mir eben auch gesagt worden von den Studenten. Sie finden das toll, dass man sich da jetzt mal mit ein paar mit ein paar Methoden auseinandersetzt, die sie auch zu Unterrichtsvorbereitung nutzen können zum Beispiel, weil sie eben meistens im fachlichen Bereich unterwegs sind und quasi sie Deutsch, Mathe, Englisch lernen und eben dann Methoden aus dem pädagogischen Bereich, aber zu Prozessen, zu Arbeitsweisen relativ wenig.
Götz Müller: Ja, und wenn ich noch mal so bisschen drüber nachdenke, dann ist im Grunde ja so der Lehrerberuf doch relativ stark schon vorgeprägt, eben durch durch das Studium, durch die Ausbildung, wo ich glaube wenn wir dann mal Lehrer ist und das Amt ausübt, klar, man muss seinen Unterricht vorbereiten, aber vermutlich tappt man ja auch in so eine Falle „Jetzt habe ich es für ein Jahr gemacht, im nächsten Jahr sind halt andere Schüler, aber die Inhalte sind ja jetzt nicht so entscheidend anders“, könnte ich mir vorstellen, so ein bisschen die Ingenieurdenke, dass es vielleicht sogar irgendwann langweilig werden würde.
Anna-Lena Wagner: Ja, also was ich eben mitbekommen habe, gerade durch die Schüler, wird es dann natürlich nicht langweilig, aber die Lehrer müssen sich selber immer sehr stark motivieren, um eben nicht in so einen Trott zu verfallen und engagierte und motivierte Lehrer machen das auch und die gehen auch aufs Fortbildungen und die tauschen sich auch untereinander aus, aber das hat sehr sehr viel mit Eigeninitiative zu tun und wir haben eben in Deutschland auch das Problem, dass die Lehrer immer mehr Kompetenzen zugewiesen bekommen und aber ist Zeitkontingent nicht entsprechend erweitert wird, deswegen haben wir auch so viele Lehrer in Teilzeit. Und deswegen ist es natürlich auch schwer dann zusätzlich noch zu sagen „Jetzt opfere ich meine Freizeit und bilde mich da auch noch fort.“ Also da fehlt dann, würde ich jetzt mal behaupten, politisch noch so ein bisschen Unterstützung auch. Das kann ich jetzt natürlich nicht leisten, aber genau deswegen dachte ich eben, es macht sehr viel Sinn schon ins Studium rein zu gehen und den Studenten da schon mal so ein paar Möglichkeiten an die Hand zu geben, dass die sich später auch leichter tun zu sagen „Ah, da habe ich doch mal was gehört und da schaue ich doch noch mal nach.“
Götz Müller: Ja, und ich glaube, wenn ich es da … es ist auch bei ganz anderen Branchen … glaube auch im Gesundheitswesen zum Beispiel so, da werden im Studium schon so entscheidende Wege festgelegt, wenn ich es da nicht schaffe, dann schaffe ich es hinterher nicht mehr. Das ist so meine Erfahrung, mein Gefühl auch.
Anna-Lena Wagner: Ja, wobei es im Lehrerberuf eben sehr stark ist, dass sich das Vorgehen und die Arbeitsweise im Beruf entwickelt. Also im Studium haben sie dann eben ein Praktikum und nach dem Studium das Referendariat, aber dieses ist richtige Wie gestalte meinen Alltag als Lehrer?, weil Lehrer haben ja einen ganz anderen Alltag als die normale, arbeitende Bevölkerung, sage ich jetzt mal. Die brauchen ganz anderes Zeitmanagement, weil sie eben viele Sachen von zu Hause machen können, aber auch vielleicht nicht wollen, und müssen sich da sehr, sehr viel genauer überlegen, wie sie ihren Alltag managen, als jetzt jemand, der weiße Ok, ich gehe um acht in die Arbeit und bin um sechs wieder Zuhause und dann habe ich Feierabend. Und da sind eben auch diese Selbst-Management-Kompetenzen sehr wichtig, die jetzt im Design Thinking natürlich kein großer Begriff sind, aber durch die Methoden kann man das sehr stark unterstützen. Also im Workshop hatte ich dann ein paar Teilnehmer, die haben dann natürlich auch Ideen gehabt, wie sie es später in der Schule nutzen können, die haben aber auch gesagt „Ich habe da jetzt eine Projekt- oder eine Seminararbeit für die Hochschule, da nehme ich mir jetzt die und die Methode mit und dann mache ich es so, das unterstützt mich jetzt total in meinem Alltag.“ Das meine ich damit, einzelne Methoden oder auch den ganzen Prozess kann man theoretisch überall einsetzen, also auch im Privatleben und eigentlich in jeder Branche. Man muss nur erstmal so einen groben Überblick haben, um dann zu verstehen: Was macht für mich in welchem Kontext Sinn?
Götz Müller: Ja. Sehr spannend. Und im Grunde bestätigt das wieder das, was ich ja schon kurz vorher im Vorgespräch gesagt habe: Das ganze Leben ist Prozess.
Anna-Lena Wagner: Genau, ja.
Götz Müller: Okay. Frau Wagner, ich danke Ihnen. Jetzt sind wir knapp bei einer halben Stunde, da waren unglaublich spannende Themen dabei und ich finde es immer wieder … also mich persönlich begeistert es auch immer, was dann aus Gesprächen entsteht, für Ideen, die dann dazu kommen, wo man auf den ersten Blick vielleicht denken Was hat das jetzt mit Lean und Co zu tun?
Und deshalb ich ja damals auch spontan zugesagt, wo Sie auf mich zukamen und ich finde es klasse, dass Sie jetzt umgekehrt denn Ball mir … oder den Ihnen dann zugeworfenen Ball zurückgeworfen haben. Ich danke Ihnen also noch mal für Ihre Zeit.
Anna-Lena Wagner: Ja, ich danke auch für das tolle Gespräch.
Götz Müller: Ich werde noch ein paar Informationen in den Notizen verlinken. Sie haben da ja auch eine kleine Website aufgesetzt, wo der ein oder andere Zuhörer, wenn es ihn interessiert, da noch etwas lesen kann.
Anna-Lena Wagner: Genau. Sehr gerne. dt-lehrer.de, super einfach. Das ist jetzt quasi das Ergebnis aus meiner Master-Abschlussarbeit.
Götz Müller: Okay, also. Vielen Dank.
Das war die heutige Episode im Gespräch mit Anna-Lena Wagner zum Thema Innovationsprozesse im Bildungswesen. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 106.
Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freue ich mich über Ihre Bewertung bei iTunes.
Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.
Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.