Was Probleme und Entscheidungen gemeinsam haben

Entscheidungen

Probleme und Entscheidungen. Zwei Begriffe, die im Alltag einer Organisation ständig präsent sind – oft getrennt voneinander betrachtet, selten in ihrem inneren Zusammenhang durchdrungen. Dabei entsteht genau aus dieser Trennung ein blinder Fleck, der das Denken in Verbesserungsmöglichkeiten lähmen kann. Vielleicht beginnt es damit, dass Probleme als Störungen wahrgenommen werden, die idealerweise nicht existieren sollten. Wer keine Probleme hat, ist auf dem richtigen Weg – so die verbreitete Vorstellung. Doch was, wenn gerade dieser Zustand selbst ein Problem darstellt?

Im Lean-Denken ist das Vorhandensein von Problemen kein Zeichen von Schwäche, sondern eine unausweichliche Realität – und ein Hinweis darauf, dass etwas zu entdecken ist. Der Glaube, keine Probleme zu haben, führt nicht zur Exzellenz, sondern zur Selbsttäuschung. Es ist eine Form von Entscheidung – nämlich die Entscheidung, nicht mehr hinzuschauen, nicht mehr zu hinterfragen. Die Entscheidung, vermeintlich in Ruhe gelassen zu werden. Aber genau darin liegt bereits der erste Irrtum: Keine Entscheidung zu treffen, bedeutet nicht, dass nichts passiert. Es bedeutet nur, dass der Status quo weiterwirkt, sich verfestigt, womöglich unbemerkt eskaliert.

Und so offenbart sich die Parallele. Problem und Entscheidung sind keine Gegensätze. Sie sind zwei Seiten derselben Medaille. Probleme fordern Entscheidungen, Entscheidungen erzeugen neue Probleme – oder besser gesagt: neue Erkenntnisse über bestehende Zusammenhänge. Wer glaubt, sich durch Innehalten oder Abwarten aus dieser Dynamik herauszuziehen, verkennt die Natur von Systemen. Denn Systeme entwickeln sich weiter, ob man aktiv gestaltet oder nicht. Jede nicht getroffene Entscheidung ist eine Entscheidung dafür, alles zu lassen, wie es ist – samt aller Konsequenzen.

„Aus dem Durcheinander findet sich Einfachheit, aus der Uneinigkeit entwickelt sich Harmonie, inmitten der Schwierigkeiten liegt die Gelegenheit.“

– Albert Einstein

Diese Denkweise wirkt auf den ersten Blick unbequem. Sie stellt infrage, was lange als vernünftig oder umsichtig galt. Aber genau das macht sie fruchtbar. Denn sie fordert dazu auf, Verantwortung nicht nur im Reagieren zu verstehen, sondern im bewussten, kontinuierlichen Gestalten. Probleme sind nicht das Ende, sie sind der Anfang eines Erkenntnisprozesses. Und Entscheidungen sind keine Weggabelungen, die man passieren muss – sie sind die Richtung, die man selbst bestimmt.

Interessant wird es dann, wenn man sich fragt, worauf man in Organisationen wirklich Einfluss hat. Oft wird Einfluss mit Kontrolle verwechselt. Doch Kontrolle wirkt nur auf das Sichtbare, auf das Formalisierte. Einfluss dagegen entfaltet sich dort, wo Entscheidungen getroffen werden – nicht unbedingt laut und formell, sondern in Denkweisen, in Routinen, in der Bereitschaft, sich mit Problemen zu beschäftigen. Und in der Fähigkeit, das vermeintlich Offensichtliche infrage zu stellen.

Das bedeutet nicht, dass jede Entscheidung sofort und umfassend getroffen werden muss. Es bedeutet vielmehr, sich bewusst zu machen, dass selbst das Zögern, das Beobachten, das Abwägen eine Form der Entscheidung ist. Und dass jedes Problem, das nicht betrachtet wird, nicht verschwindet, sondern sich einen anderen Weg bahnt. Vielleicht leiser, vielleicht indirekter – aber nicht weniger wirksam.

Frage: Welche Entscheidungen treffen Sie gerade, indem Sie sie nicht treffen? Welche Probleme übersehen Sie, weil Sie sie nicht als solche erkennen wollen? Wie verändert sich Ihre Perspektive, wenn beides nicht mehr getrennt voneinander gedacht wird?

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