Was Archimedes schon über Lean wusste …

Archimedes

… und was ihm entgangen war.

Wenn Sie sich jetzt fragen, was ein antiker griechischer Gelehrter überhaupt mit dem neuzeitlichen Lean zu tun haben soll, muss ich zur Erklärung etwas ausholen. Auslöser meiner Gedanken und damit die Basis dieses Artikels, war sein Zitat, das mir in einem Hörbuch zu einem ganz anderen Thema begegnet ist.

Gebt mir einen genügend langen Hebel und einen festen Punkt und ich hebe die Welt aus den Angeln.

Jetzt entsteht bei Ihnen vielleicht schon die nächste Frage, was diese Aussage wiederum mit Lean zu tun haben soll.

Zur Erklärung ist es jetzt hilfreich, das Problem – in Form der Frage nach der Beziehung zwischen der Aussage und Lean – als erstes in seine Bestandteil zu zerlegen.

Sprache bzgl. sprachliche Aussagen haben da schon mal den Vorteil, dass man sich über die Problemstrukturierung selbst keine Gedanken machen muss, wenn man dazu einfach bei den Wörter in der Aussage beginnt (unter der Annahme, dass eine weitere Zerlegung der Wörter in Buchstaben keinen Erkenntniszuwachs bringt).

Was sind also die zentralen Wörter in der Aussage des Archimedes?

Da springen mir die folgenden Wörter ins Auge bzw. in den Sinn: Hebel, Punkt, Welt. Dazu kommen noch ein paar beschreibende Adjektive (genügend lang, fest) und natürlich auch als zentrales Element das Aus-den-Angeln-heben.

Damit lassen sich jetzt auch die angedeuteten Assoziationen zwischen der Aussage und Lean schaffen.

Der (genügend lange) Hebel steht dabei für den Lean-System-Baukasten mit den verschiedenen Elementen von der Werkzeug-/Methoden-Ebene, über die System-Ebene, bis zur philosophischen Ebene (die alten Griechen halt wieder ;-)

Gewirkt wird damit auf die Welt, die ich hier als Metapher für Geschäftsprozesse betrachte.

In einer Form (aus den Angeln heben), die ich in Beziehung mit dem Verbessern setze.

Bleibt noch der Punkt, der feste Punkt wohlgemerkt.

Diesen betrachte ich als den aktuellen Zustand, der es erst durch die Festigkeit im Sinne von Standards & Co. ermöglicht einer Veränderung auch wirklich eine Verbesserung zuzuordnen.

So weit also mein konstruierter Bezug zwischen Lean und Archimedes und was er darüber schon wusste.

Was ist ihm aber auf dieser Basis bei seiner Aussage entgangen?

„Ich hab's (gefunden)!“

– Archimedes (nach der Entdeckung des gleichnamigen Prinzips)

Er spricht da nur von einem (festen) Punkt. Was mir da fehlt, ist der zweite Punkt. Mindestens der nächste angestrebte Ziel-Zustand. Ohne diesen richtunggebenden zweiten Punkt besteht die große Gefahr, das aus dem Aus-den-Angeln-heben wieder doch bloß eine Veränderung (u.U. um der Veränderung willen) wird und die Verbesserung dabei auf der Strecke bleibt.

Für den zweiten Punkt habe ich das Adjektiv fest auch bewusst in Klammern gesetzt, weil der nächste Ziel-Zustand nicht das Niveau der Festigkeit des Ausgangszustands hat bzw. haben muss. Typischerweise ist er nur eine Etappe auf dem weiteren Weg in Richtung zur Vision und kann sich damit auch mal ändern.

War's das jetzt, was Archimedes nicht über Lean wusste?

Vermissen Sie noch etwas?

Mir kommt jetzt noch in den Sinn, dass „genügend lang“ im Vokabular eines Lean-Menschen „eigentlich“ nicht auftreten soll. Wenn er mir also heute mit dieser Aussage entgegentreten sollte, könnte ich mir wahrscheinlich die provozierende Rückfrage „wie lang ist denn genügend lang“ nicht verkneifen. Nicht um ihn zu ärgern oder die Wertigkeit seiner Aussage zu schmälern, sondern um ihm die Chance zu bieten, das eigene Wissendefizit zu reduzieren und die Lösung genauer zu beschreiben und damit noch besser zu machen.

Würde er sich über meine Rückfrage freuen? Eher nicht, zumindest in der allerersten Reaktion.

Würde mir die Rückfrage leicht fallen? Auch nicht, im Wissen um seinen Status.

Gibt es vergleichbare Situation auch im „normalen“ (Arbeits-)Leben? Dass eine Lösung nicht ausreichend tief hinterfragt wird? Und das vielleicht auch in Abhängigkeit von der Person und deren Status nicht passiert?

Mir begegnet das immer wieder und ich kann mich von dieser „Falle“ auch nicht freisprechen, in die ich schon oft getreten bin und bestimmt auch in der Zukunft immer wieder mal treten werde.

Und es ist immer eine Gratwanderung, der „richtigen“ Punkt zu erkennen, an dem man mit dem Fragen aufhört und eine vorgestellte Lösung dann einfach mal umsetzt. Wenn der Hebel dann sprichwörtlich zu kurz war, merkt man das praktisch immer. Und auf jeden Fall hat man dann daraus auch etwas gelernt.

Manchmal lohnt es sich aber auch, noch einen Tick weiterzumachen, weiterzufragen.

Der Aspekt mit dem „genügend lang“ ist mir bspw. erst beim Schreiben des Artikels in den Sinn gekommen. Ohne mich jetzt selbst loben zu wollen, ist das für mich aber fast die wichtigste Erkenntnis (fast, weil ich generell vorsichtig mit Superlativen bin).

Frage: Wann sind Sie schon mal zu schnell zu einer Lösung gesprungen? Was waren die Folgen daraus? Wie hätten Sie das vermeiden können?

Sie können einen Kommentar hinter­lassen, indem Sie hier klicken.

Oder teilen Sie den Artikel, gerne mit Ihrem Kommentar, auf Ihrem bevorzugten Social-Media-Kanal und lassen andere an Ihrer Erkenntnis teilhaben.

Jetzt eintragen und Artikel/Denkanstöße zukünftig per eMail erhalten.

Artikel teilen auf ...

Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.