Kaizen 2 go 129 : Vertragsmanagement und Digitalisierung


 

Inhalt der Episode

  • Generelle Begriffsklärung: Was fällt alles unter Vertragsmanagement?
  • Wie unterscheidet sich Vertragsmanagement von Dokumentenmanagement? Warum reicht ein Dokumentenmanagement nicht aus?
  • Wer ist die Zielgruppe von Vertragsmanagement? Wer steuert typischerweise das Vertragsmanagement?
  • Wie sieht die klassische Arbeitsweise im papiergestützten Vertragsmanagement aus? Welche Grenzen entstehen dabei?
  • Welche Rolle spielt die Digitalisierung beim Vertragsmanagement im Vergleich zu Dokumentenmanagementsystemen?
  • Was muss man vor der Digitalisierung verändern? Was kann man im Rahmen der Digitalisierung oder danach verändert?
  • Welche Erfolgsfaktoren gibt es für die erfolgreiche Digitalisierung des Vertragsmanagements? Welche Rolle spielt der Mensch, welche Rollen nimmt er ein?
  • Was lässt sich aus der Digitalisierung des Vertragsmanagements auf andere Bereiche übertragen?

Notizen zur Episode


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Wenn Sie selbst ein interessantes Thema für eine Episode im Umfeld von Geschäftsprozessen haben, können Sie mir das auf dieser Seite mit Vorbereitungsfragen vorschlagen.

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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 129 – Vertragsmanagement und Digitalisierung

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Markus Funk bei mir im Gespräch. Er ist der Leiter des Geschäftsbereichs Vertragsmanagement bei der PERCONEX GmbH in Frankfurt. Hallo Herr Funk.

Markus Funk: Hallo Herr Müller und vielen Dank für die Einladung.

Götz Müller: Ja, schön, dass das geklappt hat. Ich hatte schon ein kurzes Stichwort zu Ihnen gesagt. Stellen Sie sich aber gerne noch mal in zwei, drei Sätzen vor.

Markus Funk: Ja, mein Name ist Markus Funk, bin wie bereits besprochen für den Geschäftsbereich Vertragsmanagement bei der Firma PERCONEX und habe genau diesen Bereich vorhergehend für eine international aufgestellte, deutsche Privatbank begleitet und geleitet.

Götz Müller: Ja, ich denke, bei Banken kommt das Thema Vertragsmanagement sehr häufig vor, aber vielleicht zum Start wirklich mal eine Begriffsklärung. Im Vorgespräch habe ich das schon festgestellt, da habe ich auch selber noch ein Defizit. Was versteht man denn unter Vertragsmanagement beziehungsweise was fällt alles darunter?

Markus Funk: Also wenn man der ganzen Sache eine, ich würde mal sagen, etwas aussagekräftigere Überschrift geben würde, dann würde ich immer sagen, Vertragsmanagement ist das Wissensmanagement des Unternehmens. Dann werde ich immer mit großen Augen angeguckt. Der große Unterschied zwischen einem Dokumentenmanagementsystem und einem Vertragsmanagementsystem liegt in der Herangehensweise an die Inhalte. Ganz einfach und plastisch gesprochen: Wenn Sie ein Dokumentenmanagementsystem haben, dann wissen Sie, wo Ihr Dokument liegt. Die Metadaten, wenn wir jetzt beim Vertrag bleiben, also die Inhalte, die das eigentlich ausmachen, die klassische Steuerungsinformation für Ihr Unternehmen darstellen, die haben Sie damit noch nicht extrahiert und umgewandelt in Workflows und Prozesse mit moderner Technologie zum Beispiel. Und genau diesen Ansatz macht man eigentlich, wenn man von Vertragsmangement spricht. Man abstrahiert aus einem physischen Dokument, in dem Fall einem Vertrag, die Metadaten, nutzt die Information, die man daraus gewinnt, zur kaufmännischen und zur Ablaufsteuerung eines Unternehmens und natürlich am Ende der Kette habe ich über diesen Weg genauso Zugriff auf das Originaldokument wie bei einem Dokumentenmanagementsystem.

Götz Müller: Mhm. Das würde ich ganz gern ein bisschen vertiefen, im Sinne von: Warum reicht ein Dokumentenmanagementsystem da nicht aus?

Markus Funk: Ich gebe Ihnen ein ganz einfaches, ganz simples Beispiel. Nehmen wir an, Sie sind verantwortlich für eine Firma. Diese Firma hat eine Niederlassung und dafür einen Mietvertrag. Jetzt wechseln Sie das Objekt. Eigentlich ganz einfach, man kündigt den Mietvertrag, schließt einen neuen ab und zieht um.

Götz Müller: Ja.

Markus Funk: Allerdings, haben Sie auch daran gedacht, den Gebäudereiniger zu kündigen, die angemieteten Parkplätze, die Wartung für den Fahrstuhl, was auch immer, die Telefonanlage, die angemietet wurde? Diese Informationen, die kann man logisch miteinander verknüpfen. Das sind alles einzelne Verträge, die auch durchaus in unterschiedlichen Bereichen eines Unternehmens liegen können, aber konsolidiert ein Paket, nämlich zu dieser Niederlassung, darstellen. Und das funktioniert vielleicht bei einem Dokumentenmanagementsystem noch, wenn Sie nur ein Objekt haben. Wenn Sie aber hundert haben und Sie wollen Informationen, inhaltlich logisch konsolidieren, dann empfiehlt sich immer ein Vertragsmanagementsystem.

Götz Müller: Mhm. Ja. Jetzt dämmert’s auch, das Stichwort Bank, was Sie vorhin erwähnt haben, weil da kann ich mir vorstellen, der einzelne Kunde in meinem Verständnis ist ja auch nur … nein, er ist nicht nur eben dieser eine oder auch da mag es ja ganz spezifische Dinge geben.

Markus Funk: Ja, wobei es gar nicht mal so sehr um die Kundenverträge im Einzelnen geht, denn auch in der heutigen Zeit ist das mittlerweile so, dass Unternehmen, ob das jetzt eine Bank ist oder ein klassisches Unternehmen, ist nicht wirklich von Wichtigkeit, auf Ihrer Kundenseite immer top aufgestellt sind. Da haben die die tollsten Systeme, in denen die ihre Kundenverträge verwalten. Auf der sachkostenverursachenden Seite, also alles, was ich so an Verträgen als Unternehmen habe, da heißt es in der Regel physisch und dezentral. In der Verwaltung liegen die Verträge, was weiß ich, im Materialeinkauf liegen die Verträge, aber keine konsolidierte Sicht auf die Informationen und am Ende vom Tag, wenn Sie mit dem Leiter der Rechtsabteilung sprechen, dann wird der immer sagen „Oh, ja, das wäre schön, wenn ich nur mal die Gewissheit hätte, dass ich wüsste, wo ich was finde und welchen Stand das hat.“.

Götz Müller: Und ich könnte mir vorstellen, dass da wahrscheinlich viel auch in den Köpfen der Menschen, der einzelnen Beteiligten drinsteckt, aber wahrscheinlich eben keiner so richtig einen Gesamtüberblick hat.

Markus Funk: Genau. Und die Aufgabe und dass ist ja auch, was wir uns zur Aufgabe machen, dieses, ich möchte das mal ein bisschen provokant, Herrschaftswissen einzelner Personen in Unternehmen, aber den berechtigten Personen in Unternehmen, immer und jederzeit zugänglich zu machen, um damit einfach schnellere und bessere Entscheidungen treffen zu können.

Götz Müller: Ja, und ich könnte mir eben vorstellen, dass die Gefahr, wie Sie es in dem Beispiel angerissen haben, da besonders groß ist, weil es ja nicht zum Kerngeschäft, aber trotzdem eben nicht zu unterschätzen ist. Ja, okay.

Markus Funk: Genau. Und das, was ich eben aus der Praxis sagen kann, ist, es gibt drei Dinge, die wir immer finden: Verträge, für die bezahlt wird, wo keiner mehr weiß, warum. Verträge mit ein und demselben Lieferanten durch mehrere Abteilungen, Bereiche, Niederlassungen, wie auch immer Sie das nennen möchten, ohne eine Konsolidierung und einen Rahmenvertrag jemals verhandelt zu haben. Und in der Regel dann auch noch, wenn wir jetzt im reinen IT-Bereich sind, ja Problematiken im Sinne der Lizenzierung, also sprich, man hat eigentlich gar nicht so viel wie man einsetzt oder umgekehrt.

Auf jeden Fall in der Regel werden Sie einen Großteil der Kosten, die Sie initial haben, um so etwas einzuführen, durch die Einführung selber schon wieder gedeckt haben oder ein sehr, sehr hohes Potential nur allein durch solche, auf Neudeutsch heißt das Quick Wins, wenn Sie solche kleinen, tiefhängenden Früchte ernten, die Konsolidierung, Abschaffung dessen, was ich überhaupt nicht mehr brauche.

Götz Müller: Ja. Macht absolut Sinn für mich. Wenn wir jetzt mal ein bisschen reingucken in das Unternehmen, also im Grunde höre ich raus, eigentlich braucht es jeder, also was jetzt die Unternehmen an sich angeht … wenn wir jetzt mal ein bisschen reingucken ins Unternehmen, Sie hatten es vorhin mit Rechtsabteilung mal ein bisschen angedeutet, wer ist jetzt die typische Zielgruppe für ein Vertragsmanagement und wer steuert dann die Prozesse, die da dazu gehören?

Markus Funk: In der Realität, in acht von zehn Unternehmen gibt es kein Vertragsmanagement im Sinne einer zentralen Steuerung. Final ist verantwortlich meistens die Rechtsabteilung, die wiederum aber nur die juristische Sicht der Dinge hat. Die kaufmännische Abteilung ist immer hier und da mal einbezogen, genauso wie der Einkauf. Interessant wird es dann, das ist die Erfahrung, wann werden wir vermehrt angesprochen, im Rahmen von Due Diligence, wenn man zum fünften Mal in den Keller gelaufen ist und alle Aktenschränke durchsucht hat oder im Rahmen einer prüfung, wenn die Prüfer gesagt haben: „Also so geht es nicht, könnt ihr uns die Informationen nicht schneller, konsolidierter zur Verfügung stellen?“ Wer sind für uns die besten Ansprechpartner? Im Prinzip immer der kaufmännische Leiter, der CFO, auf jeden Fall ein kaufmännischer Hintergrund, denn er erkennt die Vorteile eines solchen Systems innerhalb von drei Minuten aufgrund der Tatsache, dass man eben nicht nur die aus den Verträgen extrahierten Informationen sondern auch ihre Einordnung im Unternehmen hat, Kostenstelle, Kostenart, Abteilungen und so weiter, alles miterfasst und gemäß den Unternehmensstrukturen eben auch konsolidieren kann. Das kann obendrüber die Holding bis runter zur Niederlassung, aber ich kann diese Informationen, da ich sie ja extrahiert habe auch dementsprechend auswerten. Das meiste ist eben beim Abschluss des Vertrages schon bekannt.

Götz Müller: Ja, und ich könnte mir vorstellen, Sie haben so ein bisschen ein paar Schmerzpunkte genannt, dass es andererseits natürlich so ein Dilemma gibt, im Sinne von „Ich weiß nicht, was ich nicht weiß“.

Markus Funk: Richtig.

Götz Müller: Ja, okay.

Markus Funk: Das ist tatsächlich so.

Götz Müller: Kann man noch mal … Sie hatten jetzt CFO, das heißt, das sind jetzt Begriffe, die man eher in größeren Strukturen verwendet, kann man es irgendwo auch noch an einer Fimengröße festmachen, wo man sagen kann, ja, da macht es nicht mehr den Sinn oder ab diesem Punkt, wo auch immer der sein mag, braucht man es auf jeden Fall, bräuchte man es auf jeden Fall, wenn das Bewusstsein da wäre?

Markus Funk: Das ist, ja gut, das ist eine Frage, die ich oft gestellt bekomme. Grundsätzlich würde ich sagen, ein Unternehmen mit mehr als fünf, sechs Mitarbeitern hat eigentlich schon ein Bedarf dafür. Das ist ja auch wahrlich nicht, was jetzt Unsummen an Geld verschlingen würde und auf der anderen Seite immer die Gewissheit zu haben, genau zu wissen, mit wem man welche Verpflichtung eingegangen ist und diese auch in der Vorausschau prognostizieren zu können oder verlängern zu können ohne großes zutun. Ich nenne es immer ein „Fire and Forget“-System, denn wenn Sie es einmal ordentlich erfasst haben, dann, bei einem guten System ist es dann so … Praxisbeispiel: Nehmen wir an irgendein Vertrag, Sie kriegen eine Benachrichtigung nach dem Motto „Was soll jetzt mit diesem Vertrag passieren, läuft der weiter oder nicht?“, das einzige, was Sie tun müssen, ist antworten. „Ja, läuft weiter, alles gut.“ Das System verlängert automatisch alle Zahlungsverpflichtungen aus diesem Vertrag, alle terminlichen Fristen werden entsprechend auf den nächsten Kündigungstermin übertragen. Das ist keine Sache, über die ich mir noch Gedanken machen muss. Es spart Ihnen Ressourcen, es gibt Ihnen Sicherheit, es hilft Ihnen, bessere kaufmännische Entscheidungen zu treffen, weil Sie jederzeit den Wert der Verträge kennen. Und es unabhängig davon, ob wir jetzt bei Verträgen mit Kunden oder Lieferanten sprechen.

Götz Müller: Ja. Okay. Jetzt haben wir ja auch in der Episode den Aspekt Digitalisierung drin. Da entsteht für mich jetzt fast automatisch ein Kontrast zu „Wie hat man es denn früher gemacht?“ und ich glaube, um zu verstehen, was Digitalisierung bedeutet, macht es immer auch einen gewissen Sinn, mal dieses Früher, jetzt im Sinne von Vertragsmanagement fällt mir natürlich spontan als erstes das klassisch papiergestützte Thema ein. Wie sieht die aus, damit man dann eben auch gemeinsam ein bisschen herausarbeiten: „Was habe ich dann von der Digitalisierung?“

Markus Funk: Also im klassischen Unternehmen und ich würde es jetzt gar nicht mal so sehr unter der Überschrift „Früher haben wir es so gemacht“ sehen, denn leider ist es in der Realität auch heute leider oft noch so, habe ich papierbasierte Verträge, die, ich sage mal, im schlimmsten Fall per Hauspost in diverse Bereiche eines Unternehmens geschickt werden müssen, bis sie überhaupt mal zum Tragen kommen und dann verschwinden die, je nachdem, wie das Unternehmen das Thema intern aufgestellt hat, in irgendeinem Din A4 Leitzordner in irgendeinem Schrank und es gibt maximal einen begrenzten Personenkreis, der weiß a) wo ich es finde und b) welchen Inhalt dieser Vertrag dann im Einzelnen aufweist.

Götz Müller: Ja und ich denke, dann liegt jetzt ja im Grunde sofort auf der Hand, welchen Vorteil mir die Digitalisierung bringt an der Stelle, über das, was Sie dargestellt haben, mit so automatischen Wiedervorlagethemen natürlich hinaus, wo ich dann nicht nur automatische Wiedervorlage habe, sondern auch gleich den Prozess, der dann ablaufen soll, mitabgebildet habe.

Markus Funk: Richtig. Und zwar kann der Prozess beginnen bei dem Thema der Vertragserstellung als Solches, also von der Verhandlungsphase bis zur Ratifizierung, aber ein viel entscheidenderer Punkt ist, in der realen Welt, oder in der früheren Welt, ist es genauso, auch in der heutigen Welt ist es noch so, ein Vertrag lebt. Es gibt Änderungen. Es gibt, was weiß ich, eine Änderung der Abnahmemenge, irgendwelche Konditionsveränderungen. Diese, juristisch gesehen, sehr wichtigen Bestandteile und Anhänge zu einem Vertrag müssen ja auch wieder zentral an einer Stelle möglichst Niederschlag finden, damit ich sie im Zugriff habe. Wenn ich das jetzt physisch mache, habe ich da schon ein großes Problem, zumal heutzutage e-Mail allgemein akzeptiert ist und ich alleine schon das Problem habe, wie kriege ich die e-Mail in die Akte? So. Diese ganzen Thematiken, derer entledigen Sie sich mit einem ordentlichen Vertragsmanagementsystem. Ich möchte allerdings auch nicht verschweigen, was ist die größte Eintritthürde? Die größte Eintrittshürde ist, wenn wir in Gesprächen sind mit Leuten, die sich mit diesem Thema beschäftigen und sagen „Ja, da müssen wir was machen. Die Vorteile liegen doch auf der Hand“ und im gleichen Atemzug denkt jeder an seine Aktenschränke voller Leitzordner, voller Papier und sagt „Wie soll ich das doch bloß alles reinbringen?“. Das wiederum ist natürlich der Ansatz von uns, von PERCONEX zu sagen, da kommen wir ins Spiel, denn wir machen das für Sie. Wir digitalisieren das für Sie. Wir digitalisieren das. Wir machen die Ersterfassung. Wir extrahieren die sogenannten Metadaten aus dem Vertrag, setzten gemeinsam mit Ihnen als Unternehmen zusammen die Prozesse auf, wie das in der Software später abgebildet werden soll und am Ende vom Tag haben Sie Ihre Verträge auf dem Handy dabei in unserer eigenen App.

Götz Müller: Den Punkt möchte ich jetzt noch ein bisschen vertiefen. Ich könnte mir vorstellen, dass da doch, wie Sie es am Anfang schon gesagt haben, dass hier vielleicht wieder der ein oder andere Einwand kommt „Ja, aber ein Dokumentenmanagementsystem habe ich doch.“, also auch da noch mal ein bisschen vertieft. Was ist der Unterschied zum Dokumentenmanagementsystem.

Markus Funk: Der Unterschied ist ganz einfach der, dass so ein Dokumentenmanagementsystem quasi bottom-up denkt. Das heißt, es geht vom Dokument aus.

Götz Müller: Okay.

Markus Funk: Ich habe hier ein Dokument, ich möchte wissen, wo dieses Dokument liegt und ich möchte auf dieses Dokument zugreifen können. Was das Dokumentenmanagementsystem bestimmt auch noch kann, ist, Ihnen zu bestimmten definierten Zeitpunkte eine Erinnerung schicken. Ein Vertragsmanagementsystem kommt von der Sicht von oben und das letzte Glied in der Kette ist das eigentliche Dokument. Beim Vertragsmanagementsystem geht es darum, ich habe hier eine Information in einem Dokument, dieses Dokument heißt Vertrag und diese Information, da sind ganz viele Teilinformationen drin, die mir helfen interne Prozesse anzustupsen, bestimmte Ketten von oder Abfolgen von Prozessen auszulösen und am Ende vom Tag steht natürlich auch der Zugriff auf das Dokument. Die Geschichte mit der Erinnerung an Termine und Fristen, das ist eigentlich das Pflichtprogramm für ein gutes Vertragsmanagement, die Kür ist die entsprechenden Prozesse auszulösen. Und damit das nicht so kryptisch ist, Sie können Prozesse auslösen, Workflows auslösen a) natürlich auf Vertragstermine, also Stichtagstermin, nächste Kündigung steht an, acht Wochen vorher kriegen Sie eine Benachrichtigung und so weiter. Sie können das aber auch genauso gut tun für Zahlungstermine oder für frei gewählte Termine. Beispiel aus er Praxis, einer unserer Kunden, verkauft Maschinen für die Getränkeverpackungsindustrie, neben der Tatsache, dass er diese Maschinen verkauft, verkauft er eben auch die Kartonagen, die bedruckt werden mit dem Logo des Kunden und für diese Kartonagen braucht er Walzen. Diese Walzen werden graviert und in einem Walzenlager vorrätig gehalten, wenn der Kunde Verpackungsmaterial nachbestellt. Das ist alles schon bekannt, auch die Haltefrist, wie lange muss ich diese Walzen vorhalten, das ist schon zum Abschluss des Vertrages bekannt. Insofern haben wir einen Prozess ausgelöst, der den Chef, oder ich nennen ihn jetzt mal den Chef des Walzenlagers, informiert „Neuer Vertrag, bitte Walze präparieren.“ und genau so kriegt er eine e-Mail, wenn der Vertrag beendet ist, dass er diese Walze freigeben kann, denn diese Walze kann wieder geplant werden, neu graviert werden und für den nächsten Kunden verwendet werden. Da das aber vorher immer nie funktioniert hat, hatten die ein Walzenlager und alleine nur durch die Reduzierung der Kosten im Walzenlager hatten die die Kosten für die Umsetzung der technischen Lösung schon wieder quasi eingespart.

Götz Müller: Jetzt möchte ich noch einen Punkt vertiefen. Sie haben es immer wieder gesagt auch, Stichwort Prozess, im Zuge von Digitalisierung, in meiner Wahrnehmung, in meiner Erfahrung muss man oft Dinge verändern, so ein bisschen, glaube ich, auch das Stichwort, dieser Spruch von dem, ich glaube, Telefonica-Deutschland-CEO, der mal gesagt hat, wenn man einen Scheißprozess, um es mal ganz grob zu sagen, digitalisiert, hat man einen digitalen Scheißprozess. Das heißt, die Frage an der Stelle, die Vertiefungsfrage: Was muss ich vor der Digitalisierung, vor einem digitalen Vertragsmanagement, was muss ich tun, wenn ich das vorher entweder gar nicht hatte oder irgendwo papiergestützt hatte?

Markus Funk: Gut, das muss man nicht mal auf das Thema Vertragsmanagement beschränken, sondern grundsätzlich zum Thema Digitalisierung. Ja, das ist so, diesen besagten Spruch „Wenn Sie einen Scheißprozess digitalisieren, bekommen Sie einen digitalen Scheißprozess.“ verwende ich auch sehr, sehr gerne, weil er trifft den Nagel auf den Kopf. Was sind die Erfahrungen, was sind unsere Lessons-Learned? Da gibt es eigentlich drei Hauptpunkte. Der erste Punkt ist, je klarer Ihre Zielbilddefinition, umso größer wird der Erfolg, Schrägstrich in dem Fall, die Akzeptanz der Nutzung, zum Beispiel eines elektronischen Vertragsmanagements. Das zweite Thema ist Kommunikation. Ein ganz ganz großer Faktor in Digitalisierungsprojekten ist Kommunikation. Es muss Chefsache sein, ich muss das Warum digitalisieren wir? von der Unternehmensleitung zum Mitarbeiter tragen, denn ich muss Ängste abbauen. Der Standardmitarbeiter wird mit der Digitalisierung nicht zwangsläufig etwas Positives verbinden, sondern aufgrund der Tatsache, was zum Teil in der Presse rumgeistert, eher etwas Negatives, was seinen Job bedroht.

Götz Müller: Ja.

Markus Funk: Also ein gutes Beispiel für erfolgreiche Digitalisierung aus der weiten Vergangenheit, kennt bestimmt jeder noch: Wer liefert was? Hatte früher jeder Unternehmer als Printausgabe irgendwo rumstehe. Das war klassisch, oldschool, paper-based, überhaupt nicht digital. Und wir haben es geschafft, ihr gesamtes Geschäftsmodell durch Digitalisierung zu drehen und Wer liefert was? gibt es heute noch als elektronische Plattform. Wie hat man das erreicht? Indem die maßgeblich handelnden Personen regelmäßig, nicht nur im Zuge dieses Projektes, immer wieder im Rahmen von offenen und transparenten Informationen allen Mitarbeitern die Notwendigkeit erklärt haben, warum man digitalisieren muss. Und gleichzeitig dafür gesorgt haben, dass neue Berufsprofile in der eigenen Unternehmung auch geschaffen werden und man eben auch Leute dafür qualifiziert hat. Es gibt ja auch heute schon, ich meine, es geistert jeden Tag durch die Presse, Influencer Marketing. Das ist ein Job, der ist mit der Digitalisierung gekommen. Das klingt jetzt so hochtrabend, das ist nichts anderes als am Ende vom Tag, wenn bestimmte YouTuber regelmäßig auf ihrem YouTube-Kanal Schminktipps veröffentlichen und so viele Nutzer kreieren, dass große Firmen für Kosmetika sagen „Den ziehe ich mir an Land, weil der erreicht so viele Leute.“. Social Media Manager, also jemand, der sich darum kümmert, wie meine Firma nach außen präsentiert wird in den klassischen Medien wie Facebook, Instagram, YouTube, LinkedIn, Xing, das sind alles neue Berufsprofile. Digitalisierung rationalisiert natürlich an der ein oder anderen Stelle klassisch monotone, wiederkehrende Tätigkeiten, mit Sicherheit und zurecht weg. Auf der anderen Seite werden auch ganz neue Berufsbilder geschaffen. Aber ich muss die Angst nehmen. Das ist also Punkt 2, klare Kommunikation, Angst nehmen und Punkt 3: Freiräume schaffen. Das größte Kapital der Digitalisierung ist nicht die Technologie, sondern ihre eigenen Mitarbeiter. Die wissen am besten über Teile der Prozesse, teilweise auch zusammenhängend, „Wo klemmt’s? Was können wir besser machen?“, haben vielleicht sogar eigene Ideen für digitale Produkte aufgrund ihrer Erfahrungen. Den Leuten den Freiraum geben, ohne Hierarchien oder Strukturen in aufgabenbezogenen Teams so etwas auch umsetzen zu dürfen und da darf man auch gerne mal vielleicht daneben liegen. Das ist nicht mehr so wie früher, dass ich in meinem weißen Elfenbeinturm ein Produkt entwickle bis zur hundertprozentigen Reife und dann dem Markt sage „Schau mal her, hier ist mein tolles Produkt.“ Heutzutage muss der Wurm dem Fisch schmecken und nicht dem Angler und die 80/20-Lösung während man schon mit der neuen Sache draußen ist, Kurskorrekturen vorzunehmen, das ist der Zeitgewinn, der unter Umständen den Unterschied ausmacht zu meinem Wettbewerb. Ohne Grenzen denken. Wenn ich das noch kurz einflechten darf …

Götz Müller: Ja, gerne.

Markus Funk: Ich verwende in den Vorträgen immer gerne ein Beispiel, weil leider mit den Begrifflichkeiten der Digitalisierung viel Schindluder getrieben wird, aber es gibt einen Begriff, der taucht immer wieder auf, der heißt Disruption.

Götz Müller: Ja.

Markus Funk: Und dann ist immer die Frage, jeder sagt „Ja ja, Disruption“, aber wenn man nachfragt „Ja, was ist denn das eigentlich?“, dann wird es schon schwierig, aber wenn man das an ganz einfachen, pragmatischen Beispielen macht, dann wird es relativ transparent. Ich sage dann immer: „Sie kennen doch mit Sicherheit Dyson?“ Dann werde ich immer angehört „Nö.“ und dann sage ich immer „Aber sie kennen doch Dyson Staubsauger.“ – „Ja.“ – dann sage ich, „Sehen Sie, dieser Mann hat sich hingestellt und hat gesagt „Ich fange jetzt an, Elektroautos zu bauen und als erstes baue ich eine Batterie, mit der ein Elektroauto so weit fährt wie ein Verbrenner.“

Götz Müller: Mhm.

Markus Funk: Was glauben Sie, glauben Sie, dass Varta jemals daran gedacht hat, von einem Staubsaugerhersteller Konkurrenz zu bekommen? Und das zweite Beispiel ist Amazon. Nicht weil Amazon immer genannt wird, sondern Amazon in einem ganz bestimmten Bereich. Amazon hat bekannt gegeben, in einem gewissen Umfang ins Banking einzusteigen. Und dann sage ich immer „Stellen Sie sich mal vor, Amazon hat so unglaubliche Geldreserven, dass wenn die morgen ein Giro-Konto mit 2% Guthabensverzinsung anbieten würden, was glauben Sie, wie viele Kunden die in einer Woche hätten?“

Götz Müller: Klar.

Markus Funk: Im jetzigen Zinsniveau? Und das kommt aus der Ecke von einem Versandhändler. Da hat keine der Banken damit gerechnet. Und dann wird den Leuten Disruption und Digitalisierung im Zusammenhang etwas greifbarer.

Götz Müller: Ja. Ich fand jetzt auch gerade diesen Aspekt, da habe ich es zumindest für mich rausgehört, ein ganz zentraler Punkt ist für mich ja einerseits die Angst, die die Menschen haben, um den Arbeitsplatz, und was mir sonst auch immer wieder begegnet ist dieses „Ah, Digitalisierung presst mich in ein enges Schema. Ich kann dann nicht mehr links und rechts“ und so ein bisschen Charlie Chaplin moderne-Zeiten-mäßig, und dann im letzten Schritt vielleicht „Werde ich dann abgeschafft? Wird dann mein Arbeitsplatz abgeschafft?“, aber im Grunde habe ich bei Ihnen ganz deutlich rausgehört: „Nein, die Digitalisierung gibt mir sogar Freiräume, die ich vorher gar nicht hatte.“ Natürlich neue Freiräume.

Markus Funk: Richtig. Und genau so muss man das eben auch kommunizieren. Digitalisierung ist Chance. Das ist nicht der Job-Vernichter und das Risiko.

Götz Müller: Ja. Sehr spannend.

Markus Funk: Und wenn man möchte, kann man aufgrund der Möglichkeiten, die einem die Technik bietet, auch unternehmerisch unglaublich erfolgreich sein. Wenn Sie auf der Schwäbischen Alb einen kleinen Produktionsbetrieb hatten, vor zwanzig Jahren war ihr Absatzmarkt relativ begrenzt. Heute, mit den richtigen Prozessen, ist ihr Absatzmarkt die Welt. Wenn ihr Produkt passt.

Götz Müller: Ja. Was im Grunde ja Voraussetzung ist. Wenn ich keinen Nutzen stifte, wird auch keiner auf die Idee kommen, seinen Geldbeutel aufzumachen und mir dafür etwas zu geben.

Markus Funk: Korrekt.

Götz Müller: Okay. Vielleicht zum Abschluss noch eine Frage, weil ich glaube, da war definitiv schon viel drin, aber das kann man vielleicht noch ein bisschen, noch stärker auf den Punkt bringen. Was kann ich also aus der Digitalisierung des Vertragsmanagement, was ich jetzt erst mal grundsätzlich schon auch als eine Nische betrachte, was lässt sich aber, und Sie haben es angedeutet, was lässt sich auf andere Bereiche übertragen?

Markus Funk: Im Prinzip der Satz, dass ich aus statischen Daten, in dem Fall Informationen in papierhafter Form, aktive Steuerungsinformationen für mein Geschäft/Unternehmen/runtergebrochen auf Abteilungen, Vertrieb oder Ähnliches gewinne.

Götz Müller: Also ein Stück weit Big Data, ja ich will nicht sagen im Kleinen, das wäre schon fast wieder eine Wertung, aber in einem relativ eng abgegrenzten Bereich mit großem Effekt.

Markus Funk: Genau. Ich würde das gar nicht verwerflich finden „Big Data im Kleinen“, das gefällt mir sogar sehr gut. Aber dieser kleine Kosmos, und deshalb ist es egal, welche Unternehmensgröße dahinter steht, also wessen Verträge digitalisiert werden, aber dieser Kosmos ist die Grundlage meiner Geschäftsbeziehungen. Ob ich ein 5-Mann, 50, 500 oder 5000-Mann-Betrieb bin. Die Verträge sind nun mal die Grundlage meiner Geschäftsbeziehungen und je besser und je einfacher und je transparenter ich dieses Wissen daraus allen berechtigen Personen oder je nachdem nach Funktion berechtigen Personen zugänglich machen kann, desto höher ist auch meine Wahrscheinlichkeit, nichts zu vergessen, alles sauber zu machen, Potentiale zu entdecken, Zusammenhänge zu entdecken.

Götz Müller: Ja. Herr Funk. Ich danke Ihnen, da waren absolut spannende Themen dabei, von so einem, vielleicht auf den ersten Blick irgendwo lapidaren Thema, was einerseits jeden betrifft, aber wahrscheinlich auch ganz stark von den meisten unterschätzt wird.

Markus Funk: Sehr sehr gerne. Ich bedanke mich für die Gelegenheit.

Götz Müller: Gut. Ich werde dann auf jeden Fall noch in den Notizen zur Episode zwei drei Punkte von Ihnen verlinken, auch die Website, damit Interessierte da auch drauf zugreifen können.

Markus Funk: Sehr sehr gerne.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Markus Funk zum Thema Vertragsmanagement und Digitalisierung. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 129.

Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freue ich mich über Ihre Bewertung bei iTunes. Sie geben damit auch anderen Lean-Interessierten die Chance, den Podcast zu entdecken.

Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

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