Kaizen 2 go 249 : Digitalisierung im KVP


 

Inhalt der Episode:

  • Welche Elemente im KVP lassen sich digitalisieren?
  • Welchen Nutzen ziehen die Beteiligten aus der Digitalisierung?
  • Welche Vorbehalte bestehen bei den KVP-Beteiligten?
  • Wie können diese Vorbehalte entkräftet werden?
  • Wie sieht die Vorgehensweise (Einführungsprozess) aus, wenn noch kein KVP und/oder BVW im Unternehmen eingeführt ist?
  • Was sind mögliche Vor- und Nachteile der beiden Ansätze?
  • Auf was (Leistungsmerkmale) sollte man bei der Auswahl einer Digitalisierungslösung für den KVP achten?
  • Welche Wechselwirkungen mit der bestehenden IT-Landschaft sollten beachtet werden?
  • Woher sollte die Initiative für eine Digitalisierung im KVP kommen?
  • Was gilt es dabei jeweils zu beachten, um den Erfolg und die Nachhaltigkeit sicherzustellen?

Notizen zur Episode:


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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 249 : Digitalisierung im KVP

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Christian Steiner bei mir im Podcastgespräch. Er leitet das Thema Lean und Digitalisierung in dem kleinen, mittleren Unternehmen, Fabrik mit 400 Mitarbeitern und treibt dort eben auch digitalen KVP voran. Hallo Christian.

Christian Steiner: Hallo Götz, das freut mich sehr, bei dir zu Gast zu sein, große Ehre beim Mister KVP und Lean von Deutschland, so wurdest du mir vorgestellt.

Götz Müller: Danke schön, danke schön. Ja, ich habe schon ein paar kurze Stichworte zu dir gesagt, aber stell dich noch mal mit deinen Themen, du hast ja noch ein paar andere, intensiver vor.

Christian Steiner: Ja, das mache ich sehr gerne. Also was du schon angeschnitten hast, ich sage immer, beruflich habe ich eigentlich vier Standbeine. Eines davon ist eben, seit 30 Jahren bin ich jetzt hier für Digitalisierung, früher Informatik und ganz früher Logistik, also es ist ändert sich ja immer der Name, aber es geht um IT, verantwortlich in dieser Fabrik von Georg Fischer in Traisen in Österreich, wir sind da 420 Mitarbeiter, so 60 Millionen Umsatz, dass man ein paar Zahlen hat und ungefähr sich das vorstellen kann, und gehören zum großen Georg Fischer Konzern, der in der Schweiz seinen Hauptsitz hat, in Schaffhausen. Das zweite Standbein ist, dass ich für den Konzern weltweit seit 2008 Covey-Trainings, FranklinCovey: 7 Wege zur Effektivität, FranklinCovey Leadership und FranklinCovey: 4 Disciplines of Execution, also Projektmanagement machen darf, das ist ein großes Privileg, ich komme da sehr viel herum, daher auch ein bisschen das Know-how, wie man Trainings abhält. Und das Ganze haben wir dann kombiniert, seit 2019, nachträglich gesehen viertes Quartal 2019, jetzt weiß man, ich will das C-Wort nicht in den Mund nehmen, jetzt weiß man, dass kein optimaler Zeitpunkt ist für eine Gründung, aber da habe ich dann die IdeenTeam GmbH gegründet in Österreich, wo wir eine digitale KVP-Lösung anbieten und auch die Workshops dazu für Unternehmen, die das auch wollen so wie wir, weil es hat ein bisschen die Runde gemacht, was wir da Cooles aufgezogen haben am Standort und dann können wir das auch anbieten. Und zusätzlich, das vierte Standbein ist dann noch ich bin im österreichischen Digital Champions Network im Kernteam drin. Das ist eine Vereinigung der Universitäten, größerer Produktionsfirmen und Studien und Land und Politik. Jede Firma in diesem Netzwerk hat ein 4.0-Projekt, Enterprise-4.0-Projekt und wir tauschen uns da regelmäßig aus. Also meine ursprüngliche Herkunft ist aus der Digitalisierung und seit sieben Jahren darf ich eben auch schon die Lean-Management-Abteilung hier am Standort leiten und so hat sich das dann eben ergeben mit dem digitalen KVP.

Götz Müller: Ja, genau. Ich denke, da greifen die Dinge gut ineinander auch, weil es nicht irgendwo auf der grünen Wiese passiert, sondern eben ganz praktisch.

Christian Steiner: Richtig. Also ich arbeite jeden Tag mit dem Ding, also es ist nichts, was irgendwie aus der Theorie ist, sondern die Lösung trieft vor Praxis eigentlich.

Götz Müller: Genau. Und das wäre auch so meine Einstiegsfrage, ich nehme mal an, die meisten meiner Zuhörer, weil es um Lean & Co geht, haben, wenn sie KVP hören dann ein bestimmtes Bild im Kopf und deshalb jetzt zum Einstieg an dich die Frage, welche Elemente im KVP digitalisiert ihr, lassen sich digitalisieren?

Christian Steiner: Ich würde fast sagen, außer der Motivation und dem Anker, der das Ganze verankert und vorantreibt und ab und zu ein bisschen nachfragt, lässt sich, glaube ich, alles digitalisieren. Also das war auch mein Antrieb: Ich habe den Auftrag bekommen vor drei Jahren, den vor sich hin plätschernden, jeder kennt, du hast einen Input, dann steigt es an und dann sinkt es wieder ab und irgendwann plätschert es wieder. Und wir hatten bei 420 Mitarbeitern damals, vielleicht sogar auf 450 vor vier, fünf Jahren, so 100 Vorschläge im Jahr und dann haben wir gesagt, das befriedigt uns nicht, schauen wir uns mal an, was es da gibt, schauen wir uns an, was die da machen. Also ich habe dann, daher habe ich das erwähnte in meinem Intro, die Kontakte auf dem Digital Champions Network auch aktiviert, bin wirklich lange durch die Länder gefahren, habe mir ein paar Firmen angesehen, die da Vorreiter sind, was läuft gut, was läuft schlecht, welche Erfahrungen haben die aus dem Bereich und habe dann versucht einmal für mich ein Konzepte zu machen: So will ich's haben. Und dann bin ich in die Forschung oder die Forschung des Marktes gegangen und habe ein bisschen, ich will jetzt nicht sagen, welche Produkte ich da angesehen habe, das wäre unfair und interessiert auch nicht, aber ich habe einfach gesehen für mich, das, was ich will, das finde ich nicht. Es gab Systeme, da konnte man einreichen, da musst du aber eine App installieren und das war es aber und ein bisschen ketzerisch haben wir dann gesagt „Challenge accepted“, da kann man auch eine WhatsApp-Gruppe aufmachen, machen wir mal was, wo mehr drin ist und wir haben wirklich voll digitalisiert jetzt. Wir haben also bis zur Umsetzung und zur Prämierung alles digitalisiert. Das heißt, jeder Mitarbeiter hat Zugriff am Standort. Das ist das einzige IT-system am Standort, wo jeder Mitarbeiter Zugriff hat. Wir sind eine alte Eisengießerei, sage ich noch dazu, also wir haben nicht sehr IT-affine, das sind nicht alles Facharbeiter, wir haben richtige Dirty Jobs und wer Gießerei kennt, weiß da gibt's extrem harte Jobs und nicht gerade, wo ich sage, jeder ist IT-affin. Und trotzdem haben wir eigentlich eine super Aktivierung und wir haben im ersten Jahr sage und schreibe, in den ersten zwei Monaten hatten wir schon 200 Ideen, wo wir gesagt haben, wenn es so weitergeht, können wir uns die Kugel geben, da kommen wir nie nach mit abarbeiten. Aber wir sind dann eigentlich im ersten Jahr bei 900 gelandet und selbst jetzt nach drei Jahren, ich habe jetzt gerade nachgeschaut, wir haben 67 Vorschläge gehabt im März trotz derzeit nicht optimalen Bedingungen. Also wirklich unser Ziel ist, einer pro Mitarbeiter, das ist unser Ziel, wir wollen auch 420 Vorschläge haben im Jahr im Schnitt. Das ist nicht allzu engagiert, aber auch realistisch, weil du kriegst natürlich nicht alle 100% aktiviert, aber 60 bis 65% beteiligen sich am System und das sehe ich als super Schnitt und wir bekommen wahrscheinlich wieder auf, im vorigen Jahr hatten wir 600. Also es pendelt sich dann ein bisschen ein und unser Ziel ist eben 400 bis 500.

Götz Müller: Jetzt könnte ich mir vorstellen … Eine Frage, die ich im Grunde immer stelle und speziell jetzt natürlich in eurem Kontext, mit, du hast es nicht so nicht so digital-affinen Mitarbeitern, die Frage, die sich ja im Grunde jeder stellt: Was habe ich von der Geschichte? Was habe ich von der Digitalisierung? Weil das ja, du hast gesagt, bis auf Motivation ist alles drin. Ich glaube, derjenige, der die digitale Motivation erfindet, der hat den Wirtschaftsnobelpreis über Jahre hinweg abonniert, aber es scheint ja irgendwo zu funktionieren, um es mal platt auszudrücken, also sprich Menschen sind offensichtlich motiviert und da halt die Frage, was nimmst du wahr, was ist jetzt der Punkt, der da doch offensichtlich Menschen rauslockt, möchte ich es mal nennen?

Christian Steiner: Ja, super Frage. Das ist ja gerade, wenn man auch die Leadership-Seminare nimmt, ja, das ist ja das Thema schlechthin, wie bringst du die Ziele runter, what's in it for me, was ist für mich drin? Weil man kennt ja das „Wir sind für die Kunden da und blablabla und die Mitarbeiter vergessen wir“ und das ist halt hier ganz einfach eigentlich. Wir haben auch bei der Analyse, wir haben ja die Leute schon im Boot gehabt bei der Analyse. Was stört euch? Was läuft nicht rund? Und was war? Diese Sachen haben eigentlich alle ausgehoben. Es gibt keinerlei Formulare mehr, früher mussten sie einen Zettel ausfüllen, im schlimmsten Fall mit der Hand, keiner kann's lesen. Dann muss der Meister den Mitarbeiter holen, wir haben einen 3-Schicht-Betrieb, das ist auch immer ein bisschen schwierig. Dann haben sie den umgewandelt in ein PowerPoint, das PowerPoint ging in ein Gremium, du hörst es schon, glaube ich, worauf ich hinaus will und dann wurde es in ein Excel übertragen, weil natürlich wurde dann die Abarbeitung überwacht und so weiter. Also das war mal, bevor ich den Zettel und mir die Arbeit anführe, mache ich es gleich. Das ist aber gefährlich natürlich, weil wir haben im System bei uns also ist alles drin, nämlich Einreichung, mit nachher Fotos dazu hochladen, gleich mit der Kamera, jeder macht es mit dem privaten Handy, weil es ist bewusst keine App. Also diese Angst haben wir auch ausgeschalten. Das ist eine HTML5-App. Da kann er im Büro aufrufen, das kann der Meister für ihn ausfüllen, das kann er von zu Hause machen, das kann er von seinem Handy machen, das kann man vom Tablet machen und wenn er es vom Handy oder Tablet macht, schaltet er gleich um und schießt mir zwei Fotos dazu. Das machen sie auch immer laufend. Das ist extrem cool. Ich wollte mal … ich muss aufpassen, dass ich nicht von 100. ins 1000. abdrifte, aber ich wollte mal vorsichtig die Schlosser fragen und dachte, da werden sie mich erschlagen, wenn ich das will, weil dann sagen sie „noch mehr Arbeit, ob sie mir nicht auch ein Nachher-Foto machen können und das war so cool, weil die sind ja stolz darauf, was sie machen lassen, „Ja, sicher, cool“, und jetzt habe ich immer, für viele Vorschläge habe ich Vorher-Nachher-Fotos. Und das ist mal einer der Benefits, sie können wirklich eine Idee einreichen in, ich sag mal in drei Minuten hast du das. Er muss sich um nichts kümmern, er loggt sich ein, damit ist sein Name, seine Abteilung das ist alles vorbelegt. Man könnte es ändern, weil ein nicht affiner kann trotzdem zu einem Kollegen gehen und sagen „Schreibst du mir den?“, das gibt's auch. Das heißt, die Möglichkeit gibt es oder er geht zum Vorgesetzten und sagt „Ich habe da eine Idee, gib’s mal im KVP ein.“, auch das gibt es. Dann haben wir den Vorteil, es verschwindet nichts. In dem digitalen System löscht nur einer. Das bin ich und ich lösche nur was, wenn sie etwas doppelt erfassen, also wenn Sie versehentlich doppelt klicken oder doppelt erfassen. Nicht mal, wenn einer abgelehnt wird, ist er gelöscht. Es ist nie was gelöscht. Und früher waren es so, dass die in einer Vorgesetztenschublade liegengeblieben sind, sage ich ein bisschen ketzerisch, weil wenn er das weiterreicht, hat er wieder Arbeit.

Götz Müller: Genau, ja. Also dieser Schwund, dieses Bermudadreieck, ist mir durchaus auch ein Begriff.

Christian Steiner: Genau. Also das ist mal die Einfachheit eigentlich bei der Einreichung und wir haben aber auch am Prämierungssystem gedreht, weil wir haben dann gesehen, wir hatten so komische Abteilungsprämien und die wurden bewertet und dann bekam halt … da ging es aber immer nur um 50 oder 20 € und mit Bewertungskommission und blablabla. Das haben wir alles eingestellt. Wir haben gesagt, wir machen eine pauschale Prämie pro Mitarbeiter, nicht pro Abteilung, weil da kriegt oft die ganze Abteilung eine Prämie, obwohl im Grunde nur zwei Leute das alles eigentlich treiben und machen. Und das ist aber eine kleine Anerkennungsprämie bei uns, da geht's nicht um viel Geld, was es mir wieder sehr leicht macht, ich kann auch die Zahl nennen. Bei uns ist es ab dem Zeitpunkt der Genehmigung, pro genehmigten Vorschlag, auch der Genehmigungsprozess läuft natürlich digital, gibt es 35€ und wenn es herausragende sind und wir hatten die, die besten drei im Jahr haben meistens einen Wert um die 25.000 nachhaltig, also allein da finanziert sich ja das System schon mit den besten zehn Ideen. Und das ist auch so ein kleiner Anreiz, ich hatte mal einen Geschäftsführer da von einer größeren Firma, der sagte: „Dass sich die Leute für 35 € das antun …“ Da sagte ich: „Mein lieber Freund, 35 € sind für dich vielleicht im Top Management nichts, aber auf Arbeiterebene und vielleicht zwei, drei im Monat, das ist schon auch ein Geld“. Und sie tun es nicht wegen dem Geld, das sehe ich auch, weil ich habe einmal … das war für mich eine schöne Episode, wo mich wer anruft und sagst, eine Dame aus der Qualitätssicherung, „Du musst runterkommen!“ und „Ist was kaputt?“, du denkst, immer wenn dich wer anruft und du musst kommen, das ist halt … „Nein. Du musst dir anschauen wie geil die Schlosser meine KVP umgesetzt haben“ und da hast du gewonnen. Ja, da hast du dann gewonnen. Also die Message muss sein, wir wollen besser werden mit der Firma, aber um Himmels willen macht euch selbst die Arbeit leichter, wenn euch etwas blöd vorkommt, meldet das. Und da haben auch einige Sachen … ich habe einige, ich habe wirklich 10 oder 15 Beispiele in meinem Buch, das bald rauskommt, sind da drin, wo ich diese Beispiele abdrucke mit Fotos. Die mussten teilweise vom Stapler absteigen, nach vorne gehen, anreißen an einer schweren Kiste am Rollband manuell, bevor sie es wieder aufheben konnten. Und dann machst du KVP, wir schneiden das Rollband ab, die Zufuhr geht ein bisschen um die Ecke, die Dinger fahren rein und der muss nicht absteigen. Und so etwas passiert halt in einer Fabrik, du stellst eine neue Maschine auf und die hat einen Sicherheitskäfig und sie müssen jedes Mal die Maschine abstellen, wenn sie die Ausschuss Kiste rausholen.

Götz Müller: Da höre ich ganz deutlich das Thema raus, Paul Akers, fix what bugs you, also dieses „ändere, was dich nervt“ und das eben auch, das zweite, wofür er steht 2 Second Lean, nicht großartig Popanz aufblasen, sondern schnell, zack zack zack.

Christian Steiner: Richtig und das sind ja die, man kann ja nicht … IdeenTeam heißt zwar die Firma, und Ideenmanagement, aber es geht um die kleinen, diese vielen kleinen Schritte. Hier wird keiner dann ein iPhone erfinden oder ein Blockbuster-Produkt, das ist ja auch nicht der Sinn, sondern der Sinn ist, wir haben irrsinnig viele, das sind Sicherheitsmängel, die sind teilweise so komisch, dass du sagst „Wieso hat das denn keiner behoben?“ Wir haben Arbeitssicherheit im Haus, Inspektorat, der kommt und guckt sich das an und ich mit drei Klicks zeige ich ihm, dass wir 100 Arbeitsideen von der Mitarbeitern in diesem Jahr umgesetzt haben, fertig. Und das ist halt schon auch, das sind so Benefits, die kriegst du durch die Digitalisierung super raus. Ich zum Beispiel im Lean-Team, als Lean-Verantwortlicher, ich kategorisiere die Ideen. Das soll nicht der Mitarbeiter machen. Der Mitarbeiter gibt nur ein Problem, eine Kurzbeschreibung der Problemstellung. Lösung. Fertig. Er kann dann noch Fotodokumente dazu geben, er kann weitere Einreicher hinzugeben, wenn das die Idee von drei Leuten ist, dann teilen sich die die Prämie, aber alles andere macht das Lean-Team. Der muss sich jetzt nicht kümmern, wer setzt das um, der muss sich nicht kümmern, ist das jetzt sicherheitstechnisch oder ist das Produktivität oder ist das Umweltschutz. Es soll so einfach wie möglich sein für die Mitarbeiter und kein Hemmnis.

Götz Müller: Ja, was ja oft auch eine Hürde ist, weil immer so eine latente Angst besteht, wenn ich da etwas vorgeschlagen, habe ich es nachher selber an der Backe.

Christian Steiner: Ja, das kann schon sein, aber umgekehrt, wenn es ihn stört, dann wird er das ja hoffentlich beheben. Das an der Backe sehe ich eher bei den Vorgesetzten, nicht bei den Mitarbeitern.

Götz Müller: Dass in der Tendenz mal so ein Zettel verschwindet.

Christian Steiner: Genau und das geht halt bei mir nicht. Der Vorgesetzte kann ihn ablehnen, dann sehe ich das aber als Lean Manager, weil ich bin Lean-Verantwortlicher des Standorts. Ich sehe jeden und lese jeden und archiviere die dann. Also der kommt, wenn er abgelehnt ist, kommt er mir in einer Archivierungsvorschlagsliste und dann schaue ich rein. Und das gibt's schon ab und zu, dass ich dann sage, ich sehe den Grund nicht, warum du den abgelehnt hast, ich finde das nicht so und dann diskutiert man das aus und arbeitet daran. Also das ist das gehört zum normalen Prozedere. Also sehr viel geht von selber, das muss ich schon absagen, aber ein paar Sachen natürlich steuern wir noch rein. Wir machen jetzt derzeit eher Teams oder aufgeschoben und nur über Telefon, aber wir haben früher in normalen Onsite-Meetings … wirklich einmal im Quartal kommen die Abteilungsverantwortlichen und ich klicke alle offenen für die Abteilung durch. Wie ist der Status? Warum? Fehlt das Geld? Fehlt das? Oder warum haben wir das noch nicht gemacht? Und das funktioniert eigentlich super, das reicht doch.

Götz Müller: Gut. Das bringt mich auch zu einem Thema, was ich auch immer ganz gerne Frage, Digitalisierung, und du hast auch so am Rande im Grunde erwähnt, nicht jeder schreit Hurra. Das heißt, es gibt, ich möchte es mal Vorbehalte nennen, immer mal wieder, vielleicht wie wir es gerade hatten, auch bei Vorgesetzten, für die latent eventuell mehr Arbeit rausspringt. Was für Vorbehalte gibt’s bei euch noch und wenn ja, wie geht ihr dann damit um?

Christian Steiner: Also so die Vorbehalte, ich glaube, dass das inzwischen … jetzt nach drei Jahren ist das Business inzwischen. Also so richtig, dass ich sage, da macht einer gar nicht mit, habe ich nicht. Es ist vielleicht eher so, dass … eine Abteilung fällt mir ein, der sagt hat „Ich mach das alles, das gehört für mich zum Geschäft, ich gebe dir das doch nicht ein.“ Da musst du eher in die andere Richtung arbeiten, dass du sagst „Mein Freund, aber ihr tut euch selbst keinen Gefallen, deine Mitarbeiter würden keine Anerkennungsprämie machen, gib's bitte ein, es ist ja eh kein Aufwand.“ und einige Vorbehalte haben wir halt behoben, indem das eben bewusst keine App ist. Es ist nicht eine App, die man sich am Handy installieren oder Mitarbeiter dann, die Aluhut-Fraktion, du weißt schon, „Die tracken mich und die stoppen dann mit der App, wie lange ich beim Wirtshaus sitze oder wer nicht aufs Klo geht“, das ist alles nicht der Fall. Mit Kommunikation kannst du das meiste ausmerzen, finde ich, und natürlich hast du aber Abteilungen, da hast du drei bis vier Vorschläge pro Mitarbeiter im Jahr und dann hast du halt welche, da hast du 0,5 und da wissen wir auch, also die kennen wir, die Abteilungen, und da wissen wir meistens, woran es liegt. Das ist halt, entweder ist die Teamstimmung dort schlecht oder das Management der Abteilungsleitung hat da ein bisschen was.

Götz Müller: Dann glaube ich auch ein Punkt, was Zuhörer interessieren wird, wenn jemand, mal extrem ausgedrückt, noch gar keinen KVP hat, im Sinne von kontinuierlich da etwas tun und alle Beteiligten und so weiter und so weiter.

Christian Steiner: Das gibt’s, ja. Das hat mich auch überrascht.

Götz Müller: Ja, soll’s ja geben.

Christian Steiner: Das hat mich motiviert, das Buch zu schreiben, ja.

Götz Müller: Zum einen das und es lebt ja eine ganze Branche davon, zu der ich auch gehöre. So. Und die Frage, die mir im Kontext Digitalisierung dann immer wieder begegnet: Sollen wir jetzt erst so einen Prozess einführen? Egal, ob das jetzt nur KVP, nur in Anführungszeichen KVP, oder irgendwas anderes oder sollen wir gleich digitalisieren? Und da würde mich auch interessieren, wie sieht deine Einstellung dazu aus, eventuell Erfahrung, vielleicht eben auch in Netzwerken, die du eingangs angedeutet hast, wo ja wahrscheinlich noch andere kommen und sagen: „Du erzählt immer so tolle Geschichten, das möchten wir alles haben.“ Was ist also dann deine Empfehlung? Erst analog und dann digital oder gleich digital?

Christian Steiner: Also dadurch, dass das digital wirklich sehr einfach ist, wir haben alle Mitarbeiter in deiner 20-Minuten-Schulung, das System gezeigt und dabei auch noch ihre Fragen beantwortet, würde ich nicht jetzt mit Zetteln wieder anfangen. Also du kannst, wenn du es mit Lean komplett startest, ja, dann machst du 5S & Co, natürlich machst du es halt manuell und mit dem Begehungszettel und wenn du willst halt mit deinem Zeitplan, wo ich sage, einmal musst du durch die Aufteilung und schauen, ob alles sauber und 5S-gerecht ist, aber KVP würde ich nicht doppelt einführen. Weil wenn du jetzt ein Zettelsystem einführst, hast du ja wieder das Problem, wie machst du da weiter. Also ich würde es gleich digital machen oder wenn man große Bedenken hat, kannst du eine Zwischenstufe einschieben, das heißt, du könntest machen, dass du sagst, wir hängen weiter … wir haben auch noch die Teamtafel, also wir sind nicht komplett digital, das möchte ich auch dazu sagen. Wir haben Teamtafeln in jeder Abteilung, da hängt dann unser schöner Post mit den zehn Verschwendungsarten, damit die Leute wissen, worum es geht. Da hängen die Kennzahlen, aber es hängt nicht mehr, und bewusst nicht mehr, der berühmte KVP-Zettel zum Ausfüllen, ich habe eine Idee, was machen wir. Das könnte ich mir aber vorstellen, dass man das macht als Zwischenstufe und du den Vorgesetzten dann quasi befiehlst oder es eigentlich nicht als Zwischenstufe, sondern als Zusatzangebot, das haben wir eben diskutiert und gesagt, das brauchen wir nicht, dass du das als Zusatzangebot, den wirklich komplett IT-Fremden oder die, die Angst davor haben oder was weiß ich, anbietest und dann müsste halt der Vorgesetzte diese jeden Tag in das System klopfen, weil das System macht ja dann auch die Genehmigungsprozesse dazu. Das System macht ja digital, wir teilen das dann zu nach PDCA, das heißt, wer ist der Kümmerer, den haben wir P genannt, dann D, nach PDCA, also das ist aber komplett variabel definierbar und da kann man dann, wir teilen auch wirklich im System schon zu, wer macht was. Da brauchen wir einen von der IT, da brauchen wir einen Elektriker, da brauchen wir einen externen Installateur. Und so kann man sich das dann auch rausfahren konsolidiert. Das heißt, ich fahre alles raus, wo ich einen externen Installateur brauche und dann sage ich „Diese sechs Punkte bitte, mein Freund, mach mir ein Angebot und arbeite die ab“ und das geht dann eben bis zur bis zur Archivierung und zum Check, ob das auf andere Abteilungen auch anwendbar ist, dieses berühmte Check aus dem PDCA. Also das ist alles digital und da würde ich nicht jetzt komplett mit Zetteln wieder anfangen, weil irgendwie musst du es ja wieder verwalten. Was tust du dann mit dem Zettel, wenn du jetzt einen KVP wieder manuell mit Zetteln einführst?

Götz Müller: Ja. Jetzt hast du gerade einen Punkt gesagt, was ihr noch nicht digitalisiert habt, ich verwende jetzt mal den, vielleicht alternativen Begriff, Shopfloor Management, also sprich vor einer Teamtafel stehen, was für mich so ein wichtiger Teil von Shopfloor Management ist. Da habt ihr noch nichts digitalisiert. Ist das jetzt ein Thema, was vielleicht noch auf der Agenda steht oder habt ihr du das bewusst noch weggelassen und wenn ja, was sind dann die Gründe dafür, würde mich jetzt interessieren?

Christian Steiner: Eher bewusst weggelassen. Ich finde beim Shopfloor, das ist natürlich eine Philosophie-Frage, aber KVP-Ideenmanagement, da kann sich jeder beteiligen. Das sind alle und da kann jeder eintragen und wir reden die dann durch. Shopfloor ist für mich, wir kommen jetzt zusammen, wir bereden was und wir schreiben uns auf, was wir machen. Also für mich ist da das Geschriebene und auch dann das Abgearbeitete und das hat für mich ein bisschen mehr … das ist, weißt du, Symbolik und Charakter, weil da schreibe ich das auf und dann mache ich das auch. Wir haben aber sehr wohl auch Sachen aus dem Shopfloor, die wir dann digitalisiert eingeben können ins System. Shopfloor ist für mich mehr so, das kommt von den Vorgesetzten selbst auf und das ist keine Idee, sondern das müssen wir sowieso machen und dann mache ich da die kleinen Steps und knalle die an die Wand. Manchmal kommen da auch KVP-Vorschläge von Mitarbeitern an die Wand, weil wir sagen, das ist eine gute Idee, wer kümmert sich drum? Und dann drucken wir den halt aus und hängen ihn. Aber das persönliche Meeting würde ich nicht digitalisieren. Der persönliche Austausch und die Diskussion, da ist es gefährlich die zu digitalisieren, weil dann erschlägst du vielleicht eben wirklich gute Diskussionen oder Problemlösungen, wo einer auf der Idee von anderen aufbaut.

Götz Müller: Und man sich dann unter Umständen da dann wieder zu sehr um das Tool kümmert.

Christian Steiner: Das kennt man ja oft. Dann geht da was nicht, dann muss man sich noch mal einloggen, weil die Session abgelaufen ist und so ein Quatsch. Also das finde ich, diese Shopfloor Meetings, kurz prägnant, zack, zack, zack, die gehören, finde ich, anders durchgezogen. Was wir sehr wohl digitalisiert haben, das war auch eine Idee, also ich finde auch lustig, ich habe schon KVPs fürs digitale KVP-System einige umgesetzt, ist zum Beispiel die Sicherheitsbegehungen, die haben wir jetzt in diesem System abgebildet. Das heißt, wir verlangen von unseren Abteilungsverantwortlichen einmal im Monat eine Sicherheitsbegehung durchzuführen und die haben dann einen eigenen Fleck bekommen, nur diese Verantwortlichen dürfen das machen und die gehen dann durch, die haben auch einen Zettel dabei, weil das ist wieder Vorschrift bei uns, den Zettel scannen sie halt ein und laden sie dann dazu zu dem System und ich habe ein Dashboard, wo ich alle Sicherheitszonen, heißen die, weil da sind oft auch drei Abteilungen zusammengelegt, mit einem Klick aufs Dashboard sehe ich, wer hat in diesem Monat wie viele Sicherheitsbeanstandungen behoben, die aus einer Sicherheitsbegehung kommen oder schlimmstenfalls wir hatten gar keine gemacht. Also das haben wir schon auch jetzt digitalisiert, während 5S & Co, die haben wir nicht digitalisier bewusst, außer natürlich es ergibt sich etwas bei einem 5S-Rundgang wiederum, das nicht gleich ad-hoc vor Ort von dem Verantwortlichen erledigt werden kann. Dann klopfen wir es wieder ins System rein, weil da brauche ich halt einen Schlosser, einen Elektriker. Für die ist übrigens auch etwas drin. Das ist ganz wichtig, wird oft und gerne übersehen, beim KVP. Ich bin in einer Fabrik, das heißt, die meiste Arbeit fällt für Schlosser und Elektriker bei uns an und wir haben einen System, wo wir dann uns bei denen erkenntlich zeigen. Das heißt, ein Teil der Prämie wird abgezweigt und das kommt dann in einen Topf und leider ist das wegen dem C-Wort heuer natürlich und voriges Jahr flach gefallen, aber dann machen wir dann Ausflug machen, machen ein Event, zahlen vielleicht das aus oder kaufen was fürs Büro. Also vergesst bei KVP niemals die Umsetzer. Wir belohnen meistens die Mitarbeiter, aber die Schlosser, Elektriker, die die ganze Arbeit machen und für mich die Helden sind in der Rubrik, die lässt man dann gern durch den Rost fallen.

Götz Müller: Jetzt finde ich einen Punkt auch interessant, im Grunde glaube ich die Antwort schon zu kennen, aber ich könnte mir eben auch vorstellen, der ein oder andere hat ein gewisses Bild im Kopf, Digitalisierung muss ich die IT fragen, ob wir sowas machen dürfen wie die Querbeziehungen zur sonstige IT-Landschaft aussehen, also Wechselwirkungen. Ich könnte mir vorstellen, wie die Antwort aussieht, ich möchte es aber im Grunde aus deinem Mund hören, was gibt's da für Wechselwirkungen, muss ich was beachten, entsteht vielleicht hier Hürde, die gar nicht da ist?

Christian Steiner: Glaube ich schon, ja. Weil es ist ja eine Weblösung, also ich habe nichts an internen Servern gehostet, ich will es auch im Web haben, damit es eben auch vom privaten Handy geht. Daher habe ich da mal keine Berührungspunkte unmittelbar. Man kann aber auf Wunsch, und wir realisieren sowas gerade und haben zwei schon realisiert, aber das waren einfache Excel-Exports, man kann auf Wunsch aber natürlich Schnittstellen in bestehende Landschaften machen, aber … und die brauchen auch oft die IT nicht. Also nur ein Beispiel welche zwei Schnittstellen, wir haben irgendwann unser, wir haben einen externen Caterer, der liefert Kantinenessen bei uns, der liefert immer drei super Menüs und die kann man sich dann aufwärmen, die sind echt lecker. Das haben wir im KVP-System inzwischen abgebildet. Jeder Mitarbeiter kann sich Kantinenessen bestellen, das wird geliefert und wird dann am Monatsende abgezogen. Und das ist eine Schnittstelle, die wir halt zu den anderen IT-Systemen wirklich gemacht haben. Das heißt, die Personalverrechnungsabteilung oder bei uns halt HR, weil Personalverrechnung ist outgesourct, fährt sich zwei Excels aus. Das eine Excel ist, wie viel Prämie kriegt der, also diese 35 €, und da steht dann genau drin für welchen, da gibt's eine komprimierte Variante, da steht nur Name, Personalnummer und der Betrag und als Text dann „Prämie für drei KVP“ und genauso wird dann, was wird abgezogen, Essensabzug -xxx€ für die Bestellungen in der Kantine diesen Monat. Das heißt, das sind zwei Schnittstellen, damit ist das Kantinen-System und die Abrechnung alles digitalisiert, das ist wirklich, der erzeugt sich ein Excel, importiert es ins DPW Sage, das ist unsere Lohnverrechnungssoftware. Erledigt, null Aufwand. Und jeder Mitarbeiter kann sich seine eigene Abrechnung aber natürlich im Detail ansehen, der sieht dann, für welchen KVP habe ich was gekriegt. Wir haben auch fast 300 Mangelmeldungen, da steht da dann bei Mangelmeldung, keine Prämie, also auch das kann er sich dann ansehen und sieht dann genau aufgeschlüsselt im System online, warum haben sie mir da 135€ überwiesen und warum haben sie mir 20 fürs Essen abgezogen, falls diese Fragen kommen. Und daher habe ich seit zwei Jahren überhaupt nie Nachfragen gehabt nach Geld oder nach Ausrechnung-Abzügen oder Berechnungen. Also solche kann man machen. Und was wir gerade machen und basteln, ist eine kleine Schnittstelle in unser Instandhaltungssystem, da haben wir Ispro im Einsatz, und da wollen wir die KVP-Tätigkeiten für die Instandhalter reinexportieren, damit die quasi, und auch wieder zurück, damit die das in ihrem System in einem drin haben. Sowas kann man sich halt überlegen.

Götz Müller: Wie sieht dann da die Zusammenarbeit mit der klassischen IT aus? Wo ich immer mal wieder wahrnehme, die verwenden gern den Begriff der Schatten-IT, der Schattenprozesse, wo sie eher eben zucken, weil da irgendwas da draußen, möchte ich es mal nennen, existiert, von dem sie vielleicht nur ein Halbwissen haben und deshalb immer irgendwelche Bedenken das sind.

Christian Steiner: Weiß ich nicht, wir haben natürlich die Datenschutzgrundverordnung, blablabla, die Passwörter sind verschlüsselt, aber wir haben keine eigenen Daten drin in Wirklichkeit. Ich habe Mitarbeiter, wo ich habe, habe ich halt E-Mail, das haben auch nicht alle natürlich bei uns und halt, weil wir das brauchen, vielleicht braucht es eine andere Firma gar nicht, wir haben die Personalnummer drin, weil das ist unser Schlüssel, zu dem wir die Prämien hin und her einspielen und sonst ist da nichts drin, also ich habe da keine RRP-Daten, keine Kalkulationen, keine irgendwie Top-Security-Sachen, es ist extra in Österreich gehostet, damit ich weiß, wo es liegt. Da habe ich direkt Support, da kann ich Sicherungen anfordern damit auch hier der Datenschutzgrundverordnung Genüge getan ist und dass man es weiß, wo es gehostet ist. Genauso kann das natürlich auch jede Firma, wenn sie glaubt, sie will das selber hosten, dann kann er sich die Datenbank anlegen und hostet das in der eigenen IT, das ginge genauso. Der Vorteil halt ist, wenn nicht firmennetzintern ist, dass es halt extern ist und damit, dass es überall geht. Ich liege oft mit dem Tablet in der Hängematte und schaue durch, ob ich was weg archivieren kann oder ich schau durch, ob irgendwo jemand etwas vielleicht falsch bedient hat, dass schon etwas erledigt ist.

Götz Müller: Jetzt würde mich, ich gucke so ein bisschen auf die Uhr, wir sind schon bei einer halben Stunde, ein Punkt, der auch immer wieder in den Köpfen entsteht, wo soll denn die Initiative herkommen. Mit Digitalisierung hat das, ja, nur zum Teil, meiner Ansicht nach etwas zu tun, speziell wenn es halt um neue, ich nenne es mal neutral Initiativen, geht, habe ich ja immer diese top-down- und bottom-up-Variante. Bei euch höre ich raus, in deiner Person begründet, eher top down. Kennst du auch andere Beispiele, wenn ja, wie sind da die Wirkmechanismen, was kann man also jemandem empfehlen, der jetzt sagt: „Hey, coole Sache, was ich da gehört habe, ich bin jetzt aber kein Christian Steiner bei mir im Unternehmen, wie kriege so etwas hin?“

Christian Steiner: Es ist schwierig. Ich glaube, du brauchst natürlich die Unterstützung von oben, weil wir wollen ein bisschen Anreiz schaffen. Wenn du das nur von unten nach oben spielen willst, dann werden sich vielleicht die Elektriker und Instandhalter beschweren gehen bei der Geschäftsführung, weil sie haben jetzt plötzlich so viel Arbeit. Für mich ist das wichtig, dass die alle mitziehen und jeder den Sinn sieht, also ich habe sogar ein kleines Gamification-Modul drin, da gibt's so Spaß-Krönchen für die Umsetzung und die Einreichung und da wird auch sicher ein bisschen gematcht, um da den Spaß ein bisschen reinzukriegen. Also ich finde der erste Ansatz ist, dass eben die Geschäftsführung muss dahinter stehen, und muss nicht sagen: Ja, wir machen das halt, weil es so halt sein, aber lasst es so nebenbei mitlaufen. Dann kann ich es gleich lassen, dann werden wir uns auch nicht durchsetzen, weil viele Vorschläge sind wirklich spitze, aber die kosten dann auch mal ein bisschen an Initialgeld. Das rechnet sich dann aber und wenn du dann aber wieder schaust auf jeden Euro und die Geschäftsführung hat sowieso und unten, bottom, haben wir kein Budget für irgendwas und der Prozess ist vielleicht irgendwo aufgehängt und es kümmert sich eh keiner drum, dann kann ich es eigentlich gleich lassen. Da ändert sich nichts zum Papier, wie du gesagt hast, das ist ein klassisches Dilemma im KVP. Darum finde ich so wichtig, dass es voll unterstützt wird und ein bisschen ein Rahmen abgesteckt wird. Das haben wir auch, das ist im Workshop das erste Thema: Wo hängen wir es auf, wer kümmert sich drum, haben wir ein Budget?

Und danach kannst du die Mitarbeiter, glaube ich, schon mitnehmen, indem du ihnen zeigst, what's in it for you, oder was ist für dich drin.

Götz Müller: Ja, gut. Im Grunde ist das auch eine Frage, die sich ja jemand in der Geschäftsführung stellt. Was habe ich davon, wenn ich hier ein bisschen Geld ausgebe? Deshalb da noch mal nachgefragt, was sind denn deiner Ansicht nach gute, ja, nennen wir es interne Verkaufsargumente?

Christian Steiner: Ich habe mal eine Studie gesehen, die gehen extrem hoch rauf und so hoch würde ich gar nicht gehen, aber den Schnitt, wenn du … ich bin überzeugt, dass das in der Realität hinkommt, dort kannst du mich gern korrigieren, weil du hast wahrscheinlich natürlich noch viel mehr Erfahrung, aber wirklich schlechte Mitarbeiterideen, die mehr so Pillepalle sind, sind trotzdem meiner Meinung nach im Schnitt 300 € wert pro Idee. Mittelmäßige Ideen bist du bei 800 und wirklich Championsleague-Ideen, da bist du, ich rede jetzt immer vom Schnitt, bei 1.000 bis 2.000 Euro. Ich habe jetzt schon zwei Kalkulationen gesehen von Firmen, die kalkulieren jede nach, einer sogar, weil er 8% der Einsparungen im ersten Jahr als Prämie ausschüttet, Rekordprämie 16.000 € für einen Mitarbeiter. Und die haben teilweise einen Schnitt von 3.000 €, also sowas würde ich mir nie versprechen vertrauen, aber 300 bis 500 pro Idee ist nachhaltig locker drin, ja, und wenn du sagst 1.000 pro Mitarbeiter, man rechnet hoch, ich habe 400 Mitarbeiter, ich bin überzeugt, dass wir in den letzten zwei Jahren mit unserem System 300.000 bis 400.000 € eingespart haben, nachhaltig. Vielleicht ziehen wir immer 100 ab für Prämien und Umsetzungskosten von manchen, wo wir halt Externe gebraucht haben, die das umsetzen und solche Sachen oder wo man etwas digitalisiert hat oder wir haben sogar Software-Anpassungen bestellt, die kosten natürlich auch Geld, aber die wirklich sinnvoll waren, im Kommissionierbereich und sowas. Also dass man sich nicht immer bei den schweren Dingern auch ganz nach unten bücken muss, sondern die kommen aus der Mitte raus. Wie kalkulierst du sowas? Das ist ja Arbeitsgesundheit, es geht ja um die Gesundheit der Mitarbeiter, das ist irrsinnig schwer zu kalkulieren. Also einerseits meine ich die Kosten, du adressiert halt die klassischen Painpoints einer Firma, also da braucht man nicht viel argumentieren, das sind die Painpoints dein eigener Flipchart, du hast jetzt die 7, ich nenne sie die 10 Verschwendungsarten, weil der Mitarbeiter drei neuen, die so oft aufscheinen, haben mir so gut gefallen, dass ich die dazu gegeben habe, du adressierst also die Verschwendungsarten, damit steigerst du die Qualität, du steigerst die Durchlaufzeit, du hast eine Kostenersparnis, du nimmst die Mitarbeiter mit, Employer Branding, das wird immer wichtiger, glaube ich, dieses typisch klassische, wie es auch bei uns früher war, die Fabrik gibt's seit 1832. Geh rein, gib beim Empfang, beim Portier dein Hirn ab, geh arbeiten und hole dann dein Hirn wieder, wenn du raus gehst. Das gibt’s es inzwischen nicht mehr, sondern wir wollen ja, dass die mitdenken, sie wollen ja, dass sie sich selbst das Leben ein bisschen leichter machen. Und da musst du halt, das Einzige, was du wirklich aufpassen musst, ist, dass du dann nicht irgendwie so eine Finanz- und Geschäftsführung hast, die denkt: „Cool, jetzt haben da drei Sachen von denen umgesetzt, jetzt können wir einen von denen einsparen.“

Götz Müller: Das macht man einmal und ist das aber sofort rum.

Christian Steiner: Genau. Und dann wundern sie sich, warum nichts mehr kommt.

Götz Müller: Ja. Gut. Das war auch noch mal ein schöner Trigger zum Abschluss zusammengefasst, da war unheimlich viel drin sind. Was sind deine Top-Empfehlungen drin, die man beachten sollte, damit Erfolg und eben auch Nachhaltigkeit sichergestellt ist?

Christian Steiner: Mitarbeiter mitnehmen. Ganz einfach. Und zwar auch wenn es mühsam ist. Ich meine, gerade in Zeiten wie diesen bedeutet Führung, Zeit investieren in Kommunikation, und jetzt eigentlich noch viel mehr. Auch wenn es noch stressiger ist, alles immer schneller wird, noch viel mehr Zeit. Also wir haben wirklich mit jeder Abteilung zusammengesessen und nicht nur jetzt wieder drei aus der und drei aus der, sondern wir haben alle zusammen geholt. Wir haben uns die Zeit genommen, wir haben dann die Schulung gemacht. Im Idealfall, das habe ich ja bei uns noch nicht durchgebracht, aber im Idealfall machst du ja einmal im Monat, stellst du zwei Stunden früher die Schicht ab, holst wieder alle zusammen und sagst: „So, jetzt reden wir mal, was wir besser machen.“ Championsleague-Firmen machen das einmal im Monat die ganze Schicht. Das ist ja undenkbar, auch bei uns wäre das undenkbar, weil das holen wir ja nie auf, die Gießerei und Co, aber nimm die Mitarbeiter mit, frag sie aktiv und forder das ein. Und wenn du wo siehst, auch über das System oder Auswertungen, dass da Abteilungen sind, die beteiligen sich gar nicht, dann forsch mal nach, auch wenn es wehtut, weil „you have to change the people or you have to change the people“, weil wenn dich das in die Köpfe nicht reinkriege, muss ich vielleicht bestimmte Köpfe tauschen auf gut deutsch übersetzt, weil so siehst du halt auch die, die nicht Interesse haben, mitzumachen und die Firma zu entwickeln und wenn wir das nicht machen, wir stehen in Konkurrenz zu China. Also wenn wir uns nicht laufend verbessern, kommen wir irgendwann zu spät. Und das ist auch irgendetwas. Mein Großvater hat sein ganzes Leben hier gearbeitet, mein Vater hat sein ganzes Leben hier gearbeitet. Es wird immer schwerer mit der mit der chinesischen Konkurrenz, preislich hast du ja keine Chance als ein Unternehmen in Österreich, Deutschland und wollen wir das oder wollen wir das nicht. Auch das sieht man ja gerade, ist es gut, dass wir da alles rüberschicken oder nicht. Und bei uns geht halt …
Götz Müller: Das ist auch durchaus ein Punkt, den man dezent, möchte ich es mal nennen, nicht im Sinne von Angst, aber dezent darauf hinweisen, weil vielleicht nicht jeder diesen weiten Horizont hat und das sehen kann.

Christian Steiner: Das ist nicht gottgegeben. Schau in den Ruhrpott in Deutschland, ja, die Kohle und was da an Werken und Fabriken, wo die Mitarbeiter mit Herzen und Seele dabei waren, was da alles abgedreht wird oder wurde. Und das kann man durchaus schon mal anbringen, aber wie du sagst, man muss ja nicht Angst machen, sagen: „Leute, es ist eh noch kein Thema, aber wir müssen aufpassen, wir müssen uns verbessern.“

Götz Müller: Ja, das ist halt so der klassische Seerosenteich, am Vortag ist er nur halbvoll und nächsten Tag ist es aber vorbei. Wenn ich diesen Blick auf nächsten Tag habe, dann sollte ich das auch sagen. Das hat halt vielleicht nicht jeder. Gut. Christian, ich danke dir für deine Zeit, das waren sehr spannende Einblicke, wirklich von der Basis her, von der Anwendung her und ich glaube, das ist, ich würde sagen, dass ich das Erfolgsrezept schlechthin, eine Sache, eine Sache, die man selber anwenden will, zu entwickeln und dann auch damit zu zeigen, dass es funktioniert.

Christian Steiner: Und immer wieder auch selbst verbessern, auch das System haben wir so viel verbessert, wir haben dann Termine eingegeben, damit die Leute sagen können „Ich mache das, aber ich mache es erst in drei Monaten“ und so lange spielt es nicht, damit wir ihnen den Stress nehmen, sie müssen alles erledigen. Wir haben dann einen Ruhestellen eingeführt, die spielen auch nicht mit dem System, die kosten einfach zu viel oder sind zu viel Aufwand, sind aber gut, wir haben sie genehmigt, wir wollen sie machen. Wir schauen jeden September in der Budgetierungsphase durch, nehmen wir was auf oder können wir sie uns immer noch nicht leisten. Also auch solche Sachen, das haben wir alles gelernt eigentlich im Prinzip und dann immer angepasst und erweitert. Wir haben einen Basar drin, da sind Sachen drin, die keiner braucht. Ich habe zwei Flipcharts, bevor einer jetzt ein neues bestellt, schaut er mal in den Basar rein, hat da jemand vielleicht Flipcharts stehen, die er nicht braucht, auch das war eine Idee eines Mitarbeiters. Also solche Sachen, bis zu, zum Schluss haben wir jetzt die Lohnzettel digitalisiert, die sind auch im System drin, verschlüsselt, doppelt verschlüsselt und dreifach verschlüsselt, eigene Datenbank, wo nur das Passwort drin ist. Aber was fällt weg? Ausdrucken bei einem externen Abrechner, zusenden, sortieren nach Abteilung, einpacken in die Tüten, alle Tüten gehen zum Meister und der Meister gibt sie den Mitarbeitern. Jetzt klickt er sich den an und ruft sich den auf und kann den zu Hause ausdrucken oder nur anschauen oder es interessiert den eh nicht, Hauptsache das Geld kommt aufs Konto. Also das sind alles so Digitalisierungsansätze, da liegt irrsinnig viel Potential und das kann man ohne viel Aufwand eigentlich … weil ich bin überzeugt, bei einer Firma mit 100, 200, 300, 400 Mitarbeitern, sagt sonst das System, das schaue ich mir an, das will ich haben, in einer Woche können wir starten. Ich meine, theoretisch, ja, du musst natürlich die Mitarbeiter schulen oder ein bisschen Vorlauf geben, aber vom Technischen her, ich brauche ja nur eine Mitarbeiterliste, dann stelle ich die Firma ein und es kann losgehen.

Götz Müller: Ja, da werde ich auf jeden Fall dann in den Notizen deine Website reinnehmen und wenn jetzt da einer zugehört hat und sagt „Hey, das hört sich spannend an, da möchte ich mehr drüber wissen“, dann ist es eine Gelegenheit, zu dir Kontakt aufzunehmen.

Christian Steiner: Ja, sehr gerne. Du kannst auch mein LinkedIn-Profil einstellen und wir lernen voneinander.

Götz Müller: Gut, also ich danke dir noch mal für deine Zeit.

Christian Steiner: Götz, ich danke für die Einladung. Das war mir wirklich eine Freude, und die Zeit ist, ich hoffe für die Zuhörer genauso schnell vergangen wie für mich.

Götz Müller: Da bin ich mir sicher.

Christian Steiner: Wir bleiben in Kontakt. Herzlichen Dank.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Christian Steiner zum Thema Digitalisierung im KVP. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 249.

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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

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