
Der NPS fokussiert sich mit seiner Frage nach der Weiterempfehlung beim Ausgangspunkt auf das Endergebnis (nämlich die Empfehlung). Viel besser wäre es, wenn der Ausgangspunkt der Prozess (der erbrachten Leistung) wäre. Also bspw. die Frage, was können wir tun, um die Leistung noch zu verbessern? Oder die Frage nach der Zufriedenheit mit der erbrachten Leistung. Beides würde eine angesprochene Person in meinen Augen viel stärker ins Nachdenken bringen als die Frage nach der Wahrscheinlichkeit einer Weiterempfehlung.
Natürlich besteht da möglicherweise das Risiko, dass die Bewertung weniger gut ausfällt. Aber sie wäre objektiver und würde auch dem Fragesteller viel mehr Möglichkeiten bieten, die Antworten auch wirklich zur Verbesserung zu nutzen. Selbst wenn die Frage nach Verbesserungsmöglichkeiten im Verlauf der Befragung noch folgt, besteht immer das Risiko, dass die befragte Person schon vorher aus Antwortmüdigkeit (oder eben genervt sein) den Prozess abgebrochen hat.
Die Fokussierung auf eine Zahl vermittelt Sicherheit. Sie suggeriert, dass man die Kundenzufriedenheit im Griff hat, weil sie sich scheinbar messen lässt. Doch genau darin liegt das Problem: Der Net Promoter Score ist keine echte Lernquelle, sondern eine Kennzahl ohne Kontext. Er beschreibt ein Ergebnis, aber keine Ursache. Lean dagegen denkt vom Prozess aus – vom Weg, der zum Ergebnis führt. Wenn ich nur das Ergebnis beobachte, verliere ich die Chance, das zugrunde liegende System zu verstehen und zu verbessern.
– Johann Wolfgang von Goethe
Hinzu kommt, dass die typische NPS-Frage gar nicht auf Erfahrung, sondern auf eine Einschätzung in der Zukunft zielt. Der Befragte soll bewerten, ob er wahrscheinlich empfehlen würde – nicht, wie er den Prozess tatsächlich erlebt hat. Diese Verschiebung macht die Antwort abstrakt und entfernt vom konkreten Erlebnis. Die Frage ist bequem für den Fragesteller, aber wenig aussagekräftig für die Verbesserung. Sie entlastet das System, weil sie keine echten Rückmeldungen provoziert.
Ein Lean-orientierter Ansatz würde dagegen echte Lernfragen stellen. Fragen, die den Kunden oder Nutzer ins Nachdenken bringen und den Fragesteller in die Lage versetzen, daraus zu lernen. Etwa: „Was hat Sie überrascht – positiv oder negativ?“ oder „An welcher Stelle haben Sie sich im Ablauf geärgert?“ Solche Fragen zwingen zur Reflexion und liefern Anhaltspunkte, die sich im Prozess verbessern lassen. Und genau darum geht es im Kern von Lean – um Lernen durch Feedback, nicht um Bewerten zur Beruhigung.
Oft sind solche NPS-Befragungen auch ein Ausdruck einer Kultur, die lieber misst, als sich wirklich mit der Realität auseinanderzusetzen. Die Kennzahl wird zum Feigenblatt, um Kundennähe zu demonstrieren, ohne sich wirklich auf den Kunden einzulassen. Im Lean-Sinn ist das eine Form der Verschwendung: Aufwand für Messung und Auswertung, ohne dass daraus Nutzen entsteht. Die vermeintliche Objektivität einer Zahl ersetzt die unbequeme, aber wertvolle Auseinandersetzung mit dem, was im Prozess wirklich passiert.
Am Ende bleibt der NPS damit eine Scheinlösung. Er schafft eine Illusion von Kontrolle, wo eigentlich Verständnis nötig wäre. Wer stattdessen wissen will, was Kunden wirklich denken, sollte sich trauen, ihnen echte Fragen zu stellen – solche, die nicht nur Antworten liefern, sondern Einsichten ermöglichen. Denn wer nur fragt, ob jemand weiterempfehlen würde, zeigt vor allem, dass er gar nicht wissen will, was wirklich verbessert werden kann.
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