Inhalt der Episode:
- In welchen Situationen spielt Remote-Kommunikation eine Rolle?
- Was macht Retrospektiven in diesen Situationen besonders? Welche besonderen Herausforderungen entstehen für Moderatoren und Teilnehmer in diesen Situationen?
- Was ist grundsätzlich ein nützlicher Retrospektive-Prozess?
- Was sind die Schlussfolgerung daraus?
- Welche Prinzipien gelten für Remote Retrospektiven? Was lässt davon auf allgemeine Remote-Kommunikation übertragen?
- Wie lassen sich „Verbindungen“ zwischen den Teilnehmern schaffen?
- Wie sollte man grundsätzlich Remote-Kommunikation angehen?
Notizen zur Episode:
- Website von Kristina Müller
- LinkedIn-Profil von Kristina Müller
- Blog-Artikel bei T2Informatik
- YouTube-Video
- Diverse Hilfsmittel: https://www.collaborationsuperpowers.com/supercards/ – https://easyretro.io – https://miro.com
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(Teil)automatisiertes Transkript
Episode 231 : Remote Kommunikationsprozesse
Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.
Götz Müller: Heute habe ich Kristina Müller bei mir im Podcast-Gespräch. Sie ist Agile Transformation & Leadership-Coach. Hallo Kristina.
Kristina Müller: Hallo Götz. Vielen Dank für die Einladung.
Götz Müller: Ja. Schön, dass du dabei bist. Ich habe schon einen halben Satz zu dir gesagt, aber stell dich gerne noch mal ein bisschen intensiver den Zuhörern vor.
Kristina Müller: Das mache ich gern. Also wie Götz ja bereits sagte, bin ich Agile Leadership und Transformation-Coach. Vielleicht näheres dazu. Ich bin von Haus aus Wirtschaftspsychologin und Systemikerin, bin hauptsächlich in der Organisationsentwicklung unterwegs, das heißt, ich begleite Unternehmen dort auf dem Weg zu, entweder überhaupt den ersten agilen Schritten oder zu den weiteren agilen Schritten, gerade bei denen, die schon weit fortgeschritten sind, entwickle dort natürlich auch Leadership Skills mit den Leuten, das heißt sowohl für Führungskräfte, die eher einen traditionellen Weg gewohnt sind, als auch für Menschen, die in eine laterale Führungsrolle kommen oder gehen, begleite ich die auf diesem Weg. Gleichzeitig bin ich Gründerin von noch unterschiedlichen Unternehmen, eins davon ist ein Trainingsbusiness und ein Startup, was ganz frisch im Dezember gegründet ist, das noch gar keine Homepage hat, sondern wir konzentrieren uns da tatsächlich auch die Produktentwicklung von einem Talent Management Pool und freuen uns, das bald auch announcen können.
Götz Müller: Ja. Da mache ich mir gern mal einen mentalen Marker, das wäre vielleicht dann schon ein Thema für eine nächste Episode.
Kristina Müller: Können wir gern noch mal darüber sprechen.
Götz Müller: Ja. So, jetzt haben wir uns heute vorgenommen, das Thema Remote-Kommunikationsprozesse und in Zeiten von Homeoffice denkt vielleicht jeder „Ja, kenne ich schon. Muss ich die ganze Zeit schon machen.“, aber vielleicht zum Einstieg mal so diesen pauschalen Begriff Homeoffice und Remote- Kommunikation mal ein bisschen aufgefächert, was sich dann darunter alles verstecken kann.
Kristina Müller: Also ich sag mal so, dieses „Wir arbeiten nicht mehr alle an einem Ort, wo die Leute sind ist zweitrangig und wir sind digital miteinander verbunden“ sind so die spannenden Dinge, was für mich dort in den letzten Wochen und Monaten besonders deutlich geworden ist, ist das vieles an informeller Kommunikation, so etwas wie auf dem Weg zur Kaffeemaschine, ja, man trifft sich, man unterhält sich da, in der Raucher*innen-Ecke unterhält man sich über zufällige Dinge oder auch Beziehungsgestaltung funktioniert ja darüber nach und das Spannende ist an der Stelle finde ich, wie sich Beziehung und wie sich Kommunikation eben gestaltet, wenn diese Sachen eben nicht mehr zufällig oder indirekt passieren, sondern dass man alles in explizite Kommunikation bringen muss. Heute sagte gerade eine Klientin von mir, dass sie eine Studie dazu gelesen hat, dass von dem, was sonst unsere Körpersprache ausmacht und das sind natürlich auch so, je nachdem, was man sich anguckt, 85 bis 95 Prozent, remote nur noch 7 Prozent ankommt. Das heißt, das was vorher unsere Kommunikation ausgemacht hat, der große Teil der Körpersprache, wozu auch Stimme gehört, das ist eben das, was man gut hört, fällt weg. Umso mehr braucht man Worte, um Dinge zu beschreiben und viele Sachen, die man sonst implizit durch den Körper gezeigt hat, muss man jetzt beschreiben. Und da sind nicht alle geschult drin oder viel mehr trainiert. Es geht ja gar nicht um Schulung, sondern wir sind das nicht gewohnt.
Götz Müller: Und ich glaube, man muss es sich überhaupt erstmal bewusst machen, dass es das noch gibt, weil sonst Körpersprache, je nachdem, wo man hinkommt, sind dann die Hände dabei oder auch nicht und in der Regel denkt man da aber gar nicht drüber nach. Nur wenn dieses ganz natürliche wegfällt beziehungsweise mein Gegenüber das gar nicht sehen kann, dann wird’s, glaube ich, besonders wichtig, darüber nachzudenken.
Kristina Müller: Ja.
Götz Müller: Okay. Jetzt noch ein bisschen genauer hingeguckt, was für Situationen gibt’s, wo Remote-Kommunikation mit diesen Elementen dann eben eine Rolle spielt, du hast es schon angedeutet, verteilte Teams aber die sich ja auch in unterschiedlichen Situationen treffen können. Die Kaffeeküche ja wahrscheinlich eher nicht mehr.
Kristina Müller: Also es gibt durchaus Unternehmen, die eine digitale Kaffeeküche aufmachen, dann zum Beispiel in einem Slack-Channel, also für die, die Slack nicht kennen, das ist eben ein Chat-Programm, wo man einfach verschiedene Kanäle aufmachen kann und dann gibt es so etwas da. Das hat, soweit ich in meinem Kundenstamm so gucke, nicht immer gut funktioniert. Was bei einem Kunden gut funktioniert hat, ist, dass die morgens zweimal die Woche eine Viertelstunde haben, wo sie sozusagen einen virtuellen Kaffee stattfinden zu lassen. Und dort ist verboten über eben zum Beispiel Arbeitsthemen zu sprechen und das ist ganz gut besucht.
Götz Müller: Okay. Ja, auch spannend. Ja, mir kam da jetzt gerade, wo du angefangen hast zu erzählen, in den Sinn, in dem Unternehmen, wo ich früher gearbeitet habe, da waren diese sprichwörtlichen Aufzugsgeschichten oder vor dem Aufzug besonders wichtig, vor allen Dingen, weil dort wirklich Entscheidungen getroffen wurden, was wir damals remote, schwedisches Unternehmen und wir in Deutschland, das gar nicht mitgekriegt haben. Und ich entsinne mich dann noch sehr gut dran, wo wir dann im Grunde ein Jahr später, mal eine Unterstützung, interkulturelle Kommunikation und solche Dinge, uns reingeholt hatten und da uns also die Kronleuchter reihenweise aufgingen und im Grunde jeder so dachte, ja, Fettnäpfchen pflasterten ihren Weg.
Kristina Müller: Also was mir dazu einfällt ist auch der Punkt, ich erinnere mich, ich habe vor zwei Jahren in einem sehr internationalen Kontext gearbeitet, da war es von vorne rein das Setup, dass Leute über den gesamten Globus, zum Teil eben auch über drei Zeitzonen verteilt waren, die, und wir sprechen ja später auch noch über Retrospektiven, aber das kann man sehr allgemein halten, die Termine, die stattgefunden haben, haben alle eben über ein Videokonferenztool stattgefunden und wenn dann so etwas wie Brainstorming stattgefunden hat, dann hat das meistens an dem Ort stattgefunden, wo der Hauptteil oder die größere Anzahl an Leuten gesessen hat. Das führte dazu, dass einige der Teammitglieder sich gefühlt haben, als würden sie zuschauen, ja, und auch da haben wir eben Wege und Möglichkeiten gefunden und jetzt durch Corona hat das natürlich einen extremen Boost erfahren, wie man gemeinsam auf einem geteilten Dokument arbeiten kann, dass die das Gefühl hatten, das war auch das Feedback von denen, als wir dann in den Terminen und auch in der Retrospektive das anders gestaltet haben, war „Kristina, cool, ich habe nicht mehr das Gefühl, dass ich zuschaue, sondern ich habe das Gefühl, dass ich mitmache.“. Das ist für mich ein ganz essenzieller Teil und das war auch den Leuten, die eben dort vor Ort, wo eben das Flipchart stand, was dann eben abgefilmt wurde, das war denen auch nicht bewusst, weil das war niemals deren Intention.
Götz Müller: Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Jetzt hast du schon den Begriff Retrospektive genannt, vielleicht weiß jetzt nicht jeder der Zuhörer, der ganz eng im agilen Kontext und so weiter unterwegs ist, vielleicht dazu noch mal ein Stichwort und dann aber eben auch vertieft, weil ich glaube, dass ist gutes Beispiel, noch mal konkrete und vielleicht gibt's auch weitere Herausforderungen letzten Endes, einerseits für den Moderatoren und wie du es ja angedeutet hast, aber auch für die Teilnehmer.
Kristina Müller: Also Retrosprektive ist ein Termin aus dem Scrum-Framework. Auf Scrum brauchen wir gar nicht so sehr einzugehen, das, was es, glaube ich, braucht ist zu wissen, das Scrum in Iterationen arbeitet. Stellen wir uns vor, so eine Iteration ist, auch erfahrungsgemäß passt das ganz gut dazu, zwischen zwei und vier Wochen lang und am Ende einer jeden Iteration, wo man sich auch bestimmte Ziele gesetzt hat, endet das mit eben diesem Retrospektiven- Meeting. Das heißt dort fragt sich das Team, was es in aller Regel in Scrum ist, was ist gut gelaufen, was ist nicht so gut gelaufen, was können wir verbessern. Ja, also das, was ja auch im Kaizen die Grundlage ist, kontinuierliche Verbesserung, und da geht es um die Verbesserung der Zusammenarbeit. Als Wirtschaftspsychologin würde ich sagen, das sind regelmäßige Teamentwicklungsworkshops oder Teambuilding-Workshops. Die haben immer vielleicht auch einen unterschiedlichen Schwerpunkt. Das kommt ein bisschen drauf an, wie die Person, die das moderiert, sich das vorher überlegt, es kommt auch ein bisschen auf die, ja, ich will mal sagen, Tendenzen, wie das Team so tickt an. Also manche gucken da eher prozessual drauf, andere gucken vielleicht mehr in die zwischenmenschliche Beziehung. Das kann sehr unterschiedlich sein und das liegt auch ein bisschen so daran, welchen Rahmen man schafft oder wie man’s moderiert, auf was dann der Schwerpunkt gelegt wird.
Götz Müller: Ja, ich habe da gerade so kurz das Bild des Nerds, des ITlers da vor mir gehabt, die ja jetzt vielleicht nicht unbedingt … also zumindest, wie ich sie manchmal kennengelernt habe, aber auch da gibt's Unterschiede, die großen Kommunikatoren sind.
Kristina Müller: Ja, das war auch mein Gedanke, als ich in die Softwareentwicklung gekommen bin, weil ich ja keinen technologischen Hintergrund habe, war ich da vielleicht auch die Nerd unter den Nerds und ich hatte da ja auch so meine Vorurteile von Kellerkindern oder sowas und ich muss sagen, dass meine Erfahrung eine völlig andere ist. Einerseits waren einige tatsächlich froh, eben diesen Raum zu haben, auch zu wissen, spätestens in diesem Termin können wir darüber reden. Es gab immer mal wieder welche, die gesagt haben, natürlich, das ganze zwischenmenschliche Gequatsche, das bringt mir alles nichts, dann ist aber die Frage, was bringen die Leute ein und das liegt ja auch daran, wie sie es selber mitgestalten, also da haben wir dann auch ein Weg gefunden. Und meine Erfahrung damit ist tatsächlich sehr gegenteilig, dass der Großteil eben dieser vermeintlichen Nerds, eine sehr große Wertschätzung dafür hat, sich genau das auch anzugucken und dann einen richtig guten Job zu machen.
Götz Müller: Okay, und jetzt vielleicht noch mal ein bisschen stärker rausgearbeitet, wo sind deiner Ansicht nach die große Unterschiede zwischen dieser physischen Präsenz und diesem Remote, wo man vielleicht nur in ein kleines schwarzes Loch reingeguckt und man manchmal gar nicht das Gegenüber sieht, weil ja nicht jeder eine Kamera hat.
Kristina Müller: Ja. Für mich sind die … ich überlege gerade, wie ich es ausdrücke, aber die spannenden Unterschiede sind an der Stelle, das, was ich eingangs auch schon mit angerissen habe, die fehlende Körpersprache. Wir haben die Herausforderung in Remote-Retrospektiven oder auch in Remote-Meetings, das betrifft ja alle, da aber im Besonderen dadurch, dass wir ja zwischenmenschliche Themen auch ansprechen, wo es vielleicht auch mal konfliktär wird, haben wir eben nicht die Möglichkeit, hinterher auf dem Weg zur Kaffeemaschine, oder wo auch immer hin, noch mal ein Ok-Signal zu senden, zu sagen „Hey, war nicht so gemeint“ oder noch mal nachzuhaken, ist denn das, was ich da adressieren wollte, auch wirklich so angekommen, dieses Nachjustieren bedarf dann einer expliziten Kommunikation danach. Das heißt im Zweifelsfall sogar eine Terminvereinbarung, sodass das dadurch, gemäß unserer Gewohnheit vielleicht sogar einen sehr offiziellen Charakter bekommt. Das heißt, dass es Aufgabe von denen, die es moderieren, dass also solche Szenarien auch möglicherweise vorzudenken, was könnte im schlimmsten Fall passieren, ja, oder was soll ich damit eigentlich beabsichtigen und da einen Plan B und Plan C auch methodisch vorzubereiten, um sicherzustellen, dass möglichst das passiert, was man sich vorstellt. Und es geht nicht darum, möglichst die Antworten zu bekommen, die man sich vorstellt, sondern dass sie möglichst sich mit dem beschäftigen, worum es in der Retrospektive geht.
Götz Müller: Ja, und ich könnte mir gut vorstellen, dass ich da als Moderator noch eine undeutlich verstärkte Aufmerksamkeit und die Kunde vorher schon Problembewusstsein haben muss, dass es solche Situation überhaupt geben kann, weil vorher haben die zwei das auf dem Weg zur Kaffeeküche untereinander ausgemacht und im Grunde hat es vielleicht im positiven Fall gar keiner mitgekriegt.
Kristina Müller: Ja. Das ist ein spannender Punkt, was du sagst, denn Scrum, da mag ich gerne noch Bezug dazu nehmen, gibt es die Rolle des Scrum-Masters oder der Scrum-Masterin, die sind, so man der Scrum-Idee zu 100 Prozent folgt, also Teammitglied und begleiten das Team eben nicht nur in diesem einen Meeting und moderieren das, sondern entwickeln das Team zusammen mit dem Team. Das heißt, sie beobachten das Team in unterschiedlichen Situationen im Arbeitsalltag, das heißt genau das, was du gerade sagst, so eine Idee von was könnte denn da an Konflikten drin sein, was könnte denn auch an Fortschritten da sein, die das Team gar nicht selber sieht. Ich meine, nicht gemeckert ist genug gelobt, das kennen wir auch alles. Und dann vielleicht auch eben moderativ noch mal rauszuarbeiten, was ist denn gut gelaufen oder worüber lohnt es sich mal positiv auch nachzudenken und eben zu gucken, wie kann ich die Stärken übertragen und die woanders noch anwenden und eben nicht immer nur defizitorientiert da drauf zu gucken und das ist der Vorteil eben, wenn man so ein Team im Arbeitsalltag begleiten kann, dass eine Moderation natürlich anders aussieht, als wenn man nur einen Termin moderiert.
Götz Müller: Ja und ich glaube, da wird jetzt noch mal besonders wichtig, sonst im klassischen Kontext ist es ja so, der Beste in irgendetwas, den macht man zum Teamleiter und ich glaube an der Stelle, gerade auch wieder das Vorurteil, vielleicht auch den Softwareentwicklern, Klammer auf, ich war selber mal einer, gegenüber, da sind die besten Softwareentwickler, denen tut man im Grunde ganz oft gar keinen Gefallen, dass man sie jetzt zum Teamleiter macht und eventuell auch genau aus dem Grund, weil sie dann mit dieser neuen Rolle vielleicht gar nicht zurechtkommen.
Kristina Müller: Also an der Stelle ist vielleicht auch noch mal … du guckst ja auch aus einer anderen Perspektive drauf. Scrum-Master ist zum Beispiel kein Teamleiter in dem Fall, sondern ist eine laterale Führungskraft. Es könnte aber auch sein, dass man in einem Nicht-Scrum-Kontext sich trotzdem entscheidet, wir machen eine Retrospektive und jemand, der die Teamleitung, dass der oder die sich dann entscheidet, ich moderiere so etwas, und wenn da eben die Skills nicht vorhanden sind, zum Beispiel für eine Moderation, um das Zwischenmenschliche zu sehen, dass die Person vielleicht nicht die Beste ist, die eben diesen Termin begleitet. Und du hast ja jetzt das mit den Nerds oder auch deinen eigenen Hintergrund eben angesprochen … als ich angefangen habe, im agilen Kontext zu arbeiten, war das durchaus einer der klassischen Wege aus jemanden, der Software entwickelt hat, dass diese Person dann zum Scrum-Master oder zur Scrum-Master wird und das führte eben dazu, dass viele, die eben Softwareentwickelnde waren in den Teams, sich gefragt haben, wieso kommt denn jetzt hier jemand mit wirtschaftspsychologischem Hintergrund und glaubt, gute Scrum-Masterin sein zu können. Sie haben das mit der Zeit gelernt, dass genau das auch ein Vorteil war. Ich kann mich gut erinnern an verschiedene Termine, wo die Teams gesagt haben, wir hätten gerne heute mal wieder Kristina, die uns moderiert, weil ich nämlich vom Inhalt überhaupt keine Ahnung habe, also kann ich da nicht dazwischenquatschen.
Götz Müller: Ja, und der zweite Aspekt jetzt, speziell wir dann den Scrum-Kontext verlassen und es nicht diese laterale Führung, sondern eine echte Führungsrolle ist, wo ich dann den Führungskräften immer wieder mitgebe, so nach dem Motto, ihr bleibt Chef, aus der Nummer kommt ihr nicht raus, da könnt ihr euch noch so viel vornehmen, in den Augen der Team-Mitglieder vor allen Dingen.
Kristina Müller: Genau. Also das kann ich total unterstreichen und an der Stelle aber auch noch mal zu plädieren dafür, dass gerade solche Termine nicht nur nicht von der vorgesetzten Person moderiert werden, sondern dass diese Person im Zweifelsfall auch wirklich nicht dabei ist. Eine kleine Anekdote kann ich da vielleicht teilen, wir hatten, ich glaube vor einigen Jahren, haben wir uns mit einem Leadership-Team von ungefähr 30 Leuten getroffen und es ging darum, gemeinsam Leadership-Visionen und Vorgehen, also dieses „Was ist unser Bild von Leadership?“ zu entwickeln und wir haben vereinbart, mit den CEO von dieser Firma, dass er sich da an der Stelle zurückhält. Das hat er auch gemacht, das hat er auch gut gemacht, er hatte allerdings einen Pullover an, da stand Boss drauf. Ja, und wir fanden das einfach so … das hat auch viel ausgesagt. Das war mit Sicherheit nicht seine Absicht, ja und trotzdem hat es sehr viel ausgesagt.
Götz Müller: Da hat der Spiegel beim Rasieren nach dem Frühstück wahrscheinlich versagt an der Stelle.
Kristina Müller: Ja, das kann sein.
Götz Müller: Okay. Gut. Vielleicht, wenn wir uns den Begriff Retrospektive noch mal ein bisschen genauer anschauen, im Grunde, was ist ein möglicher Prozess dahinter, und dann noch mal diesen Bogen auf das Remote-Thema schlagen.
Kristina Müller: Also ich glaube, was wir uns angucken können sind zwei verschiedene Prozesse bezüglich der Retrospektive, einmal, in welchen Prozessschritten moderiere ich die Retrospektive, dafür gibt es fünf. Und dann ist auch die Frage, wie bereite ich so etwas vor, du hattest es ja auch schon erwähnt, was das bedeutet, insbesondere in einer Remote-Situation so etwas vorzubereiten oder so etwas eben auch zu moderieren. Ich glaube, es macht Sinn, anzufangen mit den Phasen der Durchführung, bevor wir sozusagen … dass wir erst ein Verständnis schaffen, was passiert dann tatsächlich bei diesem Termin, bevor wir dazu kommen, wie bereite ich so etwas sinnvollerweise vor. Eine Retrospektive hat fünf Phasen, die kann man auch bei Esther Derby und Diana Larsen nachlesen oder auch im Retromat, da gibt es nämlich nicht nur die fünf Phasen, sondern auch Methoden, die man so durchflippen kann, pro Phase, das heißt, da kann man sich inspirieren lassen und die einfach auch von da nutzen. Das ist einfach frei verfügbar. Wir fangen an mit Phase 1, das heißt: Gesprächsklima schaffen. Dass ich erstmal überhaupt den Leuten die Möglichkeit gebe, in der Retrospektive anzukommen und auch den Arbeitsalltag draußen zu lassen. Häufig geht's da in erster Linie erstmal darum überhaupt, vielleicht auch mal zu fragen, wie geht's dir, wie ist die Stimmung heute, das sind so einfache Sachen oder man macht einen Wetterbericht. Wenn eine Stimmung Wetter wäre, welchen Wetterbericht gäbe es heute. Sowas in der Art. Der zweite Teil ist Themen sammeln. Wenn wir jetzt gar nicht das methodische Feuerwerk abfeuern, sondern bei der stinknormalen Retro bleiben, bei der Grundidee, dann würde ich drei Fragen stellen: Was hat gut geklappt? An was wollt ihr arbeiten? Und was ist offen? Also völlig unbewertet, das ist so eine Reste-Kategorie, wo man eben vielleicht das ein oder andere Mal adressieren kann oder sagt, wir haben kein gemeinsames Verständnis dafür, ich will es aber weder positiv noch negativ bewerten. Dann darf jeder und jede die eigenen Post-Its da reinschreiben, wenn man es digital macht, gibt es dafür verschiedene digitale Tools, mit denen man das machen kann. Ich denke da so an ein Tool, das früher FunRetro hieß, ich weiß gar nicht, wie es heute heißt, der Link ändert sich immer automatisch, wenn ich da draufgehe, oder so Whiteboards wie Miro oder Conceptboard, also da gibt es verschiedene Ansätze, womit man das machen kann. Danach würde man halt gucken, wie kann ich daraus Erkenntnisse gewinnen. Das ist die dritte Phase: Erkenntnisse gewinnen. Dann zu gucken, lass uns mal schauen, wie wir aus dieser Fülle an Informationen, das vielleicht über Clustern und dann auch noch mal dort Voting, auch da gibt es dann digitale Möglichkeiten, das zu tun, zu schauen, welche ein, zwei oder drei Themen können wir denn heute in der Tiefe besprechen. Das heißt, das Problem verstehen und daraus Hypothesen entwickeln, mit welchen Ansätzen könnten wir diesem Problem irgendwie beikommen. Und dann hat man eine Möglichkeit oder eine Sammlung an möglichen Lösungen. Dann kommt man in Phase 4: Entscheidungen treffen. Dann sagt man, okay, was macht man denn damit. Mein kleiner Hinweis an der Stelle ist: Da gibt es eine große Anzahl meistens an möglichen To-Dos, die man da so mit rausnimmt. Ich versuche in den Teams, mit denen ich arbeite, maximal mit drei To-Dos da raus zu gehen. Das Spannende an der Stelle ist ja auch, es ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess oder ein Lernprozess vielmehr, ja. Ich muss nicht alles auf einmal lösen, sondern kann da rausgehen und sagen: Welche Schritte sind denn möglich, die uns ein Stück weit besser werden lassen oder ein Stück weit mit dem, was wir gelernt haben, einen anderen Umgang finden lassen. Deswegen: Konzentration auf die wichtigsten drei. Und dann haben wir Phase 5, den Abschluss. Das heißt, vielleicht schaue ich, wie geht's euch jetzt, geht's euch besser als vorher oder für wie wertvoll habt ihr dieses Meeting erlebt. Dann kann man Return on time invested zum Beispiel machen und viele andere Übungen eben auch. Das sind die fünf Phasen einer Retrospektive in der Durchführung.
Götz Müller: Jetzt könnte ich mir vorstellen, dass, wenn wir speziell den Aspekt remote wieder reinnehmen, dass man unheimlich breit schauen muss und da dann, glaube ich, auch die Kamera zum Beispiel Element ist, weil sonst habe ich vielleicht da jemanden, den man sonst visuell wahrnimmt, von dem man merkt, okay, der ist mit seinen Gedanken aus welchen Gründen auch immer irgendwo anders oder hat sich aus dem Prozess zurückgezogen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass das in einer Remote-Situation eine besondere Herausforderung ist, speziell, wie du es vorhin angedeutet hast, wenn vielleicht nicht jeder ganz alleine vor der Kamera sitzt, also sprich ein Teil der Menschen, ganz zwangsläufig, in Anführungszeichen, weil sie halt auf einem Stockwerk sitzen, dann gemeinsam in dem Büro oder vor der Kamera oder so sitzen.
Kristina Müller: Das ist ein interessanter Punkt und das würde ich gerne unterstreichen. Das habe ich eingangs bei der Beschreibung, was eine Retrospektive ist, nicht beschrieben. Retrospektive ist ein Safe Space, das heißt, es gibt eine Vegas-Regel „what happens in Vegas, stays in Vegas“, was in der Retrospektive besprochen wird, das geht nicht raus. Es sei denn, es gibt eine explizite Vereinbarung. Das heißt auch, dass die Person, die an einer Retrospektiven teilnehmen, sich bitte zurückziehen.
Götz Müller: Ja, okay. Okay, verstehe ich. Das ist der eine Punkt. Ich dachte aber mehr an die Situation, ja, wir sitzen schon zu dritt im Büro, dann bleiben halt zu dritt jetzt vor dem Rechner sitzen und vor einem Rechner. Also ich habe solche Situationen schon zum Teil gehabt.
Kristina Müller: Ja. Eines der, da kommen wir vielleicht später auch noch mal so drauf, der Prinzipien für Retrospektiven in Remote-Situationen ist, dass man eine gleiche Voraussetzung für alle schafft. Ja, das heißt, jeder und jede soll etwas zum Schreiben haben. Wir geben ja auch nicht, es sei denn, es ist gewollt, wenn sie alle in einem Raum sitzen, nur einer Person einen Stift und einen Zettel, denn es ist bewusst als Moderation so gewählt. Das heißt, jeder und jede muss die Möglichkeit haben, auf einen Bildschirm zu schauen, auf einen eigenen und auch eine eigene Tastatur zu bedienen. Das ist für mich eine Grundvoraussetzung. Das heißt auch, und da können wir gleich einen Schwenk noch mal in eine andere Situation machen, was ist denn, wenn drei an einem Standort sind und zwei draußen, das haben wir ja vorhin schon mal angesprochen. Auch dann, die können meinetwegen noch im Raum sitzen, auch das ist nicht ideal, aber dann hat bitte jeder den eigenen Rechner und benutzt das auch für sich. Der Nachteil ist und das ist halt das, wo man eben nicht eine Voraussetzung schaffen kann für alle, wenn ein Teil in einem Raum ist, dann gibt es eben doch die Möglichkeit, hier oder da sich Blicke zu zuwerfen oder vielleicht doch einen kleinen Witz vor Ort zu reißen, während die anderen das vielleicht nicht hören, sondern stumm geschaltet sind. Und das geht nicht.
Götz Müller: Ja. Also da höre ich irgendwo die Schlussfolgerung raus eben, wirklich ganz konsequent und mir kommt jetzt gerade eine Situation von letzte Woche in den Sinn, wo auch der größere Teil, klassische Besprechung, Projektbesprechung, wo der größere Teil der Teilnehmer in einem Raum saß und zwei, drei zugeschaltet waren. Das war für die, wir sind dann wirklich alle auf eigene Headsets umgestiegen, das hat aber mehr technische Gründe gehabt, aber genau solche Aspekte spielen dann natürlich mit rein.
Kristina Müller: Und meine Erfahrung ist, dass manche Leute dann erstmal stocken und sagen „Hä, wieso sollen wir denn das machen?“ und wenn man das logisch herleitet und sagt, wir wollen für alle dieselben Ausgangsvoraussetzungen schaffen, auch für die, die draußen sitzen zum Beispiel, dann geht das relativ schnell in „Ach so, ja, das macht total Sinn.“ über und dann wird das auch ohne Probleme gemacht. Also ich kann mich auch an Termine erinnern in einem größeren Team, wo so acht, neun Leute drin waren und zwei draußen waren, dann haben die anderen tatsächlich aufgrund von Platzkapazitäten in einem Raum gesessen, aber da hat jeder den eigenen Rechner, das eigene Headset gehabt und die haben auch darauf geachtet, sich fair zu verhalten und eben solche Seitengespräche zu lassen.
Götz Müller: Jetzt hattest du gerade, und da möchte ich noch ein bisschen einsteigen, diese acht Prinzipien genannt, vielleicht so zumindest mal nennen, ich weiß nicht, wie tief oder reinkommen, aber gerne auch das.
Kristina Müller: Es gibt ein tolles Video von Esther Derby und Dave Horowitz, das geht ungefähr eine Stunde, da kann man mal reingucken oder sich den Blogartikel, über den du mich ja auch angesprochen hast auf der t2informatik noch mal belesen. Also das erste ist Design to Equalize Participations, das heißt soviel wie, sieh halt zu, dass alle die gleichen Ausgangsvoraussetzungen haben, das haben wir eben schon einmal besprochen, also dass alle fair und gleichberechtigt teilnehmen können. Das ist Aufgabe auch der Moderation genau dafür zu sorgen und das auch möglich zu machen. Das Interessante ist halt, wenn man irgendwie, ja, eben so Sachen nicht merkt, wenn jemand versucht zu sprechen und dann Luft holt, dann komm man zum zweiten „Structure, Structure, Structure“, man sagt, man versucht, es gut durchzustrukturieren. Für mich hat sich das ganz oft sehr künstlich angefühlt und ich habe dann einfach meine Teilnehmer darüber informiert und habe gesagt, wie es mir eigentlich geht. Ich bin nicht gewohnt Termine, egal mit welchem Ziel sie stattfinden, so strukturiert durchzuleiten, weil sich ja auch gruppendynamisch in einem Raum ergibt von alleine. Das funktioniert remote nicht ganz so gut, sondern da hilft eine Struktur vielleicht sogar. Das heißt, wichtig ist, wenn es irgendwie geht, Kamera bitte an. Es sei denn, und da muss man eben gucken, wer die Kamera nicht anmachen kann, zu sagen „Hey, mein Internet ist heute nicht stabil, deswegen muss ich die Kamera ausmachen.“, da weiß man schon mal, woran man ist. Na, das ist nicht respektvoll, sondern das hat eine Notwendigkeit. Dann so Regeln wie Mikrofon stummschalten, wenn man nicht spricht oder ich hatte das auch schon, dass ich Workshops gegeben habe, wo ich gesagt habe, bitte alle das Mikrofon an. Wenn es halt nicht so viele Leute sind, wenn das so, ich sag mal bis 9 Leute, kommt natürlich auch auf die Thematik an, kann man das Mikrofon schon anlassen, wie ich finde. Das ist aber eine persönliche Präferenz von mir. Dann so etwas wie „kurz halten, statt monologisieren“, könnte zum Beispiel ein weiteres Beispiel sein. Pausen einbauen. Wir wissen alle, dass Pausen alle 45 Minuten bis Stunde irgendwie sinnvoll sind. Aus, ich würde mal mindestens Studiumszeiten, zum Teil aus der Schule, kennen wir diese 90-Minuten-Blöcke, die sind furchtbar, also finde ich und es ist psychologisch nachgewiesen, dass das Quatsch ist. Deswegen ist es remote umso wichtiger, auch um mit dieser ganzen Bildschirmzeit sich ein bisschen erholen zu können, nicht nur die Pause einzubauen, sondern zu sagen „Macht bitte Kamera und Ton aus.“
Götz Müller: Und ich glaube an der Stelle muss man auch jetzt wieder als Moderator, wo man vielleicht, zumindest geht's mir immer mal wieder so, wo man dann irgendwann mal gewohnt ist oder als jemand, der auch viel sonst im Homeoffice unterwegs ist, nicht davon auszugehen, die anderen haben auch diesen langen Atem, sondern da tritt eine Erschöpfung unmerklich auch viel früher oft schon ein.
Kristina Müller: Ja.
Götz Müller: Okay. Jetzt noch ein kleines Detail an der Stelle noch zu dem Thema Kamera, da bin immer ganz neugierig, weil ich da schon unterschiedliche Situation erlebt habe, was hältst du von so einem, mal von technischen Aspekten abgesehen, von einem Kamerazwang, also sprich, Kamera muss an sein.
Kristina Müller: Ich bitte darum, wenn ich moderiere. Für mich gibt es eben solche Ausnahmen wie schlechtes Internet oder auch persönliche Gründe. Für mich hat Kamera an in Meetings weniger, aber im Allgemeinen auch als Führungsfunktion noch einen anderen Effekt. Ich kann mich gut erinnern, dass mir ein Klient erzählt hat im letzten Jahr, dass die Führungskräfte dort vor Ort regelmäßig auch eben Kamera an einfordern aus Fürsorge gründen. Die haben dann einfach geguckt, wie geht's den Leuten gerade im Homeoffice ist. Das ist ein Unternehmen, die haben ihre Leute noch vor dem Lockdown nach Hause geschickt und die arbeiten durchweg seitdem im Homeoffice bis heute. Und die sorgen sich um die Gesundheit der Leute und gucken schlichtweg: Sind die der Körperpflege noch mächtig? Und es geht eben nicht um Kontrolle, sondern um Fürsorge. Wenn die Leute eben schlecht aussehen, dann fragt man vielleicht doch einmal mehr nach.
Götz Müller: Okay. Ich gucke mal so ein bisschen in Richtung Uhr, das ist eine spannende Unterhaltung und ich glaube, wir werden die halbe Stunde, die mir jetzt schon erreicht haben, locker überschreiten und das lohnt sich aber auch. Ich möchte ein bisschen diesen Punkt „Verbindung zwischen Teilnehmern schaffen“ vertiefen. Du hast es am Anfang angedeutet, angenehmes Gesprächsklima schaffen, kann ich mir auch vorstellen, dass das in einem klassischen Offline-Setting, alle in einem Raum, ein bisschen was anderes ist wie online. Also sprich gibt's Tipps, Tricks oder so irgendwas in der Richtung?
Kristina Müller: Ja, vielleicht … dieses Gesprächsklima schaffen an der Stelle ist eher so ein „Lass uns reinkommen.“ Ja, das Gesprächsklima vielleicht auch im erweiterten Sinne betrifft ist, wie viel Energie gebe ich denn rein oder wie viel Energie ist im virtuellen Raum. Auch das ist etwas, was ja nonverbal relativ häufig passiert, wenn wir tatsächlich im Raum sind. Im virtuellen Raum habe ich solche Dynamiken nicht. Und wir sitzen alle ziemlich bewegungsarm vor dem Rechner und können da zum Beispiel durch Interaktivität, die dann eben anders funktioniert auch im virtuellen Raum dafür sorgen, dass eine Aktion reinkommt, dass Energie reinkommt. Ja, und der Rest oder was heißt der Rest, das ist Quatsch, aber eine weitere Facette ist eben Beziehungsgestaltung. Das heißt, Gesprächsklima starte ich nicht erst in einem Termin, sondern möglichst, sofern ich die Möglichkeit habe, über Beziehungsgestaltung vor- und nachher, sodass das Gesprächsklima in dem Team schon ein anderes ist.
Kristina Müller: Ja und mir kam gerade noch ein ganz anderer, im Grunde trivialer Punkt in den Sinn. Wenn ich mich in einem Online-Meeting treffe, dann ist irgendwie die Tendenz, dass jeder sich so ein, zwei Minuten vor Beginn einwählt ist viel größer, wenn ich das gerade so an meinem geistigen Auge vorbeiziehen lasse, wie wenn ich irgendwie ein Präsenzmeeting habe, weil man will ja nicht der letzte sein, fünf Minuten, zehn Minuten vorher da ist.
Kristina Müller: Das heißt, der Gedanke geht so in die Richtung, die Leute kommen sehr kurzfristig an.
Götz Müller: Ja.
Kristina Müller: Ja, manchmal macht es auch Sinn, dass man dann eben guckt, man kennt ja seine Pappenheimer meistens. Also in welche Richtung tendieren die, ich kann dann auch ähnliche Geschichten beschreiben, wo Leute dann eben tatsächlich sogar zu spät kommen oder eben auf den Punkt und im normalen Raum aus der Erfahrung eher 10 Minuten zu spät gekommen sind, weil sie zwischendurch noch eine geraucht haben und noch einen Kaffee getrunken habe. Also da kenne ich durchaus auch noch andere Richtungen. Mein Gedanke ist auch, an der Stelle zu gucken, ob man nicht vielleicht am Anfang, und das ist auch noch ein spannender Punkt, wir sprechen im Moment in Meetings häufig, so ist mein Eindruck, sehr viel über inhaltliche Punkte und sehr wenig Zwischenmenschliches findet statt. Ja, dann vielleicht auch zu sagen, die ersten zehn Minuten des Meetings sind vielleicht noch Smalltalk. Das kann auch Teil des Gesprächsthemas sein, einfach mal miteinander zu reden. Ganz oft kommt nämlich dann bei den Leuten „Ach Gott, für sowas haben wir immer keine Zeit“, wo ich mir denke, ja, dann nehmt euch doch die Zeit. Das kriegen die meisten im Moment nicht hin, weil sie dann ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie von zu Hause arbeiten, dass sie sich eben nicht verabreden dürfen, um auch Beziehungspflege zu gestalten, die mit der Arbeit zu tun hat. Das fällt dann völlig hinten runter.
Götz Müller: Ja. Ich glaube, dieses vermeintlich schlechte Gewissen darf man nicht unterschätzen, diesen Punkt. Ja. Sehr spannend. Okay. Vielleicht so ein abschließender Blick an jemanden, der ganz neu, wenn das überhaupt noch gibt, ganz neu vor der Herausforderung steht, Remote- Kommunikation anzugehen, so bisschen im Sinne von: Was sind die Dos, was sind die Don’ts?
Kristina Müller: Ich glaube, mein großer Tipp ist: Mache implizite Kommunikation explizit. Also überlege dir, was sind die Sachen, die du sonst nicht sagst. Und das Zweite, überhaupt das Ganze zu beobachten und zu überlegen, was sind die Unterschiede zwischen dem, was sonst von alleine passiert, also wenn wir alle in einem Raum sind oder an einem Ort, und dem, was dann im digitalen Raum passiert, was fehlt, und dann zu überlegen, wie kann ich das digital umsetzen und das ist nicht zwingend eins-zu-eins das Gleiche. Was will ich damit sagen? Man könnte zum Beispiel davon ausgehen, dass so ein Videokonferenz-Tool vieles, weil man ja ein Video hat und sich sieht, das Gleiche ist, wie wenn man in einem Raum ist, und das ist nachweislich nicht so. Da fehlt ganz, ganz viel und dann zu überlegen, ok was fehlt mir denn. Und das ist eben häufig ein Teil der Kommunikation und das muss man dann explizieren. Das heißt, auch das zu trainieren. Wie kann ich das, was mir gerade im Kopf rumgeht, wie ich mich gerade fühle, wie ich gerade zu der anderen Person stehe? Wie kann ich das realisieren und gleichzeitig was kommt dann beim Gegenüber vielleicht an? Wir hatten das Beispiel in einem Termin, den ich vor eben dieser Aufzeichnung hier hatte, dass eine Person die Augen zusammenkneift, mit dem Kopf nah an den Rechner rangeht und grimmig dreinguckt. Für die Person, die das sieht, mag das so aussehen wie, die Person guckt grimmig, die Person, die da gerade grimmig in die Kamera geguckt hat, war eigentlich nur konzentriert und hat versucht, kleine Schrift auf dem kleinen Laptop zu lesen.
Götz Müller: Ja, okay. Und da kommt ein Punkte dazu, glaube ich, den man überhaupt nicht unterschätzen darf, dass so eine Kamera eine ganz andere Wirkung auf den Betrachter hat, also das Bild der Kamera auf den Betrachter wie jemand, der mir halt klassisch zwei, drei Meter vielleicht entfernt am Tisch gegenüber sitzt, wo auch, ja, angefangen mit Gestik und eben auch Mimik und solche Elemente eine andere Wirkung definitiv haben und dann genau solche Effekte eintreten können.
Kristina Müller: Also dieses … das würde ich auf jeden Fall mitnehmen und gleichzeitig auch zu gucken, das muss nicht immer alles perfekt laufen. Auch da Stück für Stück, in kleinen Schritten, wir sind alle mehr und auch eigentlich weniger gewohnt, wenn man jetzt mal guckt, wie alt sind wir und wie viel Anteil davon, von unserem Lebensalter, sind wir gewohnt, in einem Remote-Kontext zu arbeiten. Das ist im Vergleich zum Rest wahrscheinlich nicht viel. Das heißt, wir sind überhaupt nicht trainiert, wie Kommunikation so funktionieren kann. Ja, und dann lieber in kleinen Schritten miteinander zu gehen und das Miteinander ist für mich auch ein entscheidender Punkt. Die Haltung steckt für mich dahinter. Bin ich wohlwollend mit den anderen Personen und überlege mir eben nicht, wenn da jemand vermeintlich grimmig dreinguckt, warum guckt der so grimmig, sondern überlege mir, was könnten denn andere und zwar gute Gründe aus Position der Person, die da so reinguckt, sein, warum sie gerade so guckt.
Götz Müller: Und manchmal dann wahrscheinlich einfach nur fragen, wenn mir was auffällt.
Kristina Müller: Richtig.
Götz Müller: Okay, und mir ging da auch so ein Begriff wie Meta-Retrospektive durch den Kopf, also noch mal beobachten, was habe ich jetzt eigentlich in der Retrospektive gemacht.
Kristina Müller: Genau. Also auch sich selber stark zu beobachten, auch das sind wir sind wir wenig gewohnt, diese gesamte Reflexion, wie kann ich das, was ich fühle, in Worte fassen und auch wie könnte das ankommen und sich selbst zu beobachten und dann vielleicht auch Hypothesen anstellen, wie kommt das an.
Götz Müller: Hypothesen anstellen, aber eben auch überprüfen, im Sinne von, ja, auch da wieder fragen „Habe ich das jetzt richtig interpretiert?“ Punkt, Punkt, Punkt.
Kristina Müller: Ja. Oder auch mal jemanden fragen, der oder die einen regelmäßig in Remote-Meetings sieht: Was beobachtest du denn bei mir?
Götz Müller: Wie komme ich denn an? Zum Beispiel, was man vielleicht sonst nicht fragen würde.
Kristina Müller: Ja. Richtig.
Götz Müller: Okay. Gut. Sehr spannend. Ich glaube, wir könnten uns noch mal locker eine Viertelstunde oder mehr unterhalten, ich muss aber selber ein bisschen auf die Uhr gucken, denn so wie du eine Runde davor hattest, habe ich noch eine Runde danach. Das ist nicht schlimm, aber definitiv, Kristina, ich danke dir für deine Zeit, ich fand es hochspannend, jemanden, der an so einem technischen. in Anführungszeichen, technischen Thema dran ist, aber eben gar nicht diesen technischen Hintergrund hat, wie du es eingangs erwähnt hast, deshalb, ja, noch mal vielen Dank für deine Zeit.
Kristina Müller: Herzlichen Dank für die Einladung, Götz.
Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Kristina Müller zum Thema Remote Kommunikationsprozesse. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 231.
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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.
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