Kaizen 2 go 187 : Digitale Buchhaltungsprozesse


 

Inhalt der Episode:

  • Was sind typische Elemente der Digitalisierung in der Buchhaltung und Steuerberatung?
  • Was sind die Herausforderungen für Steuerberater und Mandanten bzw. Buchhalter dabei?
  • Wie verändert sich die Beziehung zw. Steuerberater und Mandant durch die Digitalisierung?
  • Welchen Vorteil haben die Unternehmen und ggf. auch Einzelpersonen dabei?
  • Welche Hürden bestehen ggf. auf beiden Seiten (Stb und Mandant)?
  • Wie sieht der typische Einstieg für die Mandanten aus?
  • Was ist das besondere an Profit First?
  • Welche veränderte Denkweise ist dafür notwendig?
  • Was sind typische (Denk-)Hürden, die Dir dabei begegnen?
  • Besteht dabei ein Widerspruch zu “Customer First” aus dem Lean Management? – wie lässt sich ggf. dieser Widerspruch auflösen? bzw. wo kann sich Profit First und Customer First ergänzen bzw. komplementieren?

Notizen zur Episode:


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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 187 : Digitale Buchhaltungsprozesse

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Benita Königbauer bei mir im Podcastgespräch. Sie ist Expertin für gesunde Unternehmen, die in der Welt etwas bewegen. Hallo Benita.

Benita Königbauer: Hallo Götz und hallo Zuhörer. Ich freue mich, dass ich heute hier sein darf.

Götz Müller: So, jetzt habe ich schon einen Satz zu dir gesagt, jetzt schlägt man wahrscheinlich da nicht gleich den Bogen auf da, wo du ursprünglich herkommst und was du heute machst. Deshalb sag noch mal zwei, drei Sätze selber über dich.

Benita Königbauer: Ja, im Grunde genommen alles, was ich heute mache, hat damit zu tun, dass ich schon als Kind festgestellt habe, ich habe ein gutes Händchen für Finanzen und ich kann komplexe Sachverhalte relativ gut herunterbrechen, so dass Menschen gut etwas damit anfangen können und prinzipiell dachte ich erst mal, ich gehe in die Bank, weil da kann man Menschen mit Geld helfen. Und habe dann aber relativ schnell festgestellt, die Bank ist nicht so das Umfeld, wo es wirklich darum geht, Menschen mit Geld zu helfen und habe dann umgesattelt auf Steuerberater, also ich habe die ganz klassische Laufbahn dann noch mal angestoßen mit 27 Jahren Steuerfachangestellte, Steuerfachwirtin und an den Steuerberater draufgesetzt, eine eigene Kanzlei gegründet und ja und dann auf der grünen Wiese gegründet, ich war auch sehr erfolgreich, nur hatte ich dann festgestellt, nach fünf Jahren hatte ich die Kanzlei, die ich niemals wollte. Mir ging es eigentlich wirklich darum Menschen zu helfen, Menschen zu unterstützen vor allen Dingen wo mein Herz dafür schlägt, das sind die kleinen Unternehmen, die Solopreneure, weil ich bin felsenfest überzeugt, die sind das Rückgrat unserer Gesellschaft. Und die wollte ich eigentlich wirklich unterstützen und was ich tatsächlich gemacht habe war, Finanzamtsfristen einzuhalten, auf Teufel komm raus bis Gott weiß wann in der Nacht daran zu arbeiten, irgendwelche Formulare auszufüllen und es blieb eigentlich keine Zeit dafür, wirklich mit meinem Mandanten zu sprechen und sie wirklich dabei zu unterstützen, ihre Unternehmen voranzubringen, sodass sie eben auch für ihre Mitarbeiter da sein können, für ihre Kunden da sein können, dass sie langfristig auf festem Boden stehen mit Ihrem Unternehmen. Das hat mir alles gefehlt. Die Sinnfrage hat mich dann ereilt.

Götz Müller: Das ist dann im Grunde auch ein guter Anlass, würde ich sagen, über Digitalisierung in der Buchhaltung, eine Sache die ja grundsätzlich eher lästig ist, man muss es aber machen, nachzudenken, weil es einem, glaube ich, diese Freiräume gibt.

Benita Königbauer: Oh ja. Es ist tatsächlich so, dass wir seit 2019 in unserer Steuerberatungskanzlei in unserem Haus gar keine Buchführung mehr machen. Das heißt, wir unterstützen unsere Kunden dabei, ihre Buchführungen selbst mit Hilfe von digitalen Tools zu machen.

Götz Müller: Vielleicht noch mal einen Schritt zurück zum Einstieg. Was sind denn so typische Digitalisierungselemente in der Buchhaltung, in der Steuerberatung. Ein bisschen was hast du gerade schon angedeutet.

Benita Königbauer: Also wenn man jetzt in der Buchführung mal schaut … es braucht heute niemanden mehr, der zehn Jahre gelernt hat, damit er einem Telefonbeleg sagt, dass er ein Telefonbeleg ist, sondern das ist etwas, was tatsächlich künstliche Intelligenz sehr gut für uns erledigen kann, weil der Telekombeleg ist in aller Regel fast immer ein Telefonbeleg und das kann ich mit einer OCR-Erkennung sehr gut darstellen. Das heißt, wenn ich den Beleg einscanne und ich habe dann eine einigermaßen schlaue künstliche Intelligenz, dann erkennt diese Intelligenz „Ah, das ist der Beleg von Telekom, Vodafone oder wem auch immer.“ Das ist in der Regel immer Telefonkosten, hier sind 19% Umsatzsteuer drin und dann bietet er uns all diese Informationen bereits an, so dass wir als Benutzer nur noch sagen müssen „Ja, genauso ist es.“ oder „Oh nee, dieses Mal habe ich ein iPhone gekauft, ich muss das anders behandeln.“ und das sind eben alles Dinge, wo wir uns unterstützen lassen können, wo es einfach nicht notwendig ist, dass ein Mensch dran sitzt und all diese Entscheidung trifft, weil das sind Dinge, die mit ganz einfachen digitalen Ja-Nein-Fragen oder Nullen und Einsen abgebildet werden können. Und davon gibt’s ganz viele mittlerweile im Bereich der Buchführung, Lohnbuchhaltung, Steuerberatung.

Götz Müller: Ich glaube, das ist auch dieses grundsätzliche algorithmische Thema, Mustererkennung ist letzten Endes auch ein Algorithmus und da sind mittlerweile Maschinen, so hart das vielleicht sein mag, sind sie den Menschen überlegen.

Benita Königbauer: Vielleicht nicht unbedingt überlegen, aber sie sind mit Sicherheit, bieten sie keine schlechtere Leistungen und was sie halt können, sie können es halt wirklich sehr schnell. Das muss man tatsächlich sagen. So eine Buchführungssoftware kann halt in rasender Geschwindigkeit eine Vielzahl von Belegen in irgendeiner Form bevorschlagen mit irgendwelchen Empfehlungen für uns und wir müssen … wir haben halt immer noch dieses mechanische Thema, wir müssen unsere Finger bewegen, wir müssen erstmal unsere Augen bewegen, wir müssen den Beleg umdrehen, wir müssen den anschauen, müssen den ablesen, dann müssen wir eintippen, da müssen wir gucken, ob das stimmt, was wir da getippt haben und erst dann können wir ihn eigentlich abschicken. Und das ist tatsächlich etwas, also diese mechanische Geschwindigkeit ist tatsächlich etwas, wo uns die KI einfach überlegen ist. Und das zu nutzen finde ich sehr, sehr wichtig, weil es einfach Ressourcen freisetzt im Unternehmen für etwas anderes. Das heißt ja nicht, dass wir deswegen jetzt alle auf die Straße setzen wollen, aber wir können die Mitarbeiter ganz anders einsetzen für die Tätigkeiten, bei denen die KI uns eben nicht überlegen ist, wo es einen Menschen braucht und einen Menschen haben soll für die optimale Erbringung der Dienstleistung.

Götz Müller: Bei dem allgemeinen Thema Digitalisierung gibt's natürlich immer wieder Herausforderungen, wenn es auch nur vielleicht Faktor Mensch, im Sinne von manchmal Widerstand gegen die Veränderung, ist. Was ist da in einem Erleben die besondere Herausforderung, wenn man über Digitalisierung im Kontext von Buchhaltungsprozessen nachdenkt, also für die Steuerberater, für die Mandanten, für die Buchhalter eventuell, wenn man jetzt über ein Unternehmen nachdenkt?

Benita Königbauer: Also ich bin grundsätzlich kein Freund davon, den Hund zur Jagd zu tragen. Der Unternehmer führt sein Unternehmen immer noch selbst. Und ja, die Digitalisierung schreitet in rasenden Schritten voran, aber ich bin auch davon überzeugt, es wird ein paar Unternehmen geben, die sich ganz gut noch die nächsten Jahre irgendwie über Wasser halten können und die Digitalisierung ignorieren und auch diese Unternehmen werden Steuerberater brauchen. Was ich glaube, was ein großer Irrtum ist, dass das sehr viele sein werden. Wir haben aktuell 90.000 Steuerberater in Deutschland, dazu kommen noch die Buchhalter, die qualifizierten Buchhalter, die eben auch bestimmte Dinge tun. Wir werden nicht alle davon überleben können, mit diesem Kunden zu arbeiten. Das ist etwas, was ich ein bisschen beobachte in meiner Branche, dass sich viele ein Stück darauf ausruhen und sagen „Ja, die werden nicht alle gleich umsteigen und dann kann ich ja die beraten, die nicht umsteigen.“, aber wenn sich das halt sehr viele denken, dann wird halt die Luft trotzdem ganz schön dünn. Und das ist einfach etwas, wo ich sage, da müssen wir oder dürfen wir als Steuerberater und als Buchhalter tatsächlich selbst auch mit ein bisschen mit Beispiel vorangehen, weil wir in ganz vielen Bereichen Steuern, Finanzen, das sind so Themen, die gerne mit ein bisschen, ich will nicht sagen Angst, aber mit ein bisschen Respekt beim Unternehmer behandelt werden, der fühlt sich damit nicht so hundertprozentig wohl und an ganz, ganz vielen Stellen brauchen unsere Kunden, dass wir ihnen unser Vertrauen erstmal für den nächsten Schritt ausleihen, damit sie bereit sind, den Schritt zu gehen, zu sehen, es passiert nichts Schlimmes und dann den nächsten Schritt anzugehen. Wenn wir selber als Berater jetzt da vorne dran sind und sagen „Ach, das mit der Digitalisierung, das ist alles Blödsinn, das macht sowieso keinen Spaß und kein Mensch braucht das.“. Woher sollen unsere Kunden das Vertrauen nehmen, um sich überhaupt mal damit zu beschäftigen und um sich daran zu trauen. Ich höre das ganz oft, das Mandant nebenan so einer Stelle sagen „Ja, habe ich schon mal drüber nachgedacht, aber mein Steuerberater sagt, ‚ach, das ist doch Schmarrn.‘.“ Und dann ist es halt schwierig. Warum sollte der sich überhaupt damit beschäftigen, das ist ja etwas, was er nicht natürlich macht. Kein Mensch, der eine normale laufende Buchführung hat, der steht nicht morgens auf und denkt „Ach, lass mal alle meine Buchführungsprozesse übern Haufen werfen und mal was ganz Neues machen.“ Der hat in seinem Unternehmen ganz andere Herausforderungen, also braucht er wahrscheinlich ein bisschen Anleitung, ein bisschen Führung und uns, die wir ihn dann dabei unterstützen und einfach sagen „Lass uns doch einfach mal die ersten Schritte in die Richtung gehen.“

Götz Müller: Ja. Da höre ich ganz deutlich raus und das ist auch das, was ich sonst erlebe, Digitalisierung ist halt nicht dieser rein technische Aspekt, sondern es hat auch viel mit Menschen zu tun, ihren Bedenken, ihren Sorgen, was sie halt umtreibt in dem Kontext.

Benita Königbauer: Ja, natürlich, weil es wird ja auch so kommuniziert. Es wird ja kommuniziert, der Computer übernimmt unsere Arbeit, die künstliche Intelligenz übernimmt unsere Arbeit und die Aussage ist ja per se nicht rundherum falsch, aber wo nicht weiter gedacht wird, ist, und sie befreit uns von bestimmten Routinetätigkeiten, damit wir andere Dinge tun können. Dieser Nachsatz, der kommt nicht und weil der nicht kommt, hat natürlich jeder irgendwo ein bisschen auch Angst davor. Ich verstehe den Mitarbeiter, der sagt „Oh mein Gott, wenn jetzt der Computer die ganzen Vorschläge gemacht und wir sind jetzt hier gerade zu zehnt in der Kanzlei, die Buchführungen für Mandanten machen, vielleicht sind wir in drei Jahren nur noch zu dritt, werde ich diese Entwicklung überleben?“ Gerade ältere Menschen, die dann denken „Oh verdammt, die werden dann die Jungen behalten, die werden mich vielleicht gar nicht behalten.“ und dann ist das Angst behaftet und wer sind denn die Menschen, die jeden Tag mit unseren Kunden sprechen. Das ist doch nicht der Berater, das sind doch unsere Mitarbeiter. Das heißt, wenn wir es nicht schaffen, unseren Mitarbeitern die Angst zu nehmen, dass sie sich gerade selbst wegrationalisieren, indem sie mit den Mandanten Digitalisierungsstrategien besprechen, dann werden wir es auch nicht schaffen, den Sprung in dieses neue Zeitalter zu machen. Das Blöde ist, es kommt sowieso, ob wir springen oder nicht. Das ist nicht mehr aufzuhalten und ich möchte halt einfach nicht, dass das so viele Menschen dann gesprungen werden, auf Gedeih und Verderb, entweder schaffst du es dann oder nicht. Das wäre einfach so unendlich schade, weil da so viele, viele, viele Kompetenzen und sehr viel wertvolles Mitarbeiterpotenzial einfach verheizt würde auf dieser Strecke. Deswegen würde ich mir einfach wünschen, dass wir uns viel früher, viel vertrauensvoller mit der Entwicklung einfach mal beschäftigen und uns eben auch mit dem Gedanken beschäftigen, zu sagen, und was bringt mir das denn dann? Was kann ich denn dann tun mit der Zeit? Was können meine Mitarbeiter mit der Zeit tun? Welchen Nutzen können wir denn dann jetzt endlich zusätzlich für unsere Kunden schaffen?

Götz Müller: Genau den Punkt möchte ich noch ein bisschen vertiefen. Ich habe so das Stichwort auch irgendwo rausgehört, diese Beziehung zwischen Steuerberater und Mandant, wie verändert sich das? Auch, habe ich ganz deutlich rausgehört, welche neuen Chancen ergeben sich da?

Benita Königbauer: Wenn du mal auf einen Steuerberaterkongress gehst oder auch auf Kongresse, wo auch Mandanten sind. Dann hast du zwei ganz interessante Dinge, wenn du mit Mandanten sprichst, die sagen immer „Mein Steuerberater macht alles super und es ist auch immer alles in Ordnung und da gibt es auch gar keinen Ärger mit dem Finanzamt, aber berät mich eigentlich nicht.“ und wenn man die Steuerberater hört, dann sagen die „Ich hätte ja so wahnsinnig gerne mal mehr Zeit für Beratung, aber mit den ganzen Anforderungen vom Finanzamt und den Nachfragen und allem, was da so kommt und dem normalen täglichen Geschäft, ich komm ja gar nicht dazu, meine Mandanten zu beraten.“ Und dann steht dazwischen irgendwo die Digitalisierung und ganz wenige erkennen eigentlich wirklich „Leute, das ist jetzt unsere Chance.“

Götz Müller: Weil sie erst mal mehr Arbeit macht.

Benita Königbauer: Natürlich müssen wir uns erst mal damit beschäftigen, das ist klar. Jede Umstellung braucht erst mal Zeit und braucht erst einmal Hirnschmalz, aber das, was dann hinten dabei rauskommt, ist dass wir im Grunde genommen alle unsere Wünsche erfüllen, unsere Mandanten werden endlich von uns pro aktiv beraten, wenn sie das möchten. Und wir haben endlich Zeit und Ressourcen dafür, proaktiv zu beraten und ins Unternehmen mal reinzuschauen. Wenn ich jetzt so denke, die letzten 20 Jahre Steuerberatung. Das gab es manche Kanzleien, die es sich irgendwo zum Ziel gesetzt haben, dass sie gesagt haben, nach der Buchführung wird die betriebswirtschaftliche Auswertung mal wenigstens mit Hirn und Verstand durchgeschaut, ob da drin etwas zu finden ist, worüber wir mit unserem Mandanten reden sollten. Das ist aber nur in wenigen Kanzleien passiert. In vielen Kanzleien ist das ganze Jahr einfach durch gebucht worden und dann im Jahresabschluss kamen die großen Überraschungen. Warum? Das haben die Leute nicht gemacht, weil sie faul waren oder weil sie blöd waren, sondern weil sie einfach keine Zeit und keine Luft mehr dafür hatten, das auch noch anzugucken. Und mit dem Mandanten drüber zu sprechen „Pass auf, wenn ich mich hier hinsetze mit Hirnschmalz und eine halbe Stunde deine betriebswirtschaftliche Auswertung auseinander nehme, wird das Geld kosten.“ Und daran waren natürlich die Mandanten auch nicht gewöhnt, dass wir dafür etwas berechnen, weil es ist ja nie passiert. Da muss man natürlich erstmal Verständnis aufbauen und sagen, wenn du jetzt einfach nur ein Dach baust, ohne dass du einmal mit deinem Kunden drüber sprichst, dann ist das sicherlich ein anderer Preis, als wenn du mit deinem Kunden erstmal eine Beratung durchführen, innerhalb des Prozesses immer mal wieder mit dem Kunden abstimmst, was zu tun ist, das kostet ja beim Dachdecker auch mehr, warum also nicht beim Steuerberater. Also die Mandanten verstehen das schon, wir müssen es nur mit ihnen kommunizieren.

Götz Müller: Da höre ich jetzt durchaus auch eine gewisse Hürde raus, weil diese neuen Möglichkeiten durch den Faktor Zeit, der da jetzt plötzlich verfügbar ist, dass sich dadurch möglicherweise Hürden erstmal aufbauen, neben dem Aspekt, dass Digitalisierung am Anfang erst mal Arbeit macht. Ist das so richtig interpretiert?

Benita Königbauer: Also, wenn wir jetzt die Hürde „Wo nehme ich die Zeit her, um meine Mandanten im Rahmen der Digitalisierung zu beraten?“ oder auch „Wo nimmt der Unternehmer die Zeit her, sich zusätzlich zu seinem Tagesgeschäft noch mit Digitalisierung zu befassen?“, das ist ja auch erst einmal eine Frage, aber das ist für mich eine Frage von Prioritäten, weil es gibt welche, die es schaffen und die 24 Stunden, die jeder von uns zur Verfügung hat jeden Tag, die sind ja für uns alle gleich. Also für mich ist eine Frage von Prioritäten, aber man muss halt erst einmal soweit zurücktreten können, damit man diese Prioritäten setzen kann. Da brauchen sowohl Berater als auch Mandanten vielleicht einfach gegenseitig ihre Hilfe dazu. Ein anderer Aspekt ist, dass wir als Steuerberater dieses Geschäft, so wie es eben in der Vergangenheit betrieben worden ist, ja schon sehr lange so machen. Der Berufsstand ist es gar nicht so sehr gewöhnt, Luft zu haben für diese Beratungselemente. Das heißt, wir haben sehr lange gar nicht nachgedacht, was wir eigentlich unseren Kunden sagen würden, wenn wir die Zeit dafür hätten. Das heißt, diese Denkprozesse müssen jetzt erst einmal angestoßen werden, es muss drüber nachgedacht „Ja okay, ich habe dann in Zukunft mehr Zeit zu beraten. Was ist denn meine Expertise? Was möchte ich denn mit meinen Kunden machen? Bin ich jemand, der vielleicht besondere Unternehmensstrukturen besonders gut kann oder bin ich jemand, der Finanzen und Betriebswirtschaft besonders gut kann im Unternehmen? Oder bin ich vielleicht sogar jemand, der tolle Skills hat in der Mitarbeiterentwicklung oder in der Aufstellung von Mitarbeitern im Unternehmen? Das weiß ich nicht. Jeder von uns ist anders, aber jeder von uns hat einen ganz besonderen Schwerpunkt, wo man sagt „Das waren die Beratungen, wenn die jemals in meinem Unternehmen vorgekommen sind, die haben immer am meisten Spaß gemacht und da habe ich auch richtig das Leuchten in den Augen meiner Mandanten gesehen, wenn ich denen da weitergeholfen habe. Das war super.“ Aber da muss ich mich erstmal bewusst dran erinnern und sagen „Hey, was ist denn, was ich besonders gut kann?“, weil die eierlegende Wollmilchsau im Beratungsbereich, das wird eine Herausforderung. Das wird nur noch für die ganz großen Kanzleien gehen, wo ich halt viele verschiedene Experten habe. Die kleine Kanzlei wird sich sicherlich auf einen oder zwei oder drei besondere Skills beschränken dürfen.

Götz Müller: Du erwähnst du einen Punkt, der ist mir in anderen Branchen auch schon begegnet, dieses Gewohntsein, etwas so zu machen, was dann im Extremfall auch dazu führen kann, dass man es gar nicht mehr gewohnt ist oder es noch nie gelebt hat, nie erfahren hat, sein Geschäftsmodell zu überdenken und dann vielleicht zu ändern, weil ich glaube, jetzt so aus dem, was ich bei dir raus gehört habe und mein persönliches Weltbild eines Steuerberaters, ist das Geschäftsmodell an sich ja im Grunde seit, ja, vielleicht sogar seit Jahrhunderten, seit irgendwann mal jemand die doppelte Buchführung zum Beispiel erfunden hat, ist ja das Geschäftsmodell an sich vorbestimmt und wurde noch nie–

Benita Königbauer: Richtig. Was glaubst du, wie es dazu gekommen ist, dass ich die Kanzlei hatte, die ich niemals wollte. Ich habe genau das gemacht, was die meisten machen, ich habe meinen Schild rausgehängt und jeder, der einen Puls und ein Bankkonto hatte und nicht Illegales im Schilde führte, war prinzipiell mal mein Kunde. Es ist ja auch nicht so, wir haben ja die Gesetze an der Hand und alles, was da so drumrum an Fachliteratur noch ist. Wir können ja prinzipiell jedes Problem lösen, wenn wir ausreichend Zeit dafür zur Verfügung haben. Also … kommt irgendein Kunde, hat irgendein Problem, dann hängen wir uns da rein, schaffen uns irgendeine Expertise ran, das kostet unglaublich viel Zeit, wenn wir uns zum ersten Mal eine Expertise in einem neuen Gebiet antun. Dann ist es natürlich die Frage … also heute frage ich mich oder viele Dinge mache ich überhaupt nicht, die gebe ich sofort weiter an Kollegen, weil ich sage: Da müsste ich mir eine eigene Expertise schaffen. Es steht außer Frage, dass ich das kann, aber ich werde sehr lange dafür brauchen. Das kann ich dem Mandanten nicht in Rechnung stellen, weil ich weiß, um die Ecke gibt es einen Kollegen, der schüttelt das aus dem Ärmel, weil der macht den ganzen Tag nichts Anderes. Und was noch dazu kommt ich erweise meinem Mandanten einen Bärendienst, weil, egal wie tief ich in die Fachliteratur rein gehe, ich werde in diesem Bereich keine Beratungserfahrung haben. Und diese Beratungserfahrung enthalte ich meine Mandanten vor, wenn ich sage „Nö, klar kein Problem, ich wurschtel mich da rein, ich löse dein Problem.“ statt zu sagen „Weißt du was, wir holen uns hier jemanden ins Boot, der den ganzen Tag nichts Anderes macht, der mit 20 Jahren Beratungserfahrung in genau diesem Punkt rein geht und da die Antwort aus dem Ärmel schüttelt. Das kostet dich erstens weniger, selbst wenn er den doppelten Stundensatz dafür verlangt, kostet es sich weniger.“ Und ich in meiner Kanzlei muss mir nicht eine Woche lange Expertise ranschaffen für etwas, wofür ich zwei Stunden abrechnen kann und vermutlich erst in fünf Jahren der nächste meiner Kunden mit demselben Problem daher kommt und ich dann wieder bei Null anfangen muss. Das bringt nichts. Also habe ich meine Expertise in meinem Ding und ich löse genau diese Probleme für meine Kunden und alles andere löse ich übers Netzwerk.

Götz Müller: Gut. Wenn wir jetzt noch mal einen Schritt zurückgehen und vielleicht der ein oder andere Zuhörer jetzt in Gedanken hat „Ok, Digitalisierung der Buchhaltung ist ein Thema für mich.“, wie sieht denn so ein typischer Einstieg aus?

Benita Königbauer: Also ein typischer Einstieg würde für mich so aussehen, dass ich mich erstmal damit befasse, welche Prozesse möchte ich denn in meinen oder kann ich denn in meinem eigenen Unternehmen abbilden. Und welche Prozesse möchte oder kann ich lieber auslagern an meinen Steuerberater und wenn ich diese Frage beantwortet habe, dann kann ich mich mit meinem Steuerberater hinsetzen „Okay, wie sieht's denn bei Dir aus? Was möchtest oder kannst du denn tatsächlich in deiner Kanzlei übernehmen?“ Dann kommt die Frage nach der geeigneten Software, weil bei Digitalisierung gemeinsam mit dem Steuerberater, da ist ein ganz großes Thema, die richtige Software und Schnittstellen. Wenn die Schnittstellen nicht funktionieren, kannst du die ganze Digitalisierung in die Tonne treten.

Götz Müller: Ja, das ist dann dieser nette und etwas derbe Spruch von den digitalen Scheißprozessen.

Benita Königbauer: Richtig. Das bringt alles nichts. Das heißt Digitalisierung bringt dir nur dann etwas, wenn sie wirklich sauber durchläuft und die Übergabe vom Mensch an die künstliche Intelligenz und von der künstlichen Intelligenz zurück an den Menschen sauber funktioniert und in dem Bereich der künstlichen Intelligenz eben auch wenn da Übergaben an diverse Softwares notwendig sind, die auch miteinander sprechen, ohne dass da Reibungsverluste entstehen. Deswegen ist für mich erstmal wichtig, der Mensch am Anfang und der Mensch am Ende des Prozesses. Die Frage zu klären, wer macht eigentlich was. Weil das ist auch die Frage, wer übernimmt für was eigentlich die Verantwortung. Weil wenn mir mein Kunde sagt „Hey, ich digitalisiere meine Belege alle selber und ich verschlagworte die auch alle selber, ich mache auch meine Umsatzsteuervoranmeldung selber, ich will auch gar nicht, dass du, und dann in Klammern kostenpflichtig noch mal drauf schaust, dann muss ich ehrlich sagen, übernehme ich als Steuerberater für die Höhe der Umsatzsteuerzahllast auch keine Verantwortung, weil habe ich nicht gemacht. Und darüber muss gesprochen werden. Wer will welche Verantwortungen übernehmen, wer will welche Tätigkeiten übernehmen. Damit fängt der Prozess an. Und wenn das klar ist, dann können wir gucken, und wie kann uns die künstliche Intelligenz dazwischen am optimalsten nützlich sein, damit jeder von uns am allerwenigsten Ressourcen in seinem jeweiligen Bereich verschwendet auf Dinge, für die ist keine menschliche Ressourcen mehr braucht.

Götz Müller: Genau und ich glaube aber, auch wenn du es jetzt nicht ausgedrückt hast, aber ein Stück weit steckt auch die Frage nach dem Warum dahinter: Warum will ich es überhaupt machen? Und ein Stück weit haben es ja auch schon diskutiert, bestimmte Beratungsaspekte wieder in den Vordergrund bringen zu können oder überhaupt das erste Mal adressieren zu können, jetzt hat aber natürlich das Ganze … auch die Beratung ist ja kein Selbstzweck, genauso wie die Digitalisierung. Das heißt, ich muss im Grunde erstmal mir überlegen, was will ich eigentlich überhaupt, mal unabhängig davon, dass ich sowas wie Buchhaltung brauche. Und dann will ich jetzt da mal einen kleinen Bogen schlagen zu einem anderen sehr spannenden Thema: Also die Digitalisierung ist im Grunde nur, nach meinem Verständnis, Mittel zum Zweck, selber im Grunde eigentlich sinnlos, wenn ich mich falsch ausrichte.

Benita Königbauer: Also ich finde, die Digitalisierung ist für mich Mittel zum Zweck und, ja, um eben Ressourcen frei zu bekommen. Digitalisieren um das Digitalisierens Willen ist für mich vollkommen, also, es hat einfach keinen … es sei denn, ich bin jemand dem es einfach Spaß macht. Also prinzipiell die Buchführung, genauso wie die Steuererklärung ist für mich ein reiner Hygienefaktor, das Ding muss laufen, das muss funktionieren, da darf es keine Reibungen gehen, da darf es keinen Ärger mit dem Finanzamt geben. Da kann es einfach nicht sein, dass ich nach drei, fünf oder zehn Jahren dann noch irgendwelche riesen Dinger noch mal aufgerollt werden aus der Vergangenheit. Es ist ein Hygienefaktor, der muss laufen. Und da ist es die Frage, wie kriegen wir diesen Hygienefaktor so in die Tüte, dass wir möglichst wenig Ressourcen darauf verschwenden, Zeit, Geld, Nerven. Das sind die größten Ressourcen, die wir da einfach einsparen können und dann natürlich die Frage, was machen wir denn mit dem mehr Zeit, mehr Geld und mehr Nerven, die wir jetzt nicht mehr auf die Buchführung oder auf die Steuererklärung verschwenden müssen.

Götz Müller: Ja und ein Stück auch, wie sorge ich dafür grundsätzlich, weil die Buchhaltung selber ist ja jetzt keine Gelddruckmaschine, wie sorge ich dafür, dass ich diesen Aspekt Geld haben idealerweise, den stärker in den Vordergrund kriege.

Benita Königbauer: Genau. Und das ist zum Beispiel eines solcher Beratungsfelder, wie gesagt, bei mir war ja der Ansatz immer der, ich wollte ja Menschen mit Geld helfen und für mich persönlich ist es so, dass ich … ich habe profit first dazu gefunden. Das ist ein amerikanisches System, dass uns hilft einfach, unsere Ressourcen besser einzusetzen, so einzusetzen, dass unser Unternehmen tatsächlich auf festen Füßen steht und einen eigenen Gewinn erwirtschaftet und ein gutes Leben für den Unternehmer, für seine Mitarbeiter und für alle Beteiligten erwirtschaftet. Das ist mein Beratungsfeld, das kann ich besonders gut. Das macht mir besonders viel Freude beziehungsweise jetzt im zweiten Schritt seit Oktober, ich war jetzt fünf Jahre lang alleine mit diesem Beratungsfeld im deutschsprachigen Markt unterwegs. Das war schön, aber meine Zeit ist eben auch begrenzt, selbst wenn ich wirklich so viel ich kann dafür einsetze, kann ich halt nur ein paar hundert Unternehmen damit helfen. Der nächste Schritt ist seit Oktober halt, dass wir die Ausbildung von weiteren profit first professionals in die deutsche Sprache geholt haben. Bisher konnte man sich nur in Amerika auf Englisch ausbilden lassen und das war halt für viele eine Hürde. Und jetzt seit Oktober haben wir weitere profit first professionals in der Ausbildung. Ich bilde die selbst aus. Wir werden mehr und es gibt eine Menge Steuerberater, die dieses Beratungsfeld für sich erkennen und sagen, das ist genau das, was ich mit meinem Kunden eigentlich immer machen wollte, wenn ich die Zeit dafür gehabt hätte.

Götz Müller: Jetzt glaube ich musst aber auch noch ein, zwei Sätze oder auch mehr dazu sagen, um was es denn da geht. Natürlich hat man anhand des Begriffs ein gewisses Bild im Kopf, aber vielleicht noch nicht genau das, was dann wirklich dahinter steht.

Benita Königbauer: Genau. Der Begriff zieht tatsächlich oft die falschen Bilder in den Kopf. Gewinn für sich, genau wie Digitalisierung um das Digitalisierens Willen, Gewinn um des Gewinns Willen ist sinnlos. Die Frage: Was verschafft mir Gewinn im Unternehmen? Und das sind … was profit first im Grunde genommen tut, ist die Ressourcen, die wir im Unternehmen vorhanden haben, nach Verhaltensbiologischen Aspekten so einzuteilen, dass wir in unserem Unternehmen zum besten Ergebnis kommen. Weil mal ganz ehrlich, natürlich haben die Steuerberater recht, in den betriebswirtschaftlichen Auswertungen, in den cash flow statements, in den Bilanzen, in den Gewinnermittlungen steht alles drin. Wenn man die gut lesen kann und wenn man darauf geschult ist, kann man mit diesen Unterlagen was anfangen. Nichtsdestotrotz sind sie immer Geschichtsunterricht. Das heißt, ich weiß, was das Unternehmen letztes Jahr, letzten Monat, letztes Quartal gemacht hat. Das hilft aber dem Unternehmer bei seinen 3-Minuten-Entscheidungen, die er siebzigmal am Tag treffen muss über irgendwelche Investitionen – Ja/nein. Mitarbeiter, ja/nein. Neuer Bürostuhl, ja/nein. Neuer Server, ja/nein. Bei diesem Fragen hilft uns weder die BWA, noch das cashflow statement vom letzten Quartal, noch sonst irgendetwas, sondern da hilft uns eigentlich nur die Vorausschau. Und was tut der Unternehmer, statt letztlich in all diese Unterlagen einzutauchen oder seinen Steuerberater zu sagen „Du, wenn du irgendwann in den nächsten 14 Tagen mal Zeit hast, guck doch da mal rein und sag mir mal, ob ich einen neuen Mitarbeiter einstellen kann.“ Was tut er? Er guckt auf dein Konto, weil das ist die nächstbeste Quelle, die uns mit Informationen über unseren finanziellen Zustand versorgt. So nun schaut er auf sein Konto, nehmen wir mal an am 20. des Monats. Es habe einige Kunden gezahlt, die Gehälter sind noch nicht fällig und auf dem Konto befindet sich ein dickes fettes Plus. Alternativ dazu schaut er am 2. des Monats auf sein Konto, die Gehälter sind gerade gezahlt, die Sozialversicherungen haben abgebucht, Lohn- und Umsatzsteuer steht vor der Tür, die Zahlungen zum ersten, Miete, Pacht, Leasingverträge und so weiter ist alles weg. Zehn Tage später sieht es sozusagen auf dem Konto ziemlich mau aus. Und dann ist es so, wenn wir jetzt die Entscheidungen, die der Unternehmer trifft am 20. mit den Entscheidungen mit genau demselben Sachverhalt mit den Entscheidungen vergleichen, die er an diesem zweiten eines Folgemonats trifft, treffen wir signifikant andere Entscheidungen. Wenn da am 20. jemand kommt und ihm ein tolles Werbekonzept vorschlägt und sagt „Mensch, wir könnten ja mal richtig für Sichtbarkeit sorgen. Das ist doch eine super Sache, das kostet dich auch nur 5000€ aktuell.“, dann wird der Unternehmer am 20. eher geneigt sein zu sagen „Oh super, es ist ja Geld auf dem Konto. Wir machen jetzt mal eine Werbeaktion.“ als 12 Tage später. Da würde der den wahrscheinlich mit der Mistgabel vom Hof jagen, würde sagen „Du pass mal auf, ganz ehrlich, ich habe gerade überhaupt kein Geld und keinen Nerv für sowas. Ich muss jetzt erstmal wieder Geld ranschaffen.“ Die finanzielle Situation des Unternehmens hat sich in diesen 12 Tagen überhaupt nicht verändert und doch fallen die Entscheidungen signifikant anders aus was. Was profit first tut ist, es zeigt uns den Kontostand, auf unserem Konto, das Geld, was wir real besitzen und überhaupt zur Verfügung haben, um neue Kosten anzupacken und laufende Kosten zu decken. Das heißt, wir haben eine wesentlich bessere Entscheidungsgrundlage und das tut profit first dadurch, dass wir Gelder bereits im Vorfeld besonderen Zwecken zuweisen. Es ist so ein bisschen ähnlich wie budgetieren, nur das wird mit echtem Geld tun. Das heißt, das Steuergeld für das Finanzamt ist bereits auf einem separaten Konto, bevor ich auf mein Konto gucke und mir überlege, ob ich die Werbemaßnahme jetzt gerade machen möchte oder nicht. Mein Hirn musst nicht mehr denken „Hmm, ok, von diesem Geld auf diesem Konto, was gehört mir denn davon? Wie viel davon müsste eigentlich schon angespart sein für die Betriebshaftpflichtversicherung, die am 01.03. abgebucht wird. Wie viel davon gehört eigentlich dem Finanzamt für die Steuern von 2018? Wie viel davon ist für die Umsatzsteuer vom laufenden Monat?“ Das muss ja das Gehirn eigentlich alles leisten und ich meine, ganz ehrlich, das menschliche Gehirn ist ein Wunderwerk, aber das kann es nicht. Und so kommen wir zu dämlichen Entscheidungen.

Götz Müller: Jetzt hast du einiges über Hirn und so weiter und Hirn ist für mich auch denken eben. Jetzt würde ich mal sagen, wenn es so ganz natürlich wäre, so zu denken, dann würde es ja jeder machen. Das heißt, ich muss irgendwo meine Denkweise ändern. Das heißt, was sind so die Denkweisen, die anderen Denkweisen, die ich da brauche und weil es ja offensichtlich, vermute ich mal, nicht so einfach ist, sein Denken einfach zu verändern, was sind dann die damit verbundenen Hürden, was dir so begegnet?

Benita Königbauer: Was für eine schöne Steilvorlage. Tatsächlich müssen wir unser Denken überhaupt nicht verändern. Das ist nämlich die Besonderheit von profit first, das sagt: Okay, wir können natürlich – das ist ähnlich wie bei Diäten oder so – wir können unser Verhalten und unser Denken durch reine Willenskraft verändern. Das Problem ist, dass Willenskraft wie ein Muskel ist und Willenskraft ermüdet. Und als Unternehmer das Leben eines Unternehmers ist ein Marathon. Wir entscheiden jeden Tag zigtausende von Dingen und dieser Entscheidungsmuskel und die Aufbietung allen Zusammennehmens und anders und besser denken, ermüdet dabei genauso und in dem Moment, wo wir richtig unter Stress stehen, fallen diese erlernten Verhaltensweisen hinten runter und wir fallen in unsere normalen menschlichen Verhaltensweisen zurück. Und wir Menschen sind halt mehr wie Pille und dann haben wir auch emotionale Entscheidungen und dann sitzen wir zwar hinterher da und sagen „Verflixt noch mal, eigentlich wolltest du es anders entscheiden, aber gelungen ist es nicht und das Ding ist durch.“ Und mit diesem Verhalten arbeitet profit first und nutzt es zu unseren Gunsten. Das heißt, wir schaffen ein Umfeld, in dem wir gar nicht anders denken müssen, sondern in dem unser normales, natürliches Denken zu dem Ergebnis führt, dass wir vorherbestimmt haben. Wir stellen links und rechts Leitplanken auf für unser Denken, sodass wir auch unter Stress die richtige Entscheidung treffen können, ohne unseren Willenskraftmuskel zu beanspruchen, der vielleicht, vielleicht aber auch nicht, gerade sehr müde ist.

Götz Müller: Da kommt mir der Gedanke, im Grunde ist es auch so etwas wie ein Arbeitsstandard und Denkstandard, wo ich dann auch immer wieder auf Widerstand stoße, wenn Leute sagen „Ach, immer nur Routine, das ist doch langweilig.“, wo ich dann sage „Nein, dieser Standard nimmt dieses schwierige Denken unter Umständen ab für Sachen, die eigentlich Routine sind, läuft dann automatisch, ich habe dann meinen Entscheidungsmuskel für die wirklich wichtigen Sachen zu Verfügung. Das sehe ich also eine sehr hohe Ähnlichkeit.

Benita Königbauer: Wenn du Prozesse und Projekte gestaltest, machst du es ja auch so, dass du sagst „Ok, wie kommen wir eigentlich immer zum optimalen Ergebnis dieses Prozesses? Und ich kann damit allen Stufen im Unternehmen den Denkprozess abnehmen, an der Stelle den Prozess neu zu erfinden und sagen „Nee, wir haben uns schon mal einen Kopf drüber gemacht und wir kommen da mit dem perfekten Ergebnis raus.“ Und das ist genau das Gleiche bei profit first, wir tun es eben mit Konten, indem wir das Geld auf bestimmte Konten verräumen. Und wo du vorhin über Denkhürden gesprochen hast, also es gibt zwei große Denkhürden. Die erste ist, dass die Menschen sagen „Ja, aber das Geld wird doch nicht mehr, bloß weil ich es verteile. Inwieweit soll mir das helfen, besser mit meinem Geld klar zu kommen?“ und das ist tatsächlich richtig, im ersten Moment wird es nicht mehr. Wenn ich also aus meinem Guthaben von 10000 € erstmal die Steuern rausnehme und dann den Gewinn rausnehme und das Inhabergehalt rausnehme, eigentlich in einer anderen Reihenfolge, ich habe es jetzt falschrum gesagt, wenn ich das alles mal rausnehme, und dann bleiben da vielleicht nur noch 4000 € auf dem Konto übrig, zur Bestreitung der laufenden Kosten. Dann sind das eben nur noch 4000 auf dem Konto und nicht mehr zehn. Wir hatten vorher auch nur 4000, aber wir haben's nicht gesehen. Das heißt, wir hätten locker 6000 € ausgeben können und hätten uns erst dann in Schwierigkeiten gebracht, wenn der andere Anspruchsteller wird zum Beispiel das Finanzamt den Bescheid schickt und das ist der Klassiker, den Steuerberater jedes Jahr erleben, dass wir unseren Mandanten sagen „So, das ist ein Gewinn, das ist die Steuer, die du dafür zahlst.“ und der guckt uns mit großen Augen an und sagt „Ja, und wo ist das Geld?“ Weil es in der Zwischenzeit schon irgendwo hingegangen ist.

Götz Müller: Ich schütze ja im Prinzip den Menschen, speziell den Unternehmer, ja ein Stück weit vor sich selber, indem ich ihm etwas wegnehme, was er eigentlich eben gar nicht mehr hat und ihm dann eben praktisch sprichwörtlich auf die Finger haue, die dann da in die Kasse greifen, und dann hat er zum Schluss, glaube ich, schon mehr Geld, weil er halt diese vielleicht auch etwas impulsgesteuerten Ausgaben halt nicht tätigt.

Benita Königbauer: Genau so ist es. Das ist nämlich genau der Punkt. Es wird mehr Geld, weil das Geld, was dem Finanzamt gehört hat, hat dem vorher auch schon gehört. Das ist nicht mal so, dass ich es wegnehme, sondern das hat dem Unternehmer zu keinem Zeitpunkt jemals gehört, obwohl es auf seinem Konto liegt, aber das eigentlich Treuhandgeld, das uns der Kunde überweist zur Weiterleitung ans Finanzamt, aber dieses Bewusstsein ist nicht da. Wenn das mal da ist und man sagt „Hoppla, das Geld gehört mir gar nicht. Ich nehme gerade ein Darlehen beim Finanzamt auf in Höhe von 2000 €.“, dann mache ich es vielleicht auch nicht beziehungsweise ich mache es ganz sicher nicht. Ich erlebe das bei meinen Kunden seit fünf Jahren, die tun es einfach nicht mehr und dann geben sie weniger Geld aus und wenn wir weniger Geld ausgeben, haben wir über die Zeit mehr. Wir machen unser Unternehmen schlanker, gesünder, wir holen uns nur noch die Sachen rein, von denen wir uns wirklich eine Nutzen versprechen. Wir durchdenken unsere Investitionen anders und das funktioniert sehr gut. Die zweite Denkhürde, auf die wir ganz oft stoßen ist „Oh mein Gott, ich habe ja mit einem Konto schon keinen Überblick mehr, wie soll das mit fünf werden?“ Und das ist tatsächlich auch etwas, was man nur in der Praxis erleben kann: Jedes einzelne Konto reduziert die Komplexität der Geldentscheidungen. Das ist erstmal widersinnig, weil das wuselt dann auf 5 Konten herum, aber es wuselt eben nicht. Die meisten davon sind Parkkonten, auf dem Steuerkonto wuselt gar nichts, solange nicht eine Steuer fällig wird. Auf dem Gewinnkonto wuselt gar nichts solange der Gewinn nicht ausgeschüttet wird. Und jedes einzelne Konto entlastet unser Gehirn davon, darüber nachzudenken, was in diesem ominösen Saldo auf dem Ausgabenkonto eigentlich alles drin ist.

Götz Müller: Jetzt möchte ich zum Abschluss noch einen Punkt adressieren, wo ich noch nicht ganz drüber im Klaren bin, was irgendwo dahinter steckt. Jetzt in meinem Kontext, im Lean Management, da gibt's diesen Spruch customer first, also sprich, ich kümmere mich erstmal um meinen Kunden und das Geld ist dann eine Folge, dass ich dafür bekomme. Haben wir da jetzt einen Widerspruch gegeben, ich bin mir da noch nicht ganz sicher, profit first, customer first oder ist es ganz etwas anderes? Ergänzt sich vielleicht oder komplettiert sich gegenseitig?

Benita Königbauer: Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, es bedingt sich gegenseitig. Denn profit first, ich habe es vorhin schon mal gesagt, Profit oder Gewinn um des Gewinns Willen ist nichts wert. In vielen kleinen Unternehmen und ich glaube, da muss man auch für sich einfach mal klar darüber sein, 80% aller kleinen und mittleren Unternehmer gehen unter dem Mindestlohn nach Hause. Das heißt, die Zahlen im Zweifelsfall demjenigen, der Ihr Postfach ausleert mehr als sich selbst als Unternehmer. Und das ist ein ganz schwieriger Missstand, weil diese Menschen mit einem Teil ihrer Kapazitäten im Überlebenskampf stecken. Also 5 Jahre mit diesen Menschen gearbeitet und über 20 Jahre in der Steuerberatung haben mir genug Einblick gegeben in die Realitäten dieser Unternehmen, um ganz klar zu sagen, ja, die überleben und, ja, die kriegen es hin und ich bewundere diese Menschen jeden einzelnen Tag dafür, wie sie es hinkriegen letztendlich doch die Enden zusammenzubringen, aber ich weiß auch aus eigener Erfahrung, das ist ein unendlich anstrengender Prozess. Und diese unendlich anstrengenden Prozesse verursachen, dass wir als Unternehmer nicht gut für uns selbst sorgen können. Das heißt, wir betreiben Raubbau mit unserer Gesundheit, wir betreiben Raubbau mit unserem Privatleben, mit unserem Familienleben. Sehr viele Unternehmer verlieren einen Teil ihrer Familie auf den Weg, haben ihre Kinder seit fünf Jahren nicht mehr bei Tageslicht gesehen und all diese Dinge und für mich ist das Wertvollste, was wir als Menschen haben, ist Lebenszeit. Und wenn wir als Unternehmer langfristig funktionieren wollen, dann ist es unsere heilige Pflicht uns gut um unser bestes Pferd im Stall zu kümmern. Und das beste Pferd im Stall, egal wie toll unsere Mitarbeiter sein mögen, sind wir. Und nur, wenn wir wirklich Zeit haben, zu schlafen, weil wir nachts um 3 Uhr nicht mehr schweißgebadet hochfahren, wenn die Umsatzsteuer oder die Gehälter fällig sind, wenn wir Zeit haben, uns auch mal übers Wochenende rauszunehmen und die Gedanken mal vom Unternehmen abzuschalten und Zeit mit unserer Familie zu verbringen. Wenn wir die Dinge, die unser Herz bewegen tun können, dass wir sagen … es gibt ganz oft Unternehmer, die sagen „Es wäre so wahnsinnig schön, wenn ich meine Kinder mal von der Schule abholen könnte.“ Das sind eigentlich kleine Dinge, aber das Unternehmen lässt uns das nicht zu, weil wir im Überlebenskampf stecken, weil die Frage ist „Was ist wichtiger? Mein Kind von der Schule abzuholen oder ihm mittags was auf den Tisch zu stellen?“ und das dürfen eigentlich keine Fragen sein und das Schlimme ist, wenn wir jetzt den Bogen schließen zum customer first, solange wir in diesem Überlebenskampf drin sind, wird ein Teil unseres Gehirns auch während wir uns für unseren Kunden engagieren, immer mit dem Überlebenskampf beschäftigt sein. Wir können nicht aus der Fülle heraus arbeiten, wir können nicht aus unserer vollen Kraft heraus arbeiten, weil ein Teil von uns immer damit beschäftigt ist, die nächste Miete sicherzustellen.

Götz Müller: Im Grunde heißt es also weder customer first, noch profit first, sondern sagen wir mal self first, also selber.

Benita Königbauer: Ja. Profit first ist customer first und self-care first. Weil diese Unternehmen, die alleine nicht existieren können, die hängen ja letztendlich … das ist kein Unternehmen, das klingt immer so hart, wenn man das sagt, aber ein Unternehmen, das nur dann existiert, wenn wir permanent an der Kurbel drehen, ist kein Unternehmen. Das ist ein Pflegefall und das ist Langzeitpflege, das ist auch etwas, was wir später nicht verkaufen können. Das hat keinen eigenen Marktwert ein solches Unternehmen. Das heißt, was wir tun dürfen und was eben auch geht, was sich ganz viele, das ist auch eine Denkhürde, mit der ich mich beschäftigen muss, viele sagen „Das geht gar nicht.“. Doch, das geht. Wir sind es nur nicht mehr gewohnt. Wir können unser Unternehmen so aufstellen, dass es für sich selber Gewinn erwirtschaftet. Gewinn ist das Lebensblut eines Unternehmens. Das heißt, dass wir keine Bankfinanzierungen in Zukunft mehr brauchen, um das nächste Auto zu kaufen oder die nächste Serveranlage, sondern dass wir das auch Innenfinanzierung, aus eigener Kraft, tun können. Dass wir Notfallrücklagen haben als Unternehmen, dass wir wissen, unser Laden läuft 3 oder 6 Monate problemlos weiter, selbst wenn ab morgen kein einziger Kunde mehr bezahlt. All das ist Gewinn. Das nächste ist eben, wir als Unternehmer brauchen anständiges Gehalt, weil es tut mir leid, wenn wir uns Zeit nehmen wollen als Unternehmer für Dinge, die wichtig sind, auch strategische Überlegungen, uns mal einen Tag, zwei, drei, rauszunehmen, um zu überlegen, wie soll es denn weitergehen oder über Digitalisierung nachzudenken, dann brauchen wir Zeit. Zeit bedeutet im Unternehmenskontext Geld, weil in der Zeit, in der uns überlegen, wie die Digitalisierung aussieht, sind wir nicht beim Kunden und setzen Geld um, sondern wir setzen uns erstmal zurück, wir investieren Zeit und wir investieren unter Umständen auch Geld, ohne dass in der Zeit etwas hineinfließt. Also brauchen wir Geld, um das tun zu können. All diese Dinge und wir müssen einfach auch gesund sein. Ich meine, in den meisten Unternehmen ist es so, wenn der Unternehmer sechs Wochen ausfällt, können die den Laden zusperren. Das kann's nicht sein. Also müssen wir dafür sorgen, erstens, dass wir die sechs Wochen nach Möglichkeit erst gar nicht ausfallen. Und zweitens, dass wir das ohne weiteres überleben, falls es dann doch einmal passiert. Weil selbst der gesündeste von uns, kann man vor die Trambahn laufen. Und diese Dinge eben vorne dran zu stellen und wenn wir das haben und voll in unserer Kraft sind, dann wird automatisch der Kunde von uns eine bessere und nachhaltigere Dienstleistung bekommen als er es jetzt hat. Und wir werden automatisch auch mal unsere Angebot hinterfragen können, sagen können „Wie kann ich dir besser dienen, besser helfen? Was kann ich für Prozesse aufstellen, die dir als Kunden noch mehr nutzen?“ Das sind doch Fragen, die können wir im Alltag gar nicht stellen, solange wir in dem Hamsterrad drin sind.

Götz Müller: Gut. Benita, ich fand das jetzt eine sehr spannende Unterhaltung von einem anfänglich, sagen wir mal, eher profanen Thema Digitalisierung in der Buchhaltung, dann zur schon definitiv philosophischen Gedanken übers Unternehmerleben und so weiter. Deshalb danke ich dir für deine Zeit. Ich werde dann noch ein paar Notizen in der Episode vermerken, wo man dich gegebenenfalls kontaktieren kann, wenn man über das Thema profit first mehr wissen will.

Benita Königbauer: Sehr gerne. Da würde ich mich freuen.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Benita Königbauer zum Thema Digitale Buchhaltungsprozesse. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 187.

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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder zu lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

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