Kaizen 2 go 373 : Stoische Führungsprozesse


 

Inhalt der Episode:

  • Was war Ihr Auslöser, sich mit der Stoa und Stoizismus zu beschäftigen?
  • Was bedeutet die Stoa für Sie?
  • Wie ist der Bezug zu Führungs- und Organisationsthemen entstanden?
  • Welchen Nutzen kann man als Stoiker für die Führungsarbeit ziehen?
  • Wie unterscheiden sich stoische Führungsprozesse von anderen Führungsmodellen?
  • Was bedeutet es für Mitarbeiter, wenn sich ihre Führungskraft mit Stoizismus beschäftigt?
  • Wie verändern sich Organisationen, wenn Stoizismus ein Element der Unternehmenskultur wird?
  • Welche Voraussetzungen sind notwendig?
  • Wie sieht der Einstieg in das Thema aus, muss man sich zuerst auf einer persönlichen Ebene damit beschäftigen?
  • Wo können sich interessierte Personen näher über das Thema informieren?

Notizen zur Episode:


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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 373 : Stoische Führungsprozesse

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Alexander Zock bei mir im Podcast-Gespräch. Er ist selbstständiger Organisationsentwickler und Coach. Hallo Herr Zock.

Alexander Zock: Ja, hallo Herr Müller. Schön, hier zu sein.

Götz Müller: Ja, schön, dass Sie heute dabei sind. Wir haben uns, finde ich zumindest, ein ziemlich spannendes Thema ausgesucht. Aber vielleicht sagen Sie selber noch mal ein paar Sätze zu sich als Person.

Alexander Zock: Ja, gerne. Gerne. Also ich sitze gerade in der Nähe von Frankfurt, bin eben, wie gesagt, selbstständiger Organisationsentwickler und Führungskräfte-Coach, mache das jetzt seit gut 15 Jahren selbstständig und wir haben ja noch so ein zweites Standbein, was wir heute in den Podcast mit reinnehmen, beschäftige mich seit gut, ja jetzt auch fast 15 Jahren mit dem Thema Stoizismus und habe das im Laufe der Zeit für mich so zusammengebracht. Habe ja selber auch einen Podcast zu dem Thema, wo wir noch gleich darüber sprechen werden und finde das einfach eine sehr spannende Verbindung, die für mich auch in zunehmendem Maße so orientierend wird in meinem Handeln. Und ja, deswegen freue ich mich, dass wir darüber sprechen können.

Götz Müller: Ja, und zum Anstieg, weil es jetzt, glaube ich, wenn ich mal meine Brot-und-Butter-Themen nehme, fällt es vielleicht auf den ersten Blick ein bisschen aus der Reihe. Und deshalb die Einstiegsfrage, was war bei Ihnen der Auslöser, sich mit dem Thema Stoa und Stoizismus überhaupt zu beschäftigen?

Alexander Zock: Ja, also man könnte einmal sagen, erst mal so dieses individuelle Interesse, also an Philosophie und dann eben nicht an irgendwelche Elfenbein-Philosophie, sondern an der Philosophie, die tatsächlich auch so ein bisschen instruierend ist für das eigene Leben. Also Stichwort Lebensphilosophie. Das ist was, was mich einfach über die Jahre beschäftigt hat, so einen eigenen Ordnungsrahmen fürs Leben zu haben, Reflektionsrahmen auch. Und da ich ja auf der anderen Seite mich auch mit Menschen und der Entwicklung von Menschen beschäftige im Coaching, dann auch so die Frage, wenn ich mir das so angucke, es gibt 100.000 Methoden im Coaching, aber wie ist das eigentlich so eingebunden? Was macht man da eigentlich mit Menschen, wenn man die so begleitet? Und das war für mich so eine spannende Frage. Und da habe ich in zunehmendem Maße auch im Stoizismus da Ansätze gefunden, die ich da auch wirklich lehrreich und instruierend fand für das, was ich tue. Und so hat sich das mit der Zeit einfach als fruchtbare Verbindung dann auch tatsächlich entwickelt. Und ja, bis zu dem Buch, was dann nachher auch rausgekommen ist, in dem das für mich so eine Synthese gefunden hat.

Götz Müller: Ich möchte ein bisschen nachbohren, schlichtweg aus eigenem Reflexionsinteresse. Vielleicht kommen wir auch dazu noch. Was bedeutet für Sie die Stoah?

Alexander Zock: Also die Stoa ist jetzt so, so wie ich sie jetzt so in den letzten Jahren für mich selber gegriffen habe, tatsächlich in letzter Konsequenz eine Theoriepersonale Entwicklung eingebunden in eine Vorstellung von Welt. Und damit halt sehr umfassend. Also da kann man nicht nur sich selbst als Führungskraft oder auch sich selbst irgendwie als Coach reflektieren, sondern einfach auch als Mensch im Allgemeinen. Also da ist auch eine Ethik mit verbunden. Da ist zwar vielleicht, wenn man die Originaltexte sich anschaut, eine antiquierte Metaphysik mit verbunden, aber das kann man auch in Teilen durchaus modernisieren und damit gibt es halt im Endeffekt wirklich keinen Bereich im Leben, der davon nicht berührt werden kann. Und vielleicht liegt das auch an meiner Grundausbildung. Ich bin Physiker, vielleicht so ein bisschen Systemdenker geprägt. Und da hat das einfach mich fasziniert, dieser Gedanke, dass ich eben mein Leben in Gänze im Rahmen von einer solchen Lebensphilosophie auch reflektieren kann. Und ja, nicht nur reflektieren kann, sondern durch viele tolle und spannende Texte aus der Antike und auch viele aktuelle Diskussionen ja auch viele Anregungen für mein Leben bekomme.

Götz Müller: Ja, das finde ich jetzt insofern spannend. Und ich als Ingenieur, also im weitesten Sinne auch eine Form von Naturwissenschaft, vielleicht ein bisschen technischer geprägt, aber dann eben mit dem Schwerpunkt Systemingenieur, finde ich jetzt einen starken Bezug. Aber vielleicht noch, ja, Geburt ist der falsche Begriff, aber jetzt der Bogen zum Thema Führung und Organisation. Mag jetzt vielleicht, ich versetze mich auch ein bisschen in die Situation der Zuhörer, Ja, für die das möglicherweise das allererste Mal ist, dass sie dem Begriff so begegnen. Deshalb da eben noch ein bisschen nachgefasst dieser Bezug zu Führungs- und Organisationsthemen.

Alexander Zock: Ja, also man könnte einmal sagen, es gibt ja in der Führung einmal so, sagen wir mal, das technisch Instrumentelle. Da lernt man Methoden, da lernt man Instrumente. Wenn man dann aber mal in den Alltag der Führung reingeworfen wird, dann merkt man, dass es in der Führung auch eine sehr stark existenzielle Komponente gibt. Nämlich, dass man als Führungskraft auch tatsächlich aufgefordert ist, sich täglich immer wieder auch wirklich da zu positionieren. Wie gehe ich mit anderen Menschen um? Wie gehe ich zum Beispiel auch mit Krisenthemen um? Wenn ich in der Führung jemandem begegne, der mir davon erzählt, dass er selber krank ist oder dass er eben eine tiefe Krise gerade durchmacht oder ähnliche Sachen. Das sind alles Dinge, die kann ich ja nicht ausblenden. Und deshalb glaube ich, dass es als Führungskraft auch wichtig ist, sich selber da einen eigenen Standpunkt im Leben auch zu suchen, von dem man heraus dann auch mit solchen Themen umgeht. Und da gibt es natürlich viele Ansätze, da kann man sagen, ja, ich bin irgendwie religiös und suche mir da eine eigene Ethik oder aber ich mache das, indem ich mir einzelne Dinge zusammensuche und ich finde eine lebensphilosophische Verankerung ist da ein anderes Angebot. Und das ist das, was ich da halt im besonderen Maße auch für Führungskräfte spannend finde, weil es eben ein Angebot ist, wie man sich da eben zu verhalten kann, zu den ganzen Anforderungen, die sich daraus ergeben, wenn ich mit anderen Menschen zu tun habe und vor allen Dingen auch das Verhältnis zu mir selber klären kann. Weil ich glaube, dass Führung auch sehr, sehr viel mit Selbstführung zu tun hat zunächst mal. Und ich sage mal so, ein Kerngedanke ist dabei der, wenn ich andere Menschen führe oder auch andere Systeme führe, dann sollte es im Kern um diese anderen Menschen gehen und diese Systeme und nicht um mich selber. Und deswegen ist es wichtig, dass ich das auch vorher geklärt habe. Wie verhalte ich mich denn da zu mir selber und welche Bedeutung haben die Themen, die ich selber da reinbringe? Also man könnte das im anderen Kontext auch sagen, dass ich gut trennen kann zwischen dem, was da draußen ist und dem, was hier drinnen ist. Und das ist, glaube ich, etwas, was man über so eine Art von Reflektionen sehr gut hinbekommen kann.

Götz Müller: Ich habe auch rausgehört, eben dieser Punkt, dass es weit über den rein methodischen Aspekt hinausgeht. Und da kommt eben ein Thema, was im Lean-Kontext jetzt auch ähnlich ist. Das hat sehr stark methodische Komponenten, aber im Grunde funktioniert es nur wirklich richtig, wenn ich halt weit drüber hinaus mich damit beschäftige.

Alexander Zock: Ja, ich brauche eine Haltung dazu, die in jeder Situation dann immer wieder auch greift. Und so ähnlich ist das ja in der Lebensphilosophie auch. Da habe ich dann auch eine Haltung, die ich für mich entwickle. Zum Beispiel sowas wie das Thema innere Freiheit. Glaube ich daran, dass ich innerlich frei bin in meinem Handeln oder bin ich innerlich nicht frei und sehe mich irgendwelchen äußeren Zwängen ausgesetzt, die dann meinen Handeln auch sehr stark beeinflussen.

Götz Müller: Und wenn man jetzt, wie gesagt, Prozesse, das ist so mein Kernthema, wenn man sich jetzt eben Führungsprozesse, stoische Führungsprozesse anschaut, glaube ich, da ist es schon interessant, nochmal ein Blick auf eben Unterschiede zu dieser Vielzahl. Weil da könnte man wahrscheinlich jetzt Stunden drüber reden, wenn die Tage diese Vielzahl von anderen Führungsmodellen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass man es auf ein paar zentrale Elemente vielleicht reduzieren kann, ohne dass jetzt Reduktion ist wahrscheinlich auch wieder das falsche Wort.

Alexander Zock:Also man kann sicherlich erst mal trennen zwischen zwei Bereichen, nämlich einmal der Umgang mit mir selber. Da habe ich schon eine ganze Menge zu tun. Da ist zum Beispiel in der stoischen Lebensphilosophie auch die Frage, wie gehe ich mit meinen eigenen Emotionen um? Wie verstehe ich meine eigenen Emotionen? Also gerade im Stoizismus ist ja zum Beispiel ein wichtiges Thema, trennen zu können zwischen den Dingen, die da draußen passieren und dem, was ich aus diesen Dingen mache. Also da ist so dieser Gedanke, dass ich innere Wertzuschreibungen zu Sachen mache, die da draußen sind, die da draußen passieren. Und dann macht der eine halt, hängt an einer Sache einen großen Wert und der andere an einer Sache einen kleinen Wert. Und wenn ich da einen großen Wert dran hänge und mir das weggenommen wird, dann kriege ich schon eine sehr intensive Emotion zum Beispiel. Und dieses Bewusstsein dafür, wie ich eigentlich anfange, in meiner Welt überall Label zu verteilen, wichtig, nicht wichtig, besonders wichtig und so, ob Geld oder Status, Erfolg und all solche Dinge, da kann ich schon sehr viel darüber lernen, wie ich innerlich funktioniere und was mich total aus der Ruhe bringt und wo ich dann vielleicht auch so ein bisschen aus der Kurve fliege, was zum Beispiel für Mitarbeitende oder für Teams sehr relevant ist, ob die Führungskraft eine innere Stabilität und Resilienz besitzt oder nicht. Also das ist so die eine Stoßrichtung, wo ich eben sehr stark drauf schaue, wie gehe ich mit mir selber um? Was ist auch mein Tanzbereich? Also was kann ich wirklich beeinflussen und was kann ich nicht beeinflussen? Manchmal gehört es ja auch dazu, als Führungskraft Dinge zu akzeptieren, weil sie jetzt außerhalb meiner Reichweite liegen und ich dann halt auch anders damit umgehen muss. So und das wäre so der innere Bereich. Und dann gibt es aber natürlich auch die Frage, worauf achte ich denn eigentlich, wenn ich jetzt nach außen gucke? Also wenn ich mit anderen Menschen zu tun habe, wenn ich mit einem Team zu tun habe, mit einer Organisation zu tun habe, Und da ist es so, dass der Stoizismus noch nicht direkt einen Anhaltspunkt liefert, weil das jetzt in den antiken Quellen auch noch nicht so gut verarbeitet war, systemisches Verständnis zum Beispiel und ähnliches. Es ist aber ganz interessant, wenn man sich die Ansätze anschaut, die der Stoizismus für persönliche Entwicklung gibt, kann man Strukturähnlichkeiten entdecken. Das habe ich in meinem Buch auch versucht deutlich zu machen, zwischen der Entwicklung einer Person und der Entwicklung von Teams und auch von Organisationen. Und dann lassen sich zum Beispiel Prinzipien auch übertragen. Und ein ganz wichtiges Prinzip im Stoizismus nennt sich Homologia. Und Homologia heißt Übereinstimmung und das kann man auch übersetzen in Harmonie oder Kohärenz herstellen. Und das wäre zum Beispiel dann für Führung ein Thema, dass ich in meinem Handeln darauf achte, dass ich eben in Teams und Organisationen, das klingt jetzt erstmal vielleicht ein bisschen abstrakt, aber auch Kohärenz und auch Harmonie herstelle. Das heißt jetzt nicht Friede, Freude, Eierkuchen, sondern die Frage ist, was muss da in Harmonie gebracht werden? Und da gibt es eine ganz besondere Sichtweise drauf, dass ich nämlich Entscheidungsprämissen in Organisationen oder in Teams in Harmonie bringe. Und da kann man eben sehr unterschiedliche Entscheidungsprämissen sich anschauen. Sowas wie zum Beispiel, hier gibt es Regeln oder aber es gibt Ziele oder aber es gibt Kompetenzen. Und da kann man sich schon fragen, was soll jetzt eigentlich ein Primat haben? Und wenn immer nur nach Regeln orientiert wird, dann kommen die Ziele zu kurz, dann kommen die Kompetenzen zu kurz und umgekehrt. Und diese Art von Orientierung, die kann man daraus herleiten. Und das finde ich dann zum Beispiel für den überindividuellen Teil in Führung sehr spannend.

Götz Müller: Ich möchte es insofern noch ein bisschen vertiefen. Sie haben es schon angedeutet, dann muss man eine Art Perspektivwechsel, nämlich sich jetzt in die Situation von Mitarbeitern und dann vielleicht in dem zweiten Schritt auch diesem abstrakten Ding Organisation zu nähern. Was bedeutet das für Mitarbeiter, wenn zum Beispiel ihre Führungskraft sich mit dem Thema Stoizismus beschäftigt?

Alexander Zock: Also wenn es gut läuft und die Führungskraft auch Prinzipien der Stoa wirklich verinnerlicht und für sich halt auch daran arbeitet, dann würde ich zum Beispiel merken, dass in meiner Führungskraft erstmal im individuellen Bereich eine sehr starke innere Resilienz gegeben ist und keine negativen Leidenschaften oder Emotionen auftreten. Also wenn ich jetzt wirklich jemanden stoischen Weisen vor mir hätte als Führungskraft, das sind wir alle nicht, aber dann gäbe es kein Rumschreien, dann gäbe es keinen übertriebenen Ärger, dann gäbe es auch nicht das Ablehnen von Dingen, die eben jetzt tatsächlich nicht zu ändern sind und ähnliches. Ja, da würde man auch nicht das Gefühl haben, die Person versucht eigentlich nur mittels unserem Arbeiten Karriere zu machen, sondern da wäre so ein Gefühl da von Stimmigkeit, dass da jemand mit uns in Resonanz ist, so nennt man das heute vielleicht auch. Und dann würde man auch das Gefühl bekommen, dass die Person auf eine gute Art und Weise im Dialog, der im Team stattfindet, eine Art von Ausgewogenheit in der Betrachtung von wichtigen Aspekten von Team hat, was ich eben schon angedeutet habe. Sowas wie Prozesse, Strukturen, Rollen, auf der anderen Seite Kompetenzen, Anzahl von Personen, Charakteristika der Leute, Zielorientierung, auch die Berücksichtigung davon, wie ist eigentlich das, was jetzt bewusst verhandelt wird, wie steht das im Verhältnis zu Kultur, also den Dingen, die unausgesprochen sind und wie ist auch dieses Team oder diese Organisation angebunden an die Umwelt. Also Team jetzt an Abteilungen oder an Bereich oder aber eine Organisation an den Markt. Also diese Art von Multiperspektivität im Arbeiten und da immer wieder dann auch tatsächlich der spürbare Wunsch, das in einen guten, produktiven Einklang zu bringen. Das wären Dinge, die man beobachten kann bei einer stoischen Führungskraft.

Götz Müller: Wenn man es jetzt noch ein bisschen weiterfasst im Sinne von Organisation, wenn Stoizismus, ich könnte mir vorstellen, es gibt immer irgendwo einen Anfang, was ich aber auch rausgehört habe, ein Ende gibt es im Grunde nicht. So habe ich es jetzt in der kurzen Zeit, wo ich mich damit beschäftige, auch rausgehört und das finde ich auch sehr spannend, dass es kein Endzustand ist. Aber wie verändern sich eben Organisationen, wenn es Teil der Unternehmenskultur dann im Idealfall wird, ich es jetzt so ausdrücken würde?

Alexander Zock: Ja, da würde man eben wahrscheinlich auf der individuellen Ebene Veränderungen merken, weil Menschen dann in einer anderen Art von Reflexion mit ihrem eigenen Verhalten und auch mit den Beziehungen umgehen, die in einem Arbeitsleben bestehen. Und man würde dann auch merken, dass es zum Beispiel in der Entwicklung von Teams und Organisationen auch sehr stark um den reflektiven Aspekt geht. Die Frage, wie reden wir eigentlich hier miteinander? Also nicht nur, was haben wir vor, sondern wie gestalten wir das auch? Also dass so eine Art auch selbststeuernde Organisation dabei rauskommen würde. Das wäre aus meiner Sicht jetzt auch sehr stark auch jetzt kongruent mit dem, was im stoischen Denken vorhanden ist. Weil in letzter Konsequenz das Ziel des Stoizismus ist das Leben in Übereinstimmung. Und zwar individuelle Übereinstimmung, Übereinstimmung mit dem Umfeld, aber auch mit der Umwelt. Und da würde man vielleicht auch modern daraus ableiten können, dass da so ein Element von Nachhaltigkeitsorientierung zum Beispiel mit drin entstehen würde. Sowohl was jetzt Umwelt angeht, als aber auch Nachhaltigkeit im Sinne von Kompetenzerhalt, der Anpassung von Prozessen und ähnlichen Dingen. Das wären alles Aspekte, die dabei dann in den Fokus treten.

Götz Müller: Ja, was ich jetzt spannend finde, sowohl was Lean angeht, als auch, nennen wir es mal ein bisschen verwandte Themen wie Agile und Co., da gibt es für diese Elemente, für diesen reflektiven Anteil, gibt es sehr explizite, wie soll man das ausdrücken, Momente im PDCA-Zyklus zum Beispiel eben beim A, wo man sagt, jetzt reflektieren wir nochmal. Und da habe ich bisher rausgehört, rausgelesen und jetzt auch bei Ihnen rausgehört, dass das im Grunde ein Grundprinzip ist, das einerseits sehr wichtig ist, und Sie haben es ja nicht bloß einmal erwähnt, und andererseits aber im Grunde, es geht nicht ohne. Das heißt, ich muss es gar nicht so methodisch überhöhen.

Alexander Zock: Nein, überhaupt nicht. Also das ist ja auch das Schöne, der Stoizismus gibt jetzt nicht unbedingt methodische Vorgaben, sondern der gibt einem eher so eine Haltungsorientierung, die einem dann vielleicht auch helfen kann bei der Auswahl von passenden Methoden und Instrumenten in einer gegebenen Situation. Und damit ist das vielleicht auch eine ganz schöne Art und Weise, wie man die Dinge miteinander verbinden kann.

Götz Müller: Jetzt könnte ich mir vorstellen, vielleicht, oder zumindest ist das mein Wunschtraum, um es mal so auszudrücken, dass der eine oder andere, und wenn es auch nur einer ist, der sagt, boah, coole Sache, was muss ich denn da machen, was sind vielleicht für Voraussetzungen notwendig, damit es in Anführungszeichen funktioniert. Das ist so ein Punkt, wo ich aus Eigeninteresse auch noch ein bisschen nachfassen möchte.

Alexander Zock: Also da würde ich jetzt das so formulieren, dass man bereit ist, auf eine Reise zu gehen, weil der Stoizismus ist nichts, was man jetzt einmal liest, ach so, ja, klar, das ist sozusagen der Quick-Fix, sondern da sind einige Ideen, die jetzt vielleicht auch erstmal ein bisschen abstrakt klingen, aber die dann schon im Alltag auch erstmal ausprobiert werden müssen, damit man für sich selber ein Gefühl bekommt. Also da gibt es zum Beispiel die sehr bekannte Dichotomie der Kontrolle. Und die sagt einfach, es gibt halt Dinge, die sind in meiner Kontrolle und es gibt Dinge, die nicht in meiner Kontrolle sind. Und im Kern ist nur in meiner Kontrolle nämlich der Umgang mit meinem eigenen Willen. Also die Frage, welche inneren Vorstellungen sollen Handlungen werden? Und wenn ich das einmal für mich akzeptiert habe, dann kann ich mich auch fragen, um was geht es jetzt in dieser Situation? Und wenn es um lauter äußere Dinge geht, dann könnte ich halt sagen, das ist jetzt eigentlich nicht der Fokus. Das ist der sekundäre Fokus vielleicht. Zunächst geht es erstmal darum, wie will ich mich dazu verhalten? Wie will ich jetzt möglichst gut hier in dieser Situation durch mein Handeln zum Ausdruck bringen, dass ich akzeptiere, dass es zwar so ist, dass ich jetzt etwas möchte, aber auch bereit bin zu akzeptieren, dass das nichts wird. Und diese Art von innerer Haltung und Analyse von Situationen ist etwas, was eben wirklich Zeit braucht. Da kann man dann im Prinzip auch immer wieder mal morgens sich das vornehmen und abends Revue passieren lassen, wie gut es mir das eigentlich gelungen zu trennen zwischen den Dingen, die ich beeinflussen kann und den Dingen, die ich nicht direkt beeinflussen kann. Das wäre eine mögliche Baustelle. Eine zweite ist die, dass ich eben zum Beispiel mit meiner inneren Freiheit umgehe, weil in stoischer Sicht würde man sagen, dass ich innerlich komplett frei bin. Niemand kann mir meinen inneren Willen aufzwingen, sondern mein innerer Wille kann nur von mir selber gelenkt werden. Und die Frage ist, wie weit manifestiert sich meine innere Freiheit im äußeren Tun? Und das ist nicht nur eine Frage von wie widerspenstig bin ich oder wie autonom, Sondern es ist auch manchmal einfach eine Frage davon, wie weit ist es hilfreich, dass ich meine innere Freiheit aufrechterhalte. Und da habe ich in meinem Buch zum Beispiel auch das Beispiel von einer Coaching-Sitzung, wo es darum ging, dass ein CEO in der Coaching-Sitzung thematisiert hat, dass er das Gefühl hat, dass die Firma so nicht weiterkommt und er bräuchte eine Kapitalerhöhung. Aber wenn er die Kapitalerhöhung beantragt, dass dann die Stakeholder oder die Shareholder da nicht mitgehen und dass das dann schwierig würde und als er dann für sich aber selber den inneren Schritt gemacht hat zu sagen, ja gut, aber das ist das, was die Firma, das System braucht und wenn ich jetzt nicht die innere Freiheit aufbringe zu sagen, dafür stelle ich auch meinen Job zur Verfügung, dann leiste ich eigentlich nicht das als Führungskraft, was ich leisten sollte. In dem Fall war es sehr schön, weil er hat das zur Disposition gestellt, hat die Kapitalerhöhung bekommen und seinen Job behalten und hat damit ganz anders arbeiten können danach. Und das wären für mich so die ganz konkreten Beispiele dann auch. Und in der historischen Literatur ist das manchmal so ein bisschen auf den etwas provokativen Satz gebracht. Sei dir bewusst, was dein Preis ist. Also für was bist du bereit, deine innere Freiheit aufzugeben und warum? Oder bist du bereit, deine innere Freiheit durchzuziehen? Und das muss jeder mit sich selber ausmachen. Aber alleine dieser Dialog kann man sich vorstellen, das ist keine Sache, wo ich einmal drüber nachdenke und dann war es das, sondern das verfolgt mich dann eigentlich mein restliches Leben in allen Situationen.

Götz Müller: Ja, und da sehe ich einen von vielen, glaube ich, was ich bisher eben wahrgenommen habe von vielen Gemeinsamkeiten, dass es halt kein finaler Endzustand ist, sondern dass es, wie Sie es ausgedrückt haben, im Grunde eine ewig währende Reise ist.

Alexander Zock: Ja, es ist eigentlich so eine Art Prozessphilosophie, in der es darum geht, in menschlichen Beziehungen in Resonanz zu bleiben. Man könnte auch sagen, in dem, wie man in Systemen handelt, in Resonanz zu bleiben und dafür zu sorgen, dass man selber und auch andere miteinander auf gute Art und Weise in einem produktiven Miteinander auf einem Weg sich befinden. Und da kann ich mir schon auch vorstellen, dass wenn man jetzt Kaizen oder Lean und solche Sachen anguckt, da gibt es Ansätze, die da schon auch durchaus sehr kompatibel sind.

Götz Müller: Gut, wenn jetzt jemand eben sagt, coole Sache, ich will mich damit beschäftigen. Was ist so Ihr Tipp, Ihr Vorschlag, womit man einsteigen sollte? Und ich glaube eben, man fängt immer erst auf einer persönlichen Ebene an und dann im zweiten Schritt erst, das in irgendeine beruflich-geschäftliche Ebene auszudehnen. Zumindest habe ich so auch rausgehört, rausgelesen aus dem, wo ich mich bisher mit beschäftigt habe.

Alexander Zock: Also es gibt natürlich einmal so stoische Autoren wie Epiktet, ein Sklave, der in Rom gelebt hat, aber ursprünglich mal aus Griechenland kam. Oder Seneca, das ist der Lehrer von Nero gewesen. Marc Aurel, der Philosophenkaiser. Das sind so die bekanntesten. Dann gibt es auch Cicero, Gegensache, also der, nicht der, wie heißt der, Widersacher von Cäsar, so ein bisschen auch Ende der Römischen Republik. Der hat auch viel über die Stoa geschrieben. Also da gibt es viele Quellen und ich finde so für den Einstieg, wenn man mal so ein Gefühl dafür bekommen will, was für eine Art von Philosophie das ist, dann lohnt es sich mal so in Schriften von Seneca reinzulesen. Das ist ein sehr schöner Schriftsteller, das ist sehr gefällig geschrieben und das ist psychologisch unglaublich gut beobachtet. Und wenn man das so liest, dann kann man manchmal gar nicht glauben, dass das schon 2000 Jahre alt ist. Also das heißt, das wäre erstmal überhaupt, um so ein Gefühl dafür zu bekommen. Und ich glaube, dann kann es ganz interessant sein, zum Beispiel mal einen Podcast reinzuhören. Und da gibt es ja einen Podcast, den ich zusammen mit meiner Kollegin Anne Gehrmann mache. Der heißt Der Weg der Stoa. Und da versuchen wir auch sowohl etwas über die Grundaspekte der Stoa zu informieren, aber auch über Alltagssituationen, wie man damit umgehen kann, mit Gesprächspartnern uns auszutauschen. Gibt aber auch andere Podcasts zum Thema Stoizismus. Naja, und dann gibt es natürlich noch einen Schritt weiter. Da gibt es auch in der Modern Stoicism-Bewegung zum Beispiel auch Konferenzen. Es gibt auch in Deutschland im Oktober zum Beispiel eine sogenannte Stoicon Hannover, in der dann auch online drei Stunden an einem Wochenende ein Thema diskutiert wird. Also man kann da viele Ressourcen heutzutage schon finden, um in den Stoizismus Stück für Stück reinzukommen.

Und zuletzt habe ich ja auch zum Thema Führung das Buch geschrieben, Der Weg der Stoa in der Führung und habe da auch versucht, sowohl eine Einführung in die Stoa zu geben, als auch so das Thema Führung nochmal aus systemischer Perspektive aufzuarbeiten und dann diesen Analogieschluss, den ich vorhin erwähnt habe, mal auch etwas ausführlicher darzustellen. Ja, ansonsten gibt es immer die Möglichkeit, mich auch zu kontaktieren und da auch gerne nochmal Hinweise sich abzuholen.

Götz Müller: Ja, das werde ich auf jeden Fall in die Notizen zur Episode zunehmen. Was ich, wenn man es, ja, ist jetzt schwierig natürlich, das auf einen Punkt zu subsummieren, Aber ich glaube, ein nicht zu unterschätzendes Element ist eben, dass man sich wirklich intensiv damit und mit sich selbst beschäftigen muss. Und ich würde fast so weit zu gehen, zumindest nehme ich da wieder mich als Referenz, wenn man dann mal angefangen hat. Ich glaube, den Begriff Stoische Ruhe, der wird wahrscheinlich jedem schon mal irgendwo begegnet sein. Und manchmal verbindet man es dann mit so ein bisschen alles egal. Aber das, was ich dann mittlerweile gelernt habe, ist es weit weg davon. Und trotzdem ist es möglich. Aber um es jetzt auf den Punkt nochmal für mich zu bringen. Ich glaube, wenn man angefangen hat, sich damit zu beschäftigen, kommt man aus sprichwörtlich aus der Nummer nicht mehr raus.

Alexander Zock: Ja, es ist sicherlich so eine Präferenzfrage auch. Also es gibt ja durchaus auch einen Stoizismus, das eine oder andere. Was, wenn man so das erste Mal das liest, irgendwie auch sehr harsch ist. Also zum Beispiel der Umgang mit Dingen, Schicksalsschlägen oder solche Sachen. Da kann das der eine oder andere auch etwas nüchtern erstmal finden. Da muss man schon ein bisschen tiefer einsteigen, um auch zu merken, dass das schon auch sehr viel empathischer eigentlich auch gedacht ist, als es manchmal klingt.

Ja, aber grundsätzlich gebe ich Ihnen völlig recht. Also mir ging es ja auch so. Ich habe ja schließlich jetzt nicht umsonst mich jetzt 15 Jahre schon mit beschäftigt, weil es einfach mir gut gepasst hat, so für meine Orientierung. Und ich finde diese Texte einfach auch wunderschön. Und ich bin auch tatsächlich in der Community bisher hauptsächlich Menschen begegnet, wo ich das Gefühl hatte, dass die auf eine sehr positive Art und Weise mit dem Leben und auch mit den Fallstricken im Leben umgehen. Und ich bin auch schon in anderen Communities unterwegs gewesen und da war das nicht immer so. Und ich finde, das sagt auch viel darüber aus. Also wenn man in so einer Community ist, was für Menschen man da trifft, also was für eine Haltung die eben mitbringen.

Und von daher war das für mich tatsächlich ein guter Hafen, in dem ich da jetzt für mich unterwegs war. Und die Stoiker sagen ja auch, wenn man so die innere Weisheit erreicht hat, die aber auch nach deren Verständnis nur ganz selten eintritt, dann gibt es einen Zustand, der sich einstellt, Eudamonia. Der wird immer als Glückseligkeit so klassischerweise übersetzt. Wenn man aber auf die genaue Wortbedeutung guckt, dann kann man das auch übersetzen als gut beraten sein. Und ich finde, das ist eigentlich ein ganz schöner Leitsatz dafür, dass man eben eine Lebensphilosophie sucht, mit der man gut beraten ist für sein Leben. Und was einen dann auf gute Art und Weise durch all die Unwägbarkeiten und Fallstricke des Alltags leiten kann. Und ich glaube, das ist so ein bisschen das, was vielleicht als Versprechen im Stoizismus für mich drin steckt.

Götz Müller: Ja, und das fand ich jetzt einen wunderbaren Abschluss, ein wunderbares Schlusswort und ich danke Ihnen definitiv für Ihre Zeit.

Alexander Zock: Ja, danke, dass ich da sein durfte und ja, vielleicht bis bald mal wieder.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Alexander Zock zum Thema Stoische Führungsprozesse. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 373.

Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freue ich mich über Ihre Bewertung bei Apple Podcasts. Sie geben damit auch anderen Lean-Interessierten die Chance, den Podcast zu entdecken.

Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.
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