Was Hanlon schon über Lean wusste …

Hanlon

… und vielleicht erwarten Sie jetzt einen ähnlichen Artikel wie über Aristoteles und Lean [1]. Damit liegen Sie auf jeden Fall nicht ganz verkehrt. Bevor's losgeht, will ich erstmal noch den eigentlichen Untertitel ergänzen.

… bzw. was sein Sprichwort mit Lean und Fehlerkultur zu tun hat.

Jetzt ist es vermutlich sinnvoll, als erstes dieses Sprichwort zu zitieren [2].

„Gehe nicht von Böswilligkeit aus, wenn Dummheit genügt.“

In meinen Gedanken zu diesem Zitat verwende ich die gleiche Zerlegungstechnik wie bei dem Archimedes-Artikel. Die beiden zentralen Begriffe sind dabei die Böswilligkeit und die Dummheit.

Beide Begriffe haben für mich im Lean-Kontext und der Fehlerkultur wieder eine eher metaphorische Bedeutung.

Die Böswilligkeit steht dabei für absichtliche Fehler, die dann im Grunde schon in die Kategorie Sabotage fallen. Böswilligkeit ist für mich auch eine aktive Handlung (oder Unterlassung), die damit einer bestimmten Person zugeschrieben werden kann (und muss). In der Konsequenz ist mit diesem aktiven Verhalten immer auch die Schuldhaftigkeit verbunden, welche dann auch eine Ahndung nahelegt. Im betrieblichen Kontext steht dafür ein bestimmtes Portfolio zur Verfügung (u.a. Abmahnung und Entlassung kommt mir da in den Sinn), welches übergeordnet noch durch zivil- und strafrechtliche Gesetze ergänzt wird.

Im Kontrast dazu steht dann die Dummheit, die im Unterschied zur Böswilligkeit kein aktives Verhalten darstellt, sondern eher eine beschreibende und passive Eigenschaft ist. Natürlich ist auch die Dummheit wieder einer Person zugeordnet, ich will sie aber im Lean-Kontext und in Verbindung mit der Fehlerkultur in einem gewissen Maß von der Person lösen bzw. mit der Situation verbinden, in der bzw. aus der heraus die Zuschreibung der Dummheit gemacht wird.

Dazu gehören jetzt verschiedene Formen des Nicht-Wissens, des Nicht-Könnens, ggf. des Nicht-Wollens und in bestimmten Fällen des Nicht-Dürfens.

Während die Böswilligkeit auf eine gewisse Weise auch immer einem Kontext zugeordnet ist, besteht bei der metaphorischen Interpretation der Dummheit ein noch stärkerer Zusammenhang, der es dann auch erlaubt und notwendig macht, die Dummheit von der Person zu lösen, um eine Abhilfe im Bezug zu einem unerwünschten Ergebnis zu schaffen.

Bevor wir in die Abhilfe einsteigen, will ich nochmal betonen, dass schon die Klassifizierung in die o.g. Nicht-Formen ein wichtiger Ausgangspunkt ist, über den man sich (bspw. als verantwortliche Führungskraft) wirklich bewusst sein sollte, weil sich daraus eine hohe Abhängigkeit zu den (sinnvollen) Reaktionsmöglichkeiten ergibt.

„Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“

– Albert Einstein

Diese Klassifizierung stellt auch eine Form der Kopplung zwischen der Person und der Situation dar, weshalb ich die o.g. Trennung von der Person auch tw. vorbehaltlich beschrieben hatte.

Auf jeden Fall ist die Kopplung zwischen der Situation, d.h. dem Kontext, und der Nicht-Form auch eine wichtiges Element des Respekts (Respect for People), weil die „Dummheit“ damit nicht mehr ultimativ eine Zuschreibung zur Person ist, sondern berücksichtigt, dass sie abhängig vom Kontext korrigiert werden kann, indem geeignete Maßnahmen identifiziert und umgesetzt werden. Das Training Within Industry gibt dazu geeignete Hinweise, die dann zur Auswahl von Job Instructions (Unterweisungen oder andere Formen der Vermittlung von Wissen oder Fähigkeiten, bei Nicht-Wissen oder Nicht-Können), Job Relations (Arbeitsbeziehungen, bei Nicht-Wollen), Job Methods (Verbesserungen der Arbeitsmethodik, bei gewissen Formen des Nicht-Könnens, wenn der Prozesskontext eine Hürde darstellt).

Wenn Sie die Liste der Maßnahmen betrachten, ist Ihnen vielleicht aufgefallen, dass das Nicht-Dürfen nicht aufgeführt war.

Das hat den besonderen Hintergrund, dass es hier zwei verschiedenen Ausprägungen gibt, die wiederum unterschiedliche Reaktionen nahelegen.

Die offensichtliche Form des Nicht-Dürfen liegt in objektiv erkennbaren Regeln oder Anweisungen begründet. Hier liegt also kein grundsätzliches Missverständnis über das Nicht-Dürfen an sich vor. Trotzdem kann es natürlich sein, dass der ursprüngliche Kontext, in dem die Regel aufgestellt wurde, gar keine Gültigkeit mehr hat und deshalb auch die Regel überholt ist und typischerweise aufgehoben werden sollte. Das kann aber nur zuverlässig und wirksam gelingen, wenn wirkliche Klarheit über den ursprünglichen Kontext besteht und das auch den Unterschied mit dem aktuellen, veränderten Kontext einbezieht.

Die u.U. versteckte Form des Nicht-Dürfens liegt in der Wahrnehmung begründet, oft in der Kopplung mit der Wahrnehmung einer Situation. Hier besteht typischerweise eine hohe Kopplung mit einer betroffenen Person, deren Ursache dann hinterfragt werden muss, um die irrtümliche Annahme des Nicht-Dürfens aufzulösen, oft verbunden mit der Korrektur eines Nicht-Wissens verbunden.

So weit also die „Analyse“ und Interpretation der beiden Hauptbegriffe in Hanlon's Razor. Vermutlich entnehmen Sie diesem Satz jetzt schon, dass ich es damit noch nicht bewenden lassen will.

Der Punkt, den ich zum Abschluss noch ansprechen will, dreht sich um den Adressaten des Sprichworts, das ja mit seiner Aussage an jemand gerichtet ist.

Primär denke ich dabei natürlich an Führungskräfte, die ich ja schon erwähnt hatte. Die Gedanken lassen sich aber auch an „normale“ Menschen richten, die einen Fehler (eines anderen Menschen) wahrnehmen und darauf reagieren. Diese Reaktion kann dann einen hohen Anteil an der psychologischen Sicherheit in dieser Situation ausmachen. Sie betrifft damit nicht nur die direkt betroffene Situation, sondern auch bloße Beobachter, die jede Reaktion zumindest unbewusst auch auf sich selbst abbilden. Auch damit sind dann wiederum die (un)beteiligten Führungskräfte gefordert, die daraus den Einfluss auf die psychologische Sicherheit und die Folgen in Ihrem Verantwortungsbereich ableiten können.

Wenn Sie wissen möchten, wie die Einführung von Layered Process Audits in Ihrem Verantwortungsbereich aussehen können, nehmen Sie gerne Kontakt mit mir über dieses Formular auf oder greifen Sie einfach zum Telefon und rufen Sie mich unter 0171-7342717 an.

Falls die Umstände für Sie aktuell eine Kontaktaufnahme verhindern, legen Sie sich doch eine Wiedervorlage an.

[1] Was Archimedes schon über Lean wusste …
[2] Wikipedia-Artikel zu Hanlon's Razor

Frage: Welches vermeintliche Fehlverhalten ist Ihnen in Ihrem Verantwortungsbereich schon begegnet? Wie sind Sie damit umgegangen? Was wären mögliche Alternativen gewesen?

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