Baguette oder Brezel – Was wir von Backwaren über Produktionsanordnungen lernen können

Was wir von Backwaren über Produktionsanordnungen lernen können

Für einen Schwaben wird sich diese Frage nicht wirklich stellen. Trotzdem möchte ich ihr etwas nachgehen. Allerdings nicht aus der Sicht der Backwaren, auch wenn das der ursprüngliche Anlass für diese Geschichte war. Vor einer Woche habe ich ein Unternehmerfrühstück besucht. Jeder Anwesende hatte dort 60 s Zeit seine Firma vorzustellen. Eigentlich hatte ich mir schon etwas dafür zurechtgelegt. Dann sah ich diese angebrochene Brezel in Form eines ‘U' vor mir. Da ich in der Vorwoche ein Ergonomie-Audit bei einem Automobilzulieferer in Frankreich durchgeführt hatte, wusste ich plötzlich, warum schwäbische Brezeln einen deutlichen Vorsprung vor Baguettes haben.

baguetteDie Endmontagelinien bei dem Zulieferer hatten die Form eines Baguettes. Vor Ort hatte ich zuerst die Assoziation von einem sehr langgestreckten inversen ‘U'. Invers, weil die Maschinenbediener statt wie in einer U-Zelle im Innenraum auf der Außenseite der Linie tätig waren. U-Form, weil sich die Montagelinie entsprechend der Skizze darstellte. Das Problem mit dieser Anlageform kam bei der Umrüstaktion deutlich zum Ausdruck, als einer der Maschinenbediener in der Mitte der Linie auf die andere Seite musste. Dazu hatte er insgesamt die Linie in ihrer kompleten Länge zu umlaufen, um zwei Werkstückträger umzusetzen. Unter Lean-Production-Aspekten massive Verschwendung in Form von Transport, Bewegung, Wartezeit (die Produktion stand während der Umrüstung). Zu dieser Problematik kam noch hinzu, dass drei Baguettes – äh Montagelinien – nebeneinander lagen und zwei recht enge und langgestreckte Bereiche zwischen den Linien entstanden, die der Zufuhr des Materials an die Stationen diente. So eng, dass die Gabelstabler die Materialcontainer an den Ende der Linien absetzen mussten und das Material dann von Menschen auf kleineren Transportwägen zu den Stationen gezogen wurde. So viel also zum Baguette als sub-optimale Anordnung in Montagelinien.

brezelDieser Anordnung steht die U-Zelle in Form einer angebrochenen Brezel gegenüber. Wie schon erwähnt, arbeitet der Maschinenbediener hier im Innenraum des ‘U', kann damit bei kürzesten Wegen mehrere Maschinen gleichzeitig überwachen. Auch die Anfuhr der Grundteile und Abfuhr der Fertigteile erfolgt gemeinsam am offenen Ende des ‘U' und die Beschickung der Maschinen kann störungsfrei von außen erfolgen.

Fazit: Nicht nur geschmacklich hat also die Brezel Vorteile vor dem Baguette, sondern auch bei der Anordnung von Fertigungslinien und deren logistischer Anbindung.

PS: Man möge mir verzeihen, dass ich Croissants hier einfach unterschlagen habe ;-)

Frage: Wo existieren in Ihren Montage- und Fertigungslinien ungünstige Anordnung unter Gesichtspunkten der Bewegungs- und Transportverschwendungen? Welche Erkenntnisse aus der schlanken Produktion lässt sich auf Bürobereiche übertragen? Welche Anstrengungen zur Optimierung haben Sie hier schon unternommen?

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