Inhalt der Episode:
- Welche Bereiche und Aspekte umfasst der Begriff eHealth?
- Klassischer Prozess (Papierrezept) und „Angriffspunkte“ des E-Rezepts
- Nutzen & Vorteile, neue Möglichkeiten
- Nutzergruppen (Altersgruppen) vs. Stakeholder (Patienten, Ärzte, Apotheken, KV, KH, Pflege-/Betreuungspersonal, …)
- Wechselwirkungen mit anderen Prozesselementen
- Wie wird der Wildwuchs der Anbieter vermieden?
- Vergleich mit anderen Länder?
- Erfahrungen mit Change-Management, Akzeptanz & Widerstände
Notizen zur Episode:
- LinkedIn-Profil von Stefan Odenbach
- Website zu eRiXa
- Pressebox zu eRiXa
- Steinbeis-Transferzentrum TOP
- Artikel im Steinbeis-Magazin
- Facebook-Seite zur eRezept-App
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Wenn Sie selbst ein interessantes Thema für eine Episode im Umfeld von Geschäftsprozessen haben, können Sie mir das auf dieser Seite mit Vorbereitungsfragen vorschlagen.
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(Teil)automatisiertes Transkript
Episode 230 : eHealth-Prozesse
Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.
Götz Müller: Heute habe ich Stefan Odenbach bei mir wieder im Podcast-Gespräch, schon die zweite Episode. Er nennt sich „Robin Hood der Gesundheitsbranche“. Hallo Herr Odenbach.
Stefan Odenbach: Herr Müller, ich grüße Sie, hier ist Stefan Odenbach.
Götz Müller: Prima, dass das heute klappt. Jetzt glaube ich, Robin Hood der Gesundheitsbranche nennt sich nicht jeder, sagen Sie zwei, drei Sätze dazu.
Stefan Odenbach: Genau, ja sehr gerne. Also zum einen heißt mein Sohn Robin, der ist jetzt 8 Jahre alt und ich bin ein großer Fan von Robin Hood, weil ich einfach der Meinung bin, dass der kleine Mann, dazu zähle ich auch die Vor-Ort-Apotheken, bei den großen Vorhaben übergangen werden und ich sozusagen mit meiner Firma, mit meiner Lösung, tatsächlich quasi für die kleinen Firmen, für die inhabergeführten Firmen in Deutschland einstehe und ich möchte, das auch die Patienten weiterhin regional gut versorgt werden und wir haben ja momentan ein Netz von 19000 Vor-Ort-Apotheken in Deutschland und auch da, wie gesagt, möchte mich einsetzen, um die Vor-Ort-Apotheke zu stärken.
Götz Müller: Das ist eine sehr, sehr löbliche Sache. So, jetzt haben wir heute das Thema eHealth, also E-Gesundheit. Da sollten wir vielleicht erstmal zum Einstieg umreißen, dass auch die Zuhörer da ein Gefühl haben, welche Bereiche, welche Aspekte gehören denn da überhaupt alle dazu.
Stefan Odenbach: Genau. eHealth, kennt man ja vom E-Banking, E-Mobilität, also überall wo ein E davorsteht, geht es irgendwie darum, irgendetwas elektronisch abzubilden, da geht es nicht um die elektronische Stromabrechnung, sondern tatsächlich alles, was bisher im Gesundheitswesen in Deutschland papiergebunden funktioniert. Es werden ja pro Jahr über 500 Millionen Papier-Rezepte ausgestellt in ganz Deutschland und es gibt natürlich ganz, ganz viele weitere Begleitdokumente, sei es jetzt die Patientenakte oder irgendwelche elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die bisher auch auf Papier ausgedruckt werden müssen, also alles, was irgendwie quasi Papier ist und jetzt in die digitale Welt und dann eben elektronisch abgebildet werden soll.
Götz Müller: Das heißt, wir reden jetzt primär beziehungsweise, das haben wir uns ja schon vorher abgesprochen, wir reden jetzt primär mal übers Rezept, und Sie haben es gerade schon angedeutet, ich glaube, wir kennen es alle noch oder die meisten werden es auch tagtäglich so benutzen, eben ein Stück Papier, was ich beim Arzt bekomme, so groß wie eine Postkarte und dann gehe ich ums Eck in die Apotheke. Was sind denn die, ja, die Angriffspunkte, die Vorteile? Ich glaube, wir würden nicht darüber reden, wenn es nicht gewisse Nachteile gibt, auf der einen Seite beim Papier und wenn nicht das Neue da etwas besser machen sollte.
Stefan Odenbach: Ganz genau. Wie gesagt, ich es habe schon eingangs gesagt 500 Millionen Papier-Rezepte, diesen Berg an Papier sollte man sich mal vor dem geistigen Auge mal vorstellen, das ist ein Wahnsinn. Das hat also auch ein Thema Nachhaltigkeit, dass natürlich sehr viel Papier und Bäume dafür verbraucht werden und das andere ist einfach, dass es ein total ineffizienter Prozess ist, weil Sie müssen sich überlegen von der Ausstellung des Papier-Rezeptes, das entweder blau oder rosa sein kann, je nachdem, ob Sie privat oder gesetzlich versichert sind, geht es ja dann durch den Patient zur Apotheke, zum Abrechnungszentrum bis zur Krankenkasse durch fünf, sechs Hände, bis dann tatsächlich … Papier, heißt es immer, ist geduldig, aber es ist natürlich ein Wahnsinnsprozess, weil man hat sehr, sehr viele Medienbrüche. Es wird beim Arzt digital im Primärsystem erstellt, dann wird es ausgedruckt. Der Patient gibt es der Apotheke, die scannen es ein, dann schicken sie es per Post weiter, also es ist wirklich ein Wahnsinn, wie oft dann dieser Zettel per Fax, per E-Mail, per Scan, per Datensatz irgendwie hin und her verschickt wird und das ist natürlich ineffizient und natürlich auch was das Thema Arzneimitteltherapiesicherheit angeht. Ich kann, stand heute, natürlich an einem Tag zu drei Ärzten gehen, mir irgendwelche Sachen verschreiben lassen, in verschieden Apotheken gehen, das einlösen, am Ende aller Tage wache ich morgens nicht mehr auf und da wundert man sich und dann stellt man fest „Ok, diese Mittel haben sich untereinander nicht vertragen.“ Aber dadurch, dass wir im Blindflug sind und da keinerlei zentrale Datenbank besteht, dass auch wie gesagt im Sinne des Patienten, also nicht um den gläsern zu machen, sondern um ihn quasi vor einer Fehlmedikation zu schützen, sind natürlich solche Daten sehr, sehr wertvoll. Wenn man überlegt, im Straßenverkehr sterben jedes Jahr ungefähr dreieinhalbtausend Menschen und durch eine falsche Medikation über 25.000 Menschen jedes Jahr und die Dunkelziffer ist noch wesentlich höher. Oftmals denkt man halt, im Pflegeheim, die Person ist vielleicht an irgendwie Altersschwäche gestorben, jetzt natürlich Corona, andere Themen, aber wie gesagt, jedes Jahr über 25.000 Menschen, die nachweislich durch eine falsche oder Über- oder Unter-Medikation sich dann selbst vergiftet haben oder einfach schlecht versorgt waren.
Götz Müller: Ja und da kommt jetzt gerade noch ein Punkt in den Sinn, meine Frau hat in einer Apotheke gearbeitet und sie hat von früher erzählt, wenn man dann manchmal, wo die Dinge noch nicht ausgedruckt waren, sondern von Hand ausgefüllt wurden, wo dann dieses Endziffern der ärztlichen Handschrift immer mal wieder eine Herausforderung war und man im Grunde, so wie ich sie verstanden habe, eigentlich nie eine Bestätigung geholt hat vom Arzt, war das denn jetzt wirklich das Medikament, das er meinte, das dann ausgegeben wird.
Stefan Odenbach: Ganz genau und witzigerweise sagt man immer, ja, die ganzen e-Rezepte und alles, was digital ist, muss natürlich dreimal so sicher sein, wie der papiergebundene Prozess, aber letzten Endes, wenn ich dieses Papier-Rezept vor mir habe, weiß niemand, ob dieses Gekritzel da drauf ist, auch wirklich die Arztunterschrift ist, die ist nirgends hinterlegt. Es gibt ja auch sehr, sehr viele Rezeptfälschungen, da war jetzt auch in den letzten Tagen wieder in den Medien ein großer Gerichtsprozess und so weiter, weil das wirklich heute im Prozess ein kompletter Blindflug ist, man vertraut darauf und ich sage mal, in 98% der Fälle ist es auch ein richtiges Rezept. Das habe ich heute noch gelesen, dass es jetzt schon los geht, dass schon die ersten gefälschten Vouchers für diese ffp2-Masken existieren, weil das einfach ein papiergebundener Prozess ist, das ist völliger Wahnsinn, und jetzt natürlich durch Corona bedingt bekommt das ganze Thema eHealth und digital health natürlich eine ganz andere Tragweite, weil jetzt tatsächlich ja auch, und ich selber, ich bin ja Chroniker, ich bin Asthmatiker, jetzt natürlich auch aufpassen möchte, mich nicht in irgendwelche überfüllten Wartezimmer setzen möchte und das möglichst alles von zu Hause, vom Sofa aus regeln möchte.
Götz Müller: Ja und bei Ihrem, wo Sie gerade gesagt haben, 98%, das hört sich ja jetzt erstmal relativ gut an, wenn man aber selbst, wenn man 99% nimmt und das mal zum Beispiel auf den Luftverkehr an einem durchschnittlich großen Flughafen abbildet, dann ist da jeden Tag etwas los, wenn Luftverkehr nur mit 99% gut funktionieren würde, dann würde kein Mensch einsteigen und bei dem Stück Papier denkt kaum jemand darüber nach. Gut. Jetzt glaube ich, der Einzelne sieht halt dieses Stück Papier und er sieht den Arzt und er sieht die Apotheke, aber ich glaube, es gibt noch ein paar, Sie haben es noch ein bisschen angedeutet, es gibt noch ein paar andere, nennen wir es mal Mitspieler, Nutzergruppen, Stakeholder auch, die man eben berücksichtigen muss, wenn man so etwas digitalisiert.
Stefan Odenbach: Genau, da gehören natürlich auch die Krankenkassen als Kostenträger mit dazu, es gibt dann auch Pflegedienste, Pflegeheime, das ist ja ein buntes Sammelsurium an unterschiedlichen Stakeholdern, auch von den Altersgruppen her, von jung bis alt ist da alles dabei, wenn man überlegt, jeder Zweite hat laut Statistik in Deutschland eine chronische Erkrankung, also sprich Asthma, Diabetes, Bluthochdruck, also solche Geschichten, neben den ganz schlimmen Krankheiten, wie Krebs und Co, aber wie gesagt, jeder Zweite hat irgendetwas medikamentös regelmäßig behandelt werden muss. Das heißt, wenn Sie natürlich in der glücklichen Lage sind, nur einmal im Jahr irgendwie krank zu sein, zur Grippesaison, die dieses Jahr ausfällt, dann sagen Sie „Okay, ja, da einmal im Jahr den Zettel, was soll’s.“, aber wenn Sie Chroniker sind, dann müssen Sie ja ständig solche Zettel haben und wenn Sie zum Beispiel wirklich Krebspatient sind, dann bekommen Sie pro Besuch zwischen fünf und acht solcher Zettelchen, weil das vom Gesetzgeber her begrenzt ist, was auf so einem Zettel alles draufstehen kann. Dann haben Sie wirklich eine wahnsinnige Zettelwirtschaft und gerade die chronischen Patienten, wie gesagt, mit steigendem Alter steigt natürlich auch das Risiko auf irgendwelche Erkrankungen, ist natürlich ein Riesenthema.
Götz Müller: Und ich glaube, was man so als, nennen wir es mal Laie, der mit dem Thema an sich nicht viel zu tun hat, wo sehr schnell unterschätzt wird, was dahintersteckt, es ist halt ein sehr komplexes Thema, weil es sehr viele Mitspieler, möchte ich es mal nennen, gibt, denen man es im Grunde ja allen recht machen will, also nicht nur den Patienten, nicht nur den Ärzten, auch den Apotheken und den anderen, ja, Mitspielern, die Sie gerade schon genannt haben, und ich glaube, das macht die Sache dann eben herausfordernd.
Stefan Odenbach: Genau. Und natürlich ist in einem Markt, der über 40 Milliarden Euro schwer ist pro Jahr, auch viel Musik drin und da gibt's da gibt’s natürlich dann sehr viele Interessensgruppen, überall, wo es ums Geld geht, gibt’s auch Lobbyisten, von daher gibt's da auch manchmal gewisse Entscheidungen, die auch vom Staat getroffen werden, allen voran war jetzt der Herr Spahn in der Presse, dass er ja mit Google irgendwelche Kooperationsverträge macht, und dann die eigenen Posts im Stile eines Donald Trumps da höherrangig präsentiert. Das sind alles so Sachen, das sind dann auch staatliche Eingriffe, wo auch dann die freien Medien sagen: Moment, das ist ja fast eine Zensur, was hier gemacht wird. Wir leben hier in Deutschland und nicht irgendwie in einem Dritte-Welt-Land. Das sind schon auch diese Schattenseiten. Also man macht natürlich das zukünftig, positiv verkauft, das ganze Thema eHealth, um die Gesundheit zu verbessern, aber klar, je mehr Daten zur Verfügung stehen, kann es natürlich dann auch diese Cyberangriffe, man hat’s gesehen, irgendwelche Krankenhäuser sind lahmgelegt worden und nur durch Zahlung von Lösegeld dann wieder handlungsfähig gewesen, OPs mussten verschoben werden. Das ist natürlich immer die Kehrseite, aber unterm Strich muss man tatsächlich halt die Vorteile sehen, für die Gesamtbevölkerung, und dennoch ist es ja so, dass ja auch durch die DSGVO im europäischen Raum natürlich da sehr viele Patienten- und Kundenrechte ja geschaffen wurden, von daher kann man sich zumindest mal in Europa und Deutschland sehr sicher fühlen, dass alle Teilnehmer und Akteure, die da aktiv sind, das alles gut machen, aber klar hat man natürlich die US-amerikanischen Firmen und deswegen wurden ja auch die ganzen Gesetzgebungen gekippt, dass es jetzt viel, viel schwieriger wird für ein US-amerikanisches Unternehmen in Deutschland und Europa Fuß zu fassen, was uns natürlich wieder als Europäer die Chance gibt, dass wir halt mit eigenen technischen Lösung und nicht immer nur am Tropf der Amerikaner hängen, weil wir haben ja viele schlaue Köpfe und tolle Startups und Unternehmen und da sollte man das jetzt wirklich als Rückenwind nehmen und ja die positiven Seiten von Corona nutzen, weil jetzt auch generell bei der Bevölkerung ein größeres Bewusstsein und Interesse da ist, solche digitalen Lösung auch anzunehmen.
Götz Müller: Gut. Vielleicht konzentrieren wir uns jetzt noch ein bisschen auch auf das Thema, wie führe ich dann eben so etwas ein, dass es halt nicht so endet „Stell dir vor, es gibt das e-Rezept und keiner verwendet es“. Das heißt. was ist denn Ihre Erfahrung, was sind dann da so Elemente des Entwicklungsprozesses auch, die ich durchlaufen muss, damit ich unterm Strich dann eben genau diese Akzeptanz dieser Vielzahl der Beteiligten bekomme, in dem Sinne von, dass dann nicht doch wieder der ein oder andere halt hier einen Ausdruck macht und das auf irgendeinem anderen Weg weiterschickt.
Stefan Odenbach: Genau. Also da geht's natürlich wirklich darum, das Thema Standards zu setzen, da hat ja auch der Staat, der Herr Spahn, mehr sparen ja auch sehr, sehr viele gute Gesetze die letzten Jahre auf dem Weg gebracht, vom Digitalisierungsgesetz, über das Patientendatenschutzgesetz, da gab’s wirklich ganz, ganz viele wichtige Aspekte und Gesetze, um da wirklich alle auf einen Nenner zu bringen, weil klar, wenn es freiwillig ist, sieht man ja jetzt bei Corona oder dem Impfthema, solange es freiwillig ist, hat man halt da zwischen einem Drittel und 50% oder nur eine Quote und in dem Fall, wie gesagt, ist es halt wirklich wichtig, dass diese ganzen Akteure ja auch an einem Strang ziehen. Und leider ist es dennoch so, dass oftmals am Ende der Tage der Patient oder der User vor vollendete Tatsachen gestellt wird, wie jetzt bei der elektronischen Patientenakte, wo es dann heißt: Okay, seit dem 01.01.2021 gibt’s die, wird überall in den Medien auch so postuliert und wenn man mal wirklich nachfragt beim Arzt, dann sagt der „Moment, das ist ja nur eine Testphase für ein halbes Jahr und nur 200 Ärzte in ganz Deutschland, die überhaupt an dieser Testphase teilnehmen.“ Und das ist halt immer so das Thema dann, Wunsch und Wirklichkeit, genauso jetzt mit dem Impfthema, überall kommt die Impfkampagne und wenn ich sage „Ja, ich will geimpft werden“, dann heißt es „Ja nee, Sie ja nicht über 60, Sie sind nicht über 60 und nicht in der ersten, zweiten, dritten Gruppe drin, Sie müssen jetzt noch warten drei oder sechs Monate“, kein Mensch weiß wie lange. Das ist einfach so das Thema, dass man natürlich dann wirklich den User vergisst, den frühzeitig einzubinden. Und das ist leider auch beim E-Rezept aus meiner Sicht passiert, dass halt zu lange im stillen Kämmerlein oder in den Fachgremien da irgendetwas vor sich hin entwickelt wird und dann kommt irgendetwas, siehe Corona-Warnapp und dann sagt halt der User „Ja, das Ding funktioniert ja gar nicht.“ oder jeden Tag kommen drei Updates, weil irgendwelche Fehler behoben werden und das ist natürlich fatal.
Götz Müller: Ja, da sehe ich noch einen gewissen Unterschied, dass da, fand ich, eine recht erfreuliche Transparenz da war, verglichen jetzt mal, gut ich würde mich da als nicht ganz IT-fernen Menschen bezeichnen, das heißt, ich interessiere mich für solche Dinge, habe ich jetzt für das E-Rezept in einem vergleichbaren Ausmaß noch nicht gesehen.
Stefan Odenbach: Ja, es gab die Kampagnen auch von gewissen Versandapotheken, die da in ganz Deutschland das Ganze zu plakatiert haben, nach dem Motto, schon seit zwei Jahren stand in den großen Bahnhöfen „Das E-Rezept kommt.“, das hat man vielleicht so wahrgenommen, aber, ja, mit dieser Werbung konnte ja der Patient damit nichts anfangen, wenn man auf die Webseiten geht, hieß es „Nee, kommt ja erst alles Mitte ’21“ oder die E-Rezeptpflicht ab 1. Januar ’22.
Götz Müller: Gut. Vielleicht dann eben ganz praktisch, wie kann ich, wie gehe ich vor als Hersteller beziehungsweise als Provider von einer Plattform für so etwas wie ein E-Rezept, um eben genau diesen Aspekt Nutzer, Anwender, und da zähle ich jetzt mal die Ärzte auch dazu, und die Apotheken, also die drei großen Beteiligten eben mit dem Patienten zusammen.
Stefan Odenbach: Genau. Da ist es wichtig zu sagen, es muss eine offene Plattform sein, also dass jeder, der möchte, auch dran teilnehmen kann, also kein closed shop oder ein Silodenken, das ist ganz fatal bei so etwas. Und dann wirklich auch die Nutzenargumente, patientenzentriert oder auch stakeholderzentriert, dann auch für die Ärzte zum Beispiel, gerade bei denen ist es ja so, die haben bei dem ganzen E-Rezept-Prozess am meisten Arbeit damit, weil die jetzt plötzlich nicht mehr auf dem Zettel da drei Kreuze machen können, sondern irgendwie das ganze digital aufrufen müssen dann mit einer komischen Karte, die sie dann irgendwie in ein USB-Kartenlesegerät einstecken müssen, dann irgendwie eine sechsstellige PIN und so weiter, für die ist das natürlich extrem aufwendig, deswegen sagen auch die Ärzteverbände „Moment mal, so in dieser Ausbaustufe ist das nicht praktikabel“. Und das ist eben auch so ein Thema, dass dann oftmals das Pferd von hinten aufgezäumt wird und vorne der Arzt dann sagt „Nein, das machen wir nicht“ und solange es eben noch diese Fallback-Variante gibt, dass man noch Papier-Rezepte ausstellen darf im Notfall, ja, dann habe ich halt jetzt gerade einen Notfall und stell ein Papier-Rezept aus.
Götz Müller: Okay, da höre ich so ein bisschen raus, es gibt eben bestimmte Erfolgskriterien grundsätzlich. Wenn Sie da mal so die wichtigsten auflisten, damit eben der einzelne, ja, auch Betroffene mal so ein Gefühl bekommt, wie komplex ist das Thema insgesamt.
Stefan Odenbach: Ja. Also wie gesagt, dieser komplette Rezept- Erstellungsprozess ist extrem komplex, weil natürlich auch sehr, sehr viele verschiedene Beteiligte da dran sind, die unterschiedliche Informationen benötigen im Verlauf des Prozesses und letzten Endes ist der Patient stand heute der Datenträger, wirklich im Sinne von erträgt das Papier von A nach B von Pontius zu Pilatus und zurück und jetzt, wie gesagt, soll man das Ganze digital abbilden und was wirklich fatal ist in dieser Denkweise, was leider auch teilweise immer noch gemacht wird, dass man denkt, man muss jetzt diesen Papier-Prozess 1 zu 1 digitalisieren und da gibt's ja dieses schöne Zitat von irgendeinem Telefonica-Chef, ein schlechter Prozess wird kein besserer digitaler Prozess und Sie können es dann wortwörtlich zitieren, ja, der hat es ein bisschen, ja, mehr ausgeschmückt, also auf jeden Fall macht es einfach keinen Sinn, die alte Welt 1 zu 1 in eine neu Welt zu überführen, weil das kann nichts werden, dann wird es immer aufwendiger. Das heißt, man muss natürlich wirklich einen agilen Ansatz fahren und da wirklich auch neue Wege einschlagen und da wie gesagt auch nach dieser Design-Thinking- Methode sehr, sehr frühzeitig mal so mit Zwischenergebnis, mit Prototypen, dann auf die entsprechenden Stakeholder zu gehen und sagen: „Guck mal hier, ich habe eine 80% Lösung, Schaus dir mal an.“ Weil dieses User Feedback ja extrem wichtig ist dann für die weiteren Entwicklungsschritte, weil nichts ist schlimmer als irgendwas zu entwickeln mehrere Jahre lang im stillen Kämmerlein und dann kommt man an den großen Markt und dann sagen die „Ja nee. Da gab’s schon drei andere Anbieter, die es viel besser und einfacher gelöst haben“, siehe wie die ganzen WhatsApps und Facebooks groß geworden sind, die waren halt die ersten, die das halt möglichst einfach dargestellt haben oder wie Google, einfach nur eine einfache Webseite mit einem Suchfeld, das war natürlich revolutionär, im Vergleich zu ganz anderen Suchmaschinen, die extrem kompliziert waren, wo man ein halbes Studium braucht, um zu verstehen, wie ich mich da irgendwie zurechtfinden kann, bis ich dann meine Ergebnisse finde.
Götz Müller: Ja, und da könnte ich mir vorstellen, habe ich natürlich jetzt hier in dem Kontext E-Rezept natürlich besondere Herausforderungen, weil jetzt eine ältere Bevölkerungsgruppe, so im Ruhestand vielleicht schon, halt jetzt nicht die Affinität hat, wie jemand, der zehn, zwanzig, dreißig Jahre mit den Dingen an sich schon mal aufgewachsen ist, das heißt, auch da könnte ich mir vorstellen, dass ich auch im Akzeptanztest schon die ganz triviale Herausforderung habe, wie komme ich denn an meine kritischen Nutzer wirklich ran.
Stefan Odenbach: Genau, aber auch da gibt es entsprechende Studien, es ist gar nicht so schlimm, wie man immer denkt. Klar, man redet nicht über die 88-jährige Oma, dass die vielleicht nicht mit einem Smartphone, dem neuesten iPhone rumrennt, ok, ja, das wird nicht der Standard sein, aber es ist ja tatsächlich so, dass ja alle älteren Menschen entweder irgendwelche Verwandtschaft haben, die mit Sicherheit auch jüngere Generation ist, die auch digital affin ist, oder dann in einem Pflegeheim sind oder in einem Pflege-Betreuungsdienst- Konstrukt vielleicht enthalten sind und ich sehe es einfach an mir, ich wohne zweihundert Kilometer von meinen Eltern entfernt, die sind beide 70 und 80 Plus, die haben ein Handy, die können telefonieren, die haben aber kein Internet, brauchen sie nicht und für mich natürlich ein riesen Vorteil im Vergleich zum papiergebunden Prozess, ich kann jetzt mal nicht eben schnell zweihundert Kilometer fahren, um jetzt da so einen Zettel abzuholen beim Arzt, der halt 5km entfernt ist, meine Eltern haben kein Auto mehr, mein Vater sitzt im Rollstuhl und das ein Riesenvorteil quasi in der Betreuung von Menschen, die … oder theoretisch könnte auch meine Nachbarin sagen, die vielleicht alleinstehend ist „Oh, Stefan, hilf mir mal“, dann könnte genauso der Arzt, was ja heute genauso zulässig ist, das heißt, ich darf ja das Papier-Rezept von meiner Nachbarin, die 88-jährige Oma, in Empfang nehmen, zur Apotheke laufen und bekomme ja auch dann dieses Rezept ausgehändigt, so, und dieses Betreuungsmodelle ist natürlich jetzt während Corona extrem charmant, zu sagen, ich kann jetzt meine Eltern, die zweihundert Kilopmeter entfernt sind, digital betreuen, kann dann von dem Arzt das Rezept empfangen, kann es an die Vor-Ort-Apotheke weiterleiten und die bringt es per Botendienst noch am selben Tag vor die Haustür. Und das kann ich vom Sofa aus machen oder sonst wo auf der Welt.
Götz Müller: Ja oder, ich meine das werden Sie als Robin Hood dann nicht so gern hören, oder ich nutze vielleicht halt dann doch einen Versandhandel, aber man muss wahrscheinlich dann wieder bedenken, dass natürlich dann hier noch ein weiterer Mitspieler ins Spiel kommt und ich da unter Umständen dann noch weitere Wechselwirkungen habe, die es ja unterm Strich auch nicht einfacher machen.
Stefan Odenbach: Genau, also wie gesagt, grundsätzlich spricht ja nichts gegen den Versandhandel, das ist auf jeden Fall eine gute Ergänzung. Aber genauso wenig wird ein Telemediziner jetzt komplett den Arztbesuch ersetzt, weil wie gesagt, den Zahn über Zoom ziehen wird halt schwierig und da gibt's sehr viele Untersuchungen, die halt wirklich nur vor Ort untersucht werden können. Ein schönes Beispiel ist jetzt z. B. der Hautarzt, ich habe da auch in Ravensburg einen sehr, sehr innovativen Hautarzt, der sagt, er nutzt natürlich diese digitalen Helfer, er hat da so eine Kamera, das ist dann eine Privatleistung, kostet 80€, da kann man dann, wenn man gerade viele Leberflecken hat, ich habe da so einen Flyer gelesen im Wartezimmer, da wird man quasi abfotografiert und dann wird wirklich jeder Fleck auf den Punkt genau dann auch von der KI sozusagen, die dahintersteckt, dann analysiert und dann sagt er, kann er wirklich, wenn er immer im Halbjahres- Rhythmus dann die Leute sieht und kann er auch sagen „Okay, dieser eine Leberfleck wird jetzt mit 10.000 anderen Leberflecken verglichen“ und dann haben die eine Tendenz und dann sagen die „Okay, der hat zu 80%, dass das so ein schwarzes Melanom entwickeln könnte, mach den mal lieber raus.“ Letzten Endes entscheidet dann trotzdem der Arzt, ob es dann raus gemacht wird und nicht, aber er sagt, für ihn ist das eine riesige Hilfe, weil er kann ja auch mal einen schlechten Tag haben oder irgendwas übersehen und das ist ja genau dieses Thema, das eHealth soll ja jetzt nicht sein, dass jetzt alles komplett über irgendwelche Roboter gesteuert wird und es sind immer noch Menschen, die ja die Technik nutzen sollen, aber einfach die Unterstützung durch die Technik. Wenn man es mal mit der Automobilbranche vergleich, jetzt im Auto zum Beispiel, klar kann ich ein Auto ohne Servolenkung, ohne Airbags, Sicherheitsgurte ist mittlerweile nicht mehr erlaubt ohne, aber sagen wir mal die ganzen Assistenzsysteme, die Totwinkelwarner, Abstandswarner und so weiter, viele sagen, ich brauche das nicht, bis sie wirklich mal eine Situation erleben, wo sie vielleicht gerade irgendwie am Radio rumspielen und plötzlich bremst das Auto, weil irgendwie Stau vorne weg ist und dann geht der Notbremser an. Also darum geht's im Prinzip, dass diese digitalen Helfer den Menschen unterstützen sollen, aber nicht ersetzen.
Götz Müller: Und an manchen Stellen aber durchaus ihm überlegen sind. Ich entsinne mich da an ein Video, wo in den Niederlanden ein Tesla auf ein Stauende zugefahren ist und der schon angefangen hat, zu bremsen, bevor ein Mensch das nicht mal ansatzweise wahrgenommen hat, dass da vorne ein Bremslicht angegangen ist.
Stefan Odenbach: Genau. Also von daher würde ich sagen, gibt’s da wirklich viele Möglichkeiten, diese digitalen Helfer in den Prozess der Versorgung zu integrieren. Aber wie gesagt, der Faktor Mensch ist trotzdem wichtig, weil wie gesagt die Ärzte haben natürlich auch einen großen Erfahrungsschatz und dann sagt er „Ok, auch wenn jetzt zehn Prozent vielleicht nur die Wahrscheinlichkeit laut der KI rauskam, aber ich als Arzt mit meinen 30 Jahren Erfahrung sage, das Ding sieht irgendwie komisch aus, mach das besser raus.“ Und das ist ja, wie gesagt, genau das Thema und beim Versandhandel ist es ja ähnlich. Das ist ja nur eine Ergänzung. Der Versandhandel hat ja momentan nur 1% des Marktanteils in Deutschland, also von 500 Millionen Papier-Rezepten gerade mal 1% 5 Millionen, bei frei verkäuflichen Medikamenten durch die höheren Rabatten natürlichen einen höheren Anteil, die liegen irgendwo bei 30%, jetzt durch Corona natürlich noch mal ein bisschen mehr, aber das ist ja genau das Thema. Möchte ich jetzt wirklich, wenn ich jetzt chronischer Patient bin, erstens bisher ich ja meinen Papierzettel durch ganz Deutschland oder sogar in die Niederlande schicken, dann habe ich in der Regel zwischen drei und fünf Tage warten müssen, das kann man zwar auch alles mittlerweile ein Stück weit ja auch schneller machen, nur dieser persönliche Berater, dass sie sagen, ich kann jetzt wirklich in die Vor-Ort-Apotheke gehen, kann mich beraten lassen … Ich habe es auch schon oft erlebt, bin ich mit dem Rezept quasi in die Apotheke gegangen für meine Kinder zum Beispiel und dann guckt halt die Apothekerin drüber und sagt zu mir: „Ihre Kinder sind doch noch minderjährig. Das, was der Arzt da aufgeschrieben hat, ist ja die Erwachsenendosis, dieses Rezept gegen Fieber, das kann eigentlich nicht sein.“ Und dann tatsächlich hat halt der Apotheker, nach dem Vier-Augen-Prinzip festgestellt, weil er mich halt kannte und meine Familie, meine Kinder, dass das, was der Arzt verschrieben hat, der ist ja auch nur ein Mensch, kann auch Fehler machen, das halt vielleicht nicht das Richtige wäre. Und das ist ja auch gerade auch während Corona wie gesagt, die Apotheke vor Ort ist ja nach wie vor der sicherste Ort, weil die ja die allerersten waren, die sofort angefangen haben mit Plexiglasscheiben, Mundschutz und so weiter. Also einfach dieser persönliche Kontakt und diese persönliche Beratung, jetzt auch gerade durch Corona, wieder sehr verstärkt wird und ich finde es ein schönes Beispiel mit den Mundschutzmasken, dass ja in der ersten Phase ja nur in der Vor-Ort-Apotheke in Deutschland diese Masken abgegeben werden durften und dann halt auch dann Versand-Kunden, die bisher nur in Holland bestellt haben, auch wieder gezwungenermaßen zurückkam. Da gibt's auch ein schönes Beispiel im Internet, wo dann auch wirklich diese Person sich vor Ort hat mal beraten lassen, was er sonst noch für andere Medikamente nimmt und dann kam eben raus, dass er da oftmals irgendwelche Ausschläge hat, weil er da halt verschiedene Sachen untereinander nimmt, die sich halt einfach nicht vertragen. Und das ist einfach das Thema, die Pharmazeuten in der Apotheke wieder als Berater wahrzunehmen und, ja, die haben ein wahnsinnig breites Wissen, oftmals weiß sogar der Apotheke, weil die haben ja auch 24/7, es gibt ja diese Nacht- und Notdienste in Deutschland, vielleicht nicht direkt um die Ecke, vielleicht habe ich mal Glück, dass meine Vor-Ort-Apotheke, aber im Umkreis von 30km habe ich mindestens eine Apotheke, die auf hat, wo ich dann wirklich Tag und Nacht, auch an Weihnachten und Neujahr, hingehen kann und die helfen mir dann auch, gerade wenn ich halt irgendwie einen Notfall habe. Und das ist natürlich ganz, ganz wichtig, dass natürlich die Apotheke vor Ort auch durch gestärkt natürlich weiterhin als wichtiger, systemrelevante Faktor wahrgenommen wird. Wie gesagt, der Versand, die liefern natürlich auch same day mittlerweile in den manchen Regionen, aber es ist halt trotzdem eher so eine Massenabfertigung. Und jetzt ist auch das Thema, wenn ich sage, ich bestelle Zäpfchen im Sommer, da würde ich jetzt den Versandhandel nicht empfehlen, weil das kommt dann flüssig an oder sehr weich und deswegen wurde jetzt auch eingeführt, was er bisher nicht der Fall war, dass auch die EU-Versandapotheken eine Temperaturkontrolle in der Logistik einführend müssen. Weil ja, das ist auch ein Thema, auch gerade was Impfstoffe angeht, ja, dieses Super-Kühlung, das können momentan nicht mal die Apotheken abbilden, weil die auch nicht diese Super-Kühlschränke haben und das natürlich alles solche Dinge, wo man sagt: Digital, grundsätzlich was Beratung angeht und alles, und ich sag mal durch diesen Botendienst bietet ja auch die Vor-Ort-Apotheke einen Lieferservice an und im Gegenteil, da kommt dann nicht der DHL-Mann, der von Medikamenten keine Ahnung hat, sondern es kommt ja Apothekenpersonal, teilweise sogar der Inhaber, der Apotheker selber, der dann abends die letzte Tour macht, jetzt bei meinen Eltern auf dem Land und den kann man natürlich an der Haustür noch mal was fragen. „Guck mal hier, ich habe da einen Ausschlag“ und dann sagt er „Ja, das kommt vom vielen Desinfektionsmittel nehmen. Es gibt da irgendwie eine freiverkäufliche Creme, die ich dir empfehlen kann, um deine trockene Haut zu behandeln.“ So etwas zum Beispiel.
Götz Müller: Gut. Jetzt haben Sie angedeutet, es ist eine im Grunde offene Plattform und da kommt mir dann so etwas vergleichbares wie die zig verschieden Messenger in den Sinn, wo wir durchaus aus Sicht des Einzelanwender die Herausforderung haben, ja, was nutze sich denn jetzt und eventuell muss ich dann verschiedene Sachen nutzen. Also der eine hat WhatsApp, der andere sagt, nee, kommt mir nicht ins Haus und dann muss ich mit dem über irgendein anderes Medium kommunizieren. Jetzt, glaube ich, wäre so etwas natürlich für eine zentrale Geschichte, wo alle mitmachen sollen, können, dürfen, müssen im Grunde eine echte Schulter Hürde, das heißt, wie vermeide ich hier einen Wildwuchs, der nicht im Sinne, speziell des Patienten, ist, aber auch Ärzte und Apotheker. Nicht dass der Patient sagt, du kannst mir, in Anführungszeichen, kein WhatsApp-Rezept schicken, sondern ich hätte es halt lieber gern mit Signal oder Telegram.
Stefan Odenbach: Genau. Grundsätzlich ist es so, dass es ja durchaus auch eine Daseinsberechtigung gibt von verschiedenen, in dem Fall jetzt Messengerdiensten oder in dem Fall E-Rezept-Lösung oder verschiedenen Zugangspunkt, weil es ist ja zum Beispiel kann ich es per App bekommen zukünftig oder als Papierausdruck, weil das soll es ja auch geben, Leute, die kein Smartphone haben oder nicht das neueste Smartphone, was davon unterstützt wird, bis hin zu dass ich das E-Rezept oder diesen Code dafür auf meiner Gesundheitskarte speichern lassen kann und dann vor Ort quasi, wie beim Geldabheben dann dort meine Karte vorzeige. Das heißt, es gibt ja immer unterschiedliche Wege, die nach Rom führen und deswegen haben wir uns mit dieser offenen Plattform an ein sehr bekanntes Modell im Prinzip angelehnt, das nennt sich PayPal. Das heißt, wir haben im Prinzip diesen PayPal Button entwickelt, sodass wir quasi diese Funktion, E-Rezepte austauschen, in jede andere App einbauen können, einfach als Knopf. Wenn wir uns heute überlegen, in den ganzen Webshops, egal ob das jetzt Amazon oder sonstwo Tchibo oder sonst, wo Sie einkaufen, und genau das haben wir mit unseren E-Rezept über eRiXa, dass wir unsere Funktionalität über die entsprechende APIs, also diese Schnittstellen, interoperabel, wie man so schön sagt in der Branche, in jede andere App einbauen kann, sodass eben der Patient nicht gezwungen ist, jetzt zwei oder drei Apps parallel zu nutzen, sondern wenn ich jetzt zum Beispiel Asthmatiker bin und meine Asthmatiker-App nutze, weil die halt bestimmte tolle Funktionen hat, dann kann ich die auch weiterhin nutzen und muss jetzt eben nicht eine völlig überladene App nehmen, die jetzt für alle chronische Erkrankungen, die es theoretisch gibt, irgendetwas bietet. Ich bin kein Diabetiker, was brauche ich da irgendwelche Knöpfe, die für Diabetiker sind, oder ich soll mir doch gerne selber aussuchen dürfen, welche App ich denn nutzen möchte, aber ich habe den Vorteil, dass ich diese Funktion in allen meinen Apps nutzen kann, auch egal bei welcher Krankenkasse ich bin. Da habe ich jetzt auch den Vorteil, dass ich jetzt in dem Fall von eRiXa mit allen Apps, die ich so im Gesundheitswesen dann auch nutzen würde, über eine App das Ganze steuern kann, weil die Daten liegen ja zentral und nur der Zugangspunkt kann vom Patienten dann frei gewählt werden.
Götz Müller: Ja, ich glaube … also ich finde das eine wunderbare Metapher mit PayPal oder eben allgemein auch Online-Banking, da habe ich immer natürlich die Banking-Apps von den einzelnen Banken, aber spätestens in dem Augenblick, wo ich mal noch eine zweite Bank habe, hätte ich dann schon zwei und deshalb nutze ich persönlich zum Beispiel auch eine neutrale App und ich könnte mir vorstellen, dass es eben auf die Akzeptanz einen Einfluss hat. Vielleicht an der Stelle noch den Gedanken, wo stehen wir denn im Vergleich zu anderen? Sie hatten vorhin dieses, von mir auch immer wieder wunderbare, in Anführungszeichen wunderbare, Zitat von dem Telefonica-CEO genutzt, wo stehen wir Ihrer Ansicht nach im Vergleich zu anderen Ländern, da gibt's auch den schönen Begriff des Neulands.
Stefan Odenbach: Also wenn man mal so sieht, ein Politiker hat mal gesagt, es gibt in Deutschland mehr Funklöcher als Schlaglöcher auf den Straßen. Das fand ich ganz interessant. Der ist von Stuttgart nach Ravensburg gefahren und hat das dann auf so einer Podiumsdiskussion gesagt, das fand ich ganz witzig, weil er Recht hat. Das ist ja richtig brutal, teilweise wenn ich durch Stuttgart fahre, habe ich kein Netz, also das ist auch nicht nur auf dem Land. Im Gegenteil. Meine Eltern wohnen sehr, sehr ländlich, da habe ich mittlerweile LTE, in Stuttgart habe ich nur Edge. Also manchmal ist es ganz, ganz seltsam, wenn man da in einem komischen Funkloch steckt. Und Deutschland hinkt da wirklich massiv hinterher. Wenn man überlegt, für so ein großes Land und das wirtschaftsstärkste Land in Europa, und wenn man dann sieht, wie andere, das sind vielleicht kleinere Länder, jetzt Estland, aber man sieht England, gut Brexit, nicht mehr EU, aber dennoch sehr europäisch und Frankreich, die sind also schon wesentlich weiter, was das Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen angeht und gerade Estland ist natürlich so ein Paradebeispiel, auch Finnland natürlich, wobei man da fairerweise sagen muss, klar, wenn bei der grünen Wiese anfängt und ein neues System aufbauen kann, ist es natürlich immer einfacher, wie bei einem über die Jahre, seit dem Krieg im Prinzip, gewachsenes Gesundheitssystem. Wir haben mit Sicherheit weltweit das beste Gesundheitssystem, keine Frage, das sieht man jetzt ja auch, wie das jetzt mit Corona-Krise sehr gut gemeistert wurde, und ja, da viele Grüße an die ganzen Corona-Leugner, wir sind ja froh, dass wir nicht so viele Todesfälle haben und das liegt halt einfach daran, dass wir in Deutschland wirklich sehr, sehr gut aufgestellt sind und ich glaube, niemand möchte solche Zustände wie in anderen Ländern, gerade wenn man sieht, was in Brasilien und auch in den USA teilweise abgeht und daher ist es wirklich ein Jammern auf hohem Niveau, aber jetzt, wie gesagt, dankenderweise durch Herrn Spahn, was der die letzten zwei Jahre da wirklich auch in einem Schweinsgalopp-Tempo auf die Beine gestellt hat, weil ich hatte ein Gespräch mit großen EU-Versandapotheke, Ende 2017, und dann habe ich so gefragt damals, in den Anfängen des E-Rezeptes, ja, wann kommt das E-Rezept und dann sagen die mir, O-Ton, „Lassen Sie uns in zehn Jahren noch mal darüber sprechen.“ Drei Monate später wird der Spahn Gesundheitsminister und jetzt zwei Jahre später wird das Ding eingeführt, also das haben selbst die großen EU-Versandapotheken nicht für möglich gehalten, dass ein Minister dieses Tempo quasi an den Tag legt und dann wirklich auch die Gesetze, die dafür notwendig sind, eben in kurzer Zeit auch wirklich durchpeitscht.
Götz Müller: Gut. Da geht bei mir, so ein bisschen zum Abschluss … immer noch die dann die Frage, schaffe ich es dann mit dieser Geschwindigkeit, den Aspekt Veränderungsmanagement, da dann wirklich die Betroffenen, und das sind halt mehr als die Patienten, geeignet mitzunehmen beziehungsweise wie geht man dann eben mit Widerständen um und wie kann man gegebenenfalls Widerstände in Akzeptanz verändern? Was ist da Ihre Erfahrung, gerade in so einem, ja, Gesundheitswesen, doch ein bisschen ein sensibles Thema.
Stefan Odenbach: Also natürlich das klassische Thema, die Betroffenen zu Beteiligten machen, was ja auch der Staaten gemacht hat, dass er da eine Gesellschaft gegründet hat, wo eben die Ärzteverbände, die Krankenkassen die Apotheken und die Softwareunternehmen gemeinsam im Prinzip eine Lösung entwickeln, nur leider war das Problem, dass diese Projektgruppe oder diese Firma durch die Gleichverteilung der Anteile sich gegenseitig blockiert hat, wenn es dann um Entscheidungen ging und der Herr Spahn dann als Gamechanger gesagt hat, er übernimmt als BMG, als Staat, 51% von dieser Gesellschaft, sodass er einfach den Takt vorgeben kann und dann eben nicht mehr in Zehn-Jahres-Schritten gedacht wird, sondern in Jahreszyklen und er hat ja auch dann einen neuen Geschäftsführer mit ja auch dann platziert, der wirklich aus der Branche kommt, selber ja auch Arzt ist und selber auch ein sehr, sehr großes Fachwissen hat und siehe da, innerhalb kürzester Zeit geht plötzlich ein ganz anderes Tempo. Und von daher gesagt, definitiv die Leute frühzeitig mit involvieren. Und andererseits, ja, ich meine, Deutschland ist nun mal ein bisschen so das Jammerland, man kann es nicht allen recht machen, will man auch nicht. Mein Hochschulprofessor von der Steinbeis-Stiftung sagt immer, wer in alle Richtungen offen ist, ist nicht ganz dicht. Also von daher muss man auch mal die Leitplanken setzen und sagen „Okay, das ist halt jetzt einfach der Weg, den wir gehen wollen“ und ja, wie man so etwas machen kann, kennt jeder aus dem privaten Umfeld, wenn man so ein Pflaster hat, was man länger irgendwie draufhat, man kann es immer langsam abziehen oder halt schnell. Und jetzt kann jeder aus seiner Erfahrung mal überlegen, was besser ist.
Götz Müller: So ein anhaltender Schmerz oder halt mal gschwind und dann, so nach dem Motto „Er hat gar nicht gebohrt.“
Stefan Odenbach: Genau. Es tut ja nie weh, wenn der Zahnarzt bohrt. Genau. Aber wie gesagt, es ist einfach so. Und auch im europäischen Vergleich, es gibt ja auch Überlegungen und auch konkrete Pläne, das ja auch innerhalb Europas genauso wie man ja den Euro hat, ein Euro-Rezept quasi haben möchtest, sodass ich, wenn es irgendwann wieder geht, es problemlos möglich ist. in Österreich Skifahren kann oder in Italien und Frankreich und wenn mir dort was passiert, dass dann ich ja genauso dann die ganzen Daten in meine deutsche Patientenakte oder auch jetzt die Rezepte sozusagen dann auch länderübergreifend einlösen kann. Das sind natürlich wirklich solche Überlegung, dass man sagt, das stärkt natürlich auch den Wirtschaftsstandort EU. Ich finde es natürlich extrem schade und auch ein fatales Zeichen, dass jetzt ja durch Brexit, sich UK abgeklammert hat. Aber ja, das ist halt jetzt einfach so und wie gesagt, wir müssen als Europäer da auch selbstbewusster auf dem Weltmarkt agieren, wie gesagt, die Chinesen, die Inder und die Amerikaner, ja, die laufen uns halt sonst wirklich den Rang ab und das sollte uns möglichst nicht passieren und von daher finde ich es auch gut, dass die ganzen Gesetzgebungen so langsam anfangen, dann auch dass überhaupt wiederum ein fruchtbarer Boden für europäische Lösungen und auch gerade im IT-Umfeld entstehen können, weil wie gesagt, WhatsApp und Facebook und Co, das ist vielleicht im privaten Umfeld ganz in Ordnung, aber man sieht ja auch, dass die immer mehr ja auch in das Business-Umfeld reingehen und dass natürlich die Amerikaner mit den Daten, die sie da generieren, andere Dinge machen, wie wir Deutsche und Europäer, ist auch klar. Von daher sollten wir auch wirklich schauen, dass wir die Datenhoheit bei uns behalten.
Götz Müller: Ja und das war ein gutes Stichwort zum Abschluss, mir kam dann in den Sinn: Souveränität fängt halt nicht oder hört nicht am Schlagbaum auf, sondern dieses Stichwort digitale Souveränität, ich glaube, da könnte man fast noch eine eigene extra Episode oder mehrere drum machen.
Stefan Odenbach: Genau.
Götz Müller: Prima. Herr Odenbach, ich danke Ihnen für die Zeit, für die schönen Einblicke von jemandem, der sich mit dem Thema intensiv beschäftigt hat, ja, deshalb noch mal vielen Dank.
Stefan Odenbach: Sehr, sehr gerne, Herr Müller, jederzeit. Vielen Dank.
Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Stefan Odenbach zum Thema eHealth-Prozesse. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 230.
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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.
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