Warum Erfahrung nicht unbedingt zum Ziel führt

Erfahrung

In der Regel und im Allgemeinen ist Erfahrung oder sogar Expertentum hilfreich bei der Lösung von Problemen. Die Formulierung „In der Regel“ lässt aber auch darauf schließen, dass das nicht unbedingt immer und überall der Fall sein muss. In diesem Artikel mache ich mir einige Gedanken darüber, warum das so sein kann, welche Ursachen das haben kann, welchen Folgen sich daraus ergeben und wie man erkennen kann, dass dieses Problem besteht.

Entsprechend dem grundsätzlichen Lean-Verständnis will ich dabei mit den Folgen beginnen, weil nur durch unerwünschte Auswirkungen eine Situation erst zum Problem wird.

Erfahrung und Expertentum stellt sich dann ein, wenn man über eine Sache immer mehr weiß, oft mehr als ein anderer Personenkreis. Typischerweise wird man auch erst in der Beurteilung durch andere zum Experten. Diese Abgrenzung und die eigene Fokussierung bringt es aber gleichzeitig mit sich, dass man andere Aspekte dabei beginnt auszublenden, nicht zuletzt deshalb, weil nicht nur der menschliche Geist gewissen Beschränkungen unterliegt. Das gilt sowohl für die Aufnahmefähigkeit als auch die Verarbeitung des Aufgenommenen, auf jeden Fall aber für die Zeit, die für die Aufnahme und Verarbeitung zur Verfügung steht, weil es sich (bis zur Erfindung der Zeitmaschine – und täglich grüßt das Murmeltier) hier um die wahrscheinlich einzige (derzeit bekannte) beschränkte Ressource handelt.

Aus diesem Kontext kann sich dann die Problematik ergeben, dass sich jede Situation und jedes Problem zu einem Nagel verdichtet, weil man DER Experte im Umgang mit dem Hammer ist.

In vielen Fällen geht dabei auch einher, dass nicht nur eine thematische Fokussierung auf den Nagel eintritt, sondern auch der sprichwörtlich Zweck des Nagels in dem Hintergrund tritt. Dann ist es egal, ob damit ein Bild an die Wand gehängt werden oder vier Leisten zu einem Bilderrahmen zusammengefügt werden sollen. Es wird nur noch auf den Nagel draufgehauen.

Auf das reale Leben übertragen, findet deshalb oft eine Fokussierung auf das direkte Arbeitsumfeld statt. Also bspw. auf die Maschine, die möglichst rund um die Uhr laufen sollen und deshalb Aufträge zu möglichst großen Losen zusammengefasst werden, damit sich die notwendigen Rüstzeiten auf möglichst viele Teile aufteilen und dadurch der Anteil an dem einzelnen Teil sinkt.

Dass dadurch die Durchlaufzeiten und Bestände steigen, geht dabei mangels des Überblicks unter.

Gleichzeitig kann man aber den Betroffenen daraus gar keinen Vorwurf machen und Strick daraus drehen. Letztlich ist es wieder der Kontext, der hier das Verhalten der Menschen bestimmt. Und es ist Teil der Führungsverantwortung diesen bestimmenden Kontext zu erkennen und entsprechendes Wissen darüber zu teilen.

Deshalb ist es im Lean Management so wichtig, dass genügend Zeit (!) darauf verwendet wird, das wahre Problem herauszuarbeiten, um nicht dann im Anschluss die Zeit für die falschen Lösungen zu verschwenden. Außerdem ist es gerade auch die Aufgabe von Experten, ihr Wissen und ihre Erfahrung weiterzugeben. Aber nicht nur einfach durch Replizierung Clone von sich selbst zu schaffen, sondern andere zu befähigen, selbst eigene Erfahrungen zu machen und noch wichtiger auch in der Lage zu sein, diese auch zu reflektieren und die eigenen Grenzen zu erkennen.

„Der vernünftige Gebrauch der Erfahrung hat auch seine Grenzen. Diese kann zwar lehren, daß etwas so oder so beschaffen sei, niemals aber, daß es gar nicht anders sein könne.“

– Immanuel Kant

Zu einer geeigneten Problemerfassung gehört auch, dass die Problembeschreibung auf belastbaren Daten und nicht nur auf Meinungen beruht. In diesem Zusammenhang darf auch Korrelation und Kausalität nicht verwechselt werden. Das Gemeine an Korrelationseffekten ist, dass sie scheinbar plausibel sind. Man kann sie aber sehr leicht von Kausalität unterscheiden. Korrelation ist immer umkehrbar, während das für Kausalität aufgrund des Wenn-dann-Zusammenhangs nicht möglich ist.

Statistik ist grundsätzlich gut geeignet, um Korrelationen aufzudecken. Kausale Zusammenhänge müssen aber immer durch menschliche Denkprozesse erkannt und dann überprüft werden. Im Kontext von Statistik muss man auch grundsätzlich verstehen, dass die Zahlenbasis bestimmten Gesetzmäßigkeiten genügen muss, damit Statistik überhaupt funktionieren kann. Wichtige Elemente sind dabei der Umfang der Stichproben und der Bezug zur Grundgesamtheit.

In Verbindung mit der Vertrauenswürdigkeit von Daten sollte man auch immer bedenken, dass es nicht nur positive und negative Zusammenhänge gibt – vergleichbar zu Gerichtsurteilen schuldig oder nicht schuldig – sondern auch falsche positive und falsche negative Zusammenhänge – also unschuldig verurteilt oder schuldig freigesprochen. Insbesondere bei Korrelation, d.h. bei indirekten Tests kann es sehr leicht zu diesen Effekten kommen. Dann weist ein positive Testergebnis u.U. auf einen gewünschten Zusammenhang, beschränkt sich aber nicht allein darauf, sondern schlägt auch bei anderen Ursachen an und verfälscht damit das Ergebnis.

Soweit also erstmal ein kleiner Einblick in mögliche Folgen falsch verstandener und eingesetzter Erfahrung.

Die nächste Frage ist dann, was die Ursachen sind. Zum Teil stecken die in den Folgen schon mit drin. Erfahrungen sind grundsätzlich und ihrem Wesen nach in die Vergangenheit gerichtet. Sie entstehen aus Erfolgen aber auch aus Fehlschlägen in der Vergangenheit. Speziell die erfolgsbasierten Erfahrungen sind dabei besonders gefährlich, weil sie aus dem „Nagel“-Problem, speziell wenn es öfters aufgetreten und gelöst wurde, auf die „Hammer“-Lösungen schließen lassen.

Deshalb kann es dann auch leicht zu Vorurteilen kommen, die im Grund in die gleiche Richtung wirken.

Eine weitere Ursache dieser „fehlgeleiteten“ Erfahrung ist natürlich fehlendes Bewusstsein bzgl. dieser Problematik, aber durchaus auch Ignoranz. Gerade mit zunehmender Erfahrung kann sich dieser Effekt sogar noch verstärken.

Deshalb sind Feedback-Schleifen an dieser Stelle so wertvoll. Im ersten Schritt können das Vorgesetzte sein. Aber auch andere Personen sind hilfreich, sofern sie einen Status Quo, auch den der Erfahrung, laufend hinterfragen und sich selbst davon auch nicht ausnehmen.

Diese Ursachen sind gleichzeitig auch die Möglichkeiten mit kritischen Erfahrungen ebenso kritisch umzugehen, d.h. die kontinuierlich zu hinterfragen. Auch hier spielen „externe“ Impulse eine wichtige Rolle, quasi die eigene Betriebs- bzw. Erfahrungsblindheit wahrzunehmen und entsprechend gegenzureagieren.

Wenn Sie in Ihrem Verantwortungsbereich bei sich selbst oder anderen Personen schon mal Anzeichen dieser Erfahrungshürde wahrgenommen haben, nehmen Sie gerne Kontakt mit mir über dieses Formular auf oder greifen Sie einfach zum Telefon und rufen Sie mich unter 0171-7342717 an. Wir können uns dann in einem ersten Schritt darüber unterhalten, welche Impulse durch Coaching dabei hilfreich sein können, um nicht in die Falle der eigenen Erfahrungen zu treten.

Falls die Umstände für Sie aktuell eine Kontaktaufnahme verhindern, legen Sie sich doch eine Wiedervorlage an.

Frage: Welche kritischen Auswirkungen von Erfahrung sind Ihnen schon begegnet? Was waren die Ursachen dafür? Wie lassen sich diese und die Folgen entdecken und vermeiden?

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