Kaizen 2 go 088 : Unbundling


 

Inhalt der Episode

  • Was versteht man unter Unbundling?
  • Wo kann Unbundling eingesetzt werden und was bedeutet es für die Geschäftsprozesse?
  • Unbundling, Digitalisierung und Disruption
  • Was bedeutet Unbundling für den Arbeitsmarkt, die Bildung und die Menschen?
  • Welche Chancen können sich durch Unbundling im Allgemeinen ergeben?

Notizen zur Episode


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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 88 – Unbundling

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Christoph Schmitt bei mir im Gespräch, nochmal geht’s in die Schweiz. Christoph Schmitt, ein leidenschaftlicher Vorkämpfer für digitale Bildung. Hallo Herr Schmidt.

Christoph Schmitt: Guten Abend, Hallihallo Herr Müller.

Götz Müller: Schön, dass das heute für uns beide passt. Jetzt habe ich schon ein kurzes Stichwort zu Ihnen gesagt, aber stellen Sie sich selber noch ein bisschen intensiver vor, dass die Zuhörer da raushören können, was Sie denn unter digitaler Bildung auch verstehen.

Christoph Schmitt: Ja, also ich bin ein Autodidakt. Ich hab’ so ne relativ lange, ne fünfzehnjährige Geschichte als Pädagoge, als Dozent und Lehrer auf allen möglichen Schul- und Hochschularten und bin dann vor drei Jahren ausgestiegen und hab’ mich selbstständig gemacht, fasziniert von den Möglichkeiten und Chancen, die die Digitalisierung für die Bildung bedeutet. Und weil ich da noch nicht so richtig davon leben kann, rein finanziell, arbeite ich auch noch als wissenschaftlicher Mitarbeiter, als Coach, als Lernbegleiter bei der Hochschule in Luzern mit. Das sind so meine zwei Schwerpunkte im Moment. Beruflich kann ich sagen: Die letzte Ausbildung, die ich gemacht habe, war hier in Zürich, einen Master in systemischem Coaching und ja, dieser Ausbildung verdanke ich auch sehr viel.

Götz Müller: Ok. So. Ich bin ja auf Sie gestoßen, Sie wissen es, die Zuhörer wissen es nicht, über einen, fand ich sehr interessanten, Artikel unter dem Stichwort „Unbundling“. Diesen Begriff habe ich da das erste Mal gehört. Jetzt vermute ich mal wird’s dem ein oder anderen Zuhörer auch so gehen. Deshalb zum Einstieg die ganz einfache Frage: Was versteht man denn unter Unbundling? Was verstehen Sie darunter?

Christoph Schmitt: Das ist ein Begriff, der ist uralt. Auf Deutsch heißt das entbündeln, also etwas, das eigentlich ursprünglich zusammengehört wird quasi seiner Bündelung entraubt. Sie können zum Beispiel, wenn Sie einen Spargelbund kaufen, dann machen Sie auch den Gummi weg, bevor Sie den kochen. Oder wenn Sie Mikado kaufen, so Mikado-Stäbchen, die sind auch mit so einem kleinen Gummi verbündelt und das Unbundling ist eigentlich in der Digitalisierung heute ein Begriff dafür, dass ganz viele Produkte und Dienstleistungen, die wir früher immer in einer Paketlösung kaufen mussten, heute mehr und mehr auch unbundled gekauft werden können, also als Einzeldienstleistung und wenn Sie möchten, kann ich da auch Beispiele machen.

Götz Müller: Da kommen wir auf jeden Fall noch dazu. Jetzt will ich noch kurz darstellen, was denn meine Motivation war, wo ich den Artikel gelesen habe, denn bei mir hat’s sofort Klick gemacht und ich dachte: „Hey! Unbundling, so wie’s da beschrieben ist, das ist eigentlich, ja man kann fast sagen, die ultimative Form des „One-Piece-Flow“. Eine Sache, die ja jetzt im Lean-Management, wo ich herkomme und zuhause bin, eine ganz zentrale Sache ist, wo man aber grundsätzlich bisher immer so drunter verstanden hat: Ja, man macht halt ultimativ nur eine Sache statt zwei oder fünf oder zehn, nur weil es vielleicht zehn Kunden gibt, die das auch haben wollen. Jetzt geht aber das Unbundling noch einen Schritt weiter, nämlich, könnte man sagen, in einer anderen Dimension. Und jetzt käme vielleicht dieser Punkt ganz gut rein, was Sie gerade gesagt haben, einfach mal ein paar Beispiele. Wo kann man denn Leistungen unbundeln?

Christoph Schmitt: Eine ganz spannende Grundvoraussetzung für Unbundling ist, dass die sogenannten Transaktionskosten durch die Digitalisierung sinken. Das heißt, ich kann heute, ich muss heute nicht mehr als Anbieter, als Musikanbieter, ganze Alben verkaufen, sondern ich kann mir das auch leisten, ohne draufzuzahlen, dass ich meinem Kunden anbiete, einzelne Titel runterzuladen und einzelne Titel zu bezahlen. Das ist zum Beispiel ein Beispiel für Unbundling. Ein anderes Beispiel ist, dass ich zum Beispiel für einzelne Artikel bezahle, aber nicht für ganze Zeitungen. Dass ich kein Zeitungsabo kaufe, sondern eben nur für die Artikel bezahle, die mir gefallen. Oder, was Sie vielleicht auch schon praktizieren, ich auf jeden Fall schon, ich kaufe bei mir, wenn ich abends Lust auf Kino hab‘ zuhause, dann kaufe ich mir einzelne Filme, also ich habe kein Netflix-Abonnement, zum Beispiel, sondern ich kaufe halt im iTunes-Shop einzelne Filme.

Götz Müller: Was würden Sie sagen, was sind dann die Auswirkungen auf Geschäftsprozesse?

Christoph Schmitt: Also, was mir Geschäftspartner erzählen ist, dass es für die Anbieter, Produzenten und auch Logistiker, Händler zu Beginn eine Umstellung ist, also dass ich erst mal mehr Aufwand habe, aber dass das dann sobald ich die digitale Technik, die digitale Kultur, die Netzwerkkultur beherrsche, dass sich dann auch selber meine Investitionskosten relativ schnell absenken. Und der große Vorteil ist der der Kundenbindung oder dass der Kunde merkt relativ schnell, dass er, zum Beispiel bei mir jetzt, wenn man jetzt einfach im Endverbrauchermarkt sind, dass er bei mir nicht immer alle möglichen Bündel und Pakete kaufen muss, sondern er wird das als eine faire Geschäftsbeziehung erleben, wenn ich ihm nur das verkaufe, was er tatsächlich auch braucht.

Götz Müller: Ja, und das war auch so ein Punkt, wo ich dachte, wie eben auch schon erwähnt: Hey, das ist im Grunde noch mal ein Schritt weiter in der Kundenorientierung, wie Sie es gerade schon angedeutet haben und ich glaube, da stellt sich dann ein richtig bewusstes Verständnis der Unternehmen für das, was der Kunde wirklich haben will, dar, oder?

Christoph Schmitt: Ja, genau. Und ich davon aus, dass das die Unternehmen, die klugen oder die schlauen Unternehmer wissen das eigentlich schon immer. Die Frage ist nur, ab welchem Punkt kann ich es mir leisten oder bin ich bereit dieses Wissen, dass der Kunde all diese Dinge, die ich ihm vielleicht im Päckchen anbiete, vielleicht nicht braucht, sondern nur ein oder zwei davon; wann lasse ich ihm den Nutzen auch zukommen. Ich behaupte, das Wissen ist schon länger da.

Götz Müller: Nur die Bereitschaft halt nicht, das zu tun, aus den unterschiedlichsten Gründen, vielleicht um nen höheren Preis zu erzielen, wenn ich ihm was verkaufe, was er im Grunde gar nicht haben will.

Christoph Schmitt: Ja, also ich kann zum Beispiel, für mich ne tolle Möglichkeit ist, dass ich für nen Spottpreis, also mal den ökologischen Schaden eingeklammert, aber ich kann für einen Spottpreis von Zürich nach Berlin fliegen, wenn ich sage: Ich brauch kein Gepäck und ich muss auch nicht möglichst schnell da rein und besonders bedient werden, ich brauch auch kein Essen, bring‘ ich alles selber mit. Ryanair macht das ja schon lange, oder? Und dann zahle ich wirklich den nackten Flug und all das andere, oder, bleibt weg.

Götz Müller: Ja. Und aus Ihrem Artikel kam mir dann auch so ein Gedanke. Im Grunde ist Unbundling ja auch eine besondere Form der Disruption, denn ich stelle unter Umständen ja Geschäftsprozesse oder Angebote auf den Kopf.

Christoph Schmitt: Ja. Allein die Tatsache, dass plötzlich Anbieter auf den Markt kommen, die eben weil sie klein sind, weil sie neu, agil sind, weil sie flexibel sind … schon aus dem Grund, weil sie nicht ne ganze riesige Unternehmensinfrastruktur mit sich schleppen müssen, sind sie in der Lage, schneller, agiler einzelne Dienstleistungen anzubieten und das greift den großen, traditionellen Anbieter natürlich disruptiv an. Das ist wahr, ja.

Götz Müller: Was würden Sie sagen bedeutet Unbundling für den Arbeitsmarkt?

Christoph Schmitt: Oh, der Arbeitsmarkt ist natürlich jetzt ein Riesenthema. Also ich stelle mir vor, der erste Gedanke, der mir kommt, ist, wir reden in der Digitalisierung immer häufiger von Entrepreneurship, also von so einer Einstellung, dass immer mehr Menschen auch in einer Zeit, in der, sagen wir mal, die Lebensstelle oder die klassische Angestelltenstelle immer seltener wird, dass ich mir auch, sagen wir mal alleine oder mit anderen zusammen, mich selbstständig mache oder eben auch einzelne Dienstleistungen im Freelancing-Format anbiete, an B2B-Kunden oder wen auch immer. Ich denke, da liegen ganz große Chancen, oder dass eben auch größere Unternehmen auch bereit sind, digitale Plattformen einzurichten, auf denen sich ganz unterschiedliche Anbieter, also auch Freelancer, tummeln dürfen und je nach Projekten, die jetzt an Land gezogen werden, kann ich quasi meine, anstatt dass ich als Firma hundert Leute einstelle und immer alles vorhalte, was gebraucht wird, je nach Projekt, kaufe ich dann von den Leuten, die auf meiner Plattform sich präsentieren dürfen für meine Kunden Dienstleistungen ein. Das ist eine Chance.

Götz Müller: Ja, da kommt mir jetzt gerade der Gedanke. Da gewinnt dieser Begriff, den wir in Deutschland vor ein paar Jahren hatten … das Thema „Ich-AG“ gewinnt plötzlich eine ganz neue Bedeutung.

Christoph Schmitt: Ja, auf jeden Fall. Es ist natürlich eine äußert ambivalente Angelegenheit, die da auf uns zukommt, denn es ist ja immer auch mit ganz vielen Risiken verbunden.

Götz Müller: Was würden Sie sagen, was bedeutet das für die Menschen, also sprich, nennen wir es mal neutral, die Teilnehmer am Arbeitsmarkt?

Christoph Schmitt: Ja, also da muss man glaube ich den Fokus weiter aufmachen. Die erste Frage, die wir hier gar nicht beantworten können, ist: Wie lange werden wir noch diese hohen Arbeitsplatzgarantien haben wie im Moment? Frau Merkel verspricht bis in vier oder acht Jahren eine Vollbeschäftigung. Das ist, ich weiß nicht unter welchen Bedingungen sie das hinkriegen will, aber wir haben unter Umständen in Zukunft durch diese Digitalisierung von ganz vielen Produktions- und überhaupt Verwaltungs- und Wertschöpfungsprozessen werden wir immer weniger Arbeit haben für die Menschen. Und dann ist die Frage: Wie erfinderisch bin ich? Wie viel Risiko kann ich auf mich nehmen? Wie viel Lust habe ich und wie viel unternehmerische Freude, um mich als Freelancer oder Selbstständiger zu bewegen? Aber das sind für mich ganz, ganz viele offenen Fragen verbunden.

Götz Müller: Ich habe jetzt vor ein paar Tagen einen spannenden Artikel gelesen, da ging es im Grunde darum: Welche Freiräume gewinnen wir, wenn wir Menschen produktiver machen, sprich ihnen Freiräume zurückgeben, bei gleicher Bezahlung, weil die Produktivität nur ungefähr gleich ist, nur viel weniger Zeit benötigt wird und dann sind sie plötzlich in der Lage, die eigenen Eltern, die dann vielleicht schon siebzig, achtzig oder älter sind … bisher heute irgendwie Richtung Pflegeheim, also sprich, jemand drittes übernimmt diese Aufgabe … und jetzt würde man ja unter Umständen die Freiräume gewinnen, das wieder selber zu übernehmen.

Christoph Schmitt: Zum Beispiel. Die eigenen Eltern, zum Beispiel aber auch andere ältere Menschen, wie auch immer. Das ist genau das, warum soll mein Nachbar meine Mutter pflegen und ich die Mutter meines Nachbarn und wir uns da gegenseitig Geld dafür geben, jetzt mal ganz vereinfacht gesagt, wenn wir das auch einfacher haben können.

Götz Müller: Jetzt kommen Sie ja aus der Bildung auch her, was für Sie sagen, was bedeutet Unbundling für Bildung. Das war auch so ein Aspekt, den Sie in Ihrem Artikel drin haben, wo ich dachte: Hm, ne Fragestellung, die ich dann so als zweite Frage noch nachschieben werde.

Christoph Schmitt: Also für die Bildung gilt ja im Moment, dass das klassische, traditionelle Schulsystem in Deutschland, für andere möchte ich jetzt mal nicht sprechen … das klassische ist ja ein klassisches Bundle. Ein dickes Bundle, wo eigentlich alles, was irgendwie mit Persönlichkeitsbildung, Wissensvermittlung, Sozialkompetenz aber auch sowas wie Betreuung, dass die Kinder von der Straße sind, Mittagstisch und KiTa und das ist alles in einem Paket. Und im Moment erlebt die Bildung bereits heute eine unglaubliche Disruption, das ist zwar in der Öffentlichkeit nicht so einfach sichtbar, aber es drängen auch in Deutschland, auch bei uns in der Schweiz immer mehr multinationale, private Anbieter von Bildung auf den Markt, die vor allem digitale Bildung anbieten. Und die sind eine riesige Konkurrenz für die staatlichen Bildungs- und Weiterbildungseinrichtungen, die wir haben, weil sie erstens agil sind und zweitens eben unbundled Bildung anbieten können. Du musst nicht ganze Kurse belegen, oder von mir aus ganze Master- oder Bachelor- oder irgendwelche MOOC-Kurse für viel Geld, sondern du belegst quasi digitale Kurse, was auch immer, für einen ganz bestimmten Zweck, für eine Kompetenz, für ein Projekt oder was auch immer. Und das ist im Moment stark im Kommen.

Götz Müller: Da ging mir dann dieser Gedanken in den Kopf und jetzt auch noch mal ein bisschen vertiefend, gerade im Gespräch: Wann beginne ich aber damit? Habe ich da jetzt nicht die große Gefahr unter Umständen, wenn ich zu früh anfange, vielleicht jetzt schon in der klassischen Schulbildung, dass ich meine Kinder zu Fachidioten erziehe?

Christoph Schmitt: Erziehen und bilden sind für mich zwei unterschiedliche Dinge. Erziehen ist ja etwas, das andere mit mir machen, notwendigerweise. Und Bildung ist etwas, das ich mit mir selber mache, als „Ich bilde mich“. Sie können meine Kinder erziehen, aber bilden können sich meine Kinder nur selber und das Fachidiotentum wäre auch mit einem zwinkernden Auge jetzt vielleicht gesagt, nichts Neues, weil das haben wir eigentlich immer schon. Und deswegen würde da jetzt nichts Neues dazukommen. Im Gegenteil, ich gehe davon aus, wenn wir in Zukunft immer stärker unsere Kompetenzen auf bestimmte Projekte, vielleicht auch auf zeitlich beschränkte Projekte ausbilden müssen und nicht eben den einen Job, den wir zehn oder zwanzig Jahre lang immer dieselbe Sache machen und dass es viel, viel agiler wird, dann gehe ich davon aus, dass wir keine Angst haben müssen vor Fachidioten, sondern eher das Gegenteil. Wir müssen eher dafür sorgen, dass die Menschen nicht überschwemmt werden von zu viel Information und Wissen.

Götz Müller: Wenn wir so einen Bogen schlagen zum Schluss, hatten wir ja Eingangs schon: Was würden Sie sagen: Was bieten sich für Chancen im Allgemeinen, wie groß auch immer allgemein jetzt sein mag, für die Gesellschaft und für die Menschen.

Christoph Schmitt: Ich sehe einen ganz großen Vorteil da, dass wir mithilfe des Unbundling kleinzelliger, kleinparzelliger werden können, auch in der Art und Weise wir wir leben, konsumieren, wie wir Leben teilen. Wir können vieles wieder selber machen, was zum Beispiel das Thema Ernährung ist, Sie haben vielleicht den Film „Tomorrow“ auch gesehen, war ja lange in den Kinos, wo Menschen wieder ihre Ernährung selber in die Hand nehmen, auf Stadtteile bezogen oder in Detroit ist jetzt die ganze Stadt mittlerweile vom Urban Gardening übersäht. Ich glaube, Unbundling führt dazu, dass immer mehr Menschen ganz fundamentale Bedürfnisse wieder selber in die Hand nehmen. Dass sich auch Wohngenossenschaften wieder vermehrt bilden, denken Sie an https://offenegesellschaft.org, das ist ja ne ganz tolle Initiative in Deutschland. Wir haben hier in der Schweiz https://neustart-schweiz.ch, das ist auch eine Initiative und die haben viel auch mit diesem Unbundling zu tun.

Götz Müller: Das finde ich auch einen ganz spannenden Aspekt. In der Vorbereitung schoss mir noch ein Gedanke durch den Kopf. Ich hatte vor einiger Zeit einen Podcast, wo es um das Thema Spiral Dynamics ging, Ich-Gesellschaft, Wir-Gesellschaft. Jetzt höre ich aus diesem Unbundling heraus: Einerseits wieder mehr Ich, weil ich halt kleinere Dinge habe, nenne ich es mal ganz neutral, aber andererseits auch wieder mehr Wir, wie Sie es jetzt gerade angedeutet haben.

Christoph Schmitt: Ja, und zwar nicht nur auf dem Hintergrund des Unbundling, sondern die digitale Gesellschaft wird eine Netzwerkgesellschaft sein. Die Horrorszenarien, die häufig an die Wand gemalt werden, dass der Mensch vereinsamt vor seinem Computer oder dass er irgendwie überfordert ist mit all dem, das ist nicht die digitale Zukunft. Weil die digitale Netzwerkgesellschaft, sei das jetzt soziale Netzwerke oder aber auch Bildungs- und Wissensnetzwerke oder auch Arbeitsnetzwerke die sind … das sind Communities. Die sind zwar nicht am Tisch oder im selben Stall, aber häufig digital. Wir werden in Zukunft viel, viel stärker unsere Gesellschaft wieder gemeinsam gestalten, durch die Digitalisierung. Das ist nicht einfach nur eine Theorie oder Behauptung, das können Sie heute schon in erfolgreichen Projekten an jeder Straßenecke sehen. Denken Sie an Maker Spaces, an Coworking Spaces, denken sie an dieses Konzept Working Out Loud, also WOL. Es ist unglaublich faszinierend, finde ich, wie stark Digitalisierung eigentlich zu einer Reaktivierung unser sozialen Kompetenzen führt.

Götz Müller: Ja, und das hat mich an Ihrem Artikel, ja ich möchte schon fast sagen, begeistert. Diese Darstellung der Chancen, die sich eben daraus ergeben und ich würde das jetzt auch so ein bisschen als ein Schlusswort nehmen. Eben da keine Angst davor zu haben, sondern der Sache offen gegenüber zu stehen und wie Sie es sehr schön dargestellt hatten, eben auch die Chancen zu sehen und wahrzunehmen.

Christoph Schmitt: Habe ich auch ein Schlusswort?

Götz Müller: Gerne.

Christoph Schmitt: Also, weil ich denke, es braucht eine Portion Mut, die kann mir keiner abnehmen. Diesen Mut muss ich selber aufbringen, dass ich sage: Ich bringe so diese Lust und Bereitschaft auf, mich selbst zum Netzbürger, zur Netzbürgern zu entwickeln. Ich bringe mich ein, ich suche Kontakte, ich gestalte aktive Netzwerke, ich teste mich aus oder ich geh da rein und erlebe diese Demokratisierung, die da gerade stattfindet und gestalte die live mit. Ich glaube, den Mut würde ich den Leuten wünschen und sagen: Hey komm, spring ins Wasser, gestalte mit.

Götz Müller: Und im Prinzip kann nichts passieren. Selbst in dem Wasser, man kann nicht ertrinken.

Christoph Schmitt: Ganz genau. Das sehe ich auch. Da wo ich herkomme, oder aus meiner Generation, oder wenn wir an Netz denken, dann denken wir an Auffangnetze, an Fischernetze, an völlig statische Elemente, aber die Netzwerkgesellschaft ist was hochdynamisches. Netze verbinden, Netze halten zusammen, Netze schaffen Solidarität, Netze schaffen Sichtbarkeit. Jede noch so kleine politische Initiative, Nachbarschaftshilfe, egal was das ist. Bis hin zu neuen Zünften von Handwerkern, also das Internet bietet uns riesige Chancen.

Götz Müller: Ein wirklich tolles Schlusswort jetzt. Deshalb, Herr Schmitt, ich danke Ihnen für die Zeit für das Gespräch.

Christoph Schmitt: Sehr gerne, ja.

Götz Müller: Ja, vielleicht haben wir irgendwann mal die Chance uns im Netz oder im realen Leben persönlich zu begegnen.

Christoph Schmitt: Alles klar, würd mich freuen.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Christoph Schmitt zum Thema Unbundling. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 088.

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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

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