Inhalt der Episode:
- Was sind typische technische Risiken, über die wir sprechen werden?
- In welchen Bereichen spielen technische Risiken und der Umgang damit eine besondere Rolle?
- Welche Prozesse existieren im Umgang mit technischen Risiken?
- Was sind die (besonderen) Anwendungsgebiete von HAZOP-Analysen?
- Wie unterscheidet sich eine HAZOP-Studie von einer FMEA?
- Welche Gründe gab es, eine neue Methode einzuführen?
- Wann kommt das eine bzw. das andere zum Einsatz? Wie bauen die beiden Methoden ggf. aufeinander auf?
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Episode 368 : Prozesse im technischen Risikomanagement
Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.
Götz Müller: Heute habe ich Stefan Gölzner bei mir im Podcast-Gespräch, er ist Berater für technische Risiken, Brandschutz und Explosionsschutz. Hallo Stefan.
Stefan Goelzner: Hallo Götz.
Götz Müller: Ja, schön, dass du heute dabei bist. Ich habe ja schon ein kurzes Stichwort zu dir gesagt, aber stell‘ Dich gerne nochmal den Zuhörern in zwei, drei Sätzen vor.
Stefan Goelzner: Ja, vielen Dank, Götz, für die Einladung. Ja, ich bin technischer Berater, moderiere technische Risikoanalysen im Bereich HAZOP und dazu habe ich ja noch eine Ausbildung als Brandschutz- und Ex-Schutzbeauftragter.
Götz Müller: Ja, was ja unter Umständen auch technische Risiken sein können.
Stefan Goelzner: Genau, auf jeden Fall.
Götz Müller: Und das vielleicht aber noch mal zum Einstieg, um so ein bisschen den Rahmen auch aufzuspannen: Was sind denn typische, wenn man davon reden kann, was sind denn typische technische Risiken und wo spielen die dann auch eine Rolle im Sinne von Umgang und warum denkt man überhaupt darüber nach?
Stefan Goelzner: Genau, was sind typische Risiken? Also zum Beispiel die klassischen Risiken sind Produktionsrisiken, Qualitätsmängel, Lieferkettenunterbrechungen zum Beispiel. Oder auch aktuell, was jetzt immer mehr in den Fokus gekommen ist, sind so Sicherheitsrisiken durch Cyberangriffe oder auch Naturkatastrophen, also Überschwemmungen oder Brände dann. Und weniger, also mehr im Umfeld von der Produktion, intern gibt es natürlich auch Systemausfälle, dass da mal Maschinen ausfallen oder auch Software ausfällt. Dann gibt es natürlich auch Betriebsrisiken, wo Energie ausfällt oder auch ganz normal die Menschenrisiken, dass Bedienungsfehler oder Wartungsfehler passieren.
Götz Müller: Also im Grunde, ja, ein bisschen übertrieben ausgedrückt, man kann eigentlich fast nichts ausschließen, oder? Weil im Grunde ohne Technik geht fast gar nichts mehr und dementsprechend sind technische Risiken in irgendeiner Form auch immer dabei. Und so Umweltthema kommt mir natürlich spontan Fukushima in den Sinn, wo es halt erstmal, in Anführungszeichen, nur eine große Welle war.
Stefan Goelzner: Ja, genau. Oder auch jetzt, wo Stromausfälle passieren oder auch kleinere Überschwemmungen, auch hier in Europa dann zum Beispiel. Und wie du sagtest, die Risiken werden immer ein bisschen größer. Das kommt immer ein bisschen darauf an, weil einfach die Prozesse auch einfach komplexer werden. Wir haben viele Lieferketten, wo wir auch schon mal ein Beispiel hatten, wo wir das große Problem hatten mit der Lieferkettenunterbrechung, weil wir einfach global heute aufgestellt sind, aber auch die Maschinen werden immer komplexer mit vielen Abfragen, Software-Sachen, aber auch ganz normal der Mensch, der ist ja auch nicht unfehlbar und kann natürlich auch Bedienfehler oder Wahrnehmungsfehler machen, warum auch immer das passiert dann.
Götz Müller: Wenn man sich jetzt den Umgang mit technischen Risiken anschaut, kann man darüber reden, man handelt dann in irgendeiner Form, wenn man Risiken identifiziert hat oder eben auch, wenn man sie nicht identifiziert hat und sie dann auftreten. Und das ist ja meine persönliche Prozessdefinition, Kombination aus Handeln und drüber reden. Und da jetzt an dich, an den Fachmann die Frage, welche Prozesse habe ich eben im Umgang mit technischen Risiken? Mag jetzt natürlich eine sehr allgemeine Frage sein.
Stefan Goelzner: Ja, also vielleicht sollten wir erst mal gucken, wo das auftreten könnte und in welchen Bereichen. Da haben wir schon so ein bisschen gesprochen, aber wenn man speziell in die Branchen reinkommt, in diesen komplexen Bereichen, wie Energieversorgung, Medizinbereich, IT heutzutage, aber auch Luft- und Raumfahrt und Autoindustrie, genau. Und welche Prozesse mit dem Umgang spielen erst eine Rolle? Zunächst muss man erst mal wissen, dass da ein Risiko entstehen kann. Und dass sich auch eingestehen und klar sein. Und das Ganze bewerten dann. Das ist erst mal der wichtigste Schritt. Und das Ganze organisieren und auch Priorisierung draufsetzen. Es gibt ja so die Formel Risikobewertung, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Risiko eintreten kann und wie groß ist die Auswirkung. Wenn man das multipliziert, dann ist das Risiko in dem Sinne. Genau. Und wenn man das gemacht hat, dann sollte man sich überlegen, wie man das Ganze minimiert. Da gibt es ja dieses STOP-Prinzip, also erstmal das Risiko gar nicht aufkommen lassen. Oder ich plane natürlich, wie ich technisch oder auch sanatorisch das Risiko minimieren kann und kontrollieren kann. Und im nächsten Schritt ist es dann wichtig, das Ganze auch zu dokumentieren, darüber zu sprechen, also auch über die Fehler, die menschlichen Risiken, die wir da haben. Also, dass man auch mal sagt, okay, da ist etwas falsch gelaufen in der Bedienung, da müssen wir das irgendwie absichern, das Ganze. Und der nächste Schritt wäre dann, dass wir das Risiko überwachen. Also, wenn ich weiß, da kann ein Risiko auftreten oder ein Fehler, dann muss ich natürlich auch einen Prozess installieren, dass ich die Warnmeldung kriege. Und im letzten Schritt muss ich natürlich auch meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen trainieren, dass ich Notfallmanagement habe, falls was passiert, damit ich weiß: Okay, da kann jetzt etwas Größeres passieren, wie gehe ich damit um und wie reagiere ich darauf, auf das Risiko?
Götz Müller: Jetzt geht mir in dem Kontext die Frage durch den Kopf und mag natürlich auch wieder sehr allgemein sein: Gibt es besondere Anwendungsgebiete oder eben, und das ist dann fast schon meine Vermutung nach deinen Ausführungen, dass man eine HAZOP-Analyse im Grunde für alles einsetzen kann? Oder eben die Frage an den Fachmann, gibt es irgendwas, wo man sagt, nee, da lassen wir dann doch eher die Finger davon?
Stefan Goelzner: Also das HAZP kommt ja eher von der Geschichte her aus der Chemie und der Petrochemie, weil man damals komplexe Verfahrenstechniken hatte, wo man zum Beispiel Pflanzenschutzmittel herstellen wollte, wo man gar nicht so wusste, in den 60er-Jahren, was passiert eigentlich jetzt, wenn ich verschiedene Stoffe mische und erhitze und transportiere, zum Beispiel. Da kommt eigentlich das HAZOP her. Ja, genau. Und das hat man dann weiterentwickelt und weil es eine relativ große, komplexe Anwendung ist, es gibt auch noch andere Analyse-Methoden und natürlich auch Methoden, wie man Risiko bewerten kann. Zum Beispiel eine Checkliste, ist relativ einfach und schnell gemacht. Die FMEA oder die HAZOP, die ist ja immer komplex, weil man ja auch immer viele Menschen hat, die einen da unterstützen bei diesem Prozess.
Götz Müller: Jetzt vielleicht eine ziemlich dumme Frage. Da oute ich mich wahrscheinlich jetzt als blutiger Laie. Du hast gerade die 60erJahre angedeutet. Ich könnte jetzt nicht aus dem Kopf raus sagen, wann die FMEA entstanden ist. Möglicherweise ist die HAZOP sogar älter als die FMA. Auf was ich aber raus will, ist, dass hier zwei, nennen wir es mal verschiedene Verfahren oder überhaupt zwei Verfahren gibt, muss es ja Unterschiede geben. Und ich gehe mal davon aus und gehe mal erst von mir selber aus, ich kannte HAZOP vorher nicht. FMEA ist eher ein Thema, mit dem man, in Anführungszeichen, tagtäglich zu tun hat im Kontext Prozessoptimierung, auch im Kontext Lean Management und Co, weil eben auch im Automobilkontext entstanden, was sind so die Unterschiede zwischen HAZOP und einer FMEA?
Stefan Goelzner: Genau, du hast es richtig gesagt. Die FMEA ist eher, so kennt man aus der Automobilindustrie, da wollte man einfach bewerten, welche Fehler möglicherweise in Systemen und Produkten oder auch in Prozessen entstehen können, bei komplexen Prozessen und Produkten, und was sind deren Auswirkungen? Und das Ziel von der HAZOP ist eher, man kann sich das so ein bisschen vorstellen, wie morgens bei der Kaffeemaschine mit Stoffen. Also ich will oder möchte meinen Kaffee kochen, dazu sind ja verschiedene Prozessschritte nötig. Ich muss mein Wasser erhitzen, ich muss eine gewisse Menge an Kaffee in die Kaffeemaschine, in den Siebdruck reinfüllen und ich muss unter einem gewissen Druck mit einer gewissen Solltemperatur den Kaffee dann brühen, sonst schmeckt der Kaffee morgens nicht oder man hat dann schlechte Laune. Und darauf geht eigentlich eher die HAZOP ein, also auf Prozesse, wo Stoffe transportiert, erhitzt, unter Druck bearbeitet werden. Und dann gerade bei komplexen Systemen. Und in der HAZOP legt man immer erst mal eine Systemgrenze fest, in welchem Bereich ich das bewerten will. Und dann lege ich die Sollfunktionen von diesem Prozesswert fest und sage dann, welche Gefahren oder welche Abweichungen können überhaupt entstehen, wenn jetzt die Temperatur zu hoch geht oder der Druck zu hoch, zu niedrig. Und dann legt man die Auswirkungen fest und im nächsten Schritt dann die Maßnahmen, wie man diese Auswirkungen minimieren kann oder ganz abstellen kann.
Götz Müller: Also ich höre auch aus, jetzt mal mit meinen Worten wiedergegeben, der Ausgangspunkt ist ein Prozess. Während man bei der FMEA ja eben von Konstruktionen, von Systemen reden kann, durchaus auch die Prozessvariante haben kann. Und jetzt bei dem, was du gesagt hast, habe ich eben rausgehört, HAZOP orientiert sich an einem Prozess. Ihr guckt euch weniger oder zumindest nicht primär ein Produkt an, sondern eher eben im Sinne von, wenn das ein Produkt ist, was produziert wird, sprich ein Produktionsprozess, dann schaue ich mir wieder den als Ausgangspunkt an. Lässt sich das so zusammenfassen, umschreiben?
Stefan Goelzner: Ja, kann man so sagen. Also ich gucke mir nicht, bei der FMEA, würde ich mir jetzt am Beispiel der Kaffeemaschine wieder angucken, was könnte jetzt ein möglicher Fehler sein, welche Auswirkungen sind das, wenn jetzt zum Beispiel die Temperatur nicht funktioniert oder der Sensor für die Temperatur kaputt ist. Und bei HAZOP gehe ich eigentlich den ganzen Prozess durch. Also ich grenze das erstmal ein und sage, das ist jetzt meine Kaffeemaschine. Ich möchte da das Wasser auf so und so viel Grad erhitzen. Und ich möchte so und so viel Gramm an Kaffeepulver zuführen. Und das muss an diesen Druck dann in die Kaffeetasse gedrückt werden. Und so gehe ich dann durch. Und dann das Besondere bei HAZOP ist, ich habe gewisse Leitwörter, also mehr oder weniger oder viel und stärker oder zu hohe Temperatur, zu niedrige Temperatur, Druck hoch, Druck niedriger. Und das kombiniere ich mit der Sollfunktion. Also Beispiel, was passiert, wenn die Temperatur zu hoch ist oder zu niedrig? Was sind die Auswirkungen?
Stefan Goelzner: Entweder verbrühe ich mich zum Beispiel oder der Kaffee wird kalt, wenn ich es ganz einfach jetzt nehme. Oder er schmeckt mir gar nicht. Und was könnte ich jetzt als Maßnahme machen, damit das nicht passiert. Ich könnte einen Sensor zum Beispiel einbauen. Und so hangelt man sich mit Experten, wo man sitzt, das ist, glaube ich, das Gleiche oder ähnlich wie bei der FME. Man sitzt mit verschiedenen Experten am runden Tisch und diskutiert das dann. Was könnte passieren? Und da ist aus jeder Fraktion dann auch der Experte dabei, eine Sicherheitsfachkraft, wenn das jetzt diese komplexen Systeme sind, wie zum Beispiel ein Kraftwerk oder der Brandschutz-Experte oder der Ingenieur. Und jeder geht aus seiner Perspektive dann darauf ein, was könnten die Auswirkungen sein und wie kann ich das abstellen und als Moderator hat man die Aufgabe, das Ganze zusammenzufassen und zu dokumentieren dann.
Götz Müller: Ja, okay, okay, spannend. Also im Grunde, ein bisschen sehr vereinfacht ausgedrückt, ist eine HAZOP eine spezielle, könnte man es als eine spezielle Form oder eine Alternative einer Prozess-FMEA bezeichnen? Kann man das so ausdrücken?
Stefan Goelzner: Ja, bei HAZOP guckt man eher auch auf die Schnittstellen. Also wenn ich jetzt eine komplexe Müllverbrennungsanlage habe, was passiert an der Schnittstelle? Also bei der FMEA könnte ich jetzt jedes Gewerk für sich betrachten oder jede Maschine. Und bei HAZOP gucke ich, was passiert mit dem Stoff, wenn ich das einfülle in eine Müllverbrennungsanlage oder in eine Papierfabrik, mit welcher Temperatur sollte das in den Ofen gehen? Und was passiert, wenn der Ofen zu heiß oder zu kalt ist? Oder wenn die Menge zu groß oder so wird? Was passiert auch an diesen Schnittstellen? Weil jeder für sich macht auch ein CE-Kennzeichnung für seine Maschine, aber gerade auf den Schnittstellen, was passiert mit den Stoffen da, das ist immer das Interessante. Und oft ist man ja so auch, ich sage mal in Anführungsstrichen, gefangen in seinem Bereich. Man ist also ein bisschen betriebsblind vielleicht oder kennt auch nicht, was über den Systemgrenzen passiert oder überhaupt darüber hinaus passiert. Und da hat die HAZOPO einfach die Chance, dass man einfach guckt, was sind so offene Fragen oder was sind erforderliche Anforderungen jetzt an der Sicherheit dann.
Götz Müller: Ich höre jetzt auch raus, korrigiere mich da gerne, weil es gibt ja auch die System-FMEA, wo ich das System anschaue in seiner vermeintlichen Umfänglichkeit und dann aber natürlich ein Stück weit bewusst aufhöre und sage, das behandeln wir später vielleicht in der Prozess-FMEA oder in der untergeordneten FMEA. Und ein bisschen habe ich bei dir jetzt rausgehört, dass ich das bei einer HAZOP nicht mache und dann möglicherweise halt dort bestimmte Dinge, weil ich so einen umfassenden Blick auf das Thema werfe, dass ich vielleicht da weniger Gefahr laufe, dass mir irgendwas zwischen die Ritzen fällt.
Stefan Goelzner: Ja, das muss man immer im Vorfeld abstimmen. Also es gibt ja verschiedene Phasen in der HAZOP. Als erstes muss ich erstmal das Ziel festlegen und auch das System eingrenzen, was ich betrachten möchte. Also gerade bei komplexen Anlagen, das sind ja große Anlagen, da sprechen wir nicht nur von der Kraftmaschine, sondern von der Müllverbrennungsanlage oder von der chemischen Anlage. Da muss man wirklich sagen, welches System betrachten wir jetzt. Und das kann auch mitunter, wenn das große Anlagen sind, ein paar Wochen schon dauern. Und wenn ich das eingegrenzt habe, dann besorge ich mir alle Informationen an Dokumenten, die ich habe, also Planungsunterlagen, Schemaetests von Rohrleitungen, Sicherheitseinrichtungen, was da vorhanden sind, Zeichnungen, also alle Informationen, die ich irgendwie habe, und lege dann auch fest, was ich betrachte mit den jeweiligen Fachexperten. Und kann auch dann mit dem Auftraggeber vielleicht auch abstimmen, was wollen wir jetzt wirklich noch klären. Wo sind offene Fragen? Weil das Ergebnis aus dieser HAZOP ist ja zum Beispiel, dass ich ein Betriebslandbuch für das Wartungspersonal erstellen kann. Was passiert, so wie wir es auch kennen, wenn wir in den Baumarkt gehen und eine Maschine kaufen, wo hinten dann irgendwo in der Betriebsanleitung drinsteht, wenn der Fehler auftritt, müssen sie das und das machen. Und so kann ich aus der HAZOP im Großen auch für gewisse Vorgänge, für das Wartungspersonal oder für das Bedienpersonal zum Beispiel, Maßnahmen oder Verfahrensanweisungen schreiben. Wenn dieser Fall eintritt oder diese Abweichung, müssen diese Maßnahmen erfolgen dann. Das wäre eine Aufgabenstellung zum Beispiel. Eine andere Aufgabenstellung wäre zum Beispiel, weil es einfach von Gesetzgeber und Verordnungen vorgeschrieben ist, gerade bei diesen komplexen Anlagen, bei Chemie oder auch Energie, wo das einfach von der Störfallverordnung zum Beispiel auch vorgeschrieben wird, dass so eine gewisse Risiko-Ermittlung-Analyse auch gemacht werden muss und dass das auch Voraussetzung ist für die Betriebserlaubnis dann.
Götz Müller: Jetzt ist für mich ein, in der FMEA, das ist halt so ein bisschen meine Welt, ein, ich würde sagen, relativ zentrales Element ist, dass ich ja diese Erstbewertung mache und dann anhand der Risikokennzahl zum Beispiel eben feststelle, um die und die und die Dinge sollte ich mich vorrangig kümmern, weil entweder die Eintretenswahrscheinlichkeit oder die Auswirkungen oder die Entdeckungswahrscheinlichkeit mich in die Richtung drängt. Und dann definiere ich auch Maßnahmen und mache dann nochmal eine Bewertung – natürlich ein Stück weit immer theoretischer Natur, weil die Risiken ja, sonst wäre es ja kein Risiko, sonst ist ja der Ernstfall, ja im Idealfall nie eintreten und trotzdem mache ich mir vorher Gedanken, gibt es sowas vergleichbar bei HAZOP auch?
Stefan Goelzner: Ja, also ich kann da auch in verschiedenen Phasen das Ganze machen. Ich sollte natürlich schon ein gewisses Material vorhanden haben, damit ich das bewerten kann. Aber ich habe auch am Ende Maßnahmen, die ich zu verschiedenen Zeitpunkten natürlich auch überprüfen kann. Also es gibt ja auch immer wieder Planungsbestände, Revisionen, wo ich immer wegarbeite und wie ich die HAZOP in der Planung gemacht habe, dann kann ich natürlich auch im Aufbau, wenn ich in die Hardware gehe, nochmal überprüfen, die Maßnahmen, die ich jetzt da eingebaut habe, wenn ich so einen kleinen Prozess mal durchfahre oder die ersten Inbetriebnahmen mache, dann kann ich ja schon mal überprüfen, die offenen Fragen, die wir da in der Planungsphase hatten, treffen die in der Hardware, in der Inbetriebnahme jetzt auch ein oder muss ich da irgendwelche weiteren Maßnahmen nochmal definieren oder sogar auch technische Maßnahmen festlegen, dass ich nochmal Sicherheitsventile einbaue zum Beispiel oder andere Abfragen?
Götz Müller: Was mir jetzt noch durch den Kopf geht, ist, gibt es Fälle, wo die beiden Methoden kombiniert werden oder ist dann im Grunde, also wie gesagt, ich kann jetzt für mich nur für die FMEA sprechen, weil ich die HAZOP bisher, bevor wir uns das erste Mal begegnet sind, überhaupt nicht kannte, als Methode. Sind dir Fälle bekannt, wo es Kombinationen gibt? Oder wäre dann die Schlussfolgerung, jede Methode für sich ist im Grunde allumfassend?
Stefan Goelzner: Ich kann auf jeden Fall nach der HAZOP auch eine FMEA machen. Also wenn ich jetzt eine Maßnahme oder eine offene Frage habe, wo ich festgestellt habe, dass ich vielleicht ein Problem mit einem Gerät habe oder mit einer Auswertung, dann kann ich auch durchaus eine FMEA machen, das wäre dann dein Steckenpferd, wo ich das bewerte, wie hoch ist der potenzielle Fehler in diesem Gerät oder Produkt und was wären die Auswirkungen nochmal, wenn es in diesem Gerät dann ausfallen sollte. Und daraus vielleicht dann das Ganze vielleicht nochmal redundant aufbaue, noch mal ein zweites Messgerät einbaue oder Überwachung oder vielleicht ganz andere und dann ganz andere … . Das wäre jetzt die nächste Methode, wo ich das kombinieren kann. Also das sollte man ganz oft machen, dass wir dieses Safety Integrity Level anschließend machen. Also wie zuverlässig ist diese Sicherheitsfunktionen. Da gibt es ja diese Stufen SIL 1, SIL 2, SIL 3. Und da macht es durchaus Sinn, die HAZOP mit der SIL zu verbinden. Oder Checklisten, wie ich schon sagte, dann zu erstellen aus Maßnahmen, bevor ich einen Prozess anfahre, dass ich erstmal gezwungen werde, technisch oder auch organisatorisch, gewisse Checklisten abarbeiten muss, bevor der Prozess startet.
Götz Müller: Ja, und auf jeden Fall höre ich bei dir raus, die Kombination kann definitiv einen Mehrwert bringen. Manchmal muss man sich dann halt ein Stück weit darauf einlassen. Ich glaube, was man im Grunde ja nie erfahren wird, wie die Alternative gewesen wäre, wenn ich es nicht getan hätte. Es sei denn, ich lasse es wirklich bewusst weg und es blickt mir dann sprichwörtlich um die Ohren. Aber dann habe ich trotzdem nicht die Gewähr, dass wenn ich es gemacht hätte, dass es deshalb nicht passiert wäre.
Stefan Goelzner: Genau, also wie gesagt, es gibt Fälle, da ist es vorgeschrieben, in der Störfallverordnung zum Beispiel, weil einfach die Prozesse so komplex sind. Ich hatte aber auch schon einen Kunden, da war es gar nicht so nötig, also es war nicht vorgeschrieben, er hat das trotzdem aber für sich eingefordert oder eingekauft, bewusst auch extern, also mich als externen Moderator dann eingekauft, weil er sagte, er möchte einfach mal alle Gewerke zusammen haben, dass sie sich auch mal untereinander vielleicht kennenlernen, auch die Prozesse verstehen und einfach diese offenen Fragen, die, vielleicht im Laufe der Zeit, in dieser Projektzeit, die ja oft relativ lang sind und wo man einfach in seinem Trott, sage ich mal so, drin ist, gar nicht sieht dann. Und wenn da jemand Externes raufguckt und auch mal Fragen stellt, die vielleicht unangenehm sind oder die Fragen, die man sich gar nicht stellt, weil die eigentlich ja oft ja klar sind, und dann doch nicht klar sind, wo dann das große Aha kommt, und „Ja haben wir noch gar nicht betrachtet. Vielleicht sollten wir da nochmal raufgucken oder das nochmal nachschärfen, das Ganze“. Da hilft das natürlich auch schon. Auf der anderen Seite, der Nachteil ist wirklich, und das muss man sich immer bewusst sein, so eine HAZOP-Analyse ist wie genauso auch die FMEA immer mit viel Aufwand und Zeit und Geld verbunden. Und da sollte man sich schon überlegen, wann das nötig ist und in welchem Umfang. Und was da hilft, ist natürlich die klare Abgrenzung vom System und das Ziel im Vorfeld in der Planung, in der Abstimmung mit den Kunden dann auch festlegen, auf was man da hinauswill.
Götz Müller: Ja, das kann ich für die FMEA nur unterschreiben, also sich vor dem eigentlichen Workshop, vor der eigentlichen Durchführung über die Systemgrenzen klar zu werden, sonst, ich entsinne mich da, wo ich das erste Mal FMEA kennengelernt habe, wir haben uns eine Dreifachsteckdose angeguckt, da bringt man locker, locker, wenn man das in Anführungszeichen übertreibt, ist ein halber Tag gleich weg für sowas einfache wie eine Dreifachsteckdose mit einem Kabel und eben drei Steckern, drei Dosen.
Stefan Goelzner: Ja, genau. Und gerade die Ingenieure defilieren sich ja auch in den Detailstand und das muss man dann auch einbremsen. Das ist mir dann auch schon passiert, dass man einfach dann gesagt hat, okay, jetzt mal wieder zurück zum Geschäft, zum eigentlichen Ziel, was wir haben, weil sonst sitzen wir noch nächste Woche hier und können immer noch über die Steckdose oder über das Gerät diskutieren oder auch vielleicht erst mal akzeptieren und zur Seite und in ein paar Wochen nochmal oder am nächsten Tag nochmal raufgucken und sagen, okay, da ist doch was da dran oder können wir doch weglassen. Das ist auf jeden Fall wichtig. Und da sind wir als Externe immer sicherlich besser geeignet als jetzt Interne vielleicht, weil die Internen natürlich vielleicht auch anders gesehen werden im Team als ein externer Berater.
Götz Müller: Ja, und ich glaube, in beiden Richtungen. Zum einen nicht locker zu lassen, einerseits, und andererseits aber eben nicht Teil des Systems zu sein, im übertragenen Sinne. Ich nehme immer da gern diesen Spruch, wer im Marmeladeglas sitzt, kann halt nicht aufs Etikett schauen. Während dein externer Moderator halt bewusst nicht im Marmeladeglas sitzt und aufs Etikett schauen kann.
Stefan Goelzner: Genau. Und auch mal Fragen stellt aus einem anderen Kontext. Also ich komme ja auch ursprünglich ein bisschen mehr aus einem anderen Bereich. Ich habe zwar auch technisches Wissen, muss mich dann auch reinlesen in Themen, kann andere Themen vielleicht auch nicht bearbeiten, aber kann dann natürlich auch Fragen stellen, wie du sagst, dass sich jemand Internes vielleicht nicht traut zu fragen, und dann aber trotzdem der Effekt kam: Okay, darüber haben wir noch gar nicht nachgedacht.
Götz Müller: Ja, spannend. Ich denke, das Letzte, was du gesagt hast, die Fragen zu stellen, wie an vielen anderen Stellen auch, das ist, glaube ich, ein ganz wichtiges Element, die richtigen Fragen zu stellen zum richtigen Zeitpunkt. Wenn ich jetzt so ein bisschen auf die Uhr gucke, würde ich ganz gern zum Abschluss kommen. Was ist deine, wie soll man das ausdrücken, was ist deine Empfehlung, wenn jemand sagt, das hört sich spannend an, ist neu für mich, würde ich ganz gern für mich mal bewerten, ob das in meinem Kontext eine Ergänzung ist, eine sinnvolle Ergänzung ist zu bestehenden Methoden. Was wäre so ein erstes Schritt, wo man sich informieren kann?
Stefan Goelzner: Natürlich kann man sich erst mal überlegen, was passiert mit meinen Prozessen oder dem Protokoll. Habe ich jetzt da Stoffe, wo ich mit Temperaturdruck oder mit Gefahren, sei es Brand- und Explosionsgefahren, arbeite oder wo auch Aufgabenstellungen für das Bedienpersonal nicht klar sind? Und dann zu gucken, kann ich das eingrenzen? Und muss ich vielleicht alle Leute zusammenholen aus verschiedenen Bereichen, um über dieses komplexe Thema mal zu sprechen und dann im nächsten Schritt, wenn ich das ja mit Ja beantwortet habe, wer kann mir jetzt als externer Berater da helfen, da so den roten Faden zu haben, das vorzubereiten, aber auch zu dokumentieren, dass man am Ende Dokumente in der Hand hat, wo man sagt: Okay, daraus kann ich jetzt eine, Verfahrensanweisung schreiben oder da muss ich nochmal mein Sicherheitskonzept überprüfen. Und dann kann man sicherlich auf einem Berater oder auch einen HAZOP-Experten darauf zugehen, wenn man den nicht im Hause hat, der ihn da unterstützt oder auch das Team unterstützt bei der Fragestellung.
Götz Müller: Genau, da werde ich auf jeden Fall deine Kontaktdaten mit in die Notizen nehmen. Und an der Stelle, Stefan, ich danke dir für deine Zeit, für die interessanten Einblicke in ein Thema, mit dem ich vorher überhaupt nicht in Berührung gekommen bin. Und deshalb mir selber jetzt auch wieder definitiv einen Blick über den Tellerrand erlaubt hat. Und danke für deine Zeit.
Stefan Goelzner: Ja, danke, Götz, für die Einladung und für den Austausch. War auch für mich spannend. Und freue mich dann auf die nächsten Kontakte.
Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Stefan Goelzner zum Thema Prozesse im technischen Risikomanagement. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 368.
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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.
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