Inhalt der Episode
- Was bedeutet OEE eigentlich?
- Wozu dient OEE, welchen Nutzen bietet OEE?
- Welcher Bezug besteht zwischen OEE und Lean bzw. Kaizen/KVP?
- Wie sieht der typische Einführungsprozess von OEE aus?
- Welchen Hürden stehen Unternehmen dabei oft gegenüber?
- Was sind die Ursachen?
- Wie geht man mit diesen Hürden um?
- Welche Rolle spielt der Mensch beim Thema OEE?
- Welche neuen Möglichkeiten ergeben sich durch die Digitalisierung, Industrie 4.0 bzw. IoT?
- Welche Anforderungen entstehen dadurch für die Produktionsanlagen?
- Welchen Mehrwert bietet oee.cloud für die Unternehmen?
- Welche Erfahrungen haben Sie als Startup mit der Markteinführung gemacht?
Notizen zur Episode
- XING-Profil von Jörn Steinbeck
- LinkedIn-Profil von Jörn Steinbeck
- Website von oee.cloud
- Artikel von Jörn Steinbeck
- Buchtipp: Markus Focke, Jörn Steinbeck: Steigerung der Anlagenproduktivität durch OEE-Management
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Wenn Sie selbst ein interessantes Thema für eine Episode im Umfeld von Geschäftsprozessen haben, können Sie mir das auf dieser Seite mit Vorbereitungsfragen vorschlagen.
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(Teil)automatisiertes Transkript
Episode 146 – IOEE, Digitalisierung und Lean
Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.
Götz Müller: Heute habe ich Jörn Steinbeck bei mir im Podcast-Gespräch. Er ist der Gründer von oee.cloud und über das Thema werden wir uns heute ja unterhalten. Hallo Herr Steinbeck.
Jörn Steinbeck: Herr Müller, guten Morgen, hallo.
Götz Müller: Ich habe schon einen kurzen Satz zu Ihnen gesagt, aber stellen Sie sich den Zuhörern gern noch ein bisschen intensiver vor.
Jörn Steinbeck: Ja. Mein Name ist Jörn Steinbeck. ich mache aktuell eigentlich zwei Dinge. Das Eine ist, dass ich mir gemeinsam mit Markus Focke, zu ihm sage ich auch gleich noch etwas, gemeinsam haben wir die Firma oee.cloud gegründet und wie gesagt, das Thema, was gleich noch hier ein bisschen tiefer im Podcast zur Sprache kommt … Markus Focke ist ein Professor aus Aachen an der Hochschule dort, lehrt dort Operations Management. Das ist seine Rolle Und wir beide machen das zusammen, mit einem kleinen Team gemeinsam. Parallel haben wir auch eine kleine Beratung: das Institut für Produktivität. Dort sind wir im Schwerpunkt ehemalige Porsche-Consulting-Leute, die weiterhin Produktivitätsberatung, Produktivitätssteigerung, alles, was so in der Supply Chain an Optimierungspotential anfällt, bearbeiten. Genau und, ich habe schon angedeutet, mein Hintergrund ist, dass ich viele Jahre für Porsche Consulting gearbeitet habe und ja, das ist so der Kern meiner Vorstellung.
Götz Müller: Ja. Gut. Ja, ich glaube, wenn man in dem Thema mal die Finger drin hat, kommt man wahrscheinlich von dem nicht mehr los. So geht's mir zumindest.
Jörn Steinbeck: Ja. Genau. Das macht einfach, macht einfach Spaß. Insofern fühle ich mich da sehr wohl und das leben wir jetzt aus in dem Umfeld, das wir uns da aufgebaut haben.
Götz Müller: Genau und heute soll es ja im Kern um OEE gehen und jetzt weiß ich von ein paar Zuhörern, dass sie eben nicht aus dem Produktionsumfeld kommen und wahrscheinlich mit dem Begriff erstmal gar nichts anfangen können. Das heißt zum Einstieg einfach mal die Frage … die Definition von ihnen … Was ist denn OEE eigentlich?
Jörn Steinbeck: Ja, genau. In ganz kurzen Worten die OEE ist eine Abkürzung für die Overall Equipment Effectiveness oder zu Deutsch würde man dazu Gesamtanlageneffektivität sagen.
Götz Müller: Ja. Das ist kurz und …
Jörn Steinbeck: Das ist die OEE.
Götz Müller: Und jetzt wird sich aber wahrscheinlich dann der ein oder andere fragen „Okay, was habe ich davon, kann man das essen, davon runter beißen, also sprich welchen Nutzen hat es?
Jörn Steinbeck: Ja genau. Also ich würde sagen, ich würde die OEE, mal jenseits der Abkürzung, mit der wahren Anlagenproduktivität übersetzen, also das ist Ideal ist 100% und wenn ich also zu 100% meiner Zeit produziere, sowohl keine längeren Stillstände habe als auch keine kurzen Stillstände habe oder zu langsam fahre zum Beispiel, und wenn ich nur iO-Produkte, also Qualitäts-iO-Produkte produziere, dann habe ich eine einhundertprozentige OEE und auf diese Weise kann ich, wie gesagt, diese Ware Anlagenproduktivität messen und so setzt sich die OEE auch zusammen aus diesen drei Faktoren: Verfügbarkeit, das ist das, wenn die Anlage länger steht, also zum Beispiel für einen Rüstvorgang oder wenn kein Material da ist oder so, organisatorische Störungen. Ich verliere weiterhin OEE bei einer Leistungsstörung, also wenn ich Kurz-Stillstände habe oder wenn die Anlage zu langsam läuft. Also wenn man sich so eine Verpackungsanlage und Abfüllanlage vorstellt und vielleicht werden die Etiketten von zwei Rollen abgespendet und zurzeit läuft nur eine Rolle, dann füllt die Anlage vielleicht nur mit 50% der Geschwindigkeit ab und dann habe ich einen Leistungsverlust. Ja, und Qualitätsverlust ist relativ leicht zu erkennen oder oder leicht zu verstehen, dass wenn das Produkt nicht verkaufbar ist und nachgearbeitet werden muss, dann habe ich einen Leistungsverlust und das ist eigentlich im Kern die OEE. Und wenn man dazu dann noch die Störgründe hat, also warum hat die Anlage gestanden und warum ist die Anlage langsam gelaufen und man hat also diese Verbindung zwischen von 9:16 Uhr bis 9:25 Uhr ist sie langsamer gelaufen und wir wissen warum, dann entfaltet die Kennzahl ihren maximalen Nutzen für einen Verbesserungsprozess.
Götz Müller: Ja, aber ich könnte mir vorstellen eben auch, Sie sagten jetzt gerade, ich weiß warum, aber wahrscheinlich wird man dem Thema auch auf die Spur kommen wollen, wenn man halt nicht weiß warum und das ist ja für mich so ein bisschen der Titel der Episode, der Bezug eben zu Lean, zu Kaizen, KVP, wie man es auch immer nennen möchte.
Jörn Steinbeck: Ja, genau. Also es geht eigentlich darum, den kontinuierlichen Verbesserungsprozess an der Anlage messbar zu gestalten und das ist eigentlich der Bezug.
Götz Müller: Wenn jetzt jemand sagt „Ja, ok, ich habe eine Anlage, ich weiß aber im Grunde gar nicht so genau, wie denn die Kennzahl aussieht“, sprich „Ich möchte so etwas einführen.“, wie sieht denn dann so der typische Einführungsprozess aus?
Jörn Steinbeck: Na das ist dann relativ ähnlich zu dem, was man im Lean-Umfeld machen würde. Der typische Einführungsprozess ist wahrscheinlich erstmal eine manuelle Ausschreibung der ganzen Sache, also mit Zettel und Stift, also wie man halt üblicherweise bei Lean Aktivitäten beginnt: einfach, Hauptsache man hat mal begonnen und ja, man kommt ins Arbeiten sozusagen, lernen, verstehen, Menschen mitnehmen. Das wäre so der erste Schritt, dann muss man sich ein bisschen Zeit lassen und das Ganze, ja, in den Prozess einbauen, in den Managementprozess einbauen, vielleicht ins Shopfloor Management einbauen, was ja inzwischen eine relativ weite Verbreitung hat. Und dann ist wahrscheinlich der Zeitpunkt gekommen, dass man das Ganze auch digital in Echtzeit abbilden kann.
Götz Müller: Ja, ich finde es sehr wertvoll, dass Sie den Hinweis geben, nicht gleich so mit der digitalen Keule draufhauen, ähnlich wie ja auch im Shopfloor Management, da hatte ich auch schon eine Episode, da sagte mein Gesprächspartner auch, nicht immer gleich eine Wahnsinnstechnik aufbauen, sondern erstmal grundsätzlich die Routine haben.
Jörn Steinbeck: Ja, ich glaube, die Überschrift sollte sein, erst den Prozess verbessern und ihn dann digitalisieren. Sonst hat man die Verschwendung digitalisiert. Aber … ja, ich glaube, das ist grundsätzlich … als Daumenregel würde ich das als richtige Entscheidung werten.
Götz Müller: Ja, da gibt es ja dieses wunderbare Zitat, von dem, ich wiederhole es hier jetzt nicht, es ist ein etwas ordinärer Ausdruck, wie er den Prozess bezeichnet … Sie kennen das wahrscheinlich auch.
Jörn Steinbeck: Ja, da geht es um beschissen … um das Wort.
Götz Müller: Jetzt ist es ja typischerweise so, wenn man etwas Neues anfangen will und ich betrachte das jetzt mal als etwas Neues, OEE einzuführen, dann stoße ich auf gewisse Widerstände, Faktor Mensch hatten Sie schon kurz angedeutet, allgemein Hürden. Was sind denn so ihrer Erfahrung nach … was sind denn so typische Hürden, vor denen man steht?
Jörn Steinbeck: Also ich würde sagen, die kommen die kommen aus zwei Ecken. Die kommen einmal aus der technischen Ecke, das ist tatsächlich die Erfassung und die Visualisierung der Daten, also, dass man schnell genug an die Daten heran kommt und damit dann auch ja, dass sie überhaupt zur Verfügung stehen, die Daten, präzise genug und ja, so dass man damit überhaupt arbeiten kann und zwar so, dass man sich nicht in diesen Diskussionen verstrickt, ob die Erfassung denn überhaupt richtig war, weil das ist natürlich eine Diskussion, die führt zumindest nicht zu einem besseren Produktivitätsprozess. Das ist so das eine Problemfeld und das zweite ist dann, wer ist heißt der Mensch oder die Führung? Das konsequente Management der Abweichung und das Nachhalten dieses gezielten Verbesserungsprozesses, das ist natürlich, zumindest in Unternehmen, die daran nicht gewöhnt sind, ist das eine große Hürde.
Götz Müller: Okay. Der eine Punkt, sprich die fehlende Erfassung, ist, glaube ich, von den Ursachen ziemlich klar, man hat es halt nicht gemacht, woran es dann auch immer liegen mag im Detail, ich möchte noch ein bisschen mehr diesen Punkt Mensch mit reinnehmen. Was ist da so ihre Erfahrung, wie Menschen drauf reagieren, wenn ich jetzt hier mit Kennzahlen, wo es ja im Grunde um Maschinen geht, ankomme?
Jörn Steinbeck: Na ja, also, ich habe vor kurzem den Satz gehört „Transparenz ist unmenschlich.“ und die OEE erzeugt natürlich eine ganz große Transparenz. Und das ist etwas, was … ja, wenn es eine langjährig eingeübte Praxis ist, da keine Transparenz zu haben und dass man sich vielleicht nicht auf der Ebene von, ja, Minuten und ich will das gar nicht rechtfertigen nennen, aber das man eben auf der Ebene von Minuten auf der Suche nach Produktivität ist oder auf der Suche nach Verlusten ist, dann braucht der Mensch eine Zeit sich an diesen neuen Managementstil oder diesen neuen Führungsstil zu gewöhnen und das ist natürlich.
Götz Müller: Würden Sie sagen, das ist mehr die Veränderung oder eben dann die Sache an sich, sprich, dieses dann auf die Finger gucken?
Jörn Steinbeck: Oh, ich glaube, dass … Ich habe da ich habe da grundsätzlich ein positives Menschenbild. Ich glaube nicht, dass die Leute grundsätzlich etwas dagegen haben, dass man ihnen auf die Finger guckt. Das verstehen die Mitarbeiter schon, dass wenn man eine Maschine kauft, die ja, wenn wir an Abfüllanlagen oder Fertigungsanlagen denken, da ist ja schnell mal eine Millionen ausgegeben und das verstehen die Mitarbeiter, dass die laufen muss. Und üblicherweise ist es ja auch so, dass zumindest unserer Erfahrung, dass das Hauptproblem, warum eine Anlage nicht läuft, gar nicht so sehr darin liegt, dass irgendein Mitarbeiter sich der Sache verweigert oder nicht arbeiten möchte, das ist ja gar nicht einfallen, sondern die organisatorischen Störung sind ja das, was die Produktivität runterholt, also kein Material da oder irgendetwas bricht ab oder man wartet auf Qualitätsfreigaben oder solche Geschichten. Da hat der einzelne Mitarbeiter, der vor der Anlage steht, ja, der ist da ja auch nur Opfer des Systems und das wird dann halt transparent und dann ist es die Frage, wie die Führungskräfte damit umgehen.
Götz Müller: Ja. Und ich glaube, wenn man das ein bisschen weiter spinnt und es richtig, ja, verargumentiert, dann kann es ja sogar eine Unterstützung sein, weil dann transparent wird, dass der Mitarbeiter gar nicht dran schuld ist, dass das Problem, der Prozess an irgendeiner anderen Stelle klemmt.
Jörn Steinbeck: Ja genau. Ich glaube, das hat ganz … also das ist definitiv wichtig und ich glaube, es hat ganz viel damit zu tun, wie man dann mit den Daten umgeht, also wie derjenige, der diese Daten interpretiert sie dann kommuniziert oder erst wie er sie interpretiert und wie er sie dann kommuniziert. Weil wenn man das jetzt natürlich anklagend nutzt und sagt „Hey, du hast von 9:15 Uhr bis 9:45 nur 37 Stück produziert, du hättest eigentlich 60 machen sollen, das ist schlecht, dann ist das … würde ich das eher als schlechten Führungsstil werden. Wenn man aber sagt, in der Zeit hat uns die Freigabe von der Qualität gefehlt, hast du eine Idee, welche Maßnahmen wir einleiten könnten, damit wir zügiger die Freigabe von der Qualität erhalten oder lass uns doch mal mit der Qualität gemeinsam zusammensetzen, um dieses Problem zu lösen, dann ist das ein nach vorne gerichteter, lösungsorientierter und positiver Führungsstil und ich glaube, das hängt wirklich davon ab, wie man mit diesem Werkzeug, was man in die Hand bekommt umgeht.
Götz Müller: Das deckt sich also definitiv mit meiner Erfahrung, man muss halt die Dinge erklären, wenn man da etwas Neues einführt.
Jörn Steinbeck: Ja, genau. Und halt nicht so sehr anklagend damit umgehen, sondern lösungsorientiert damit umgehen. Das sagt sich sehr leicht, aber das ist dann in der betrieblichen Praxis, ja, nicht so leicht.
Götz Müller: Vor allem, wenn man es bisher so nicht gewohnt war. Gut, jetzt hatten Sie es kurz angedeutet, auch das Stichwort Digitalisierung ist gefallen beziehungsweise mal dieser Ausgangspunkt, ich habe halt keine Daten und vielleicht ist mein Ding, meine Anlage, die ich da habe, schon etwas in die Jahre gekommen, dass die so etwas gar nicht hergibt. Das heißt, die Frage, die da dahinter steckt: Welche neuen Chancen habe ich vielleicht jetzt auch durch das Thema Digitalisierung?
Jörn Steinbeck: Ich glaube, da gibt es sehr viele, also jetzt mal ganz grundsätzlich oder ganz spezifisch auf die OEE bezogen, habe ich die Möglichkeit diese Daten online zu erfassen, also live und auf jedem beliebigen Monitor, auf jedem Webinterface, also auf jeder Webseite zur Anzeige zu bringen, so kommt dann vielleicht der Verlauf der letzten Stunde oder der aktuellen Schicht oder so, also so, dass man den Blick auf die Produktivität, sodass mehr Transparenz entsteht. Und dass es nicht mehr den Prozess gibt, dass sowas handschriftlich erfasst wird, dann am Ende der Schicht in Excel übertragen wird und diese Excelliste dann irgendwann per E-Mail an einen Verteiler gesendet wird, dass ist 2017. Das Thema online schnell diese Daten zu verteilen, dass ist das, was ein großer Vorteil ist. Wir zum Beispiel lassen uns inzwischen die OEE per Alexa ansagen, also mit dem Sprachinterface von Amazon. Auch eine witzige Geschichte, vielleicht jetzt nicht der super industrielle Use Case in der Fabrik, aber wenn Sie sich vorstellen, Sie sind Fertigungsleiter und steigen morgens in Ihr Auto und das hat so eine Schnittstelle zu Alexa und dann können Sie schon während der Arbeit abfragen, wie die Nachtschicht gelaufen ist. Das ist auch eine Form von Möglichkeit des einfachen Zugangs zu Daten, des schnelleren Zugangs zu Daten. Wenn ich … noch zwei weitere Beispiele vielleicht …wenn ich an Industrial Smartwatches denke, also viele Leute kennen ja Apple Watch, aber die gibt's ja auch, nicht von Apple, aber von anderen Herstellern, im industriellen Stil, also stoßsicher und so weiter, dann können die Daten online aufs Handgelenk der Mitarbeiter geschickt werden und so entsteht dann so eine Art Workflow, also Achtung, diese Anlage muss gerüstet werden und dann erhält diese Nachricht eben ein Mitarbeiter, vielleicht bei einer Mehrmaschinenbedienung, die er ja sonst durch ein akustisches oder optisches Signal nicht sofort erfasst hätte und auf diese Weise kann er dann vielleicht auch sagen, jetzt bin ich mit dem Rüsten fertig und dann schickt er auf der Smart Watch eine Information an die Qualität, Achtung, ihr müsst jetzt gleich ein Teil einmessen und dann entsteht so ein Workflow. Und das zeigt zum Beispiel, was für Möglichkeiten es gibt. Und natürlich ganz großes Thema im Umfeld von Industrie 4.0, das ist das ganze Thema der Auswertung von Daten. Also das Thema maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz, also die Muster in den Daten zu erkennen und daraus dann Ableitungen zu treffen, das sind alles Dinge, die ergeben sich erst durch Digitalisierung, durch Industrie 4.0, durch Internet of things.
Götz Müller: Okay. Da habe ich jetzt raus gehört, die zentrale Voraussetzung ist natürlich, ich habe die Daten, wenn man jetzt natürlich so einsteigt, wie Sie es vorhin angedeutet hatten, sprich mit einer Werker-Selbstaufschreibung, sprich auf einem Zettel Papier, dann habe ich es ja noch nicht in einer verarbeiten Form, von dort aus in ein Excel Sheet einzugeben, dann haben wir wieder die lange Zeitverzögerung … Was sind ihrer Ansicht nach also die Anforderungen und wie gehe ich damit um, um mit meinem Produktionsanlagen, die das vielleicht nicht hergeben, ja, die aufzurüsten?
Jörn Steinbeck: Ja, das ist richtig. Die Daten braucht man natürlich. Deswegen würde ich jetzt aber nicht als erstes loslaufen und mir eine neue Anlage kaufen. Das kann alles nachgerüstet werden. Also so weit ist die Industrie. Auch wir, da kommen wir gleich noch mal ein bisschen darauf, bieten das ja als minimalinvasive Lösungen, so dass man also auf alle Fälle erstmal nicht … also die Begründung „Unsere Anlage gibt das nicht her und deswegen machen wir nichts im Thema Digitalisierung.“, die würde ich nicht gelten lassen. So etwas kann alles nachgerüstet werden. Wenn man allerdings neue Anlagen bestellt, dann würde ich drauf achten, dass die diese Komponenten natürlich behalten.
Und dann tauchen solche Stichworte wie OPC UA und MQTT auf. Das sind dann jeweils Server oder Protokolle, mit denen man, ja, die sich einfach etabliert haben in diesem Umfeld. Und darauf sollte man dann achten, dass die Anlage das kann, damit man bei der neuen Anlage dann nicht sofort wieder was nachrüsten muss. Aber wie gesagt, dass die Anlagen alt sind, das ist keine Begründung dafür, nichts zu tun.
Götz Müller: Okay, da möchte ich jetzt noch ein bisschen tiefer einsteigen. Im Grunde war das ja auch der Impuls von mir, Sie anzusprechen, was bietet da die oee.cloud?
Jörn Steinbeck: Die Grundidee ist erstmal, dass man die OEE ohne Eingriff in die Anlage erfassen kann, da schließt sich jetzt hier gerade ein kleiner Kreis, also nicht die Steuerung oder die SPS muss geändert werden, sondern wir kommen praktisch mit einem komplett parallel existenten System. Ich glaube, das ist ein sehr groß Mehrwert. Das ist zumindest, was wir insbesondere bei mittelständischen Unternehmen verspüren, also wenn man jetzt natürlich zu Daimler geht oder zu Siemens geht oder zu Bosch geht, die haben Leute im Haus die SPS-Programmierungen und können SPS und Siemens ist praktisch eins. Aber mittelständische Unternehmen haben üblicherweise die Anlage gekauft, die ist dann, wenn man so will gekapselt, Never Change a Running System würde man sagen. Und dann traut man sich da auch gar nicht ran. Zum einen hat man das Know-how nicht und zum Zweiten besteht auch immer ein gewisses Risiko, wenn man eine Veränderung macht. Und wäre ich für die Produktion verantwortlich und da würde jemand kommen und sagen „Ich möchte dann mal ein bisschen dran rumprogrammieren an etwas, was läuft“, dann wäre ich auch sehr skeptisch. Dementsprechend ist diese parallel Lösung, ja, sie hat einfach sehr viel Wert insbesondere für mittelständische Unternehmen. Und ja, dann ist das Ganze Plug-n-Play, also die Sensoren senden die Daten dann entweder per WLAN oder wenn kein WLAN zur Verfügung steht, dann senden sie das per Mobilfunk, also in dieser Lösung ist eine Mobilfunkkarte drin, in die Cloud, also in diese ominöse Cloud und dort findet dann die ganze Analyse statt.
Götz Müller: Ja, okay. Den Punkt möchte ich vielleicht gerade mal, weil sie das Stichwort schon genannt haben, ein bisschen vertiefen, da kenne ich jetzt auch den ein und anderen Mittelständler, der da eher skeptisch ist, wenn er den Begriff Cloud hört, von wegen, da macht ja irgendeiner mit meinen Daten etwas beziehungsweise ich weiß gar nicht, was damit gemacht wird, was ist da ihre Erfahrung beziehungsweise wie können Sie die Bedenken entkräften?
Jörn Steinbeck: Also erstmal ist die Erfahrung, dass die Skepsis dem gegenüber deutlich abnimmt, in einer hohen Geschwindigkeit, also auch im Mittelstand gewöhnt man sich an das Thema Cloud und ist dann jeden Monat sozusagen messbar mehr aufgeschlossen, würde ich doch sagen. Das ist schon mal eine gute Entwicklung, weil einfach ganz viele Dinge nur in der Cloud gehen, also viele Dinge machen einfach überhaupt keinen Sinn, die lokal zu installieren oder der Aufwand ist halt deutlich höher. Technisch geht das natürlich immer, aber der Aufwand ist dann halt hoch. Wie geht man mit diesem Bedenken um? Ich würde sagen, also aus meiner Perspektive gibt es zwei große Argumente. Also das eine Argument, jetzt für unsere Lösung konkret, ist, dass wir ja eigentlich nur Nullen oder Einsen in die Cloud schicken, also, läuft die Anlage oder läuft sie nicht und wenn sie nicht läuft warum läuft sie nicht. Das sollte nicht der Wettbewerbsvorteil eines Unternehmens sein. Selbst wenn denn diese Daten zum Wettbewerb gelangen, sollte das nicht das sein, was ein Unternehmen schädigt. Ich kann die Skepsis natürlich verstehen, wenn ich jetzt über Marketingdaten, Konstruktionsdaten, wie das Produkt der nächsten Generation … da wäre ich persönlich auch skeptisch, ob ich das in der Cloud ablegen würde, aber die Daten, über die wir hier reden, ich glaube nicht, dass die wettbewerbsrelevant sind. Das ist vielleicht ein Argument, aber ein weiteres großes Argument ist, das wird einfach professionell betrieben, also wir sind mit einem Cloud-Anbieter … ich mache das ja nicht selbst, also Cloud kauft man zu, mietet man. Und das ist ein Anbieter aus Frankfurt, also ein deutscher Anbieter, der nach deutschen Datenschutzrichtlinien arbeitet, also es ist jetzt kein Amazon oder kein Google, der auf diese Daten Zugriff hat und da sitzen einfach Profis am Werk und denen kann man, glaube ich, durchaus zutrauen, das mindestens genauso gut, wenn nicht vielleicht sogar besser wie das eigene Unternehmen abzusichern.
Götz Müller: Ja und das darf man, glaube ich, auch nicht vergessen an der Stelle ist es ja etwas Aufgesetztes, da gibt es die Rückkopplung. Also selbst wenn jetzt da jemand rein greifen würde und in der anderen Richtung manipulieren, würde die Anlage ja nicht stehen bleiben.
Jörn Steinbeck: Genau. Das ist ein großes Argument. Es gibt noch immer diese diffuse Angst, Stuxnet ist da in der Vergangenheit mal vor einigen Jahren als Virus, der SPS-Server und Steuerungen angegriffen hat, bekannt geworden, der ja von außen in die Firmen hineingekommen ist und trotz der grundsätzlichen Kenntnis von Firewalls und all sowas weiß man aber auch, dass die IT nicht immer vielleicht perfekt funktioniert in jedem Unternehmen und deswegen hat man da grundsätzlich ja ein Störgefühl, dass es vielleicht einen Rückkanal geben könnte und das ist bei uns halt ausgeschlossen.
Götz Müller: Okay. Jetzt möchte ich einen großen Bogen schlagen zu einem etwas anderen Thema, aber ich glaube durchaus auch interessant. Jetzt sind Sie ja noch ein Startup und da habe ich mir jetzt den Gedanken gemacht, ok, wie geht ein Startup mit dem Thema Markteinführung um, mit dem Thema in einem, glaube ich, doch ganz spannenden Umfeld, nämlich Mittelstand, und da noch so zur Abrundung so ein bisschen ihre Erfahrungen.
Jörn Steinbeck: Ja das ist in der Tat ein sehr weites Feld. Ich würde sagen, lassen Sie uns mal auf zwei positive und zwei negative Punkte kommen, um das so ein bisschen zuzuspitzen. Ich fange mal mit dem Negativen an, um dann mit dem Positiven schließen zu können. Auf der einen Seite nehme ich sehr viel war, dass das deutsche Ingenieurstum doch ganz gerne etwas selbst macht und es weniger gut einkauft oder weniger gerne einkauft. Also diese Make-or-Buy-Entscheidung wird im Mittelstand ganz häufig in Richtung Make getroffen, weil man glaubt, dass man selbst derjenige ist, der es am besten kann und das war ja in der Vergangenheit auch so, zumindest wenn es um das Mechanische ging. Ich glaube, das ist im Zeitalter der Digitalisierung einfach falsch. Das ist zu langsam. Man hat selbst zu wenig Know-how in diesem Spezialgebieten, also, ich meine wir werten zum Beispiel diesen Datenstrom, den wir erhalten, mit maschinellen Lernalgorithmen, also künstlicher Intelligenz, aus und zeigen Anomalien im Produktionsverlauf an, die man überhaupt nicht erkennen würde mit dem Auge oder auf Basis von Aufschreibungen, jede Stunde Stückzahl oder so, und welcher Mittelständler will so etwas selbst machen. Also, das ist, dafür haben die Leute das Know-how, selbst wenn sie die Daten haben, was auch schon eine Ausnahme wäre, haben sie das Know-how nicht und ich glaube, man sollte sich da sehr viel mehr öffnen, um in Richtung dieses Buy-Ansatzes zu kommen. Das wäre für mich eine Lesson-to-Learn aus dem Umgang mit mittelständischen Unternehmen. Das zweite Thema ist … es ist meiner Wahrnehmung nach alles wirklich sehr langsam und relativ wenig konsequent, also es gibt viele tolle Projekte, finde ich, nicht nur von uns ich sehe die auch bei anderen, oder bei befreundeten Unternehmen, also man tauscht sich ja auch aus, also unter Startups aus, die nach dem Piloten einfach sterben, wo man tolle Ergebnisse erzielt hat, aber dann hat doch im Weiteren niemand den Mut, das auszurollen, weiter voranzugehen, das ist fast tragisch, ja. Also man hat sich da inspirieren lassen, ein bis zwei Artikel für den Unternehmens-Blog geschrieben, aber dann wartet man doch wieder auf die SAP, um irgendwie eine große und integrierte und monolithische Lösung zu erhalten. Ich kann sagen, da wird man lange darauf warten müssen oder zu lange. Da würde ich mir mehr voran wünschen, mehr Mut wünschen, einfach mal etwas auszuprobieren. Das wären so die zwei Erfahrungen, die ich auf der negativen Seite gemacht habe. Auf der positiven Seite gibt aber natürlich genauso Unternehmen, die das Potenzial sehen und ihre eigenen Fähigkeiten richtig einschätzen können und die vorangehen und die sich darüber freuen, dass sie jetzt die Daten zur Verfügung haben und dass sie damit arbeiten können und das Ganze, ja, gestalterisch anpacken und es gibt auch Unternehmen, das wäre der zweite positive Aspekt, die bereit sind, gemeinsam mit Startups Lösungen zu entwickeln. Also ich meine, welche perfekte Lösung ist schon vom Himmel gefallen, aber das sind alles Innovationen, die brauchen alle Iterationen und dann braucht es ein bisschen Geduld und als Start-Up braucht man auf der Gegenseite Partner, die da Geduld haben und mit einem gemeinsamen diese Lösung weiterentwickeln und da geht es noch nicht einmal mehr um eine finanzielle Beteiligung oder so, sondern einfach erklären und mal eine Woche warten können, bis ein Algorithmus umprogrammiert wurde und da die entsprechende Geduld haben und da, ja, den längeren Atem haben. Und das nehme ich wahr. Diese Unternehmen gibt es und das macht sehr viel Spaß mit diesen Unternehmen zusammen zu arbeiten, weil man da wirklich gemeinsam etwas voranbringen kann. Also jeder erhält dann für sich da seinen positiven Aspekt heraus und das wären für mich zwei positive Dinge, die ich aus der Erfahrung in der Zusammenarbeit, insbesondere mit mittelständischen und auch größeren mittelständischen Unternehmen herausgezogen habe.
Götz Müller: Ja. Da höre ich auch so ein Stück weit im Grunde auch klassischen KVP raus, nicht die perfekte Lösung nie angehen, sondern erstmal irgendetwas anfangen und sich dann halt weiter entwickeln auch auf dieser nennen wir es mal Metaebene.
Jörn Steinbeck: Ja, definitiv. Also wenn Sie jetzt mit ihrem Telefon in den AppStore oder in Google Play gehen und auf Aktualisieren drücken, dann haben Sie auch wieder eine Handvoll weitere Releases von irgendwelchen Apps, die auf Ihrem Telefon neu installiert werden sollen und das geschieht ja jeden Tag, also dieses Constant Deployment nennt man das in der Branche, also konstant an etwas arbeiten und immer in kleinen Elementen die Verbesserung wieder den Kunden zur Verfügung zu stellen, das gilt in diesem Umfeld natürlich auch. Das ist natürlich technologisch, also ich meine Apple oder Google macht das extreme einfach, in dem Augenblick, wo man an eine Anlage ranmuss und wo man vielleicht mit mehreren Gigabyte an Daten konfrontiert ist, geht das nicht so super schnell, aber das ist der gleiche Ansatz. Das ist ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess und kontinuierlicher Verbesserungsprozess von der Funktion von dem Code.
Götz Müller: Ja. Und da könnte ich mir dann, so als Abschlussaussage ja auch vorstellen, da ist dann wieder ihre Lösung der, im Grunde, Trennung zwischen dem produzierenden Teil und dem aufzeichnen Teil wahrscheinlich sogar ein Vorteil, weil die Maschine läuft halt weiter und sie produziert halt vielleicht mal kurz jetzt nicht die Daten, die ich haben möchte, aber die Produktion, die läuft ungehindert weiter.
Jörn Steinbeck: Genau. Das ist ein positiver Aspekt und der zweite positive Aspekt ist, weil sie auch erkennbar skeptisch, also so ist der Markt halt im Augenblick noch, das Thema Cloud angesprochen haben, das kann man halt zentral einmal machen und dann allen gleichzeitig zur Verfügung stellen. Facebook läuft auch in der Cloud, wenn man so will und dadurch kriegen alle Leute zeitgleich das Update. Und auf diese Weise können wir das dann auch tun, also, wenn wir an den KI-Algorithmen arbeiten, dann stellen wir die zeitgleich allen Unternehmen zur Verfügung. Wären die jetzt lokal installiert und dann im Rechenzentrum, dann müsste man wieder einen Zugang haben, müsste einen Update zuschicken und dann, ja, funktioniert wieder irgendetwas nicht im Zweifelsfall. Also auch da ist diese Architektur, dass das alles zentral einmal in der Cloud läuft schon von Vorteil.
Götz Müller: Herr Steinbeck, ich danke Ihnen für Ihre Zeit. Das fand ich eine sehr spannende Unterhaltungen, beide Aspekte. Sowohl der OOE-Teil im Kern, als dann noch der der kurze Abschluss. Ja. Vielen Dank.
Jörn Steinbeck: Ja. Vielen Dank für das Interview.
Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Jörn Steinbeck zum Thema OEE, Digitalisierung und Lean. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 146.
Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, freue ich mich über Ihre Bewertung bei iTunes. Sie geben damit auch anderen Lean-Interessierten die Chance, den Podcast zu entdecken.
Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.
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