Warum Lean ein Problem hat

Problem

Probleme zu haben, ist im Lean-Kontext nicht wirklich etwas besonders. Nicht zuletzt gibt's ja von Taiichi Ohno die Aussage, dass die Annahme, kein Problem zu haben, schon eines ist.

Trotzdem ist mir jetzt ein Problem in den Sinn gekommen, das in seinen Auswirkungen leider erhebliche Kreise zieht und viele davon betroffen sind, dabei auf ganz unterschiedliche Art und Weise.

Ausgangspunkt war dabei die alte Marketingweisheit, dass Kunden typischerweise ein Ergebnis kaufen wollen, so wie Baumärkte eigentlich keine Bohrmaschinen verkaufen, sondern die Möglichkeit, Löcher in die Wand zu bohren.

Wie der Zufall es will, ist mir kurz vor dem Schreiben des Artikels genau diese Aussage in einem Vertriebs-Newsletters begegnet.

Im Grunde geht es aber auch nicht um die Löcher, sondern um die Möglichkeit, daran etwas aufzuhängen. Und dahinter steckt dann noch ein weiteres Bedürfnis. Ein Bild, damit das Wohnzimmer schöner aussieht, ein Küchenschrank, damit die Teller nicht mehr auf der Spüle umstehen.

Wie sieht das also im Lean-Kontext aus?

Da wollen Kunden oft keine Beratung, kein Training oder etwas anderes prozessorientiertes, sondern ein Ergebnis. Vereinfacht ausgedrückt, schlanke Prozesse in einem schlanken Unternehmen. Mit all den Wirkungen, die sich daraus ergeben. So wie wir das alle bspw. von Toyota kennen.

Dummerweise ist Lean aber selbst ein Prozess und niemals ein Ergebnis im Sinne eines Zustands.

Im Grunde kann man Lean also nicht kaufen, sondern muss es selber machen. Beim Machen kann man sich natürlich unterstützen lassen, aber aus der Nummer des Machens kommt man halt nicht raus.

Da hilft es nicht wirklich, sich jetzt nur auf die begleitenden Methoden und Werkzeuge zu konzentrieren, die ja durchaus ihre Wirkung zeigen können. Aber es reicht halt nicht aus, nur diese einzusetzen, in der Hoffnung, dass sich der Rest dann schon ergeben wird, weil es bei Toyota ja auch funktioniert hat.

Was ist also das Problem?

Einerseits ist es die schon erwähnte Erwartungshaltung der Unternehmen bzw. der Entscheider in diesen Unternehmen.

Anderseits entsteht aus der Nachfrage, die mit der Erwartungshaltung verbunden ist, auch ein Angebot.

„Ein T-Shirt schwitzt nicht von alleine.“

– Uwe Hück

Das ist jetzt erstmal kein Problem. Dazu wird es aber, weil diese methodischen und Werkzeugangebote eben die Erwartungen typischerweise nicht erfüllen. Zumindest eben nicht, wenn es seitens der Unternehmen und ihrer Entscheidung keine eigene substanzielle Mitwirkung gibt. Diese Mitwirkung erstreckt sich dann nicht nur in die Umsetzung dessen, was bspw. in einem Training vermittelt wurde, sondern eben auch auf substanziellere Dinge, wie Führungsverständnis, Fehlerkultur u.v.m.

Welche Folgen entstehen dann daraus? Typischerweise lässt sich das unter der Aussage zusammenfassen „wir haben Lean versucht/probiert, hat bei uns nicht funktioniert.“ Viel zu oft fehlt dabei aber sogar das „bei uns“ und die Reflexion über die Gründe, warum es nicht funktioniert hat, unterbleibt einfach und es wird zum „Lean funktioniert nicht“.

In dem Augenblick ist dann nicht nur der spezifische Anbieter, sondern die ganze Sache an sich verbrannt.

Dann bringt es in meinen Augen auch nichts, wenn jetzt auf eine gewisse Weise versucht wird, alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen, indem man dem Kind einen neuen Namen gibt, egal wie der lautet. Im übertragenen Sinn gilt trotzdem das Sprichwort „was Hänschen nicht gelernt hat, lernt Hans nimmer mehr“, was sich aber auch mit der Baumpflanzung verbinden lässt, bei der der beste Zeitpunkt natürlich vor 25 Jahren gewesen ist, der zweibeste Zeitpunkt gerade heute wäre und in der Konsequenz der schlechteste Zeitpunkt morgen sein wird.

Über die Ursache(n) der bisher genannten Probleme kann ich jetzt nur spekulieren. Meine Vermutung ist, dass es ein umfangreiches Konglomerat und Sammelsurium aus Jahrzehnten bis Jahrhunderten wirtschaftlicher Handlungsformen handelt, die „dummerweise“ alle ihre Berechtigung haben bzw. hatten, weil sie eben in ihrem Kontext (siehe Bohrmaschinen & Löcher) alle mal funktioniert haben, ganz oft heute noch funktionieren und vielleicht sogar noch morgen.

Blöd wird's halt dann, wenn sich die Leute nichts mehr an die Wand hängen wollen, entweder weil kleben viel moderner ist und jemand passende Klebemittel erfunden hat (die es ja wirklich schon gibt), oder weil Wände aus der Mode gekommen sind, weil ihre Funktion durch andere Mechanismen ersetzt wurde (ok, heute noch utopisch, aber kann man das für alle Zukunft wirklich ausschließen?).

Im Lean-Kontext dürfte es allerdings noch nie anders gewesen sein, nur wurden die Erwartungen halt durch die Bohrmaschinen dieser Welt geprägt. Und gleichzeitig kann man aber ziemlich einfach aufzeigen, woran es denn wirklich liegt. In meinen Augen existiert so viel Wissen über die Details und Grundprinzipien, die hinter dem Toyota Produktionssystem stecken, dass es im Grunde ganz einfach ist, das mit der eigenen Situation und fehlgeschlagenen Anläufen abzugleichen. Aber man muss halt an die eigene Nase greifen, was definitiv nur ganz selten Spaß macht, weil da halt die eigenen Fehleinschätzungen drinstecken.

Und letztlich stellt das dann auch die Ursache dar (dass der schmerzvolle Griff unterbleibt) und gleichzeitig den Ausweg, zumindest kann man bis zum Beweis des Gegenteils ganz, indem man halt diesen Weg dann mal beginnt und nicht zu früh wieder umdreht oder abbiegt.

Wie sieht dann jetzt der Call-to-Action am Ende dieses Artikel?

Wer jetzt auf die ultimative Lösung gehofft hat, wird vermutlich leider enttäuscht sein. Das hätte schließlich dem Grundtenor des Artikels widersprochen, dass zur Lösung des Problems eben auch die eigene Mitwirkung ganz entscheidend erforderlich ist.

Mein Vorschlag zum Einstieg wäre der Blick in den Spiegel, dann klappt's auch mit der Nase ;-)

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Frage: Welche Probleme kommen Ihnen mit Lean noch in den Sinn? Welche Ursachen vermuten Sie dahinter? Was wären mögliche Gegenmaßnahmen?

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