Die problematischste Verhaltensweise des Osterhasen ist dabei sein unstetes Verhalten. Nur für ein paar Wochen aus der Versenkung aufzutauchen (deshalb ist das Ostertier wahrscheinlich auch ein Hase und kein Vogel – was bei Eiern eigentlich viel angebrachter wäre), ist eine Vorgehensweise, die leider auch im KVP sehr oft anzutreffen ist. Aber was für österliche Bräuchen seit Jahrhunderten seine Berechtigung hat (auch wenn die Schokoladenindustrie das unter Umständen anders sieht), stellt sich im KVP ganz anders dar. Einmal im Jahr die ISO9001-Unterlagen aus dem Schrank zu holen und für das nächste Audit abzustauben, mag zwar kontinuierlich sein, hat aber nichts mit Verbesserung zu tun. Wirkliche Wirksamkeit der Bestrebungen entsteht durch die Anwendung in kleinen Schritten, die routiniert und im Idealfall täglich stattfindet. Dieser „Daily Kaizen“ besteht nicht aus großen Workshops sondern aus kleinsten Aktivitäten, die durch ihre Kontinuität den großen Unterschied machen.
Eine weitere problematische Eigenschaft des Osterhasen liegt in seinem Fluchtverhalten begründet. Bei der kleinsten erkennbaren Gefahr sich in den Untergrund zurückzuziehen, der aus schon vorher gegrabenen Höhlen und Gängen besteht, mag eine gute Guerillataktik sein, für den KVP ist sie aber kein gutes Vorbild. Im KVP müssen anstehende Herausforderungen aktiv angenommen werden. Das ist auch der Grund, warum die Unternehmensleitung zusammen mit allen Führungskräften hinter dem Osterhasen KVP stehen muss, damit er funktionieren kann. Auch die Gewohnheit Eier in fremde Nester zu legen, ist eher eines Kuckucks würdig, als eine nützliche Vorgehensweise im Kontinuierlichen Verbesserungsprozess, bei dem darum geht, den Gesamtprozess aus Kundensicht zu betrachten, und nicht lokale Optimierungen zu Lasten anderer vorzunehmen.
„Es ist das Osterfest alljährlich
für den Hasen recht beschwerlich.“
– Wilhelm Busch
Auch die hakenschlagende Fortbewegung des Hasen an der Erdoberfläche ist ein Verhalten, das für den KVP so nicht als orientierendes Beispiel für zielgerichtetes Handeln entlang einer klaren Vision verstanden werden kann. Sich dann nach erfolgloser Jagd (aus Sicht eines Verfolgers) auf dem Zielzustand auszuruhen, entspricht ebenfalls keinem Verhalten, das im KVP angebracht ist.
Dass Verbesserungen nicht auf der grünen Wiese gemacht können, drückt sich im KVP durch die japanischen Begriffe „Gemba“ (am Ort des Geschehens) und „Genchi Gembutsu“ (geh hin und sieh) aus. Dem Hasen hier vorzuwerfen, er würde die langen Ohren nur dazu verwenden, das Gras (der Wiese) wachsen zu hören, ist dann aber vermutlich doch zu sehr an den Ohren Haaren herbeigezogen. Welche Verschwendungen der Osterhase in seinem jährlichen Wirken hinterlässt, habe ich vor zwei Jahren schon ausführlich diskutiert. Der geneigte Leser kann das im entsprechenden Artikel über die sieben Verschwendungsarten nachlesen.
Jetzt soll dieser Artikel aber nicht als CBB (Continuous Bunny Bashing) enden. Dass der Auftritt des Osterhasen im Frühjahr liegt, hat dann aber sicherlich doch etwas mit der damit verbundenen Erneuerung der Natur zu tun. Die Veränderung ist schließlich die Basis jeder Verbesserung. Und die Natur macht es uns auch richtig vor, denn im Grunde findet die Erneuerung ständig statt, nur dass sie eben im Frühjahr im österlichen Umfeld besonders deutlich zu Tage trittt. Auch wenn sich dadurch ein paar versöhnliche Parallelen zw. Osterhase und KVP ergeben, kann doch abschließend konstatiert werden, dass Meister Lampe kein Vorbild für gute Verhaltensweisen im KVP ist. Ob sein jährlicher Gegenspieler im Wettstreit um die Möhren da besser aufgestellt ist, werden wir uns in neun Monaten ansehen. Im aktuellen Fall des österlichen Falls bleibt eine abschließende Bewertung trotzdem eine Herausforderung. Trotz aller Bemühungen entsprechend dem wichtigen Lean-Prinzip „Genchi Gembutsu“ (s.o.) entzieht sich der Osterhase konstant allen Anstrengungen, ihn bei der Arbeit zu beobachten.
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