Die zentrale Eingenschaft des Kompass ist, dass er immer nach Norden zeigt, unabhängig davon, ob man dort hin will oder nicht. Im Lean-Kontext spricht man dagegen vom Nordstern, den man grundsätzlich sogar selber wählen darf (oder muss). Wobei es aber irgendwie blöd wäre, wenn man dort ankommen würde. Aber nehmen wir einfach mal an, dass der Nordstern seinem Naturell entsprechend so gewählt wäre, dass es allen Beteiligten klar ist, dass er unerreichbar ist, dass das aber auch gut so ist.
Jetzt könnte man ja der Versuchung unterliegen, eben das Lean-GPS auszupacken und sich damit auf den Weg zu machen.
Tolle Sache, oder?
Nee, ganz schlecht!
Im Grund fast so schlimm, wie ein zu nah gewählter Nordstern und praktisch nur noch zu toppen, wenn man sich erst gar nicht auf den Weg machen würde und stattdessen in der aktuellen Situation zu verharren und dann zu jammern, wie schlecht doch alles ist.
Aber warum wäre ein Lean-GPS jetzt so schlimm?
– José Luis Sampedro
Das Schlimme daran wäre, dass man sich ja eben nur auf bekannten Pfaden bewegen würde. Vielleicht nicht persönlich bekannten Pfaden aber nur auf Pfaden, die das Navigationssystem für einen berechnet hat. Das ist sogar fast noch schlimmer, als die persönliche Wegesuche anhand einer Karte und dem Blick in die Landschaft, eben begleitet von dem zuvor gewählten Nordstern.
Was dabei aber praktisch nicht auftreten würde, wäre die Entdeckung von etwas neuem, was sich im Lean-Kontext Lernerfahrung nennt. Auch die Reflexion darüber, warum man jetzt in eine Sackgasse gelaufen ist, würde unterbleiben, weil man sich ja sklavisch nach dem richtet, was einem das Navi sagt. Vielleicht rutscht einem ein Fluch über die Lippen, aber man hat ja keine wirklich Chance etwas an den möglicherweise falschen Kartendaten zu ändern und die Baustelle ist halt mal unerwarteterweise da, wo sie ist. Man fährt halt ein paar Meter zurück, biegt dann anders ab und überlässt es wieder dem GPS, einen neuen Weg zu finden.
Also das GPS im Lean-Kontext ist Mist, oder?
Nein, doch nicht ganz!
Kommt halt bloß darauf an, wie man es einsetzt oder für was es steht.
Wenn man das GPS mit dem aktuell bekannten besten Weg gleichsetzt, ein bestimmtes, d.h. so gewolltes Ziel zu erreichen – aka Standard – dann hat es absolut seine Berechtigung. Man sollte sich aber immer bewusst sein, dass dieser Standard eben morgen schon ganz anders aussehen kann, wenn man sich auf den Weg gemacht hat, einen kürzeren, einfacheren, schnelleren oder auch mal günstigeren Weg zu suchen.
Andererseits kann ein GPS auch wie ein Lehrer sein, der sich wie bei den Job Instructions aus dem Training Within Industry den Bedürfnissen des Schülers individuell anpasst, ihn auf dem Weg begleitet zur Kompetenz begleitet und auch mal einen Umweg nimmt, wenn das erforderlich ist, dabei aber immer das Ziel im Auge behält.
Oder es agiert wie die strukturellen Elemente der Verbesserungs- und Coaching-Kata, die mit ihrer Schrittfolge bzgl. den begleitenden Fragen, die Beteiligten voran oder zurück auf den Weg bringen, wenn Verbesserungen im ersten Anlauf auf Hürden stoßen oder nicht die gewünschten Ergebnisse bringen.
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