Kaizen 2 go 374 : Ressourceneffizienz und doch Lean


 

Inhalt der Episode:

  • Welche Effizienz adressiert Lean typischerweise?
  • Welche Ressourcen werden im Lean-Kontext meistens adressiert?
  • Welche Ressourcen werden dabei übersehen?
  • Warum ist Ressourceneffizienz und Lean also kein Widerspruch?
  • Welchen Nutzen können Unternehmen aus dieser Form der Ressourceneffizienz ziehen?
  • Wie lässt sich die Aufmerksamkeit auf und das Bewusstsein für diese „anderen“ Ressourcen lenken?
  • Wie lassen sich typische Lean-Werkzeuge und -Methoden nutzen bzw. erweitern, um das Bewusstsein dafür spezieller auszurichten?

Notizen zur Episode:


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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 374 : Ressourceneffizienz und doch Lean

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Karsten Sander bei mir im Podcastgespräch. Er ist studierter Recyclingingenieur. Hallo Karsten.

Karsten Sander: Hallo Götz.

Götz Müller: Schön, dass du dabei bist. Jetzt habe ich ein kurzes Stichwort zu dir gesagt. Ich wusste, bis wir uns kennengelernt haben, überhaupt nicht, dass es so etwas wie Recyclingingenieure gibt. Das heißt, da musst du vielleicht noch ein paar Sätze dazu sagen.

Karsten Sander: Ja, vielen Dank für die Einladung, Götz. Ja, ich habe vor 20 Jahren mal Recycling studiert. Also ich wollte studieren, das war mir völlig klar, aber ich wollte nichts Normales in Richtung Maschinenbau oder Elektrotechnik oder sowas machen, sondern ich wollte einen ökologischen Impact irgendwie bringen. Und Recycling, als ich dann gehört habe, dass es das gibt, war das für mich der Punkt, überhaupt studieren zu können oder zu wollen. Ich habe dann aber vor 20 Jahren ist das gewesen oder 25 Jahren als Prozessingenieur gearbeitet, weil zu der Zeit, Anfang der 2000er, hat sich dann die Industrie sich nicht wirklich für Recycling interessiert. Und ich bin dann bei einem Konzern gelandet und habe da im Shopfloor gearbeitet und Prozesse, Produktionsanlagen verbessert, betreut und eben auch Ressourcen optimiert, Energie eingespart und Kosten reduziert.

Götz Müller: Genau und das Thema Ressourcen, das ist ja auch unser Stichwort heute. Ressourceneffizienz, da spontan und das kennst du natürlich mit Sicherheit das Buch vom Niklas Modig, der ja dort das Thema Ressourcen versus Flußeffizienz gegenübergestellt hat. Und erst auch dadurch das Kennenlernen von dir ist mir klar geworden, dass das eine ganz andere Art von Ressourcen ist, über die er da spricht.

Karsten Sander: Ja, das war eine sehr interessante Geschichte. Wir haben das festgestellt auf dem LATC. Da wurde halt davon gesprochen, dass Ressourceneffizienz nicht immer gut ist und dass die Flusseffizienz dann besser sei. Da habe ich sehr stark gestutzt und im Gespräch zusammen haben wir dann festgestellt, dass wir von unterschiedlichen Dingen sprechen. Ressourceneffizienz ist eigentlich das Verhältnis von Aufwand zu nutzen und im Lean-Kontext. Das haben wir dann festgestellt, wird dort primär in Richtung Mensch und Maschine gesprochen, um da den Aufwand zu reduzieren, Investkosten und ähnliches. Und der Niklas Modig hat dann die Flusseffizienz mit ins Spiel gebracht, was den Nutzen für den Kunden mit reinbringt, dass der Kunde möglichst schnell an sein Produkt kommt. Er hat das verdeutlicht an einer medizinischen Untersuchung, dass dann der Patient möglichst schnell an sein Ergebnis kommt. Und dass eben das Produkt des Gesundheitsüberprüfungsergebnisses, dass das wirklich schnell durch die vorhandenen Anlagen durchgeht.

Götz Müller: Okay, um das jetzt vielleicht nochmal ein bisschen Schritt zurück zu gehen. Du hast schon ein bisschen angedeutet, was der Lean-Kontext typischerweise meint, wenn er von Ressourcen redet. Und dann aber eben auch schon in die Differenzierung rein, was man im Grunde übersieht und was jetzt dein, so drücke ich jetzt einfach mal aus, dein Anliegen ist.

Karsten Sander: Ja, das nochmal kurz wiederholt. Im Lean-Management wird typischerweise Mensch und Maschine als Ressource betrachtet, dass die Produktionsressourcen möglichst ausgelastet werden. Das sind die technischen Ressourcen, die der Niklas Modig entsprechend meint. Das, was ich sehe, das, was ich meine, das sind die natürlichen Ressourcen, die Rohstoffe, Energie, Wasser, Luft, die entsprechend für die Produktion notwendig sind und genutzt werden müssen, um eben ein Produkt herzustellen. Und mein Ziel ist es halt, diese natürlichen Ressourcen zu zu reduzieren und eben möglichst effizient zu nutzen.

Götz Müller: Wenn man jetzt nochmal auf die, ich nenne es jetzt mal, Ausgangsressourcen zurückkommt, die eben Modig da anspricht, da hebt er ja auch etwas darauf ab, dass das, ja ich drücke es jetzt mal so aus, in der Form von Konflikt zur Flußeffizienz steht, die eben für den Kunden viel interessanter ist. Und an der Stelle vielleicht, also ich kann da trotzdem nur empfehlen, sich das Buch mal anzuschauen, weil eben diese Gegenüberstellung schon spannend ist. Ich habe jetzt von dir ein Stück weit in unseren, nennen wir es mal, Vorgesprächen rausgehört, dass es eben im Grunde diese anderen Ressourcen und Lean-Flusseffizienz eben nicht dieser Widerspruch ist.

Karsten Sander: Genau. Nimmt man jetzt die natürlichen Ressourcen mit dazu, dann gehören Lean und die Ressourceneffizienz ganz einfach zusammen, weil es da um Kosteneinsparungen geht oder nach Womack weniger von allem mit möglichst wenig Ressourcen, Rohstoffen und Energien etwas für den Kunden, für einen Kundennutzen zu erzeugen. Was jetzt zu den natürlichen Ressourcen auch doch mit dazugehört, Lean ist mitentstanden, damals vom alten Toyoda. Da ging es um Ressourcenknappheit in der wirtschaftlichen Lage. Also die hatten ganz einfach nicht genügend Material und mussten entsprechend mit weniger auskommen. Und da sind dann die Prozessoptimierungen mitdazugekommen. Also es gehört ganz einfach zusammen.

Götz Müller: a, und ich höre auch so ein bisschen raus, ein Stück weit könnte man fast so weit gehen zu sagen, es schließt sich ein Kreis. Und andererseits, und das ist aber der Punkt, den ich noch ein bisschen vertiefen möchte, weil du hast das Stichwort Kosten genannt. Und da gehe ich mal einfach davon aus, so wie ich das ganz oft, vielleicht sogar manchmal viel zu oft erlebe, dass halt das Thema Kosten im Vordergrund steht. Und jetzt andere Dinge wie Durchlaufzeit manchmal so ein bisschen in die zweite Reihe geschoben wird. Vielleicht, und das wäre jetzt auch ein Stück weit eine Frage an dich, passiert sowas Ähnliches mit der Ökologie? Wenn man aber halt jetzt an der Stelle vielleicht paradoxerweise die Kosten wieder in den Vordergrund hebt und sagt, wenn man diese Form von Ressourceneffizienz lebt, dann hat es auch Kostenvorteile.

Karsten Sander: Das hat absolut Kostenvorteile, denn die Ressourceneffizienz von den natürlichen Ressourcen, das ist Business. Das ist Business und es geht um Kosten. Es geht um Einsparung von Material und Energie. Und das sind einmal Sachen, die man so einkaufen muss. Das ist normal. Aber was noch dazu kommt, das sind alles CO2-Äquivalente, CO2-Zertifikate, die so als Stichpunkt dazu, das sind auch alles Kosten. Dann kommt noch die Nachhaltigkeitsberichterstattung dazu, die eigene CO2-Bilanz. Um die zu senken, müsste man Material und Energie entsprechend auch senken, um die eigene CO2-Bilanz dann zu reduzieren. Dazu kommt dann auch noch der Kunde wieder, der auf die CO2-Bilanz seiner Lieferanten guckt, um seine eigene CO2-Bilanz dann auch zu reduzieren. Also das ist alles knallhartes Business. Verfügbarkeit von Rohstoffen kommt doch dazu, Resilienz. Und von Ökologie habe ich da noch gar nicht gesprochen. Also die Schonung von der Umwelt.

Götz Müller: Die ich im Grunde, mir habe ich ja flapsig ausgedrückt, ja dann fast frei Haus kriege. Wenn ich das eine tue, muss ich, das ist vielleicht ein zu scharfes Wort, aber ein Stück weit eben kriege ich andere Dinge, also positive ökologische Effekte, kriege ich fast frei Haus.

Karsten Sander: Genau, Du kriegst genau das frei Haus. Ich reduziere Kosten, Material, Energie und bekomme dadurch frei Haus einen ökologischen Impact, der aber oft leider übersehen wird. Und das ist das, was leider nicht mitgedacht wird.

Götz Müller: Ja, das bringt mich jetzt ein bisschen zu meiner nächsten Frage und eben dich jetzt als Recycling-Fachmann da gefragt, wie schafft man das, die Aufmerksamkeit in diese Richtung zu lenken? Der, und ich werde so ein bisschen den Verdacht nicht los, aber korrigiere mich da gern, dass halt andere Menschen diese Brille aufhaben müssen, wie jetzt ein klassischer, ich nehme jetzt mal deine in Anführungszeichen Hauptrolle als Prozessingenieur, der jetzt vielleicht kein Recycling-Ingenieur ist, vom Hintergrund her, der das halt nicht so wahrnimmt, sondern der halt vielleicht doch eher primär auf Durchlaufzeit schaut und auf die klassischen. Lean-Ressourcen schaut?

Karsten Sander: Nun, zum einen sind die eben genannten positiven Impacts da. Es geht um Kosten und um Kosten, Nutzen und den Nutzen für den Kunden. Einmal ist der Kunde dafür bereit, diese Kosten zu tragen, wenn wir Ressourcen wie Material und Energie verschwenden. Und ist der Kunde auch dafür bereit, die erhöhte CO2-Bilanz mitzutragen. Das ist das eine, der positive Impact, der da ist, der mitgedacht werden sollte. Und wie macht man das? Man denkt es einfach mit. Das ist ein Zusatz, das durch Abfallreduzierung, Abfallvermeidung zum Beispiel, da eben mitdazukommt, dass eben Material nicht falsch verwendet wurde und dass das entsprechend eingespart wurde. Oder ein zweiter Punkt, das sind die Folgeressourcen, die auch mit eingespart werden. Also als Beispiel, ein Prozess wurde reduziert oder wurde verschlankt, eine Maschine wird nicht mehr benötigt, Werkzeuge werden nicht mehr benötigt und das macht jetzt nur noch eine Maschine. So, das ist erstmal schön. Aber was kommt noch mit dazu? Es wurden für Neuanlagen, diese Maschine muss nicht mehr gebaut werden. Das sind Ressourcen, die eingespart werden, Energien, die eingespart werden. Es braucht keine Logistik mehr dafür. Die Anlage muss nicht mehr gewartet werden. Es braucht keine zusätzlichen Lagerplätze und, und, und. Also dieser ganze Rattenschwanz, der damit dann hängt, der wird leider manchmal vergessen. Also wir reduzieren oder verschlanken den Prozess. Und was denn noch dazukommt, was Add-on ist, das wird ganz gerne vergessen, nämlich die Einsparung der Ressourcen, der Materialien, die eben nicht mehr verwendet werden müssen.

Götz Müller: Jetzt geht mir so ein Gedanke durch den Kopf. Ich erinnere mich da an ein Buch unter anderem auch und an den Untertitel von Mike Rother, wo er das Value Stream Mapping vorgestellt hat, wenn ich mich nicht völlig irre, mit dem Untertitel eben Learning to See. Das heißt, und da ging es ja primär um so Aspekte wie Durchlaufzeit. Da ging es primär um so Elemente wie Wartezeiten, die ich halt rausholen will, die ich dann mit dem klassischen Blitz da versehe, wenn ich mal den Wertstrom aufgenommen habe und sage, ah, da und da und da liegt das Zeug rum, sprichwörtlich wartet, was mir halt die Durchlaufzeit negativ nach oben treibt. Jetzt könnte ich mir vorstellen, dass es vielleicht ganz hilfreich ist, wenn mir etwas Vergleichbares gelingt, anhand des Wertstroms, die Aufmerksamkeit auf diese anderen Ressourcen zu lenken. Und da jetzt eben die Frage an dich als Fachmann, wie gelingt das? Wie muss ich eventuell typische Lean-Werkzeuge und Methoden nutzen oder erweitern, um eben wiederum dieses Sehenlernen im Sinne eines Bewusstseins dann auf diese Punkte auch zu richten?

Karsten Sander: Du hast das Stichwort schon genannt, das ist die Wertstromanalyse, unter anderem auch. Ich kann gleich noch weitere nennen, aber in der Wertstromanalyse, da steht doch schon alles drin, was wir benötigen. Wir betrachten das, was du meinst mit dem Blitz, wenn wir Wartezeiten und ähnliches reduzieren wollen, eben nur diese Zwischenschritte sehr häufig. Aber was tragen wir auch noch mit da ein? Wir tragen ein, was geht in das Gesamtsystem rein. Das sind Rohstoffe, die eingekauft werden und es gehen Waren zum Kunden. Und in den einzelnen Prozessen, die wir alle schön aufgenommen haben, da werden dann ja auch die Materialien mit aufgenommen. Die werden jetzt in dem normalen Wertstrom ganz oft einfach nur als gegeben hingenommen und mitgeführt. Aber wenn wir die jetzt hinterfragen und fragen, ist denn dieses ganze Material überhaupt notwendig für diesen einen Prozess oder gibt es noch zusätzliche Energien, die man einsparen kann oder ähnliches. Also es steht ja schon alles da, nur es wird ganz oft eben nicht mitgenommen. Ein weiterer Punkt, wo wir einen sehr starken Impact haben, Thema Lean-Werkzeuge und die Ressourceneffizienz ist das Problem Solving zum Beispiel. Also alles, was Fehlervermeidung ist. Wenn wir Fehler vermeiden, dann sparen wir entsprechend auch damit, Rohstoffe ein und Energien oder Überproduktion. Wenn wir viel zu viel Material verschwenden, weil Produkte hergestellt worden sind und es muss alles entsorgt werden, weil es halt nicht verkauft werden kann, dann sind das einmal Kosten, aber es sind halt auch Ressourcen und Energien, die damit verschwendet werden. Und ein letzter Punkt, das ist zum Beispiel das Coaching-Kata, Qualifizierung der Mitarbeiter. Wenn die Mitarbeiter qualifiziert sind und Fehler vermeiden können oder schnell Fehler beheben können, dann werden entsprechend auch natürliche Ressourcen eingespart.

Götz Müller: Da geht mir jetzt gerade ein Punkt durch den Kopf. Und da mal die Frage, ich könnte mir vorstellen, dass du das zum Teil ähnlich erlebt hast. Ganz oft steht ja immer so ein bisschen unausgesprochen, manchmal auch konkret ausgesprochen, die Frage im Raum, was bringt denn das Ganze? Ich drücke es mal ein bisschen flapsig aus, das ganze Lean-Zeug. Und dann sagt man immer, ja, und da reduziert sich unsere Durchlaufzeit. Aber in Geld kann ich das ja nicht so direkt zuordnen. Natürlich, Zeit ist Geld einerseits, ja. Aber ich tue mich, glaube ich, schon ein bisschen schwerer, einen Eurobetrag drunter zu schreiben. Während ich glaube, dass es eben einfacher ist, wenn ich halt diesen Liter Öl, ganz primitiv ausgedrückt, als Schmierstoff für diesen einen Prozessschritt gar nicht mehr brauche, dann sehe ich das sofort, was der eben im Einkauf gekostet hätte.

Karsten Sander: Wenn wir Ressourcen einsparen oder Materialien, Rohstoffe einsparen, Energien einsparen, dann ist der sichtbare Impact sofort da. Also der Einkauf sieht das sofort auf seiner Payroll. Die Energien, das sieht man sofort auf seiner Payroll. Das ist sofort erkennbar. Und die Durchlaufzeiten, wenn die reduziert werden, die sind auch erkennbar. Wenn zum Beispiel mehr produziert werden könnte, also Stückzahlerhöhung pro Schicht zum Beispiel, oder dass der Kunde früher sein Material bekommt oder er wird halt zeitgerecht beliefert. Das ist halt alles nicht so greifbar, aber es ist eben greifbar, diese natürlichen Ressourcen, wenn die entsprechend mit eingespart werden und es muss nicht dafür bezahlt werden.

Götz Müller: Ja, aber ich glaube, ein Stück weit muss man es ähnlich wie die Zeit nehmen. Da schreibe ich die Durchlaufzeit, die Bearbeitungszeit schreibe ich an den Prozesskasten hin. Ich schreibe eventuell die Liegezeiten hin. Das heißt, ich sehe es schwarz auf weiß. Und jetzt glaube ich, so habe ich es bei dir auch rausgehört, jetzt muss man halt einfach hergehen und das auch so greifbar dazuschreiben. Natürlich sehe ich es nachher noch in der Bilanz und natürlich sieht der Controller, wenn er den Einkäufer abfragt, was hast du denn da alles eingekauft? Natürlich sehe ich es dort auch, aber ich glaube halt, dass diese enge Kopplung, dass man die erstmal schaffen muss, damit es den Beteiligten vergleichbar sichtbar wird, im Sinne von Sehen lernen im Wertstrom und halt nicht erst an einer ganz anderen Stelle in der Bilanz oder in einem Einkaufsmengenbericht, wo ich diese Kopplung zum Prozess nicht mehr habe, zum Wertstrom nicht mehr habe.

Karsten Sander: Der Wertstrom ist da ein wunderbares Instrument, gerade für den positiven Impact für die natürlichen Ressourcen. Denn die einzelnen Prozessstationen, die dort aufgenommen werden, das sind meistens Idealwerte, die dann da sind und da stehen dann auch ganz oft Abfallsätze hinter. Und diese Abfallsätze sind oder die einzelnen Prozesse, Produktionsprozesse sind silomäßig optimiert worden und da stehen dann Abfallsätze von 1, 2, 3 Prozent hinter. Wenn man sich aber den Gesamtprozess anguckt, also was kommt rein in die Firma, in das Unternehmen an Gewicht, Tonnage, was nachher Produkt werden soll und was geht raus an den Kunden, was wird an Gewicht verkauft, dann ist das eine Riesendiskrepanz. Also ich habe eine Bilanz gesehen, das waren circa 60 Prozent an Gewicht, die dann nur zum Kunden gegangen sind. 40 Prozent von den Rohstoffen sind halt diffundiert, in Anführungsstrichen, im System. Die einzelnen Prozesse, die waren optimiert, das ist richtig, aber das Gesamtsystem, was gerne übersehen wird, wie viel Material geht in das Unternehmen rein, wie viel bekommt der Kunde, das ist nochmal eine ganz andere Nummer. Und da ist ein großer Punkt, der entsprechend mit betrachtet werden kann. So etwas sieht man dann eben auch in der Nachhaltigkeitsberichterstattung, um eben zu erkennen, wie läuft mein Laden im Großen.

Götz Müller: Aber ich glaube halt, und du hast es für mich im Grunde gerade bestätigt, ich muss es in diesen operativen Teil des Verbesserns auch reinkriegen, damit das Bewusstsein der Beteiligten auch dort steigt. Und dann eben auch diese Frage, ja, was hat denn das jetzt gebracht, dass ihr hier diesen Workshop gemacht habt zum Beispiel, um dann da eine Antwort zu geben. Ja, das hat wirklich auf der Materialebene, auf der Betriebsmittelebene so und so viele Einsparungen gebracht. Da kann ich zum Controller gehen oder zum Einkäufer gehen und den fragen, wenn ich jetzt hier 10 Prozent weniger, dann wird es schon relativ einfach, 10 Prozent weniger einkaufe. Was kommt dann unterm Strich dabei raus? Ich glaube eben, so hatte ich dich auch ein Stück weit verstanden, dass diese Brille ja fast zu selten bis gar nicht aufgesetzt wird und dann eben auch im Grunde keine Antwort in der Form gegeben werden kann auf diese Frage, was bringt mir das jetzt monetär?

Karsten Sander: Das sind einmal diese, ich gebe dir vollkommen recht, dieser Blick fehlt ganz oft. Was bringt mir das monetär? Was aber noch dazukommt, wo die Unternehmen stärker hingehen sollten, das sind die nicht monetären Geschichten. Was hat der Kunde davon? Da sind wir wieder beim Lean-Management, bei dem, was mit das oberste Ziel ist, den Kunden den Nutzen geben. Und der Kunde fragt aber auch nach der CO2-Bilanz im Zuge der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Und wenn wir nicht auf unsere Ressourcen achten, dann ist die CO2-Bilanz recht hoch. Und wenn wir im nächsten Jahr immer noch diese hohen Ressourcen oder CO2-Bilanzen haben, dann verlieren wir eventuell den Kunden, weil wir uns da in dem Zuge nicht verbessern.

Götz Müller: Oder ich kann halt im Grunde gar keine echte Auskunft geben auf die Aussage, weil ich es nicht irgendwie auf einen Punkt verdichten kann und an der Stelle jetzt durch den im Extremfall durch den Wegfall eines Arbeitsschrittes habe ich das eingespart.

Karsten Sander: Es läuft doch alles auf die Transparenz hinaus. Wir wollen wissen, was in unserem Unternehmen passiert, welche Kosten auftreten und wie wir kosteneffizient arbeiten können. Wir wollen Geld verdienen. Das ist unser oberstes Ziel, was wir haben. Und diese Transparenz gibt uns zum Beispiel der Wertstrom, die Wertstromanalyse, dass wir uns alles angucken, haben wir jetzt gerade gesehen, Learning to See. Es gibt dann noch mehr Punkte, die man sich angucken kann. Was es dazu noch gibt, das ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung, ein wunderbares Management-Tool, um eben weitere Dinge mitzuerkennen und um zu sehen, was im Unternehmen läuft, wie das Unternehmen läuft. Dazu gehören dann auch CO2-Bilanzen, die man machen muss. Und man ist aufgefordert, diese CO2-Emissionen, die durch Rohstoffe und Energie unter anderem auch mit entstehen, die zu reduzieren. Und das gibt die Transparenz auch wieder, dass man weiß, was tut man aktuell und man weiß auch, in welche Richtung möchte ich mich bewegen oder soll ich mich bewegen. Das ist ein weiteres Tool, was wir in der Hand haben, um uns auch an den Kunden zu binden, weil der Kunde wird auch darauf gucken, was tun wir denn als Unternehmen, um diesen CO2-Footprint zu reduzieren. Wenn wir uns da gar nicht drum kümmern, dann geht das auch mit auf die Bilanz des Kunden und der möchte das nicht. Der möchte einfach, dass seine Lieferanten seinen Footprint reduzieren, damit er selber auch wieder einen besseren Footprint hat. Wenn wir das nicht tun, dann riskieren wir halt den Kunden.

Götz Müller: Ein Stück weit geht mir gerade durch den Kopf, dass der Begriff Transparenz da eine ganz neue Bedeutung ein Stück weit bekommt. Nämlich früher hat man durch solche Dinge glatt durchgeguckt. Man hat sie also gar nicht wahrgenommen. Und jetzt vielleicht sprichwörtlich streiche ich sie halt an, zum Beispiel in einem Wertstrom, dass ich halt nicht bloß eine Liegezeit und eine Bearbeitungszeit da reinschreibe, sondern halt noch andere, dann eben in dieser Form Ressourcen, Kennzahlen, den einzelnen Prozessschritten mitgebe und dann Dinge plötzlich eben auf dieser Ebene sichtbar mache, nicht mehr nur blind durchgucke, sondern erkenne, okay, da habe ich jetzt so und so viel Kilogramm CO2 verbraucht. Und wenn ich das weglasse, dann kann ich mir das auf der positiven Seite aufschreiben.

Karsten Sander: Genau. Und die Daten sind eigentlich da, beziehungsweise das ist nur ein Umrechnungsfaktor, der denn da ist. Und wenn wir uns dem öffnen, dann können wir das System entsprechend auch mitverbessern. Das ist über Jahrzehnte nicht auf dem Zettel gewesen. Das kommt jetzt zusätzlich. Aber wir machen es ja schon. Wir müssen es nur tun. Und in der Wertstromanalyse haben wir ja die ganzen Daten drin. Wie viel Material setzen wir denn wo rein? Welche Tonnagen gehen in den Prozess rein? Welche Tonnagen kommen raus? Und wenn wir das mitbetrachten und versuchen, diese Werte umgerechnet in CO2 zu reduzieren, dann haben wir auch einen positiven Impact eben auch in Richtung des Kunden, damit er dann sieht, dass wir weniger verbrauchen, was für uns auch halt Kosten sind. Wir müssen die Rohstoffe und Energie bezahlen, die CO2-Zertifikate kommen auch noch mit dazu. Das wird richtig teuer. Und es wird dann richtig teuer, wenn der Kunde abspringt und sagt, wir kümmern uns nicht darum. Dann verlieren wir eventuell den Kunden. Der möchte auch sehen, dass wir dort in der Richtung tätig sind, um eben seine eigene Bilanz zu verbessern.

Götz Müller: Ja, und ein Stück weit, um es an der Stelle abzurunden, ich glaube, und so nehme ich es zumindest für mich selber wahr, im Grunde als Lean-Mensch kann man sich jetzt hier an der Stelle echt die Hände reiben und sagen, hey, cool, das, was ich da die ganze Zeit mache, bietet einen Nutzen, den es vorher auch schon geboten hat, Aber jetzt durch eine neue Form, wie verwende da deinen Begriff, durch eine neue Form von Transparenz, mache ich eben plötzlich sichtbar, was es bringt. Und könnte mir eben definitiv vorstellen, dass es einen Ausschlag bewirkt im Sinne von, ah, das bringt ja doch was. Und nicht so dieses, ah, Lean, tralala, toll, aber was bringt es unter dem Strich?

Karsten Sander: Das wäre also ein zusätzlicher Synergieeffekt, den man im Unternehmen noch bekommen könnte, wäre, wenn die Lean-Manager, Lean-Mannschaft und die Nachhaltigkeitsmannschaft zusammenarbeiten würde. Weil da so viele Synergien sind, da sind Daten, die zusammengeführt werden, da ist Know-how drin, um eben Prozesse zu beurteilen, Daten zu erlangen und strukturiert darzustellen. Also in meiner Sicht wäre es absolut sinnvoll, Lean-Management und Nachhaltigkeitsberichterstattung einfach zusammenzuführen, weil da sehr viele Synergien sind, um dann wirklich den positiven Impact mit in das Unternehmen zu geben. Und was auch noch dazu kommt, wenn man eine Nachhaltigkeitsberichterstattung macht und die einfach nur in der Schublade verschwinden lässt, dann ist das auch eine Verschwendung. Und wenn man aus diesen Daten nichts macht und diese nicht nutzt, dann verschwendet man halt die ganze Arbeit, die man in diesen Bericht reingesteckt hat.

Götz Müller: Ja, im Sinne von den sieben Verschwendungsarten und mir geht dann gerade noch durch den Kopf, ob man an der Stelle vielleicht nicht noch sogar noch eine weitere Verschwendungsart definieren könnte, auch wenn die vielleicht zum Teil in den anderen drinsteckt, in zum Beispiel Überproduktion und anderen Dingen, aber halt vielleicht nicht diese Aufmerksamkeit erregt und deshalb im Extremfall übersehen wird.

Karsten Sander: Es war halt jahrelang nicht auf dem Zettel. Das kommt jetzt erst. Und leider muss Überzeugungsarbeit geleistet werden. Aber wenn man das den Leuten sauber erklärt, was dahinter steckt, welchen positiven Impact das alles hat in Richtung Kosten, dann versteht das auch jeder sofort.

Götz Müller: Genau und das war im Grunde auch meine Motivation, dich zu der Podcast-Episode anzusprechen und das hat mir definitiv neue Erkenntnisse gegeben und ich bin mir ziemlich sicher auch dem einen oder anderen und ich kann mir an der Stelle nur wünschen und ich hoffe ziemlich, dass der eine oder andere sich eben sprichwörtlich die Hände reibt, weil er sagt, ah, jetzt habe ich noch eine weitere Argumentationsschiene gefunden, was mir in meiner Lean-Arbeit das Leben leichter macht. Und deshalb, Karsten, an der Stelle danke ich dir für deine Zeit, für die Einblicke.

Karsten Sander: Vielen Dank. Danke, dass ich da sein durfte.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Karsten Sander zum Thema Ressourceneffizienz und doch Lean. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 374.

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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.
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