Für Umwege gibt es im Kontinuierlichen Verbesserungsprozess viele Ursachen und Situationen, die sie hervorrufen bzw. in denen sie auftreten. In meinen Augen ist es lohnend, sich darüber Bewusstsein und Klarheit zu verschaffen. Unterm Strich sind diese Umwege wertvoll und würden nicht zu den gleichen Ergebnissen führen, falls sie nicht gegangen oder bewusst vermieden werden.
Um diese Aspekte zu reflektieren, ist es m.E. erstmal notwendig, den Begriff des Umwegs an sich zu definieren. Im Rahmen dieses Artikels und meiner Überlegungen sind Umwege Sonderfälle, die von bekannten und vordefinierten Wegen abweichen.
Genau diese beide Punkte „bekannt“ und „vordefiniert“ deuten bereits auf den Wert von Umwegen hin. Das bedeutet nun nicht, dass die normalen Wege notwendigerweise keinen Wert besitzen. Ein „normaler“ Projektverlauf bspw. kann durchaus auf eine gute bis optimale Projektplanung im Vorfeld hindeuten. Im Fall des KVP und dem Weg zu einem nächsten Ziel-Zustand kann es jedoch ein deutliches Indiz sein, dass der eingeschlagene Weg durch ein zu dünnes Brett geht und deshalb wahrscheinlich der Ziel-Zustand nicht herausfordernd genug gewählt wurde. Wenn der Weg zum Ziel-Zustand bekannt ist und in der Folge auch so gegangen werden kann, entsteht in den seltensten Fällen substanziell neues Wissen.
Erst wenn der Weg zum Ziel-Zustand durch unbekanntes Gelände geht, auf diesen Weg auch Fehler gemacht und diese auch angemessen gewertschätzt werden, ist es möglich, dass neue Erkenntnisse gewonnen werden.
Mit diesen Gedanken steht jetzt auch sofort die Frage im Raum, ob es mit einem herausfordernden Ziel-Zustand überhaupt Umwege geben kann, da der „Regelweg“ ja gar nicht bekannt sein kann bzw. bekannt sein darf, weil sonst der Ziel-Zustand wiederum nicht das Kriterium „herausfordernd“ gar nicht erfüllt. D.h. der Unterschied zwischen Regelweg und Umweg kann also nicht bekannt sein, weil der Normalweg nicht bekannt ist. Deshalb stellt sich zwingend die Frage, ob es dann den Umweg ebenfalls nicht gibt bzw. geben kann.
– Mark Twain
Trotz dieser Überlegungen bin ich der Überzeugung, dass es Umwege im KVP gibt. Sie treten m.E. dann in Erscheinung, wenn der Weg zum Ziel-Zustand ein erstes Stück gegangen wurde und dabei an einem bestimmten Punkt die Erkenntnis wächst, – bspw. aufgrund von Fehlern – dass umgedreht werden und ein anderer Weg eingeschlagen werden muss. Zu diesem Zeitpunkt ist also ein erster Abschnitt eines (vermeintlichen) Regelwegs entstanden und ein Umweg wird notwendig.
Statt Fehlern können auch Hindernisse die Ursache sein, warum die jetzt neudefinierten Umwege notwendig werden. Auch bei den Hindernissen ist deren Existenz nahezu zwingend, weil es sich sonst wiederum um keinen Weg durch unbekanntes Gelände zu einem herausfordernden Ziel-Zustand handeln kann.
Erst die Hindernisse und resultierenden Umwege sind also Garanten dafür, dass wirklich neues Wissen entstanden ist.
Der ein oder andere Leser mag jetzt der Meinung sein, dass dieser Artikel zwar einige philosophische Gedanken in sich trägt, die jedoch ohne praktischen Wert sind. Auch wenn ich diese Schlussfolgerung nicht völlig widerlegen kann und will, bin ich doch der Meinung, dass der zugrundeliegende Gedankengang herausgearbeitet hat, dass herausfordernde und auf einanderaufbauende Ziel-Zustände durch unbekanntes Terrain mit resultierenden Umwegen in Richtung einer definierten Vision absolut notwendig sind, um sicherzustellen, dass der Kontinuierliche Verbesserungsprozess wirklich seinen Namen verdient. Und zwar „Kontinuierlich“ durch die (nicht endende) Folge von Ziel-Zuständen in Richtung zur fernen Vision, „verbessernd“ durch den Aspekt des neuen Wissens durch überwundene Hindernisse und gemachte Fehler und „Prozess“ durch den standardisierten Weg (dabei ohne Umweg), unterstützt durch die Routine der Verbesserungs- und Coaching-Kata.
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