Inhalt der Episode:
- Was sind typische Herausforderungen, die bei der Digitalisierung von Fertigungs- und Produktionsprozessen auftreten?
- Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?
- Wo bestehen Grenzen bei der analogen Datenerfassung?
- Was macht man mit grundsätzlich analogen (=manuellen) Bearbeitungsschritten?
- Welche Lösungen bieten sich dafür an?
- Welche positiven Seiteneffekte ergeben sich noch?
- Welche Rolle spielt der Mensch bei dieser „analogen Digitalisierung“?
Notizen zur Episode:
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Wenn Sie selbst ein interessantes Thema für eine Episode im Umfeld von Geschäftsprozessen haben, können Sie mir das auf dieser Seite mit Vorbereitungsfragen vorschlagen.
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Episode 353 : Digitalisierung für den Schraubstock
Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.
Götz Müller: Heute habe ich Karsten Königstein bei mir im Podcast-Gespräch. Er ist der Gründer und Geschäftsführer von Sinfosy. Hallo Herr Königstein.
Karsten Königstein: Einen schönen guten Abend, Herr Müller. Ich grüße Sie.
Götz Müller: Ich habe schon ein kurzes Stichwort zu Ihnen gesagt, aber stellen Sie sich gern noch mal in zwei drei Sätzen den Zuhörern vor.
Karsten Königstein: Ja, mach ich sehr gerne. Mein Name ist Karsten Königstein. Ich bin Gründer und Geschäftsführer von Sinfosy und neuerdings auch von der Mobile Vision Technology. Mein Hintergrund ist zehn Jahre Produktion-, Logistikberatung, dann habe ich zehn Jahre Software-Firmen aufgebaut und verkauft, eine nach Palo Alto, eine zu Bosch. Bei Bosch war ich dann fast fünf Jahre Vice President für alles, was IOT-Anwendung weltweit war und habe dann festgestellt, dass Bosch das ohne mich viel besser. Habe dann 2015 Bosch verlassen und die Sinfosy Digital gegründet, ja, über die wir uns heute unterhalten werden und die Möglichkeiten, die eben bestehen. Die Sinfosy Digital beschäftigt, sich mit Themen rund um das Thema „Wie kriege ich Informationen von Maschinen?“, weil das war immer das, was uns in der Beratung als Herausforderung vor die Nase gesetzt wurde: „Wie geht es den Maschinen und den Logistikprozessen?“
Götz Müller: Mhm, jetzt ist ja der Firmenname ein Kunstwort, würde ich sagen, und da lohnt sich es vielleicht, da mal kurz reinzugucken, was denn, für was denn Sinfosy steht, als Begriff einfach.
Karsten Königstein: Ja, sehr gerne. Sinfosy steht für, ich versuche dann immer so ein bisschen Kontext reinzubringen, steht für Sensor Information Systems, also es geht darum, wie man aus Sensordaten Informationen generiert. Das ist so der Ursprung, also wie kriege ich aus dem, was eine Maschine mir sagen möchte, dann wirklich die Informationen raus, die mir dann helfen, meine Produktionsprozesse oder Logistikprozesse zu optimieren.
Götz Müller: Genau. Und jetzt gibt es natürlich, wenn man an ganz moderne Maschinen denkt, wahrscheinlich Maschinen, die da sehr gesprächig sind, um es mal so auszudrücken, und wenn wir dann ein bisschen auf unser Thema, auf den Titel der Podcast-Episode referenzieren, gibt es unter Umständen so das ein oder andere Werkzeug kann, jetzt kann man darüber streiten, was ein Schraubstock wirklich ist, aber er ist, glaube ich, in dem Kontext relativ stumm.
Karsten Königstein: Ja, er ist. Und er tut nicht viel. Ich meine, genau so wie Sie es angesprochen haben, Herr Müller, es gibt in der Fertigung sehr viele neue Maschinen und in letzter Zeit leider etwas weniger. Heißt, diese Maschinen, die sind alle mit Sensoren ausgerüstet, die Maschinen haben Schnittstellen. Diese Schnittstellen werden sogar teilweise von Programmen, die die Lieferanten mitbringen, versorgt und die speisen die Programme und liefern dann Informationen, mit denen man dann etwas anfangen kann, wie Taktzeiten, Ausbringung, Rüstzeiten und eine Verknüpfung ins ERP. Wenn wir jetzt aber gucken in der Fertigung, da läuft eine Maschine nicht nur so drei bis fünf oder zehn Jahre, sondern die Maschine kann durchaus auch einmal eine längere Zeit laufen. Wir kennen Maschinen, die auch noch mit Windows 7 betrieben werden oder noch viel älter sind. Der Titel, den wir gewählt haben, ist ja ein bisschen so eine Herausforderung, „Digitalisierung für den Schraubstock“, muss man dann auch schauen, warum muss man das tun, vielleicht erzähle ich dazu so einen kleinen, eine kleine Anmerkung. Wir haben einen Kunden, dieser Kunde fertigt Teile, die Flüssigkeiten beinhalten, wenn diese Teile zusammen montiert werden, dann muss der Mitarbeiter darauf achten, dass die gut verschraubt sind, sonst sabbert das halt raus, wenn das beim OEM dann verbaut wird, was ein OEM nicht gut findet, weil dann seine Produktion unterbrochen ist, bis alles gereinigt ist. Also muss man irgendwie einen Prozess finden, der einem sagt: Okay, an diesem Schraubstock wurde wirklich geschraubt. Ja, und da kommen dann wir ins Spiel mit unseren Retrofit-Lösungen. Wir helfen dann dem Kunden, Informationen von diesem Schraubstock zu bekommen, die dann eben heißen: „Ja, es wurde geschraubt.“
Götz Müller: Ja, und ein Stück weit haben wir das das Problem ja von den Schraubstock aufs Abstrahieren im Sinne von, ja, ich könnte natürlich jetzt einen wunderbar digitalen Schraubstock mir anschaffen, der vielleicht so etwas hergibt, ohne dass man jetzt wirklich wissen, ob es so etwas gibt oder halt andere Lösungen, also bestehende Technik im weitesten Sinne aufrüsten, wäre jetzt mal ein spontaner Begriff, der mir da durch den Kopf schießt.
Karsten Königstein: Ja, dieses Aufrüsten hat ja auch einen englischen Begriff, nennt sich dann „retrofit“, Neuhochdeutsch sozusagen, und da geht es eben darum, um bestehende Technik, bestehende Betriebsmittel oder Maschinen mit Sensoren auszurüsten. Da gibt es vielfältige Möglichkeiten, von der SPS mit Sensor-Lösungen von den großen Herstellern bis hin zu Amazon, die auch Lösungen geliefert haben oder halt auch uns, die das dann auf eine ganz andere Art und Weise, ja, Unternehmen und auch immer den Kunden wieder ein kleines Grinsen ins Gesicht zaubern.
Götz Müller: Aber ich glaube halt der große Vorteil ist, wenn man halt so einen, egal welchen Pfad man geht, aber wenn man diesen Aufrüstungspfad geht, dass man nicht nur unheimlich hohe, unter Umständen, Investitionen hat, in diese ganz neue Technik, sondern dass sich halt im ersten Schritt auch mein bewährter Produktionsprozess ja gar nicht verändert, sondern ich rüste ihn ja nur auf mit Sensortechnik.
Karsten Königstein: Korrekt, die Maschine ist etabliert, die Maschine funktioniert. Die Maschine ist vielleicht sogar abgeschrieben und liefert dann auch noch ein gutes Betriebsergebnis. Trotzdem braucht man Zahlen um seine Fertigung eben, ja, in den Griff zu bekommen. Man muss eben wissen, ja, wann läuft sie, wann läuft sie nicht, wann hat sie denn Probleme, wie häufig hat sie welche Probleme. Hat sie eine bestimmte Taktzeit, die ich erreichen möchte? Verdiene ich mit der Maschine überhaupt noch Geld? Das sind alles so Fragen, die man sich stellt und so etwas kann man natürlich nur dann herausbekommen, wenn man Zahlen aus den Maschinen bekommt, das kriegt man nicht, wenn man eben nur mal in die Fertigung geht und meint: Mhm, heute scheint es ganz gut zu laufen, ich habe ein gutes Bauchgefühl. So funktioniert es im Controlling ja auch nicht. Ich kann meine Firma nicht nur mit einem Bauchgefühl führen.
Götz Müller: Mhm. Wenn man jetzt diesen, ich nenne es mal analogen Weg, obwohl das vielleicht schon ein Widerspruch in sich ist, analoger Weg der Datenerfassung, sich mal dafür entschieden hat, weil man erkannt hat: Okay, ich muss jetzt nicht wahnsinnig viel Geld in die Hand nehmen, muss nicht mein Fertigungs-, Montage oder was auch immer Prozess komplett auf Links drehen, trotzdem könnte ich mir vorstellen, dass man vielleicht mit der ein oder anderen Grenze umgehen muss. Warum das klassisch, zum Beispiel ganz klassisch, jetzt kann man noch mal einen Schritt weiter zurückgehen und sagen, ich stelle dir jetzt jemanden daneben, der halt Papier und Bleistift in der Hand hat, aber da vermute ich mal, gibt es Grenzen.
Karsten Königstein: Ja, Herr Müller, genau die gibt es. Deshalb haben wir ja auch die Lösung von Sinfosy entwickelt. In der Beratung ist es eigentlich ein probates Mittel, sogenannte Multimomentaufnahmen durchzuführen. Das heißt, man schickt eine Horde von Junior-Beratern mit Papier und Bleistift oder Kuli oder Faserschreiber in die Fertigung und lässt diese dann unten Aufschreibungen machen. Man stellt die also neben die Maschine, die Mitarbeiter arbeiten, natürlich nicht so wie sonst, aber sie arbeiten. Das heißt, man hat schon mal die erste Beeinflussung der Mitarbeiter-Maschinen-Kombination und versucht zu ergründen, warum wird genauso gearbeitet wie gearbeitet wird. Man bekommt also auch Zahlen. Das ist machbar, geht mehr oder weniger genau, wenn man Taktzeiten hat, die, ich sage mal, in zwei Sekunden fünfzehn Teile produziert, dann ist das eben mit dem Stift nicht mehr zu machen. Dann weiß man nur noch, die Maschine lief dann und dann und dann und dann lief sie eben nicht, aber wie viele Teile genau produziert wurden, wie es dann eine andere Herausforderung gibt, es vielleicht auf irgendwelchen Zählern, da sind dann die Grenzen. Außerdem sind die Grenzen natürlich dadurch gesetzt, dass man sagt, es ist eine Multimomentaufnahme. Das heißt, man ist nicht 24 Stunden, 7 Tage die Woche neben dieser Maschine oder dieser Maschinen-Mensch-Kombination, um zu gucken, was passiert denn jetzt in der Tagschicht, in der Nachtschicht, liegt es in der Logistik, liegt es an der Maschine oder liegt es an der Temperatur oder woran liegt es denn, dass die Maschine der Nacht einfach mehr ausbringt oder weniger ausbringt als am Tag. Das sind einfach dann nur noch Vermutungen.
Götz Müller: Ja, ich, ich nenne das immer, was Sie angedeutet haben, wenn halt da einer danebensteht, je nachdem wie stark die Beeinflussung ist, man kann es aber grundsätzlich, glaube ich, gar nicht verhindern, dass der Werker in irgendeiner Form, ich nenne das immer die Heisenbergsche Unschärferelation im Produktionskontext. Gut, und wenn wir jetzt, vielleicht haben Sie noch das ein oder andere weitere Beispiel, außer dem Schraubstock, wenn wir uns jetzt auf das noch ein bisschen mehr konzentrieren und dann daraus Lösungen ableiten.
Karsten Königstein: Ja, also wir haben eine ganze Menge Beispiele. Wir haben einen Hersteller, der macht große Kunststoffteile, die werden gehobelt. Ja, der Mitarbeiter oder der Chef kam dann immer morgens rein und fragte, „Na, wie ist es gelaufen in der Nachtschicht?“, „Ja, ja, ganz gut, so wie immer“ und er sieht dann auch an den Produktionszahlen und an den ausgebrachten Stücken, dass die Zahlen halt nicht so sind wie am Tag, aber jetzt muss man eben herausbekommen, wann sind sie so und warum sind sie so wie sie sind. Es gibt ja verschiedene Gründe. Und das kann ja liegen an der Schulung der Mitarbeiter oder in welchen Gründen auch immer, aber man muss es erstmal erfassen und der hat dann unsere Lösung an seinen Maschinen angebracht, interessanterweise, wir haben es ja noch gar nicht erwähnt, wir nutzen ja Handys als externe Sensorquelle, haben wir dort die Lichtsensoren benutzt, um eben vorbeifahrende Teile zu messen und wir hatten sehr gute Taktzeiten. Die Taktzeiten waren eigentlich tags wie nachts gleich, nur die Ausbringung war halt nachts irgendwo bei 30% von der Tagschicht. Und am Ende kam es eben heraus, dass es im innerbetrieblichen Transportwesen lag, warum diese Teile eben nicht mit der Verarbeitungsgeschwindigkeit verarbeitet werden konnten wie sonst, weil die wurden draußen belagert. Draußen war es zu kalt oder zu warm, die Teile brauchten nur eine bestimmte Temperatur und man musste dann eben dem Transport das eben frühzeitig signalisieren, wenn man das nicht gemacht hat, dann hat es halt nicht funktioniert und so einfach ist dann die Lösung am Ende des Tages. Das Interessante, der Kunde hatte eine dritte Maschine bestellt, weil die zwei eben für die Produktionsmengen nicht mehr ausgereicht haben, hätte er aber gar nicht gebraucht, weil jetzt mit den Erkenntnissen und mit den optimierten Prozessen hat er die Maschine auf mehr als das Doppelte an Ausbringung hingebracht, was dann eben auch dazu führt, dass jetzt die zwei Maschinen gut ausgelastet sind, aber nicht so ausgelastet wie vorher und er die Ausbringungsmenge auch hinbekommt.
Götz Müller: Ist im Grunde ein wunderbares Beispiel, wie ich das auch mal wieder erlebe, dass manchmal das Problem in einem ganz anderen, wie soll man das nennen, in einem ganz anderen Bereich liegt wie das, was einem vielleicht im ersten Augenblick in den Sinn kommt, nämlich dass halt an der Maschine vielleicht irgendwas nicht stimmt, aber Sie haben es ja gerade angedeutet, es war eigentlich Logistikproblem.
Karsten Königstein: Das gibt es ganz häufig, dass der erste Eindruck eben dort trügt. Ja, wir haben unseren ersten Kunden in Mexiko, wurde auch immer gesagt, na ja, es funktioniert nicht so, ein rein manueller Prozess wurde schnell erkannt von unserem Partner Baine, dass das eine manuelle Verpressung war, aber es war nicht klar, warum ist diese Maschine das Bottle Neck, aber die Aufnahme hat halt ergeben, allein nach zwei Stunden Aufnahme, dass an dieser Maschine eine Dame arbeitete, die wirklich die Beste war in dieser Maschine, die hatte trotzdem nur 54% Maschinenauslastung, hatte aber eine Taktzeit von 2,54 Sekunden für einen manuellen Prozess, also irgendwie in zwei Stunden mehr 2000 Teile produziert, was dann dazu geführt hat, dass trotzdem nicht mehr auf Ausstoß passiert, weil wenn man an der Engpassmaschine nicht schneller wird, dann muss man halt schauen, wie man es anders hinbekommt. Und na ja, die Lösung ist dann relativ einfach, man muss halt zwei Maschinen hinstellen an diesen Engpass. Aber man muss erstmal rausbekommen, warum geht es nicht und mehr als 2,54 Sekunden, wenn man sich das überlegt, wie viele Handgriffe kann man in dieser Zeit machen, das geht halt nicht, egal wie flink diese Dame mit ihren Händen ist. Ja, und das waren auch Damen, das haben wir häufiger, gerade in der Lebensmittelindustrie oder in der Qualitätssicherung, dass Damen eben so schnelle Arbeiten ausführen, die Männer dann eher die etwas robusteren Aufgaben und weniger filigrane und weniger schnellen Aufgaben, haben wir festgestellt.
Götz Müller: Grobmotorik fällt mir da als etwas gehässiges Stichwort ein.
Karsten Königstein: Ja, es gibt halt, es gibt halt solche Herausforderungen in der Ergonomie und ja
Götz Müller: Ja, und es ist aber auch noch mal, finde ich, ein schönes Stichwort, auch wie ich das immer wieder erlebe, dass man halt die Physik im Grunde halt nicht überwinden kann, sondern ich muss halt in einen anderen, nennen wir es mal ganz abstrakt Kontext ausweichen, weil zum Beispiel, wenn ich irgendetwas schleife, wenn ich irgendetwas drehe, da wirken physikalische Effekte, da ist einfach die Grenze der Physik manchmal erreicht und wenn ich dann dort etwas verbessern will, so wie Sie es jetzt angezeigt haben mit mechanischen, also menschlichen Tätigkeiten, ist halt einfach die Grenze, und ich muss das aber erst mal erkennen, dass ich dort vor dieser Grenze stehe, oder?
Karsten Königstein: Das ist korrekt. Man muss erstmal, man braucht die Zahlen, das ist einfach so, man muss die Information von der Maschine haben: In welcher Schicht wird denn wie gerüstet? Wie sehen denn die Rüstprozesse aus? Und dann kann man erst sagen, okay, der ein oder andere Kollege kann von dem anderen etwas lernen? Meistens können beide voneinander lernen, wenn man in zwei Schichten arbeitet, der eine Macht halt diesen Teilaspekt besser, der andere den anderen. Vielleicht haben sie beide die gleiche Rüstzeit aber trotzdem, wenn man sie mal zusammenpackt und zusammen einen Best-Practice-Prozess erarbeiten lässt, dann funktioniert es auch und die, ja, die Rüstprozesse danach sind viel robuster und viel besser und viel schneller als sie vorher waren.
Götz Müller: Jetzt hatten sie ja angedeutet, dass sie als Sensoren Smartphones verwenden und da geht mir natürlich jetzt als Ingenieur ein bisschen, ja, schon fast das Herz auf und da möchte ich auch noch ein bisschen nachbohren, damit vielleicht die die Zuhörer da auch eine Vorstellung haben, was man mit so etwas, ja, vielleicht auf den ersten Blick völlig fertigungsfremden, sensorfremden, um mal so einen Begriff zu verwenden, was man damit aber doch machen kann.
Karsten Königstein: Ja, als ich mit der Sinfosy angefangen habe, habe ich auch angefangen, eigene Hardware zu entwickeln, mit Raspberry Pi und mit Arduino und allem Möglichen. Man stößt aber schnell an die Grenzen von dieser Hardware, weil die eben entweder nicht zur performant sind oder die Sensoren nicht gut sind oder es dann Plattform-Entwicklungsthemen gibt, man muss die Software verteilen und all diese Themen. Und es gibt aber eine Sensorquelle, die sehr, sehr gut ist, die sehr viele positive Eigenschaften hat und das ist so ein Handy. Lustigerweise ist es wirklich ein Standardhandy, es gibt Handys zum Beispiel von der Firma Samsung, die IP 68 sind, die kann ich ja auch unter Wasser betreiben, die Militärstandard haben, die können auch runterfallen. Derzeit ist das die sogenannte X Cover 7 Serie, die werden auch tauchdesinfiziert in Krankenhäusern und die haben wie jedes Handy ungefähr ein Dutzend Sensoren. Ja, also zu diesen Sensoren gehören halt neben einem Beschleunigungssensor, der zum Beispiel meine Schritte misst. Ja, das ist wieso ein Fitness Tracker, so kann man sich das vorstellen, das Handy in der Produktion. Dazu gehören weiterhin die Themen Lichtsensor, wenn sie das Handy ans Ohr führen, dann wird es abgedunkelt, das ist ein Sensor mit einer Auflösung von einem Lux, also sehr, sehr, sehr fein, dann haben Sie das Thema eines Magnetfeldsensors für den Kompass, also 40 Mikrotesla ist so das Erdmagnetfeld. Sie können also mit so einem, ja, ich sag mal profanen Handy messen, ob ihr Handy über ihr Ladekabel gerade geladen wird. So genau ist dieser Sensor. Es gibt ganz viele weitere Sensoren, einen barometrischen Höhensensor, den wir eigentlich gar nicht nutzen. Die Kamera nutzen wir im Umfeld von der Mobile Vision Technology, wo wir Vision-Systeme basierend auf Handykameras bauen, was natürlich einen extrem großen Preisvorteil hat, so wie auch bei diesen anderen Systemen. So ein Handy kostet etwa 300€, was wir einsetzen für das Thema Beschleunigungssensor oder Lichtsensor. Und mit diesen Sensoren, also wo kriegt man ein Sensorsystem für 300€ her, dass einem gleich IT-fähige Daten erzeugt, die dann auch gleich in die Cloud geschickt werden können, entweder über Wi-fi oder auch über GSM, also über normale Handydaten. Ja, da ist man sehr, sehr breit aufgestellt, zusätzlich hat man noch so etwas wie sehr großen Speicher, eine Verarbeitungskapazität in Form von 8-Core-Prozessoren, die nutzen wir auch, berechnen die Daten. Wir reinigen die Daten, wir verpacken und verschlüsseln die Daten, bevor wir sie in die Cloud schicken, so dass wir nicht nur sicher sind, sondern auch schnell und datengünstig. Wir nutzen die Batterie und ein Handy können Sie auch mal einen ganzen Tag ohne Strom laufen lassen, Sie können es mobil einsetzen, heute an der Maschine, morgen an einer anderen Maschine. Das sind einfach unglaubliche Vorteile, die so ein Handy bietet, die man mit einem herkömmlichen Sensorsystem an SPS angeschlossen und dann versucht über OPCOA oder wie auch immer die Daten rauszuholen, gar nicht hinbekommt, auch in einer Geschwindigkeit, wir sagen „Ja, jede Maschine digitalisiert in drei Minuten, das geht und das tun wir auch“.
Götz Müller: Und ich höre aus so ein bisschen indirekt raus, man kann sich, viel stärker vermutlich, auf die reine Software-Applikation konzentrieren, weil man halt gar nicht in die gar nicht in die Verlegenheit kommt an dem Sensor rumschrauben zu müssen, wie man das vielleicht so ein bisschen in Richtung Happy Engineering, wenn man also so alles aus einer Hand macht, ja, ganz leicht, so kenne ich das von früher, ganz leicht diese Gefahr besteht.
Karsten Königstein: Ja. Ja, das ist genau richtig. Dieses Handy ist halt ja, halt fast ein Rundum-Sorglos-Paket. Wir müssen also nur die Daten in die Cloud bekommen, das machen wir auch. Wir nutzen natürlich hier für Europa nur Clouds, die nicht nach Amerika spiegeln, weil da hätten wir dann gleich mit unseren Großkonzernen ein Problem, also Telekom oder Ionos ist das für uns, wo die Daten dann eben auch bei uns bleiben. Und, ja, ich kann dann die Daten und Informationen, die ich gewinne, dann eben auch sofort über cloudbasierte Services bei mir im Unternehmen anzeigen. Das heißt, ich habe gar keine Herausforderung jetzt irgendwie eigene Server, eigene Rechner, eigene Verarbeitungskapazität, das ist alles bei uns drin. Deshalb geht es eben auch so, deshalb geht es in drei Minuten und es geht wirklich für jede Maschine und wie wir eben kurz diskutiert haben, auch für das Thema Schraubstock, der ja nun wirklich definitiv ohne Sensor ab Werk geliefert wird und wo man dann auch mit Sensoren ein größtmögliches Problem hätte, diesen zu digitalisieren.
Götz Müller: Mhm, jetzt haben wir natürlich sehr viel über Technik gesprochen, an ein, zwei Stellen hat es sich angedeutet, Faktor Mensch, ich vertiefe das immer ganz gern noch, um auch an der Stelle, vielleicht den ein oder anderen Vorbehalt, schon auszuräumen und so ein bisschen die, ja, vielleicht auch wieder eine komische Frage: Welche Rolle spielt, ich nenne das jetzt mal so, der Mensch bei dieser „analogen Digitalisierung“?
Karsten Königstein: Na ja, der Mensch ist immer noch im Zentrum. Ja, solange Tesla seine Roboter noch nicht ins Feld führt, denen das dann völlig egal ist oder die die Sensoren selber mitbringen, gibt es den Menschen und es gibt immer Vorbehalte von Menschen, dass sie überwacht werden, dass sie, na ja, irgendwie, ja, Privatsphäre aufgeben müssen. Deshalb haben wir immer eine kleine Besprechung mit dem Betriebsrat. Das ist halt so. Es ist aber eigentlich in jedem Unternehmen so, wenn Digitalisierung oder Informationsgewinnung aus Maschinen ansteht, es wird immer, immer, immer mit dem Betriebsrat geredet. Das ist auch richtig so, um die Ängste eben bei den Mitarbeitern zu nehmen, um die Ängste zu nehmen, dass wir die Kamera nutzen würden, um Mitarbeiter zu überwachen, dass wir das Mikrofon nutzen würden, um die Mitarbeiter abzuhören, oder oder oder. Das ist überhaupt gar nicht das Ziel. Das Ziel ist eigentlich, die Unternehmen in Deutschland und vielen geht es im Augenblick wirklich nicht so gut, die wieder wettbewerbsfähig zu bekommen. Dass die Maschinen besser laufen. Dass die Anlagen besser laufen, dass man den Mitarbeitern helfen kann, die ja Verfügbarkeiten hochzubekommen, die Taktzeiten hochzubekommen, um eben wertfreie Arbeiten, nicht-wertschöpfende Arbeiten herauszunehmen aus dem Prozess. Aber dafür muss man den Prozess verstehen, dazu muss man ihn kennen, und erst dann kann man eben diesen Prozess auch optimieren, und dafür liefern wir die Informationen.
Götz Müller: Ja, jetzt zum Abschluss noch die Frage, wo kann man mehr über das Thema erfahren?
Karsten Königstein: Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Wir würden uns immer freuen, wenn Sie uns auf LinkedIn folgen, also Sinfosy, wenn Sie das eingeben, werden Sie uns finden. Unsere Webseite ist www.sinfosy.com, also Sensor Information Systems und abgekürzt SINFOSY. Wir freuen uns immer, wenn Sie darüber auch mal ein kostenloses Webinar mit uns buchen. Das geht auf der Webseite direkt. Dann zeigen wir Ihnen auch anhand Ihrer Herausforderung, wie man Ihre Maschinen digitalisieren kann. Wir haben quasi schon jede Maschinen, die man sich so vorstellen kann, digitalisiert. Ja, also es gibt ganz viele Möglichkeiten, mit uns in Kontakt zu treten. Sie finden uns auch, wenn Sie Maschinen-Digitalisierung eingeben in Google sehr einfach oder wenn Sie das Thema Indoor-Lokalisierung, das ist die andere Lösung, also wir geben Ihnen, liefern Ihnen Spaghetti-Diagramme innerhalb eines Tages von Ihren Wegen, dass Sie quasi Process Discovery machen können, also wir haben ein ziemlich breites Portfolio, um Informationen aus der Fertigung zu liefern.
Götz Müller: Mhm, jetzt geht mir gerade noch mal vielleicht eine ein bisschen verrückte Idee durch den Kopf, wir könnten ja jetzt hier eine Challenge aufrufen, wer hat ein noch dümmeres Ding an der Brust, in der Hand, wie einen Schraubstock und möchte das gern digitalisieren.
Karsten Königstein: Ja, das wäre natürlich eine schöne Idee, vielleicht wäre sowas wie ein Hammer noch eine Möglichkeit, der ja dann am Ende des Tages, na ja, überhaupt nicht mal mehr eine Schraube hat, die man anziehen kann. Das ist bei einem Schraubstock ja noch anders. Ich denke, dass aber so ein Hammer auch sehr einfach zu digitalisieren ist, einfach da, wo man eben dagegen klopft. Ich hatte mal ein Projekt in einer Werft, da haben wir immer gesagt: Okay, wenn die Konstruktion nicht funktioniert hat, hört man das in der Fertigung. Die haben dann nämlich mit den großen Vorschlaghämmern versucht diese dicken Platten, Bleche haben sie es genannt, bis 70 Millimeter, hinzudengeln, was eine gewisse Herausforderung dargestellt hat. Das hörte man dann immer, weil wir direkt neben der Produktion ein Büro hatten. Also so etwas zu Beispiel zu digitalisieren wäre vielleicht mal eine schöne Aufgabe für uns, aber es muss natürlich den richtigen Kontext und die richtige Aufgabe sein, dass man so etwas auch tut. Man digitalisiert nicht um des Digitalisierensswillen, sondern um eben Informationen aus der Fertigung zu bekommen, um diese dann eben zu optimieren, weil Daten kosten halt auch Geld und das ist einfach so.
Götz Müller: Ja, das war jetzt ein wunderbares Abschlussstichwort. Was ich leider auch zu oft erlebe, Digitalisierung um der Digitalisierung willen, ohne sich vorher überlegt zu haben: Warum denn? Also und von daher danke ich Ihnen für Ihre Zeit heute.
Karsten Königstein: Ja, Herr Müller, vielen herzlichen Dank auch, dass ich hier heute Gast sein durfte. Und, ja, ich freue mich auf Feedback und wenn Sie noch Fragen haben, kommen Sie gerne auf mich zu, oder den Herrn Müller, der kann Ihnen sicher auch einige Fragen dazu beantworten.
Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Karsten Königstein zum Thema Digitalisierung für den Schraubstock. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 353.
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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.
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