Kaizen 2 go 298 : Transformation in etablierten Organisationen


 

Inhalt der Episode:

  • Was charakterisiert etablierte Organisationen? Wie entstehen sie, was sind ihre Vorläufer?
    Welche Konsequenzen ergeben sich aus dieser Entwicklungsgeschichte?
    Was muss man im Umgang mit etablierten Organisationen beachten?
    Was ist Deine Definition von Kultur?
    Welche Motivation(en) sind in etablierten Organisationen vorherrschend?
    Wie kann diese Motivation zur Weiterentwicklung genutzt werden?
    Was sind Deine Tipps zum Einstieg in Transformationen in etablierten Organisationen?

Notizen zur Episode:


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(Teil)automatisiertes Transkript

Episode 298 : Transformation in etablierten Organisationen

Herzlich willkommen zu dem Podcast für Lean Interessierte, die in ihren Organisationen die kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse und Abläufe anstreben, um Nutzen zu steigern, Ressourcen-Verbrauch zu reduzieren und damit Freiräume für echte Wertschöpfung zu schaffen. Für mehr Erfolg durch Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, höhere Produktivität durch mehr Effektivität und Effizienz. An den Maschinen, im Außendienst, in den Büros bis zur Chefetage.

Götz Müller: Heute habe ich Alexander Burghard bei mir im Podcast-Gespräch. Er ist Verfechter von Agilität in großen und kleinen Organisationen. Hallo Alexander.

Alexander Burghard: Hallo Götz, vielen Dank für die Einladung.

Götz Müller: Ja, schön dass du dabei bist heute. Ich habe schon ein kurzes Stichwort zu dir gesagt, aber führ' das gern nochmal in zwei, drei, vier, fünf Sätzen ein bisschen intensiver aus, was du so machst, was dir wichtig ist.

Alexander Burghard: Also ich glaube, ich bin heute ganz gut aufgehoben bei dir. Ich habe das Toyota Production System als Auszubildender beim weltweit größten Automobil-Zulieferer kennengelernt, war dann in der Software-Entwicklung, bei einem der größten deutschen Software-Entwicklern in Nürnberg und bin jetzt bei Deutschlands größten Kfz-Versicherer gelandet. Du hörst, es sind sehr viele große Organisationen gewesen und Agilität fängt aber schon im Kleinen an, in kleinen Teams an und deswegen passt deine Einleitung auch so wunderbar zu dem, was mich ausmacht, oder mit dem ich mich beschäftige.

Götz Müller: Ja, und das passt auch wunderbar ja zu unserem Thema und so habe ich dich auf einem Vortrag kennengelernt, wo es eben um etablierte Organisationen ging und die Transformation in etablierten Organisationen und vielleicht zum Einstieg, damit wir da so ein bisschen einen Rahmen aufziehen, was ist deine Definition, was sind für dich die Charakteristiken von etablierten Organisationen? Im Anschluss unterhalten wir uns dann noch ein bisschen, wie es dazu kommt, ist ja nicht so popp, dann sind sie da, sondern die haben ja immer irgendeine Art von seiner Vorgeschichte.

Alexander Burghard: Oh ja. Unter etablierten Organisationen sehe ich große Organisationen, die gefestigte Prozesse haben, zentral gesteuerte Prozesse haben, zentral definierte Prozesse haben, der Blick Richtung Kostenfaktor eher nach innen gerichtet ist auf die eigenen Prozesse und der Blick nach draußen Richtung Kunde und Kosten beim Kunden ein Stück weit verloren wird oder durch den Blick nach innen überdeckt wird, an der Stelle, und das sind häufig Organisationen, die einfach eine Vielzahl an Mitarbeitern haben und dadurch alleine schon in die Notwendigkeit kommen, sich zu strukturieren und sich zu finden und das habe ich als etablierte Organisation beschrieben.

Götz Müller: Ja, und wie ich es ja gerade schon angedeutet habe, ich glaube, so keine Organisation, so was fällt mir da gerade ein, irgendwie so durch einen Zaubertrick sind sie plötzlich da, sondern sie werden ja in irgendeiner Form zu etablierten Organisation und vielleicht dass wir auch den Punkt noch ein bisschen, ja, besprechen, diskutieren, was ist so dein Modell, wie sie, ja, entstehen?

Alexander Burghard: Also etablierte Organisationen sind häufig in Konflikt mit agilen Vorgehensweisen, weil bei agilen Vorgehensweisen doch das Teamwork und das Produkt und der Kunde stark im Fokus steht und wir hören schon, etablierte Organisationen, wenn man es so betrachtet, der Kunde wird überlagert durch interne Prozesse, starke Standardisierung von Prozessen, zentrale Definition oder Planung von Prozessen. Man hört schon da ein bisschen die Konfliktsituation und häufig ist es so, wenn man mit agilen Vorgehensweisen in etablierten Organisationen beschäftigt ist, dann findet man diesen Konflikt einfach tagtäglich und hin und wieder ärgert man sich dann auch in dem Moment über das, was einen umgibt und ich habe mich dabei ertappt, mich zu fragen: Woher kommt das eigentlich? Also ist das etwas, was andere Leute ganz bewusst, ja, vielleicht negativ für die Verfechter von Agilität aufbauen oder ist es doch eher etwas, was einfach ganz menschlich, ganz natürlich sich entwickelt und entsteht? Und das ist der Punkt, wo ich mir Gedanken mache, wie entstehen eigentlich alle etablierten Organisationen? Die fangen alle mal klein an, wahrscheinlich als Art, heute würde man sagen Startup, mit allen Personen und Fähigkeiten, die es dazu braucht, um ein Produkt, um eine Leistung an den Kunden zu bringen und das ist meistens ein sehr kleines Team, eine Handvoll Personen, bei dem jeder seine Fähigkeiten und sein Wissen einbringt und in der Zusammenarbeit in dem Teamwork am Ende den Kunden ein Produkt und eine Leistung geben kann. Und das Spannende ist bei diesen Startups ist auch, dass tatsächlich dann auch der Kunde immer im Fokus steht, weil von ihm kommen letzten Endes die Einnahmen und letztendlich dann auch das Profitmodell, dass diese Organisation trägt, diese kleine Organisation trägt und die Zusammenarbeit ist ganz stark auf Teamwork ausgelegt. Das finden wir immer. Und ich habe mir Gedanken gemacht, okay, wie kommt es dann, dass wir von einem Startup zu einer etablierten Organisationen geraten, die komplett unterschiedlich ausgerichtet ist? Und ich bin darüber gestolpert, das erste, was passiert ist oder was passiert bei Startups, wenn das Produkt oder die Dienstleistung erfolgreich ist, gibt es mehr Nachfrage und diese Organisation, dieses Startup wächst, bedeutet, es werden mehr Mitarbeiter dazukommen in dieser Organisation und dann entsteht ein ganz natürlicher Prozess. Wir Menschen, vor allem hier in Mitteleuropa, wir kategorisieren unglaublich gerne. Ich habe diese Geschichte mal gebracht mit, selbst wenn wir bei uns ins Schlafzimmer gehen und die Schubladen aufmachen, haben wir überall kategorisiert. Schublade 1 die Socken, Schublade 2 die Unterhemden, Schublade 3 die Unterhosen. Letzten Endes brauchen wir aber alles zusammen, um tatsächlich uns einmal einkleiden zu können und wenn wir zu viel Auswahl haben, dann braucht es vielleicht sogar noch den Partner oder die Partnerin, um das richtige Outfit zusammenzusuchen. Und das ist so eine Möglichkeit zu verstehen, dass wir unglaublich gerne kategorisieren. Also wir tun das bei uns im Schlafzimmer, wir tun das überall privat und wir tun das auch ganz natürlich in unserem Berufsleben und eben auch dann, wenn ein Startup wächst und größer wird, mehr Personen dazukommen. Es wird unübersichtlicher. Die einfachste Möglichkeit für uns dort noch Orientierung zu haben, ist wir kategorisieren gerne und so entstehen dann einfach Silos zu besonderen Fähigkeiten, zum Beispiel für die Technik, für den Vertrieb, für das Marketing, für das Finanzwesen und so entstehen dann einfach Abteilungen im Laufe der Zeit. Und in dieser wachsenden Organisationen, die ist noch nicht so groß, dass man da feste und strukturierte Prozesse braucht, sondern da ist es trotzdem noch so, dass es eine Größe hat, wo die Mitarbeiter und die Personen, die da drin unterwegs sind, noch sehr gut mit Teamwork zusammenkommen und zusammenfinden, das ist noch so eine zwischen Stufe.

Götz Müller: Ja, jetzt, wo du das so erzählst, kommt mir noch ein anderer Aspekt in den Sinn. Ich glaube, es ist ein sehr natürlich, ganz allgemein, menschliches Thema zu kategorisieren und nicht zuletzt Sprache, die wir verwenden, enthält so etwas auch, wenn es nicht so zum Beispiel die Kategorie Baum gäbe, dann wären wir nicht in der Lage mit jemand anderes uns über einen Baum zu unterhalten, weil wir ja anfangen müssten im Detail da irgendetwas zu beschreiben, damit der andere irgendwie ein Bild vor dem geistigen Auge hat, nur dadurch, dass es in der Sprache den Begriff Baum gibt, hat er ja dann auch irgendein Bild, es kann zwar ein völlig anderer Baums sein, aber irgendwie haben wir da sofort eine Gemeinsamkeit und ich glaube, das geht noch, wenn man das mal zu Ende denkt, geht es über ganz, ganz viele Dinge eben hinaus, wo Kategorien entscheidend sind für menschliches Zusammenleben und dann hatte ich so, also das andere Extrem, keine Ahnung warum, irgendwo eine Katze vor mir, für die gibt es vielleicht für alles, was um sie herum ist, nur zwei Kategorien, Beute oder Feind, also Hund gleich Feind, Beute gleich Maus. Gut, ich vermute mal, Katzen sind dann im Allgemeinen doch ein bisschen einfacher gestrickt, wie wir Menschen halt.

Alexander Burghard: Sicherlich. Und überall da, wo wir allerdings mit vielen, vielen Dingen beschäftigt sind und wir eine Situation von Unsicherheit empfinden, fangen wir an, ganz natürlich zu kategorisieren und das passiert auch dann einfach in unserem beruflichen Umfeld ganz stark, weil wir einfach die Sicherheit brauchen, um zu verstehen, was um uns herum passiert und wie wir mit anderen agieren, bedeutet aber auch, das hat einen Effekt, wenn dann diese wachsende Organisation noch größer wird, Richtung etablierte Organisation, dass jede Kategorie für sich bleibt sehr stark und das bedeutet dann für die Zusammenarbeit muss man das irgendwie aufbrechen oder irgendwie verändern, bedeutet man fängt an, Prozesse zu etablieren und diese Prozesse zentral zu steuern und zentral zu definieren, wer jetzt wie mit wem für was zusammenarbeiten muss, um welches Ergebnis zu bekommen. Und das fängt an, durch diese Prozesse, auch die Kosten, Process Loss zu erzeugen und das versucht man dann wieder, in Anführungszeichen zu tracken, zu überprüfen, um nicht zu viele Kosten zu generieren. Und das ist so die Entwicklung, eine ganz natürliche Entwicklung, die wir Menschen einfach mit uns tragen und wahrscheinlich hier in Mitteleuropa noch schwerer oder noch intensiver als in anderen Regionen der Welt, dass wir dann anfangen, nicht mehr nach außen den Blick zu haben, Richtung Kunde und nicht mehr auf Teamwork den Blick zu haben, sondern nach innen gerichtet, okay, wir müssen schauen, dass wir uns unsere Kosten für Prozesse möglichst gering halten, also eine nach innen gekehrte Sicht entsteht und man Teamwork dann durch Prozesse ablöst, in der Hoffnung, dass die Prozesse, die man einmal definiert hat, immer alles effektiv und effizient zugleich bewerkstelligen. Genau, und das ist so die Entwicklung, die ich für mich wahrgenommen habe, in dem Zusammenhang.

Götz Müller: Ja und bei dem, was du jetzt gerade erzählst, ich meine, du als jemand, einerseits Toyota-Produktionssystem, auch schon einiges mitgekriegt hast, aber jetzt eben im agilen Kontext unterwegs bist und ich natürlich jetzt wieder durch die, ich nenne es mal pure Lean-Brille natürlich wieder unheimlich viele Gemeinsamkeiten sehe, nämlich dieses einerseits kundenorientiert, das streben beide Seiten an, also Seiten hört sich jetzt schon fast wie so irgendeine Art Kontrast oder so etwas an, ich glaube, dass da viel mehr Gemeinsamkeiten sind und an der Stelle eben auch. So das höchste Gut ist die Kundenorientierung, sowohl bei Lean als auch bei Agilität und ich glaube, das ist dann auch der Punkt, wo man voneinander lernen kann und das war für mich auch der Impuls, dich nach dem Vortrag anzusprechen, wie da deine Erfahrungen aussehen und jetzt, wenn wir nochmal kurz den Titel der Episode ins Gedächtnis holen, Transformation in etablierten Organisationen, wir müssen ja jetzt nicht, wir hätten gar kein Thema uns zu unterhalten, wenn wir nicht über die Transformation reden wollen in etablierten Organisationen und das ist nur einerseits, wenn ich also wieder agiler werden will, so habe ich es zumindest verstanden, muss ich mich also in die Richtung transformieren, wo ich vielleicht eher so wie ein großer Tanker schon unterwegs bin. Das sind aber genau die gleichen Themen, die ich auch im Lean-Kontext habe. Da habe ich dann auch irgendwelche Prozesse, die irgendwie ad hoc sind und ich möchte sie natürlich aber schon strukturieren, ich möchte bewusst machen, gezielt machen und stehe aber dann unter Umständen wieder vor der Größe oder die Größe meiner Organisation steht mir im Weg und deshalb die, ja, nächste Frage, was war denn dein Learning im Sinne von, wie gehe ich jetzt mit etablierten Organisationen um, wenn ich da halt etwas transformieren will?

Alexander Burghard: Also was man häufig hört im Zusammenhang mit dem Wort Transformation ist das Wort Kultur. Und häufig hört man: “Die Kultur muss sich verändern. Wir müssen an der Kultur etwas verändern.” Ich habe noch wenig Kolleginnen und Kollegen kennengelernt, die gesagt haben “Wir haben erfolgreich unsere Kultur verändert”, sondern die meisten haben sich eher an dem Thema oder an dem Wort aufgerieben, an dem Wort Kultur. Für mich ist die Kultur aber keine Variable, die man verändern kann, sondern für mich ist die Kultur eigentlich das Ergebnis aus zwei anderen Variablen. Die erste Variable ist die Variable Prozesse, in Form von Teamwork oder zentrale Prozesse, das ist ein Unterschied. Und die zweite Variable ist das Profitmodell. Also schau ich nach außen hin auf den Kunden und betrachte, welches Problem hat er und wie können wir das Problem lösen und wie können wir dafür belohnt werden? Oder haben wir ein eher in sich gerichtetes Profitmodell, wo man eher schaut, was sind unsere einzelnen Prozesse, wie können wir die Prozesse möglichst günstig gestalten und hat den Kunden gar nicht mehr im Fokus? Für mich ist Kultur ein Ergebnis aus Prozessen und Profitmodell und wenn man sich jetzt anschaut, die Prozesse und das Profitmodell in einem Startup, wo tatsächlich der Prozess starkes Teamwork ist, starke Problemlösungsfindung ist und das Profitmodell mit Blick auf Kunden stärker ausgerichtet ist, entwickelt sich eine andere Kultur als in einer etablierten Organisation, bei der es bei den Prozessen weniger um Teamwork geht als viel stärker um einmal zentral definierte Prozesse, die alles abfangen sollen und einen Profitmodell, was bedeutet, wir schauen auf einzelne Prozesse, die sollen einfach intern nicht so viele Kosten verursachen, diese Situation überlagert den Kunden. Also man sieht, durch diese unterschiedlichen Prozesse- und Profitmodell-Kombination ergibt sich am Ende auch eine andere Kultur und die Frage, die sich da mir stellt, ist in der Situation Transformation von etablierten Organisationen hin wieder zu mehr Agilität, mehr Kundenorientierung und mehr Effektivität bedeutet auch gleichzeitig, wir müssen uns mit dieser Situation beschäftigen. Wie können wir Prozesse und wie können wir das Profitmodell so gestalten, dass sich dadurch unsere Kultur auch ein stückweit ändert?

Götz Müller: Ja, und ich glaube eben, und das muss man sich, zumindest war das so meine Erkenntnis aus deinem Vortrag damals … es gibt ja manchmal so die Frage “Habe ich überhaupt eine Kultur?”, also das ist zumindest mein Eindruck, dass da manchmal irgendwo diese Frage im Raum irgendwie schwebt und wenn man jetzt aber mal sich die Definition, also wenn wir es mal rein mathematisch betrachten und sich die Definition von Prozess anschaut und die Definition, wie auch immer die aussehen mag, von Profitmodell, möchte ich mal sagen, ich habe beides immer, weil es können zwar, das ist dann so dieser Spruch mit den digitalen Sch-Prozessen, aber Prozesse habe ich im Grunde doch auf irgendeine Art und Weise immer, sie mögen vielleicht schlecht sein und nicht bewusst sein, aber für mich ist die Prozessdefinition, die Kombination aus Handlungen und Kommunikation, und seit Watzlawick wissen wir, ist mein Spruch immer wieder, wissen wir, dass das mit dem nicht kommunizieren nicht geht und wenn ich jetzt zu dir sagen würde “Verhalte dich mal nicht”, wird es auch schwierig, weil das mit dem nicht-verhalten nämlich auch nicht geht und das mit dem Profitmodell, glaube ich, liegt auch auf der Hand. Entweder habe ich ein Profitmodell, was funktioniert und dann existiere ich als Organisation oder ich habe halt keins und dann werde ich relativ schnell als Organisationen nicht mehr existieren, ganz einfach. Und von daher, glaube ich, wenn man es jetzt rein mathematisch betrachtet, kann man eben sagen, ich habe immer eine Kultur, die mag zwar nicht ganz einfach sein, um es mal vorsichtig auszudrücken und vielleicht für das, was ich da tun will, verändern will, ein Hindernis, da schließt sich dann vielleicht der Kreis wieder auf die etablierten Organisationen und deren Transformation, aber ich komm nicht darum rum, es zu haben, oder?

Alexander Burghard: Ja, genau. Also eine Kultur ist immer vorhanden, es ist tatsächlich die Frage, ist es die Kultur, die ich möchte und die mir hilft oder ist es eine Kultur, die sich bis dahin entwickelt hat und mir jetzt vielleicht sogar ein Stück weit auch im Weg steht. Und dann ist die Frage, wie kann ich da ran, was kann man daran verändern und anpassen? Also ein oder zwei Dinge fallen mir da auch ein, Richtung Toyota Production System, diese Zellen, die sich ja entwickeln, die auch bestenfalls immer rechtsläufig sind, ist ja auch eine Veränderung des Prozesses gewesen in Form von, wir haben einzelne Abteilungen und dieses Produkt wird von einer Abteilung zur nächsten gefahren, hin zu, was ist denn tatsächlich unser Produkt und wie können wir das in einem möglichst zirkulären Prozess einmal durch seine Zelle bewegen und am Ende ist unser Produkt in den Händen des Kunden. Und was mir auch noch einfällt …

Götz Müller: Ja, dieser Flussgedanke eben.

Alexander Burghard: Genau. Genau dieser Flussgedanke. Was brauchen wir alles, um tatsächlich dieses eine Produkt an den Kunden an der Stelle zu bringen und wie können wir Wegzeiten und Kommunikationszeiten möglichst reduzieren und Teamwork an der Stelle stärken und in diesen Zellen ist ja auch der Gedanke von Teamwork einer, der sehr wichtig ist, dass wenn noch einmal ein Problem auftritt, alle an diesem Problem arbeiten oder wenn ein Mitarbeiter kurzfristig ausfällt, dass dann nicht diese komplette Zelle zum Stehen kommt, sondern man trotzdem für eine gewisse Zeit oder temporär diese Situation überbrücken kann. Und ein Thema ist mir auch die letzten zwei Wochen über den Weg gelaufen, dass es auch relativ gut beschreibt. Es gibt bei Toyota, die Beschreibung eines Obeya, also eines großen Raumes, um alle Entscheider zusammen zu bekommen, um Produktentwicklung zu gestalten. Der erste Obeya kam ja mit dem Toyota Prius in den 90er-Jahren, der es dann eben den Projektleiter ermöglicht hat, alle Spezialisten tatsächlich in einem Raum mit allen notwendigen strategischen Informationen an den Wänden sichtbar kommunizieren zu lassen und so, dass es tatsächlich für das Produkt förderlich ist und nicht für den einzelnen Spezialisten oder für die einzelnen Abteilung. Also auch da hat man eine Änderung des Prozesses vorgenommen, um tatsächlich eine Teamwork-Kultur entstehen zu lassen und somit dann auch dem Toyota Prius in sehr, sehr, sehr kurzer Zeit von einem Prototypen hin zum Massenprodukt hin zum Verkauf auf Amerikas Straßen zu bekommen und Japans Straßen zu bekommen. Deswegen, eine Kultur finden wir immer vor. Es ist nur die Frage, ist es die, die wir haben wollen und die wir brauchen und falls es die nicht ist, ist die Frage ok, wie können wir das verändern und meine Antwort auf ist: Achtet auf Prozesse und auf das Profitmodell und schaut, was ihr da daran verändern könnt, um die Kultur dadurch zu wenden.

Götz Müller: Mhm. Gut. Jetzt, wenn wir wieder den Bogen auf die Transformation schlagen, gibt es natürlich immer Gründe, warum ich überhaupt so etwas wie eine Transformation, ja, ich sage es mal ganz neutral, in den Raum stelle und ein gewisses, vielleicht in einem einzelnen Kopf, ein gewisses Bewusstsein oder ein gewisser, vielleicht am Anfang auch nur ein Gefühl entsteht “Hey, wir müssten was verändern” und schon diese Aussage, glaube ich, impliziert ja, dass man in irgendeiner Form unzufrieden ist mit dem, wo ich jetzt gerade bin, weil wenn das perfekt wäre, müsste ich es ja nicht verändern und in dem Augenblick, wo ich etwas verändern will, kommt natürlich so ein, finde ich, relativ zentraler Aspekt hinzu, so etwas wie Motivation und da gibt es ja im Grunde auch nur zwei, nämlich einmal das “Ich will weg von dem, wo ich jetzt gerade bin” oder “Ich will irgendwo anders hin” oder irgendein Mix daraus, aber mehr gibt es im Grunde nicht und das war dann so in der Vorbereitung der Gedanke, und auch ein bisschen aus deinem Vortrag eben mitgenommen: Gibt es Unterschiede an Motivationen in etablierten Organisationen, vielleicht wieder im Kontrast zum Extrem, zum Startup?

Alexander Burghard: In etablierten Organisationen finden wir sehr häufig Rollen, die letzten Endes, in Anführungszeichen, nur Ideen produzieren, aber nicht direkt für das Ergebnis verantwortlich sind. Im Startup ist es ja häufig so, dass alle, die dort mitarbeiten, tatsächlich auch direkt die Auswirkungen spüren ihres eigenen Handelns und des Handelns des Teams, während in etablierten Organisation, wo es viele Mitarbeiter gibt, es Kategorisierungen gibt, wo es Prozesse gibt, braucht es auch häufig, wächst auch die Anzahl an Personen, die lediglich Ideen in die Organisation einbringen, ohne dass sie tatsächlich mit dem Ergebnis in direktem Kontakt stehen. Und diese Personen haben auch häufig die Tendenz dazu, entweder Ideen zu generieren oder Ideen zu platzieren, die entweder generelle Akzeptanz finden, also, das zu platzieren, was jeder hören möchte oder das zu platzieren, was ein Kollege oder eine Kollegin, auch für gut empfindet und man deswegen auch den Blick darauf hat, dass es so richtig sein muss. Und in dem Zusammenhang, wir haben jetzt zentralisierte Prozesse in etablierten Organisationen, kann das eben dazu führen, dass dort Entscheidungen oder Ideen geboren werden, die tatsächlich bei denjenigen, die das alles umsetzen müssen, also das Produkt liefern, nicht förderlich sind, sondern eher an der Stelle hinderlich sind, aber wir akzeptieren das in etablierten Organisationen, also das ist etwas, was wir sehr, sehr häufig sehen, diese Rollen, diese auch wachsenden Anzahl an solchen Rollen.

Götz Müller: Ja, und ich glaube, das ist auch gleichzeitig und auch da habe ich schon wieder die nächste Kerbe in meinen Lean-gleich-agil-Stock gemacht, um es mal so auszudrücken, weil genau das gleiche Thema habe ich im Lean-Kontext auch, dass halt vielleicht ein, in Anführungszeichen, so sogenannter Lean Manager ums Eck kommt und sagt “Ja, hier muss man etwas verändern.”, wo natürlich keiner Hurra schreit.

Alexander Burghard: Genau, genau.

Götz Müller: Egal, wie etabliert ich bin.

Alexander Burghard: Genau, genau. Und was ich auch festgestellt habe, die Situation ist, es gibt immer tatsächlich zwei Tendenzen, die eine Tendenz ist, die Personen kämpfen für etwas, kämpfen für eine Änderung, oder sie kämpfen gegen diese Veränderungen. Und die Frage, die sich mir mehr gestellt hat, ist: Was davon ist hilfreich? Und nachdem ich ein bisschen darüber nachgedacht habe, hatte ich das Gefühl, dass irgendwie keines von beidem hilfreich ist. Warum? Einfach aus dem aus dem Punkt, der Kampf gegen etwas verhindert die Veränderung zum Guten und der Kampf für etwas kann dazu führen, insbesondere wenn es von Rollen kommt, die tatsächlich nur Ideen produzieren und oder mit auf den Weg geben, dass eben zentrale Entscheidungen wieder entstehen. Also dass nicht die Entscheidungen dort hinkommen und dorthin gelangen, wo tatsächlich auch die Auswirkungen zu spüren sind, sondern wir einfach ein zentralisiertes System durch ein neues zentralisiertes System ablösen und einfach nur die Autorität oder die Rolle, die autoritäre Rolle sich verschiebt und diese Gefahr sehe ich sich sehr, sehr intensiv bei beiden, also sowohl beim Kampf für etwas Neues als auch beim Kampf gegen etwas Neues und was ganz viele Organisationen machen als etablierte Organisation, sie kämpfen erst gegen etwas, gegen die Veränderung bis sie spüren, dass es nicht mehr funktioniert und dann kämpfen sie für etwas, also letzten Endes eine Verdoppelung der Situation, also zuerst es von sich wegschieben und danach erst versuchen, mit Nachdruck umzusetzen, was aber häufig eben auch dazu führt, dass dann am Ende zuerst nur Zeit verloren wird und danach ein zentraler Prozess durch einen neuen zentralen Prozess, eine autoritäre Rolle mit einer neuen, autoritären Rolle einfach ausgetauscht wird und man tatsächlich nicht diese Veränderung herbeiführt, die man sich erhofft hat und benötigt.

Götz Müller: Ja, und diese beiden, wieder in beiden Bereichen originären Charakteristiken, einmal im Lean-Kontext, dass ich die Menschen vor Ort, die in dem Prozess arbeiten, halt in die Veränderungen, Verbesserungen mit einbeziehe und im agilen Umfeld, du hast Teams genannt, habe ich natürlich genau die gleiche Situation, dass es nichts bringt, wenn ich das irgendwo von außen da überstülpen will, weil das an sich dann schon ganz, ganz oft wieder Widerstand auslöst.

Alexander Burghard: Ja, ja genau und weil tatsächlich auch den Personen und den Rollen nicht geholfen wird, die tatsächlich die Auswirkungen des Handelns spüren und das ist tatsächlich etwas, was auch in etablierten Organisationen ein großes Hindernis ist, auch wenn man wohlwollend dafür kämpft, muss man trotzdem immer auch den Blick darauf haben, ob man nicht das einfach ersetzt, was man schon hat in der etablierten Organisation durch einfach nur eine neue Begrifflichkeit und das ist schnell passiert.

Götz Müller: Gut. Jetzt könnte man natürlich, wenn man es ein bisschen extrem betrachtet, könnte man sagen, das ist ein Catch-22, das heißt, ich komme aus der Nummer gar nicht raus. Jetzt würden wir uns nicht unterhalten darüber, wenn du nicht gewisse Erfahrungen gemacht hättest, dass man aus der Nummer, in Anführungszeichen, schon auch rauskommt, dass also auch etablierte Organisationen eben nicht dieser nur dieser große Tanker sind, der ein Stück weit dann aber auch, man könnte es, glaube ich, schon so ausdrücken, unter dem Fluch des Erfolgs leidet, weil sonst wäre er ja gar nicht so groß geworden, wenn nicht ein gewisser Erfolg dabei gewesen wäre. Das heißt, da jetzt eben ganz, ganz tief nachgebohrt von mir, was sind so deine Tipps, wie ich, wenn ich in einer etablierten Organisation unterwegs bin, wie ich da so etwas wie Transformation anstoße, um vielleicht wieder ein Stück weit, ich glaube, solche Sprüche gibt es auch, wieder zum Startup zu werden?

Alexander Burghard: Mhm. Du hast das sehr gut umschrieben, Götz. Also mein Vorgehen ist tatsächlich, und da lehne ich mich an die Aufgaben eines Scrum Masters an, aktiv nichts tun oder andersrum, nichts aktiv tun, also eine Umgebung schaffen, die eher so freie Marktbedingungen widerspiegelt. Was bedeutet freie Marktbedingungen? Was meine ich damit? Einfach gewährleisten, dass das beste Angebot oder dass die beste Umsetzung von den tatsächlich handelnden Personen einfach gewinnt und nicht durch die Bevorzugung oder Benachteiligung durch Dritte dieser Wettkampf verändert wird, also sprich was ich gerne nutze, ist tatsächlich auch, wenn es Teams sind, die in einer Organisation sind, zu schauen, was ist denn Wettbewerb innerhalb meiner Organisation oder was ist denn auch Wettbewerb außerhalb meiner Organisation? Woran kann ich mich orientieren? Und auch innerhalb der Organisation, auch bei den Leuten oder bei den Rollen, die diese Veränderung wirklich wollen, muss auch ein Verständnis dafür sich entwickeln, dass sie auch nicht immer eingreifen können oder nicht immer eingreifen sollten, sondern auch, wenn es nicht gut läuft bei dieser Veränderung, dass man das auch an der Schule mitnimmt und diese Erfahrung trägt. Warum? Weil es einfach auch ein Nebeneffekt hat. Wenn dieses eine Team zu sehr geschützt wird und es zum Beispiel auch gar nicht wirtschaftlich profitabel ist, dann steht das immer im Raum, dass diese Veränderung gar keine positive Veränderung ist, sondern einfach getragen wird von der aktuellen etablierten Organisation und dann wird diese gewünschte Veränderung durch den Kampf für die Veränderung innerhalb der etablierten Organisation eher an Geschwindigkeit und Unterstützung an der Stelle verlieren, weil alle anderen denken, dass ist auf ihrem eigenen Rücken und nicht, weil es tatsächlich eine eigene, positive Veränderung ist. Also, was mir jetzt tatsächlich ganz wichtig ist, dieses Verständnis für freie Marktbedingungen schaffen, im positiven wie auch im negativen Sinne, auch wenn das manchmal bedeutet, dass etwas ein wenig länger braucht, aber diese Erfahrungen sind, glaube ich, für die handelnden Personen und auch für die Organisation, für die etablierte Organisation essentiell, um eine Transformation durchleben zu können.

Götz Müller: Ja, und jetzt, wo du erzählt hast und schon bei dem Stichwort Scrum Master, kam mir eben in den Sinn, und da sehe ich die große Chance für uns Lean-Leute, uns etwas abzugucken, weil einerseits, wenn man jetzt so Elemente wie Toyota Kata, wie da drin die Coaching Kata, also dass die Führungskraft als Coach agiert, um Mitarbeiter zu entwickeln, also genau dieses aktiv sein, aber halt nicht aktiv da eingreifen, oder, ich weiß nicht mehr genau, wie du es ausgedrückt hast, aber ich fand es sehr treffend, da glaube ich jetzt aber, ja, das ist so ein Gedanke, der bei mir entsteht, im Grunde laufe ich zumindest eine latente Gefahr, die Führungskraft, ja schlichtweg zu überfordern, weil ihre Rolle ja, zumindest im herkömmlichen Sinne, und da schließt sich vielleicht der Kreis wieder zu den etablierten Organisationen, ja, eine andere Definition ursprünglich hatte, wie auch immer jetzt die im Detail aussieht, aber die Führungskraft, man spricht der schon, glaube ich, eben diese aktiven Elemente zu, dieses proaktiv ein Thema angehen, dieses Dinge beeinflussen, aktiv beeinflussen, eben anders wie ein Scrum Master, der schon mal nicht diese Vorgesetztenrolle hat, nicht unter diesem Hut sitzt und dementsprechend nicht darunter leidet.

Alexander Burghard: Ja, also Götz, du sprichst es wirklich direkt an, den Schmerzpunkt, dieses nichts aktiv tun, ist tatsächlich eine Schwierigkeit, auch vor allem für uns als Mensch, wenn wir trotzdem, in Anführungszeichen, begutachtet werden danach, was wir leisten oder welches Ergebnis am Ende dabei rauskommt, und dann ist jeder in der Situation, wenn er merkt, dass etwas nicht so läuft, wie er es jetzt erwartet hat, oder wie es die Organisation erwartet, dass man aktiv in die Situation eingreift, entweder unterstützt oder anderweitig und das führt aber genau zu dem Effekt, den wir eigentlich nicht haben wollen, also dieses aktiv nichts tun oder nichts aktiv tun, ist tatsächlich etwas, was uns Menschen, einfach aus dem Naturell heraus, unglaublich schwer fällt und das einzige, was mir da einfällt, wie man tatsächlich damit umgehen kann, ist, es einmal erleben, welche Auswirkungen es hat, insbesondere die positiven Auswirkungen, wenn ich zwar in Anführungszeichen unterstütze, aber nicht aktiv eingreife. Es fühlt sich eben erstmal sicherlich sehr, sehr ungewohnt an und natürlich kann dann die Frage aufkommen, was tue ich hier eigentlich oder warum bin ich eigentlich hier? Und dagegen hilft tatsächlich nur die positive Erfahrung, es einmal zu erleben, mit einem Team oder in seinem Umfeld, welche positiven Effekte hat es, wenn ich zum Beispiel ein agiles Team mit agilen Vorgehensweisen sich selbst organisieren lasse und auch zu einem autonomen Team gestalten kann. Weil dieses nichts aktiv tun, ist tatsächlich eines der schwierigsten Dinge für uns Menschen, glaube ich.

Götz Müller: Ja, und speziell, wenn ich halt Führungskraft bin und in der Regel, so ist auch meine persönliche Erfahrung, ich werde zur Führungskraft, weil ich an bestimmten Stellen aktiver bin wie an anderen Stellen oder wie andere Menschen, deshalb differenziere ich mich und deshalb werde ich zur Führungskraft und dann muss ich plötzlich Sachen loslassen, nicht mehr tun, die mich dorthin gebracht haben, wo ich jetzt bin, nämlich zur Führungskraft gemacht haben und das finde ich, wenn ich jetzt nochmal auf die agile Welt schaue, das finde ich, das Coole, das Spannende, dass dieses Element praktisch zu, ja, aktiv zu etablieren in Form des Scrum Masters, dem diesen etwas anderen Hut aufzusetzen, ihm diese, nicht diese Last, glaube ich, kann man fast schon sagen, der Führungsrolle mitzugeben.

Alexander Burghard: Ja. Aber andererseits sehen wir auch tatsächlich ganz, ganz viele Personen, Persönlichkeiten, die relativ neu oder jung in der Rolle des Scrum Masters sind, dass sie die Tendenz tatsächlich dazu entwickeln, vor allem am Anfang, gerne aktiv einzugreifen, weil es eben etwas ganz Natürliches ist, was wir uns antrainieren, uns durch Selbstdisziplin aneignen müssen und wie du gesagt hast, das ist auch etwas, was man dann auf Management-Ebene immer wieder entdeckt und, ja, genau, diese Personen oder Persönlichkeiten sind ja in diese Rolle gekommen, weil sie etwas besonders gemacht haben und häufig war es eben ein aktiv sein an besonderen Stellen und jetzt wird etwas, in Anführungszeichen, etwas anderes gefordert, um auch eine kulturelle Veränderung herbeizuführen. Und was dann häufig spannend ist, ist die Frage: Okay, wenn ich jetzt nicht mehr aktiv tun soll, was soll ich denn dann machen? Und was eigentlich entscheidend ist, ist nicht dieses aktiv eingreifen, sondern was viel entscheidender ist, für agile Vorgehensweisen, ist den Rahmen, den Raum schaffen, dass sie auch durch nicht aktives Eingreifen, dem Team die Möglichkeit schaffen, sich Feedback zu holen, sowohl positiv als auch negativ, um eine kontinuierliche Überprüfung, ganz natürliche Überprüfung vonstatten gehen zu lassen und zu schauen, okay, ist diese agile Transformation, sind diese agilen Teams und Vorgehensweisen in der richtigen Richtung unterwegs oder sind wir an der einen oder anderen Stelle vielleicht nicht profitabel oder funktioniert das nicht so gut und müssen dann mit diesem negativen Feedback, was wir bekommen, eine neuen Veränderungen herbeiführen. Also am Ende geht es darum, für das Management auch, sich mehr mit dem Umfeld, mehr mit der Umgebung zu beschäftigen und wieder mit Blick auf freie Marktbedingungen schaffen für die Teams, die sich darin aufhalten, zu vermeiden, dass einzelne Teams, einzelne Produkte zu sehr subventioniert werden oder zu sehr geschützt werden und auch zu schauen, dass Produkte, die nicht rentabel sind, unnötig am Leben gehalten werden, aber auch zuschauen, was sind, wo gibt es Produkte oder Bewegungen, die eigentlich hilfreich wären, aber unterbunden werden. Und das heißt, das Management in der Situation, in der Rolle müsste sich einfach mehr und mit der Umgebung dann auseinandersetzen als mit ihrem aktiven Beitrag unterstützen zu dem einzelnen Produkt oder zu dem einzelnen Mitarbeiter.

Götz Müller: Ja, ja und was man sich wieder klarmachen muss, man muss es ja nicht als Fehlschlag definieren, sondern es ist halt einfach ein Lernen daraus und wenn man jetzt an der Stelle, ich meine, da könnten wir wieder noch eine ganz eigene Episode dazu machen, so das aktuelle Thema, was in meiner Wahrnehmung gerade sehr präsent ist, Fachkräftemangel oder Arbeitskräftemangel, wo ja darüber diskutiert wird, Wochenarbeitszeit erhöhen und so weiter, Lebensarbeitszeit erhöhen, 70 Jahre, habe ich jetzt vor kurzem vor ein paar Tagen im Raum irgendwo stehen sehen, das heißt, es muss ja im Grunde keine Angst haben, dass er jetzt überflüssig wird, sondern man hat dann die Chance, in einer anderen Stelle viel wertschöpfender einzusetzen, eben für ein Produkt, das dann die entsprechende Resonanz am Markt erzeugt, aber ich muss mich halt davon lösen, ein Stück weit vielleicht auch mein Ego einfach von dem Produkt lösen, was natürlich eine brutal schwierige Sache ist?

Alexander Burghard: Ja, ja, absolut. Also ich stimme dir zu und dieses davon lösen ist tatsächlich auch etwas sehr persönliches. Häufig hängt man an Dingen, die man eigentlich gar nicht mag, aber einfach nur aus Gewohnheit oder aus der Ungewissheit, was dann anstelle dessen eintreten kann. Es geht ganz stark auch, genau, im Management-Umfeld dann auch darum, sich damit zu beschäftigen und diese Ungewissheit oder diese, ein Stück weit, Angst vor der Ungewissheit einfach zu nehmen und Raum auch wieder zu schaffen und positive Entwicklungen zu zeigen. Und da fällt mir auch wieder ein und das ist zum Beispiel auch ein wichtiges Thema in agilen Teams, dass, wenn ein Team unterwegs ist und es einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin in dem Team gibt, die nicht so wirklich an den Aufgaben mitarbeitet oder an der Produktentwicklung involviert ist, dann hat man häufig, dass das Team das auch spürt, und das ist der Moment, wo im Management dann häufig kommt “Wir müssen diese Person pushen, diese Person muss mehr leisten, wir müssen mehr drauf achten, dass diese Person mehr im Team mitarbeitet.”, das hat die Tendenz dazu, dieses Aktivsein, hat die Tendenz zum Mikromanagement, also Überwachung und sehr kleinliches Zusammenarbeiten mit dem einzelnen Mitarbeiter, dass er die richtigen Schritte ausübt. Was wir tatsächlich bevorzugen in agilen Vorgehensweisen, bei agilen Teams ist genau das Gegenteil, sondern tatsächlich einfach den Raum aufzumachen, zum Beispiel mit der Info, mit einer Beobachtung: “Es scheint, als wäre dies und jenes bei euch im Team irgendwie nicht so funktional, als würdet ihr dieses Ergebnis nicht gemeinsam verfolgen.” Und dann auch offenzulegen, dass es eine persönliche Sicht ist von dem, der das anspricht, in Form von, die Erfahrungen, die ich gemacht habe, waren häufig, zum Beispiel im Fußball und im Mannschaftssport, wenn da jemand zurückkam, ins Team, wegen Verletzung oder anderen Dinge, dass er vielleicht gar nicht gewusst hat, wie er sich mehr ins Team einfügen sollte, sich vielleicht auch gar nicht wohl im Team gefühlt hat, das Team aber gar nichts davon mitbekommen hat, das Team für sich intakt war. Das heißt, das war ein Problem für diese einzelne Person. Die zweite Situation, die zum Tragen kommt, ist, diese eine Person fühlt sich am richtigen Ort und an der richtigen Stelle, aber das Team weiß nicht wirklich, was es mit diesem Mitspieler machen soll im Mannschaftssport, das heißt, da ist es ein Problem eigentlich aus Sicht der Mannschaft heraus und dann ist die Frage, wie kann die Mannschaft ihn tatsächlich so mit einbinden, dass es auch hilfreich für die Mannschaft ist? Und es gibt eine dritte Option, dass diese einzelne Person unglücklich ist und diese Mannschaft unglücklich ist. Und diese Situation kann man auch einfach beschreiben mit einem Wort: Missverständnis. Für beide Seiten. Und wenn man jetzt ein Management hat, das sehr aktiv ist in dem, was es tut und dazu verleitet, dass diese einzelne Personen mit Mikromanagement dazu befohlen wird, für das Team etwas zu tun, was das Team gar nicht weiß, wie es ihnen helfen soll, verschlimmbessern wir die Sache in dem Moment. Und was wir tatsächlich auch machen, ist dieses nicht aktiv sein aufgreifen, eben durch diese richtige Fragestellung mit dem transparent machen, welche drei Situationen können denn dazu eintreten, dass das offenbart wird, wie gerade zusammengearbeitet wird, man kann einfach offen darüber reden, was dann Lösungswege wären und nicht nur einen Lösungsweg aufmachen, sondern drei Lösungswege. Situation 1: zu schauen mit der Person, wie können wir dich wieder näher ans Team heranführen? Situation 2: mit dem Team klären, wie könnt ihr denn gut jetzt mit der Personen wieder zusammenarbeiten? Und Lösungsweg für Situationen 3 ist, wir sollten uns auflösen, wenn sich die eine Person nicht wohl fühlt in dem Team und das Team nicht weiß, wie es mit der einen Person umgehen soll und auch gar nicht davon beeinträchtigt wird, wenn diese Person nicht da ist, dann ist es der Moment, diese Situation aufzulösen und das ist auch die Verantwortung in dieser Situation im agilen Kontext für das Management sich damit zu beschäftigen, sich mit dieser Person zu beschäftigen und zu schauen, wo kann diese Person ihre Fähigkeiten und ihre Persönlichkeit besser einbringen in einem anderen Team, in einem anderen Umfeld, sodass einfach auch die Organisation mehr davon profitieren können.

Götz Müller: Ja, ich finde das eine sehr schöne Metapher. Wenn man sich jetzt mal das, nehmen wir mal Fußball als einen Mannschaftssport, da käme ja mal, von Spielertrainern mal abgesehen und selbst da ist es nicht so, käme ja kein Trainer, Coach auf die Idee, jetzt zu dem einen, der da vielleicht das Problem hat, um mal diesen Aspekt herauszugreifen, jetzt neben den aufs Feld zu rennen und dem so ein Fuß vor den anderen zu setzen, so nach dem Motto “Jetzt lauf halt mal so” oder “jetzt mal den Fuß strecken und vielleicht halt den Kopf nach da oben, weil da der Ball vielleicht kommt” und im betrieblich- unternehmerischen Kontext versuchen wir, im übertragenen Sinne, aber so etwas ständig, das ist so mein Gefühl, oder?

Alexander Burghard: Ja, genau, genau. Also das ist tatsächlich auch das, was die Konfliktsituation, die aus meinem sportlichen Erlebnissen und meinen beruflichen Erlebnissen aufeinandertreffen.

Götz Müller: Ja und wenn man sich mal das so gegenüberstellt, dann könnte man fast so weit gehen, im Sport wäre es völlig absurd, warum macht man so etwas Absurdes dann in einem Unternehmen?

Alexander Burghard: Ja, genau, genau. Das ist tatsächlich die Frage, warum nimmt sich ein Unternehmen den Luxus, eben sich damit zu beschäftigen und solche Rahmenbedingungen zu stecken, die überhaupt nicht förderlich sind?

Götz Müller: Ja. Sehr spannend. Also das, diese Metapher, ich bin großer Fan von Metaphern, glaube ich, passt universell auch wieder, egal, ob ich jetzt da agil drüber schreibe oder ob ich lean drüber schreibe oder ob ich irgendwas anderes drüber schreibe und sich dann mal selber immer wieder so einen Spiegel einer Metapher vors Gesicht zu halten und mal zu überlegen, was machen wir denn da und das finde ich dann spannend eben, diese Rolle des Spiegelvorhalten als Führungsrolle, als Teil der Führungsrolle, zu definieren, und dann muss ich mich nämlich nicht mehr als Führungskraft definieren, dass ich halt jemand anderes sage, wie er die Füße voneinander setzt, sondern dass ich eben von der Seitenlinie das Spiel beobachte, einen Spiegel vorhalte, inklusive mir selber, und auf die Weise Einfluss nehme und das ist im Grunde ja das, was Führung ist, Einfluss nehmen.

Alexander Burghard: Ja, richtig. Einfluss nehmen und in unserem Fall, in agilen Vorgehensweisen, durch nichts aktiv tun, also nicht aktiv eingreifen, sondern sich tatsächlich Gedanken machen, welche Umgebung braucht das tatsächlich, um Feedback zu generieren, um eine positive Entwicklung, auch ohne aktives Eingreifen, zu ermöglichen, weil diese aktive Eingreifen häufig mehr negatives Seiteneffekte hat als wir im ersten Moment tatsächlich sehen und wird diesen negativen Seiteneffekten einfach auch dadurch aus dem Weg gehen können, indem wir uns Selbstdisziplin und nichts aktiv tun üben an der Stelle.

Götz Müller: Ja, sehr spannend. Die Unterhaltung hat jetzt Elemente gehabt, die ich mir vorher so hätte nicht vorstellen können, die sich aber absolut gelohnt haben, dass ich dich angesprochen habe und deshalb danke ich dir, Alexander, für deine Zeit.

Alexander Burghard: Götz, herzlichen Dank für die Einladung nochmal, es hat mir unglaublich viel Spaß gemacht und ich hoffe den Zuhörern auch und ich hoffe, wir sehen und hören uns bald mal wieder.

Götz Müller: Das war die heutige Episode im Gespräch mit Alexander Burkard zum Thema Transformation in etablierten Organisationen. Notizen und Links zur Episode finden Sie auf meiner Website unter dem Stichwort 298.

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Ich bin Götz Müller und das war Kaizen to go. Vielen Dank fürs Zuhören und Ihr Interesse. Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit bis zur nächsten Episode. Und denken Sie immer daran, bei allem was Sie tun oder lassen, das Leben ist viel zu kurz, um es mit Verschwendung zu verbringen.

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