Der Kontinuierliche Verbesserungsprozess funktioniert nicht – wenn nicht ein paar wichtige Voraussetzungen beachtet werden. Welche Voraussetzungen das sind, möchte ich in diesem Denkanstoß diskutieren.
Diese Voraussetzungen sind einerseits formaler Natur und haben dann davon abgeleitet auch ganz praktische Aspekte.
Die formalen Aspekte ergeben ganz einfach aus der Namensgebung, sind es aber m.E. trotzdem wert, sie sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen und sich daran auszurichten.
Kontinuierlich
Hinter diesem Begriff steckt die Endlosigkeit des Vorgangs (der Prozessbegriff steht hier noch nicht zur Debatte). Die Herausforderung besteht dabei darin, diese Endlosigkeit sicherzustellen und das leider immer wieder auftretende Einschlafen zu vermeiden. Welche Möglichkeiten dazu bestehen, wird weiter unten aufgeführt.
Verbesserung
Um eine Verbesserung zu gewährleisten, ist es notwendig, sowohl den Ist-Zustand als auch den gewünschten Ziel-Zustand zu kennen und beschreiben zu können. Beides sind Punkte, zu denen ich Ihnen aus meiner Beratungspraxis versichern kann, dass sie bei weitem nicht immer vorhanden sind. Wichtig dabei ist, dass beide Zustände adressiert werden. Eine Richtung und die damit verbundene Ausrichtung entsteht nur, wenn beide Punkte vorhanden sind. Ein Ziel ist nicht ausreichend, wenn man nicht weiß, wo man herkommt. Ebenso wie eine reine weg-von-Bewegung in der Orientierungslosigkeit endet.
Prozess
An dieser Stelle greife ich den oben verwendeten Begriff des Vorgangs wieder auf. Ein Vorgang wird erst dann zum Prozess, wenn er reproduzierbar nach definierten Standards abläuft, er also bestimmten, weil bewährten Regelmäßigkeiten gehorcht. Im Fall des KVP ist das der PDCA-Zyklus, die übergeordnete Verbesserungs-Kata und die begleitende Coaching-Kata.
Die aufgeführten Voraussetzungen müssen also zutreffen, damit der KVP seinen Namen verdient. Formal kann er auch nur dann als solcher funktionieren. Das soll nicht heißen, dass etwas anderes nicht funktioniert (Six Sigma funktioniert auch – wenn bestimmte Voraussetzungen zutreffen), nur ist es dann halt kein Kontinuierlicher Verbesserungsprozess, der diesen Namen tragen kann und verdient. Dabei möchte ich noch betonen, dass der KVP kein Zustand ist, den es zu erreichen gilt, damit man dann irgendwo einen Haken setzen und zum nächsten Thema übergehen kann. Wer glaubt, diesen Zustand erreicht zu haben, hat m.E. schon verloren. Wer sagt, ich habe gelebt, ist mit großer Wahrscheinlichkeit schon tot (das Leben ist ein Prozess, auch wenn das vielleicht noch nicht jeder gemerkt hat ;-) Vor einiger Zeit gab es auf dem Lean-Stammtisch in Stuttgart eine vergleichbare Diskussion um die Frage, ob und vorallem wann bzw. wie ein Unternehmen LEAN ist (nicht wird). Ich habe damals die These aufgestellt, dass der Zustand LEAN sich praktisch selbst ausschließt, weil es auch hier nicht um den Zustand, sondern den Prozess geht.
– Jacques Horovitz, Schweizer Professor für Service-Strategie und -Marketing
Nach dieser langen Vorrede soll es jetzt noch darum gehen, wie es gewährleistet werden kann, dass der KVP funktioniert. M.E. ist es dazu notwendig, dass Impulse von außen beachtet, aufgenommen und in Aktivitäten umgesetzt werden.
Diese Impulse lassen sich nun wieder in zwei Kategorien einteilen.
Inhaltliche Impulse
Inhaltliche Impulse ergeben sich durch die Umgebung eines Unternehmens (oder in kleineren Strukturen die Umgebung einer Abteilung, eines Teilprozesses usw.). Ganz oben steht dabei der Kunde, dessen Nutzen die einzige Existenzberechtigung des Unternehmens darstellt (auch hier kann es sich lohnen, mal nur Teile eines Unternehmens oder einer beliebigen Organisation zu betrachten).
Wenn die Frage nach dem Kunden gestellt wird, besteht m.E. überhaupt keine Gefahr, dass dem KVP die Themen ausgehen, weil sich die Bedürfnisse des Kunden laufend verändern und letztlich durch die verschiedensten Einflussfaktoren (Umwelt, Gesellschaft, Mitbewerber, Innovationen, …) keine ultimative d.h. statische Kundenzufriedenheit existieren kann. Um die Kundenzufriedenheit also laufend anstreben bzw. zu Verbessern, sind in der Konsequenz also ebenso kontinuierliche Verbesserungen im Unternehmen und seinen Prozessen notwendig.
Prozedurale Impulse
Mit dieser Kategorie meine ich die Einflüsse auf die Vorgehensweise selbst. Im Lean-Umfeld kann man dabei die Entwicklung selbst betrachten und welchen Veränderungen sie unterliegt. Da gab es die 1990er Jahren mit der ersten Welle (Womack & Jones), die stark von der (oberflächlichen) Werkzeug-Sicht geprägt war. Dadurch waren gute Ergebnisse möglich, die aber oft keinen dauerhaften Bestand (zumindest nicht auf der Ebene der Vorgehensweise) hatten und zusätzlich den schalen Eindruck einer gigantischen Arbeitsplatzabbaumaßnahme hinterlassen haben.
Eine zweite Welle hat dann in den 2000er Jahren begonnen (Liker), nachdem das Scheitern der ersten Welle offensichtlich wurde. In dieser Welle wurde erkannt, dass es da noch etwas anderes geben muss, was nicht mit ein paar Workshops und Trainings installiert werden kann. Mittlerweile befinden wir uns in einer dritte Welle (Rother), in der noch tieferes Verständnis entsteht, welche Mechanismen außerhalb der einfachen Anwendung von Werkzeugen notwendig sind, damit Lean (bzw. der KVP) funktioniert, dauerhaft funktioniert.
Aus dieser zweiten Kategorie entsteht dann letztlich auch die Dasseinsberechtigung der Beratergilde (zu der ich mich auch zähle), weil sie es ist, die einen Transportkanal der prozeduralen Impulse in die Unternehmen und Organisationen darstellt.
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