Den Impuls dazu hatte ich schon vor einiger Zeit durch eine Seite in den Weiten des WWW, in der erwähnt wurde, dass Fertigbackmischungen in den 1950er-Jahren unter eher schwindendem Interesse litten, weil die Nutzerinnen dann mehr als nur Wasser hinzufügen wollten, um ihren eigenen Beitrag hervorzuheben.
Eine vergleichbare Situation haben wir auch vergleichbar im Lean-Kontext bzw. allgemein bei Veränderungen/Verbesserungen. Da bringt es typischerweise wenig bis gar nichts, wenn Verbesserungen den Menschen von außen übergestülpt werden, sie an der Entwicklung der Verbesserungen aber nicht beteiligt waren. Oft führt diese Vorgehensweise sogar zu Widerständen, oft auf einer unbewussten Ebene durch das „Not-invented-here“-Syndrom.
Unter den Folgen dieses „Problems“ – d.h. den Widerständen – leiden dabei nicht nur externe Lean-Berater, sondern auch Führungskräfte, die ja nicht selten diese Rolle bekommen, eben weil sie gute Problemlöser sind.
Jetzt könnte ein Argument sein, warum dieses Beispiel aus dem Haushalts-/Küchenkontext nicht aufs Lean Management passt, dass Hausfrauen in den USA der 1950er-Jahre vielleicht ein anderes Selbstbild hatten als möglicherweise ungelernte Arbeitskräfte an einem Fließband.
Dem kann ich nur entgegen, dass dieses Argument in meinen Augen erstmal durch Fremdbilder beider Gruppen geprägt ist. Außerdem besteht dann immer noch die Möglichkeit der Self-fulfilling-Prophecies, dass also explemplarisch den Fließbandarbeitskräften dieses Selbstbild zugesprochen wird und jedes ausbleibende Verbesserungsidee als Beleg für die fehlende Fähigkeit zur Verbesserung benützt wird. Hier muss man sich aber immer wieder bewusst machen, dass die Abwesenheit eines Beweises nicht der Beweis der Abwesenheit ist.
– Paul Theroux
Andererseits kenne ich Fälle der typischen Reaktion von Betroffenen – vor allem, wenn „externe“ Verbesserungsvorschläge nicht funktioniert haben – in Form der Aussage „uns fragt ja keiner“, was wiederum in meinen Augen ein deutliches Indiz der mangelnden Einbeziehung als eigentliche Ursache ist. Und noch deutlicher, wenn genau die Abfrage von Ideen plötzlich bewirkt, dass bisher unbeteiligte Betroffene genau die passenden Lösungen präsentieren, weil sie im Grunde die besten tagtäglichen Erfahrungen mit Problemen haben.
Um nun wieder auf die Kunstperson der Betty Crocker zurückzukommen, wie hat dann damals die Reaktion der Anbieter der Backmischungen ausgesehen?
Sie haben damals nicht versucht, den Absatz der Backmischung allein durch Marketing und Werbemaßnahmen dafür aufrechtzuerhalten. Sondern sie haben genau diese Bedürfnisse adressiert, indem sie ein gleichnamiges Kochbuch[2] mit einer enormen Anzahl von Rezepten auf den Markt gebracht haben, welche bis heute in aktualisierten und unterschiedlichen Ausgaben verfügbar ist. Und gleichzeitig gilt das auch für unterschiedliche Backmischungen unter der Marke Betty Crocker.
Wieder auf den Lean-Kontext übertragen, leitet sich also daraus die Frage ab, was man der Zielgruppe (exemplarisch die Arbeitskräfte am Fließband) verfügbar machen sollte, um die gewünschten Reaktionen (Mitwirkung und Engagement bei Verbesserungsinitiativen) auszulösen.
In meinen Augen sind dafür Konzept wie die Coaching-Kata mit ihren aktivierenden Fragen ein guter Ansatz, um ein als Ausgangspunkt Bewusstsein für Probleme und mögliche Gegenmaßnahmen bei den Beteiligten zu schaffen, diese im positiven Sinn zu Betroffenen zu machen und gleichzeitig die Ausrichtung an übergeordneten Zielen sicherzustellen (als Teil der Führungsverantwortung).
Und im übertragenen Sinn erzielt man im Lean-Management auf Dauer bessere Ergebnisse, wenn alle Beteiligten und Betroffenen die zugrundeliegenden Prinzipien verstanden haben, die hinter allen Rezepten stecken, statt bloße Fertigbackmischungen in Form von geistlosen Methoden und Werkzeugen zu nutzen.
Frage: Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Engagement der direkt Betroffenen in Verbesserungsinitiativen gemacht? Wo wurden Ihre Erwartungen nicht erfüllt? Was wären mögliche Alternativen bei der Einbeziehung?
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[2] Betty-Crocker-Kochbuch auf Wikipedia Jetzt eintragen und Artikel/Denkanstöße zukünftig per eMail erhalten.
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