Kaizen 2 go 250 : Cynefin und der Wert von Reflexionsprozessen


 

Inhalt der Episode:

  • Was ist das Cynefin-Framework?
  • Was sind Anwendungsfälle für das Cynefin-Framework?
  • Wie gelingt es (diese) Situationen, Frage-/Problemstellungen einzuordnen? Welche Kriterien kommen dabei zum Einsatz?
  • Was kann man dann mit der Einordnung anfangen?
  • Wie lässt sich das Cynefin-Framework für die Reflexion nutzen?
  • “Werkzeuge” für den Umgang mit komplexen Situationen
  • Parallele Entwicklungsstränge der Situationen und der Beteiligten/Betroffenen
  • Reflexion als Bestandteil von Lernprozessen

Notizen zur Episode:


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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 250 : Cynefin und der Wert von Reflexionsprozessen

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller:

Götz Müller: Heute habe ich Peter Rubarth bei mir im Podcast-Gespräch. Er ist Agile-Coach bei einem Fintech. Hallo Herr Rubarth.

Peter Rubarth: Hallo Herr Müller.

Götz Müller: Klasse, dass Sie dabei sind. Ich habe jetzt schon ein Stichwort zu Ihnen gesagt, aber stellen Sie sich gerne den Zuhörern noch mal in zwei, drei, vier Sätzen vor.

Peter Rubarth: Genau, das kann ich gerne machen. Wie Sie eben schon gesagt haben, bin ich als Agile-Coach tätig und helfe den Organisationen, in denen ich arbeite und den Teams dabei sozusagen das Potenzial, was in agilen Methoden drin ist, zu heben und es so einzusetzen, dass es auch wirklich etwas bringt und ich bin ursprünglich 2018 zum Thema agil gekommen, als ich selber als Leiter der Software-Entwicklung ganz dringend nach einer Lösung gesucht habe, um ein nicht ganz rundlaufendes Projekt besser hinzubekommen. Da bin ich damals auf Scrum gestoßen und das hat so schnell so viel besser funktioniert, dass bei dem Thema hängen geblieben bin und mich über die Jahre immer stärker auf das Thema Agil konzentriert habe, bis eben zum heutigen Zeitpunkt, wo ich dann als Agile-Coach diese Erfahrung weitergebe, um anderen zu helfen.

Götz Müller: Ich denke, das passt auch … diese Situation passt jetzt auch zu unserem Thema, denn ich vermute mal, zumindest interpretiere ich das da rein, Sie haben darüber nachgedacht, warum hat denn das jetzt plötzlich funktioniert, wo es vorher nicht funktioniert hat. Und das ist ja im Grunde auch das Thema Reflexion und jetzt haben wir uns in dem Zusammenhang noch etwas ganz Spannendes ausgesucht, nämlich das sogenannte Cynefin, da muss man schon überlegen, wie man es überhaupt ausspricht, weil das ist ja nichts, was man, in Anführungszeichen irgendwo in der Schule lernt, was das ist und deshalb vielleicht zum Einstieg die Frage, was ist denn überhaupt das Cynefin-Framework, über das wir uns jetzt heute unterhalten werden?

Peter Rubarth: Ja, sehr gerne. Also Cynefin-Framework, da ist ja, wie Sie es schon gesagt haben, da ist im Namen schon die erste Hürde eingebaut, sich mit dem Thema aus auseinanderzusetzen und das ist in der Tat kein Akronym, sondern ein Begriff aus der walisischen Sprache, weil der Entwickler von dem Framework, Dave Snowden, Waliser ist und der Meinung war, dass dieses Wort eben besonders gut das beschreibt, was er mit diesem Framework erreichen möchte. Und das Framework wird von ihm als Essence Making Framework bezeichnet und ich sage mal einfachen Worten kann man sich das so vorstellen, dass es darum geht, herauszufinden, in welchen Art von Umfeld man sich bewegt. Also ich habe mir überlegt, das Bild von einer Landschaft. Also es gibt halt unterschiedliche Landschaften, Berge, Städte, den Strand und einige andere Dinge, vielleicht noch ein Moor und je nachdem, wo man ist, machen unterschiedliche Vorgehensweisen Sinn. Und das ist bei einer Landschaft im eigentlichen Sinne relativ leicht zu verstehen, wo man sich befindet, aber wenn es jetzt um das Arbeitsumfeld geht, ist es eben nicht so anschaulich und dafür ist Cynefin sehr gut geeignet, eben sich damit auseinanderzusetzen, mit was für einem Umfeld man es eigentlich zu tun hat und welche Arten, mit diesem Umfeld umzugehen dann möglicherweise Sinn machen.

Götz Müller: Da höre ich jetzt auf jeden Fall auch raus, dass es halt etwas Anwendungsorientiertes ist und jetzt vielleicht an der Stelle ein paar, sagen wir mal Beispiele am allerbesten, wo ich das Framework jetzt einsetzen kann.

Peter Rubarth: Ja, gerne. Als … Ich habe das in der Tat am Anfang, als ich darauf gestoßen bin, hat es mir geholfen, zu verstehen, was ich damals, als ich angefangen habe mit agil und mit Scrum, was ich dazu unbewusst entdeckt habe, dass nämlich die Methoden, die ich vorher für das Management von Projekten eingesetzt habe, nicht zu den Herausforderungen gepasst haben. Das heißt, ich war frustriert, dass ich da das, was ich dachte, wie ordentliches Projektmanagement geht, mache und ich habe aber, aus meinem Verständnis viel zu viel Zeit darein investiert für den Wert, den mir das für die Steuerung gegeben hat und bin dann eben irgendwann auch auf den Gedanken gekommen, vielleicht passen die Methoden nicht zu dem Umfeld. Und so setze ich Cynefin also heute auch ein, dass ich das in Trainings verwende, um zu zeigen, welche Arten von Rahmenbedingungen es gibt und für welche Arten von Rahmenbedingungen Agilität entwickelt wurde. Das heißt, damals in meiner Situation war es ebenso, dass ich Methoden eingesetzt habe, die für dieses komplexe oder sich schnell ändernde Umfeld ungeeignet waren, aber genauso gut ist es auch möglich, dass man agile Methoden in einem Umfeld eingesetzt, wofür sie nicht entwickelt wurden, was dann auch schlecht wäre.

Götz Müller: Das heißt, wenn wir bei dem Modell mal der Landschaft bleiben, höre ich raus, das ist so eine Kombination aus Kompass, vielleicht für die Menschen, die ein bisschen oldschool unterwegs sind oder im modernen Ansatz so etwas wie ein GPS, also ich vermeide jetzt mal erstmal bewusst noch den Begriff des Navigationssystems, sondern es sagt mir erstmal, es gibt mir erstmal meinen Standort, ich kann mich natürlich umgucken und jetzt sehe ich vielleicht so ein paar Beispiele, das heißt, ich nehme vielleicht schon war, ich bin im Wald oder ich stehe irgendwo auf dem Acker und trotzdem kann es wahrscheinlich hilfreich sein, über einen Blick von außen diese Situation mal wahrzunehmen, wo ich überhaupt bin.

Peter Rubarth: Ganz genau. Also mir gefällt spontan der Begriff des Kompass ein bisschen besser, weil er eben zur Positionsbestimmung dient, aber Sie nicht aus der Verantwortung entlässt, zu entscheiden und zu reflektieren, was jetzt Sinn macht. Ein anderes Bild wäre vielleicht eine Flugdrohne, die einem eben hilft, aus der Position mitten im Wald herauszutreten oder zumindest mal den Blick von oben drauf zu werfen und zu sagen, mit was habe ich es hier eigentlich zu tun, wo bin ich eigentlich gerade und welche Konsequenzen ergeben sich daraus.

Götz Müller: Die Metapher kann man ja noch fortsetzen, der Kompass alleine, wenn ich jetzt mal darüber nachdenke und an meine, etwas primitiven Navigationskenntnisse, der Kompass alleine sagt mir erstmal nur, wo Norden ist, aber er sagt mir ja noch nicht, wo ich wirklich bin, speziell wenn ich dann irgendwo hinwill, kann ich jetzt immer nur nach Norden steuern, wenn ich nur den Kompass habe. Das heißt, ich glaube, es ist dann aber so eine Kombination noch mit einem Sextanten, was man ja zum Beispiel verwendet, ich brauche noch eine Uhr dazu, und ich glaube, wenn man die drei Elemente hat, dann kann man einigermaßen seine Position bestimmen.

Peter Rubarth: Genau.

Götz Müller: So höre ich das auch raus, dazu hilft mir dann dieses Framework, überhaupt erstmal zu sagen, wo bin ich denn.

Peter Rubarth: Genau. Also ich bin jetzt ein bisschen vorsichtig, was das angeht, jetzt mehrere Instrumente zu verwenden, weil es eben es ist keine so präzise Wissenschaft und ich glaube, das ist ja auch das, womit sich Cynefin beschäftigt, dass es eben Sachverhalte gibt, da gibt es eindeutige Antworten und da ist eine eindeutige aus-A-folgt-B-Logik möglich, aber es gibt eben auch Sachverhalte, wo das nicht passt oder zumindest in der aktuellen Situation, in der man sich befindet, nicht passt und das ist eben … es dient dazu, sich so zu verorten, aber es ist eben jetzt keine präzise Wissenschaft.

Götz Müller: Ja, und vor allem Dinge, da, glaube ich, endet dann die Metapher, wenn man in Richtung Navigationssystem denken würde, Sie haben ja vorhin das Stichwort Komplexität genannt, ein Navigationssystem würde jetzt, zumindest so, wie wir es kennen, jeder in seinem Auto, würde ja in einem komplexen System so nicht funktionieren, weil es diese offensichtlichen Kausalitätszusammenhänge ja nicht gibt.

Peter Rubarth: Ich glaube, jetzt, wo ich darüber nachdenke, finde ich das auch ein gutes Beispiel, um da auch die Risiken zu veranschaulichen, weil ein Navigationssystem ist ja nur so gut, wie auch das Kartenmaterial, was dem zugrunde liegt, wenn da jetzt Routen berechnet werden. Und es gibt ja immer wieder Fälle, wo davon berichtet wird, dass jemand mit einem Auto in den See gefahren ist, weil es das Navigationssystem so gesagt hat. Und das ist ja eigentlich ein ganz gutes Beispiel, dass, wenn die Karten aktuell sind und wenn die Positionsbestimmung funktioniert, ist das wunderbar so ein Navigationssystem, nur wenn sich eben die Rahmenbedingung ändern oder das Kartenmaterial eben veraltet ist und wenn man dann diesen veralteten Informationen folgt und die Annahmen, die visuellen Eindrücke, die man hat, ignoriert, dann führt es zu einem Desaster.

Götz Müller: Jetzt hatten Sie es durch den Aspekt Komplexität angedeutet, ich vermute aber mal, ich meine, ich kenne es natürlich auch, ich habe mich in der Vorbereitung zu unserer Unterhaltung jetzt auch ein bisschen damit beschäftigt, aber wahrscheinlich nicht jeder Zuhörer. Das heißt, was gibt es außer Komplexität noch.

Peter Rubarth: Also das Cynefin-Framework unterscheidet fünf verschiedene Domains, oder wie ich gerne sage, vier Domains und eine besondere. Und die vier Domains, ich muss kurz überlegen, weil die Namen sich ab und zu mal ändern, die erste ist, mit der ich immer anfange, ist clear, die zweite ist dann complicated, dann kommt complex, was Sie eben schon erwähnt haben und chaotic und die Fünfte ist dann confused. Und ich fange mal mit der fünften an, die bedeutet eigentlich, das aktuell keine Positionsbestimmung möglich ist, die ist ein bisschen schwieriger auch zu greifen. Clear dagegen ist ganz einfach zu greifen und das ist eigentlich eine Situation, wo es offensichtlich ist, mit was man zu tun hat und welche Handlungen angemessen sind und es ist auch zuverlässig möglich zu sagen, dass, wenn ich das mache, was ist das Ergebnis. Und complicated ist dann eine Stunde mehr, das ist es nicht offensichtlich, aber es ist mit Analyse möglich, die Situation so zu verstehen, dass man zuverlässig vorhersagen kann, welche Handlung zu welchem Ergebnis führt. Ein Beispiel, was ich da gerne verwende, ist eine mechanische Uhr. Das heißt, wenn ich eine mechanische Uhr auseinandernehme, werde ich nicht in der Lage sein, die wieder zusammenzubauen, dass sie funktioniert, jemand mit der entsprechenden Ausbildung, ein Uhrmacher wird es können und der wird es auch hundertmal können und es wird immer wieder das gleiche Ergebnis sein. Und das ist eben der Unterschied zum Komplexen, da sind die Rahmenbedingungen, die Faktoren, die zu berücksichtigen sind und die Wechselwirkungen dazwischen, so vielfältig, dass die gleiche Maßnahme wiederholt zu einem anderen Ergebnis führen kann, dass keine Abweichungen in der Ausgangssituation zu dramatisch anderen Ergebnissen führen, sodass also Analyse alleine nicht ausreicht, und man eben diese linear-kausalen Zusammenhänge nicht herstellen kann. Da gibt es eine Ordnung, es ist nicht beliebig, aber es ist nicht trivial zu verstehen und es lässt sich im Nachhinein erklären, aber eben nicht zuverlässig prognostizieren. Ein gutes Beispiel hierfür ist Wetter. Das Wetter ist eins der klassischen komplexen Systeme und es lässt sich erforschen, es lassen sich Modelle bilden, je weiter in die Zukunft ich aber Wettervorhersagen treffen möchte, desto weniger präzise werden sie und desto größere werden die Abweichungen sein und die letzte Domain ist dann chaotisch und da ist es zumindest zum Zeitpunkt der Betrachtung nicht möglich, ein Muster zu etablieren, weil sich die Sachen so schnell verändern und keine Erfahrungen bestehen, dass man eben dort sich einer kompletten neuen, meist katastrophalen Situation gegenübersieht.

Götz Müller: Wie würden Sie jetzt das Thema Betrachter einordnen, weil ich werde immer so den Verdacht nicht los, und ungerade, wenn ich mir den Punkt Wetter anschaue, da haben wir ja durchaus gewisse Fortschritte in den, sagen wir mal, vergangenen Jahrzehnten, was Wettervorhersage angeht, vielleicht mal jahrhundertealt, die Bauernregeln, die manchmal auch nicht so schlecht waren und dann aber eben die computergestützte Wettervorhersage, in meiner Wahrnehmung hat sich da ja schon etwas getan, die Frage, die sich mir dann da immer stellt, ist: Hat es halt jetzt doch vielleicht nicht nur etwas mit den beschränkten Möglichkeiten, denen wir aktuell noch unterliegen zu tun oder wird’s im Sinne von immer so bleiben, dass es eben komplex ist und ich diese, weil ich diese kausalen Zusammenhänge nicht kenne, und das ist dann auch wieder so die Frage, ja, ist dieses nicht kennen der einzige Grund oder gibt's noch etwas anderes? Ich habe mal immer dieses Beispiel gehört Spaghetti auf dem Teller, das ist ein komplexes System, weil ich nicht vorhersagen kann, wenn ich an irgendeinem Spaghetti ziehe, was da jetzt passiert.

Peter Rubarth: Also ich würde sagen, es ist immer eine Momentaufnahme und es ist auch immer vom Standpunkt abhängig und von den Möglichkeiten. Es gibt aus meiner Sicht Betrachtungsgegenstände, die wahrscheinlich immer komplex bleiben werden und da meine ich hauptsächlich soziale Systeme, weil ich es halt mit einzelnen Menschen zu tun habe, die jeweils einen eigenen Verstand haben, der unabhängig ist und im Zweifel der Person selber nicht vollständig zugänglich ist und wo es sich nicht prinzipbedingt nicht vorhersagen lässt, wie sich jetzt die einzelnen Menschen verhalten werden. Im Rahmen gewisser Bandbreiten lassen sich da schon Annahmen treffen, aber insbesondere, wenn dann mehrere Menschen zusammenkommen ergeben sich da sehr schnell komplexe Wechselwirkungen und bei anderen Dingen, also es ist halt … dann hat es mit den eigenen Analysemöglichkeiten zu tun, mit der Abtastrate und mit der Veränderung in der Umwelt.

Götz Müller: Okay. Jetzt sind wir dann irgendwie an dem Punkt angekommen, durch das Einordnen in die vier, Schrägstrich fünf, bei vier fällt mir halt sofort Quadranten ein, so sieht ja das Modell, wenn man es sich optisch-visuell anschaut, sind es ja auch Quadranten, die da im ersten Schritt dargestellt werden, was mache ich dann aber jetzt damit, könnte ich mir vorstellen, fragt sich der ein oder andere, wenn ich es weiß, ok, ich bewege mich, im Extremfall in einem komplexen Umfeld, dann gehe ich ja nicht runter in den Keller und erschieße mich, weil ich sage: „Beherrsche ich nicht.“

Peter Rubarth: Ganz genau. Das ist wahrscheinlich keine hilfreiche Lösung. Also zum einen, darauf möchte ich noch hinweisen, es ist bei Cynefin, dass es auch berücksichtigt wird, dass es Übergänge und Unschärfen gibt, zwischen den verschiedenen Bereichen, und dass es durchaus einen Wechsel geben kann. Also es ist eben durchaus durch die Verbesserung der eigenen Fähigkeiten möglich, von complex zu complicated zu kommen und es ist eben aber auch möglich, aus dem clear ins Chaotische abdriften, wenn man zum Beispiel, also wenn man die Stabilität der eigenen Umwelt überschätzt als Beispiel. Wenn man also immer einen Prozess hat und den immer anwendet, meinetwegen jetzt seit Jahrzehnten und auf einmal gibt es eine Scrum-Bedingung, die man nicht wahrgenommen hat und auf einmal greift die altbewährte Vorgehensweise nicht mehr. Das heißt, das ist in dem Modell auch angelegt, dass ich da Verschiebungen ergeben können und ein Nutzen, den ich aus dem Modell ziehe, ist, dass es eben zu den jeweiligen Domains grundlegende Ratschläge oder Empfehlungen gibt, wie man mit solchen Situationen angemessen umgeht und das wird untergliedert in practices und in decision making und in constraints und ich glaube, das Anschaulichste ist das Thema decision making, weil da wird halt gesagt, wie sollte ich zu Entscheidungen kommen und da wird halt im complicated ist die der Dreiklang: analyze … also es geht darum, die Situation zu verstehen, dann entsprechend zu entscheiden, was angemessen ist und das umzuwenden, also das ist jetzt auch nicht anders, als wenn check back, und im Komplexen ist die Kernidee experimentell vorzugehen. Das heißt, dass ich Experimente formuliere anhand meiner vorliegenden Daten, meiner Annahmen, diese Experimente ausführe und dann anhand der Resultate meiner Experimente mein Vorgehen entweder beibehalte, wenn das Experiment so meine Hypothesen bestätigt hat oder ein neues Experiment überlege und andere Hypothesen teste. Das ist ja eigentlich die Kernidee eigentlich aller agilen Vorgehensweisen.

Götz Müller: Ja, ich finde es spannend, dass Sie jetzt gerade den PDCA-Zyklus erwähnt haben, an dem ist ja eine Sache, ich würde mal sagen, auf den ersten Blick bemerkenswert, man könnte jetzt ja sagen, ok, es sind vier Phasen, vier Buchstaben, jedes sind 25%, wenn ich mal einmal eine Runde rum als 100% bezeichne, und das ist ja erstmal der große Irrtum, wenn man sich noch nicht intensiver damit beschäftigt hat, dass ja die P-Phase im Grunde eigentlich so lang sein soll, oder sogar zum Teil länger, und wenn ich mir das dann in der Abbildung auf einem A3-Formular zum Beispiel anschaue, dann sollte es ja 50 bis 60% sein, und jetzt habe ich bei Ihnen gerade rausgehört, weil so viel anders ist es ja auch nicht, ich fange ja nur einer anderen Stelle an, ich fange halt mit dem Do an und ich fange nicht mit den 50% P an und plane mir da, mal ein bisschen flapsig ausgedrückt, erstmal einen Wolf, bevor ich dann ins Handeln komme, sondern ich mache vielleicht nur ganz kurz einen Abriss von einem P, deutlich kleiner als 25%, und kommt dann in das Do rein und taste mich so ein bisschen vorwärts, hätte ich fast gesagt.

Peter Rubarth: Ja. Genau.

Götz Müller: Um dann mit dem Ergebnis wieder zu reflektieren, okay, was habe ich jetzt und da schließt sich für mich dann aber schon auch wieder der Kreis, was habe ich jetzt daraus gelernt.

Peter Rubarth: Genau, und ich glaube, das ist dann noch mal der Unterschied zwischen dem Arbeiten in einem komplexen und dem Arbeiten in einem chaotischen Umfeld. Im chaotischen Umfeld ist der erste Schritt anzuerkennen, dass es gerade keinen Sinn macht zu planen und dass sich auch keine Hypothesen formulieren lassen und dass jede spontan plausible Vorgehensweise erstmal sinnvoll ist, um zu sehen, ob sie dabei unterstützt, die Lage unter Kontrolle zu bringen. Im komplexen ist der erste Schritt, eine Hypothese zu formulieren, eine Annahme zu formulieren, die man dann eben auch überprüfen kann. Und insofern kommt das auch nicht ohne Plan aus. Ich stimme Ihnen aber zu, dass die Planung sehr viel kürzer ist und ich glaube, das ist auch ein typisches Missverständnis beim Agilen, dass man irgendwie nicht plant, sondern nur macht und dann sieht, was passiert, aber experimentieren kann nur funktionieren, wenn man erstmal eine Vorstellung entwickelt, was man denn mit dem Experiment überprüfen möchte und was man denn erwartet. Und ich glaube, das ist ein ganz entscheidender Schritt und das ist dann eben auch die Kunst herauszufinden, wie viel Planung sinnvoll ist und deswegen … das ist eben auch für mich ein zweiter Aspekt im Agilen, dass man auf zwei Ebenen lernt: einerseits auf der inhaltlichen Ebene dessen, was man versucht zu erreichen, dass man ein Experiment durchführt und betrachtet, die Resultate von dem Experiment betrachtet, aber gleichzeitig eben auch das eigene Vorgehen reflektiert. Ein Beispiel in Bezug auf den Umfang der Planung, habe ich jetzt zu viel geplant, habe ich zu wenig geplant, habe ich das Falsche geplant, habe ich mit den richtigen Leuten gesprochen, habe ich mit den falschen Leuten gesprochen, also das, was man in einer Retrospektive findet.

Götz Müller: Ja, das ist ein guter Punkt. Im Grunde ist es ja nur ein anderer Begriff für unsere Überschrift für die Episode gewesen, nämlich die Reflexion, also darüber nachzudenken, über was ich auch nachdenken sollte. Ja, schon fast auf einer Metaebene, zumindest in diesen zwei Dimensionen, wie Sie es schon angedeutet haben. Wenn wir jetzt noch mal wieder in die konkrete Anwendung reinkommen und eben der ein oder andere Zuhörer sich auch wieder fragt, ja, okay wie und wo, vor allen Dingen, in was für Situationen nutze ich es jetzt? Also Situationen, wo ich dann vielleicht, ja, erstmal erkennen will, okay, ist es chaotisch, ist es kompliziert, ist es komplex, ist noch nicht eine sehr vage Begrifflichkeit, möchte ich es mal nennen, jetzt haben wir alle irgendwo einen betrieblichen Kontext, wir sind irgendwo in Unternehmen tätig, in Projekten, unter Umständen, was wären dann da, auf diese Situationen abgebildet, geeignete, ja, Situationen?

Peter Rubarth: Ja, gerne. Also typischerweise, würde ich sagen, kann Cynefin in allen Situationen sinnvoll sein, wo man den Eindruck hat, dass da mehrere Personen scheinbar über dasselbe Thema zu reden glauben, aber irgendwie nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen und das kann halt daran liegen, dass die implizit, ohne das Framework zu kennen, die Situation anders einordnen und dann Cynefin als Bezugsrahmen mit ins Spiel zu bringen, kann helfen, das zu erkennen. Also zu sagen, ich schätze, das hier als komplex ein und deswegen bin ich der Meinung, wir sollten experimentieren und jemand anders sagt, nee, das ist doch total eindeutig und das muss man sich nur mal genau anschauen und dann werden wir auch eindeutig bestimmen können, was zu tun ist und das festzustellen, dass man da mit anderen Grundannahmen operiert, kann schon sehr entlastend sein oder das Gespräch in eine konstruktive Richtung lenken und eine Art und Weise, wie ich das Framework jetzt kürzlich eingesetzt habe, war, sich verschiedene Arten von Aufgabenstellung anzusehen, mit denen ein Team zu tun hat, um eben zu sagen, in welchem der Quadranten werden sich die Aufgaben einordnen, weil ich eben auch gemerkt habe, dass wir da teilweise Methodendiskussionen führen, wie diese Dinge jetzt bearbeiten werden sollten oder welche Methode jetzt richtig ist, aber ich den Eindruck hatte, dass wir da eben mit unterschiedlichen Grundannahmen rangehen. Der eine sagt, er möchte jetzt unbedingt Scrum machen, aber nicht wirklich erklären kann, warum das jetzt für diese Aufgabe passt und wir eben durch den Einsatz von Cynefin erstmal diese Grundannahmen transparent machen konnten, um dann sicherzustellen, dass wir über dieselben Dinge reden.

Götz Müller: Also, wenn wir es wieder metaphorisch betrachten, stand die eine Person vielleicht auf dem Acker und hat sich das aber nicht klar gemacht, und der andere stand im Wald und hat sich auch das nicht klargemacht und schon gar nichts an die zwei sich, oder wenn es natürlich mehr werden, wird es beliebig noch komplexer, nicht klar gemacht, dass jeder einem anderen, auf einer anderen Ecke, ja, des Globus eventuell steht und das gar nicht realisiert und dann, ja, unterm Strich redet man fast wahrscheinlich aneinander vorbei.

Peter Rubarth: Ganz genau. Das ist ja auch diese Redewendung, man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Und das ist ja eben auch, dass die Kollegen, mit denen man zu tun hat, eben so in Ihrem Arbeitskontext und in ihrer Perspektive verhaftet sind, dass die Idee, dass man das auch ganz anders sehen könnte, erstmal recht schwer zu vermitteln ist und dafür, finde ich, bietet Cynefin einen ganz guten Zugang.

Götz Müller: Das heißt, ich fördere dann auch nicht bloß bei mir selber, wenn ich es einsetze, um mal mich zu verorten und mich in der Situation zu verorten, sondern ich fördere es eben auch bei den Beteiligten.

Peter Rubarth: Ganz genau.

Götz Müller: Die Reflexion.

Peter Rubarth: Genau. Also für mich ist das eigentlich immer ein Instrument, um die Perspektive anderer kennenzulernen und sich sozusagen auf einen gemeinsamen Bezugsrahmen zu begeben, um dann damit ein besseres gegenseitiges Verständnis zu fördern und ausgehend von diesem Verständnis dann zu überlegen, welchen Maßnahmen machen wir, auf was will man sich einigen.

Götz Müller: Ja, das wäre jetzt auch noch ein gutes Stichwort. Maßnahmen, vielleicht auch im Sinne von Werkzeug, speziell halt in der komplexen Situation, was sind, Sie haben es schon ein bisschen angedeutet, ich drücke es mal mit meinen Worten aus, am PDCA-Zyklus im Grunde an einer anderen Stelle anzufangen und die Gewichte auch anders zu setzen dann, was sind dann so typische Werkzeuge, agil, natürlich klar, fällt einem wahrscheinlich, wenn man mit dem Thema ein bisschen umgeht, kommt es einem dann sehr schnell in den Sinn, aber es muss ja nicht immer, Sie hatten es auch schon angedeutet, das muss ja nicht immer das Beste sein.

Peter Rubarth: Genau. Also das ist … für mich ist das, ich bin Agile-Coach, deshalb ist es nicht überraschend, dass ich agile Methoden für sehr sinnvoll halte, aber eben auch nicht ein Hammer für jeden Nagel und ich glaube, das finde ich auch oft schade, dass der Eindruck entsteht, dass jetzt alles agil gemacht werden muss und das zerschlägt meiner Meinung nach unnötiges Porzellan. Und wenn ich jetzt feststelle, dass das eigentlich in den kompliziertes Thema ist oder vielleicht sogar etwas anderes, dass dann eben eine Standardisierung oder eine Erarbeitung von Richtlinien mehr Sinn macht, als jetzt einen Scrum-Prozess aufzusetzen und ich kann mich erinnern, ich habe auch in der Vorbereitung auf das Gespräch gedacht, ich kann mich an ein Team erinnern, wo wir es mit Aufgaben zu tun hatten, wo es eigentlich nur eine sinnvolle Lösung gab und trotzdem die Teammitglieder immer ihre eigenen Wege sich überlegt haben und sich dann selbst organisieren wollten und die Beschäftigung auch mit Cynefin kann dann durchaus helfen, zu sagen, das macht keinen Sinn, weil das ist eine Aufgabe, dafür gibt es einen richtigen Weg und diesen Weh muss man einmal dokumentieren und dann anwenden. Und dann kann man eben in einem anderen Prozess, also zum Beispiel Lean-Methoden anmelden, um die Ausführung dieses Prozesses zu optimieren oder darauf zu gucken, aber Scrum, was eigentlich für eine Entwicklung oder für Innovationsprojekte gedacht ist, ist einfach für diese Aufgabenstellung ungeeignet.

Götz Müller: Das heißt, ich höre auch raus, ich arbeite eben im Grunde auch wieder auf, Ebenen ist vielleicht der falsche Begriff, weil es geht ja nicht darum, dass irgendetwas höher und deshalb vielleicht besser ist, sondern, ja, vielleicht nebeneinanderher, also parallel arbeite ich an mehreren Dingen.

Peter Rubarth: Genau. Das ist halt eine Herausforderung, mit der ich mich halt aktuell recht viel beschäftige, das ist eben Teams, die haben mit Aufgabenstellungen aus allen Domains zu tun und da macht es aus meiner Sicht keinen Sinn, jetzt eine Methode zu suchen, die da für alles passt, sondern eben zu sagen, für welche Aufgabenstellung passt welche Vorgehensweise.

Götz Müller: Ja, das ist so der Klassiker, so nach dem Motto, wenn ich halt nur einen Hammer habe, ist jedes Problem ein Nagel und dann hatten sie das Bild des Porzellanzerschlagens verwendet und mir kam dann in den Sinn, wenn ich jetzt halt auf eine Porzellanschüssel einen Deckel sitzen will und irgendwie klemmt der, ist es wahrscheinlich keine gute Idee, das mit einem Hammer zu lösen.

Peter Rubarth: Genau. Also ja, das kann für mich sehr wertvoll sein, und ich sehe das auch gerade, zu sagen, welche Arten von Aufgaben haben wir und wie lassen sie sich sinnvoll gruppieren, was ist eben vielleicht komplex, es was ist kompliziert, was ist vielleicht auch clear und wie gehen wir jeweils mit diesen Gruppen von Aufgaben um. Also ich habe jetzt gerade mit einem Team, da habe ich in der Tat gerade jetzt einen Scrum-Prozess gestartet, um deren Automatisierungsprojekte zu organisieren, weil das ist Innovation. Da gibt's keine Vorbilder, da gibt viele Rahmenbedingungen, die das Team noch nicht kennt, da macht das total Sinn, diese Arbeit so zu strukturieren. Der Kern der Arbeit, die in diesem Team anfällt, sind aber Routinetätigkeiten und dafür würde das überhaupt keinen Sinn machen, alle zwei Wochen zu planen und festzustellen, dass man wieder dieselbe Art von eingehenden Dingen bearbeiten muss.

Götz Müller: Ich höre auch raus, wie wir es ja vorhin auch mal kurz als Stichwort hatten, es geht eben auch ums Lernen.

Peter Rubarth: Ja, ganz klar. Für mich ist das eigentlich eine der zentralen Aufgaben, die ich mit Team angehe, dieses Lernen, dieses konstante Reflektieren darüber, wie man an Dinge ran geht, wie man anders an Dinge rangehen kann, das konstant zu lernen.

Götz Müller: Ja und da gibt’s ja durchaus ernstzunehmende Menschen, mir fällt da der K. Anders Ericsson ein, der gesagt hat, ich gebe es jetzt sehr frei mit meinen Worten wieder, wenn ich es nicht bewusst mache, auch dieses mit dem Lernen verbundene Üben, kann man es im Grunde nicht lernen nennen und das wäre dann für mich wieder dieser Bogen zur Reflexion.

Peter Rubarth: Ja. Genau. Also für mich ist auch ein Begriff das Können, also das eine ist ja abstraktes Wissen, was man sich irgendwo angelesen oder angeschaut hat und das andere ist ja die Anwendung. Und das ist ja das Schöne, wenn man in Iterationen arbeitet oder wenn man in so einen regelmäßigen Reflexionsprozess reingeht, dass man ja immer wieder Gelegenheit hat, die Anwendung so ein bisschen zu reflektieren.

Götz Müller: Ja, und dann passiert es ja ganz leicht, da gibt's ja diese klassischen vier Stufen der Kompetenz, irgendwann auf der obersten Stufe die unbewusste Kompetenz, und da erlebe ich dann oft als Herausforderung, dass jemand, der sprichwörtlich eine Sache wie im Schlaf kann, der kann das zwar, aber er tut sich unheimlich schwer, das anderen zu vermitteln und dann kommt es, glaube, ich wieder zu Situationen, wie sie es vorhin angedeutet haben, dass man im Extremfall aneinander vorbeiredet. Der eine kann etwas im Schlaf und versteht überhaupt nicht, dass der andere das nicht kann.

Peter Rubarth: Ja, ganz genau. Das ist immer eine Herausforderung. Ein gutes Ergebnis, also eine gute Vorgehensweise, die ich in Software-Entwicklungsteams kenne, ist dann eben, gemeinsam an Aufgaben zu arbeiten und sich das von einem Meister, wie man sie ja auch nennen kann, anzuschauen, weil das eben oft auch so implizites Wissen ist, was sehr schlecht zu verbalisieren ist, was man eben durch ausführen und durch zuschauen am besten aufnehmen kann.

Götz Müller: Ja, und gerade im Software-Entwicklungskontext, das ist auch meine Wahrnehmung im Grunde schon vor Jahrzehnten gewesen, wo ich ja auch in der Ecke tätig war, da gibt's ja schon extreme Produktivitätsunterschiede, auch wenn man es nach so etwas im Grunde nicht wirklich geeigneten wie Line of Code pro Zeiteinheit misst, und trotzdem sieht man vereinfacht, dass der eine Mensch unheimlich produktiv ist, wenn man das als Maßzahl annimmt und im Idealfall auch noch fehlerfrei, und jemand anders erreicht das Niveau nicht, und ich kann jetzt nicht zu dem gehen, der das eben im Schlaf macht und dem sagen „Jetzt erklär das dem mal“, da wird er wahrscheinlich scheitern, so wie er die Software an sich wunderbar erstellen kann.

Peter Rubarth: Genau. Das ist absolut richtig, und das ist ja auch einer der Gründe, warum so klassische Schätzverfahren so schlecht funktionieren, weil man normalerweise zu dem erfahrensten Entwickler geht und ihn fragt, wie lange es dauert und es das einem anderen gibt, der nicht dasselbe Kompetenzniveau hat, dann dauert es eben teilweise mit Faktor zehn länger oder komm sogar nie zu einem Ergebnis. Und deswegen macht es eben Sinn, auch in Teams zu arbeiten und dieses Teams in die Lage zu versetzen, miteinander zu arbeiten und voneinander lernen und da braucht es vielleicht verschiedene Kompetenzen, die bewusst zu mischen, weil eben auch der unverstellte Blick eines Berufsanfängers dem Meister helfen kann, Dinge in einem neuen Licht wahrzunehmen oder die eigene Kompetenz zu reflektieren und greifen zu können, warum er bestimmte Dinge macht.

Götz Müller: Ja, und ich glaube, das ist dann eben auch der Wert, den ein agiler Coach mit in ein Team reinbringt, dieses das Team, ja, ich möchte nicht sagen aufzufordern, aber bei dem Team im Idealfall diesen Wunsch nach Reflexion immer wieder zu induzieren.

Peter Rubarth: Ja. Ich würde sagen, das ist die zentrale Aufgabe. Das ist eigentlich, wenn ich mit einem Team arbeite, also außer die Bestandsaufnahme und zu schauen, dass das Team überhaupt erst mal funktioniert, und man im Zweifel da den Druck rausnimmt, dass es da massive Diskrepanzen gibt, ist mein Ziel immer, dass ein Team in der Lage ist, seine eigene Arbeitsweise zu beurteilen und daraus dann Maßnahmen abzuleiten.

Götz Müller: Jetzt stelle ich zum Abschluss immer ganz gern so die Frage nach dem Einstieg. Wenn der ein oder andere jetzt vielleicht vor seinem geistigen Auge irgendeine Situation hat, wo er sagt, im Grunde erzählen die zwei gerade von einer Situation, die ich so tagtäglich erlebe, was ist Ihre Empfehlung, wie man in das Thema Reflexion, Reflexionsprozesse und dann vielleicht auch der Einsatz eines Frameworks, wie steigt man da am besten ein, um nicht von der möglichen Komplexität an sich wieder erschlagen zu werden?

Peter Rubarth: Also für das Thema Reflexion ist halt für mich es naheliegend, so ein Format wie eine Retrospektive einzuführen und wenn das aus irgendeinem Grund als Begriff nicht taugt oder verbrannt ist oder zu groß scheint, dann kann man das ja auch anders nennen und das kann man ja auch in ein normales Teammeeting einbauen oder es gibt auch eine Methode, die nennt sich Lean Coffee, was im Wesentlichen nichts anderes ist als dass sich ein paar Gleichgesinnte treffen, Themen sammeln und diese Themen dann nacheinander besprechen. Und dass man sich halt irgend so ein Format sucht und da gibt es ganz einfache Strukturen, um so eine Retrospektive aufzubauen, also eins der einfachsten, was ich immer noch gerne anwenden, nennt sich „Stop-Start-Continue“, dass man drei Spalten aufmacht und sagt, welche Dinge, die wir gerade tun sollten wir aufhören, zu tun, welche sollten wir anfangen und welche sollten wir weitermachen. Damit kann man schon sehr viel abdecken und überhaupt erstmal in diese Angewohnheit reinzukommen, über die eigene Arbeitsweise nachzudenken, also in die Reflexion zu gehen.

Götz Müller: Ja.

Peter Rubarth: Und also ich würde, wenn ich das erste Mal mit dem Team arbeite, sicherlich nicht ein Cynefin-Framework mitbringen, weil ich da schon die Sorge hätte, dass das das Team überfordert, außer ich habe jetzt konkrete Anhaltspunkte, dass das Thema passt, sondern eher mit einer einfachen Struktur anfangen oder ja, zum Beispiel Stop-Start-Continue, was für mich eines der naheliegendsten Formate ist.

Götz Müller: Aber wo ich mich damit beschäftigt habe, hatte ich dann schon den Gedanken, ich kann es natürlich auch im, ja, nennen wir es mal stilles Kämmerchen, nutzen, das heißt für mich selbst, ohne da jetzt mit jemand anderem großartig darüber zu reden, zumindest nicht mit dem Team gleich darüber zu reden, sondern ich kann es für mich selbst nutzen, um Situationen zu reflektieren, wo bewege ich mich denn gerade.

Peter Rubarth: Genau. Und es hindert einen auch niemand daran, sich das auf ein Blatt Papier zu zeichnen und die Themen, die einen gerade beschäftigen, wo man vielleicht keinen Griff dran bekommt, mal einzusortieren und zu gucken, ob sich aus dieser Einsortierung irgendwelche Muster oder Einsichten ergeben.

Götz Müller: Ja. Im Prinzip eben, das ist auch ein schönes Beispiel, die eigenen Gedanken ein bisschen zu sortieren.

Peter Rubarth: Genau.

Götz Müller: Prima, Herr Rubarth, ich fand das eine spannende Unterhaltung. Ich persönlich kannte das Modell ein bisschen, aber es ist immer wieder spannend, sich mit jemand anderem zu unterhalten, der es in einem etwas anderen Kontext einsetzt. Deshalb, ich danke Ihnen für Ihre Zeit.

Peter Rubarth: Ja, vielen Dank für die Einladung. Mir hat das Gespräch auch sehr gefallen und ich nehme einiges für mich selber mit.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Peter Rubarth zum Thema Cynefin und der Wert von Reflexionsprozessen. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 250.

Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freue ich mich über Ihre Bewertung bei iTunes. Sie geben damit auch anderen Lean-Interessierten die Chance, den Podcast zu entdecken.

Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

Hinweis: Ich behalte mir vor, Kommentare zu löschen, die beleidigend sind oder nicht zum Thema gehören.